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Übergreifende Leitbilder, Strategien und Konzepte

Im Dokument Steuerbare urbane Stoffströme - (Seite 51-55)

1 Hintergrund und Problemstellung

1.3 Übergreifende Leitbilder, Strategien und Konzepte

Die Bewertung von verschiedenen städtebaulichen Entwicklungen bedarf einer inhaltlichen Klammer, d.h. eines definierten Referenzrahmens, wofür Leitbilder, Strategien und

übergreifende Konzepte wichtig sind. Nachfolgend werden einige ausgewählte Leitbilder bzw.

Prinzipien der Stadtplanung und Stadtentwicklung aufgeführt, die direkte oder indirekte Einflüsse auf die Inanspruchnahme natürlicher Ressourcen besitzen.

„Leipzig Charta“: Die Leipzig Charta aus dem Jahr 2007 verfolgt das Leitbild der nachhaltigen Europäischen Stadt. In der Charta wird eine stärker integrierte Stadtentwicklungspolitik empfohlen, weshalb ganzheitliche Strategien und ein abgestimmtes Handeln der

Stadtentwicklungsakteure notwendig sind (BMUB 2007). Festgehalten wird, dass eine kompakte und nutzungsgemischte Siedlungsstruktur Grundlage für die effiziente und nachhaltige Nutzung von Ressourcen ist. Die Stadt- und Regionalplanung kann dazu beitragen, indem die Zersiedlung des städtischen Umlandes reduziert bzw. verhindert wird. Für eine nachhaltige Ver- und

Entsorgungsinfrastruktur ist Energieeffizienz und ein sparsamer Umgang mit natürlichen Ressourcen notwendig (Ebenda).

Am 30. November 2020 wurde eine neue Leipzig Charta verabschiedet. In dem Leitbild „Neue Leipzig Charta – die transformative Kraft der Städte“ werden Handlungsdimensionen und Schlüsselprinzipien einer guten Stadtpolitik aufgeführt. Bereits in der Präambel wird neben dem Klimawandel auf knapper werden Ressourcen verwiesen (EU 2020). Eine der drei

Handlungsdimensionen ist die „Grüne Stadt“, wobei die Transformation der Stadt mit der Einführung der Kreislaufwirtschaft zum Schutz der natürlichen Ressourcen thematisiert wird, siehe: „The transformation……. fundamental changes to production and consumption, allowing for the establishment of a circular economy which redefines and ensures a sustainable use of resources, while significantly reducing waste and carbon emissions“ (EU 2020: 4).

„Stadt der kurzen Wege“: Durch die Entwicklung von kompakten, durchmischten Städten soll das Verkehrsaufkommen verringert, die Biodiversität erhöht und natürliche Ressourcen eingespart werden (Beckmann et al. 2011). Im Fokus stehen dabei die Wohnraumverdichtung und die Multifunktionalität der Räume. Mit dem Leitkonzept soll auch die Flächenneuinan-spruchnahme reduziert werden (Ebenda).

„Innenentwicklung vor Außenentwicklung“: Bei dem Leitbild geht es vor allem darum, die Innenentwicklung in Städten und Gemeinden voranzutreiben (Reiß-Schmidt 2008).

Infrastrukturen können effizient genutzt werden, städtische Dichte erhalten und die Wohn- und Lebensqualität verbessert werden. Zudem wird ein schonender Umgang mit Boden und Fläche angestrebt (siehe auch Stadt der kurzen Wege).

„Flächenkreislaufwirtschaft“: Die Flächenkreislaufwirtschaft ist ein zentraler Strategieansatz, der darauf abzielt Potenziale der Bestandsentwicklung und der Wiedernutzung von

Brachflächen auszuschöpfen (Preuß et. al. 2011). Die Innenentwicklung u.a. durch

Brachflächenrevitalisierung, Dichteerhöhung sowie Baulücken- und Mehrfachnutzungen steht hierbei im Mittelpunkt. Die Nutzungsphilosophie der Flächenkreislaufwirtschaft Vermeiden – Verwerten – Ausgleichen!“ (Ebenda).

„Nutzungsmischung“: Nutzungsmischung in der Stadt steht für eine urbane und lebendige Stadt mit kompakten Strukturen und kurzen Wegen zur Verkehrsvermeidung (BBR 2000). Es wird zwischen großräumiger und kleinräumiger Nutzungsmischung unterschieden. Die eine bezieht sich auf einen Stadtteil bzw. ein Quartier, die kleinräumige Nutzungsmischung auf einen Block, Straßenabschnitt oder Quartiersabschnitt (siehe auch Stadt der kurzen Wege).

„Nachhaltiges Bauen“: Das nachhaltige Bauen berücksichtigt die Prinzipien der nachhaltigen Entwicklung bei Bauaktivitäten. Der Lebenszyklus von Gebäuden wird als integraler Bestandteil von Planungs- und Entscheidungsprozessen betrachtet. Ziel ist die Entwicklung von

nachhaltigen, energie- und ressourcensparenden Gebäuden und Quartieren (BMI 2019).

„Klimaneutrale Stadt“: Ziel ist die Reduktion der Treibhausgasemissionen auf Ebene der Stadt (Netto-Null-Emissionen (bilanziell)). Handlungsfelder in der Planung sind vor allem Wärme- und Stromversorgung, Mobilität und Materialität. Eine allgemeingültige Definition liegt aktuell nicht vor (Energieagentur NRW 2020).

„Umbaukultur und Bestandsentwicklung“: Natürliche Ressourcen werden eingespart, indem vorhandene Bauten und Infrastrukturen genutzt werden. Lebenszyklen werden verlängert. Zu nennen sind Maßnahmen wie Anbau, Lückenschließung, Aufstockung, Ersatzneubau,

Umnutzung und Brachflächenbebauung (Michalski et al. 2019).

„Flexibles Bauen“: Die Nutzungsansprüche von Gebäuden ändern sich im Lauf der Zeit.

Gebäude können unterschiedliche Nutzungsphasen durchlaufen indem sie flexibel genutzt werden (Schlüter 2006). Auch mit Blick auf die Demografie sollten Gebäude flexibel nutzbar sein, indem eine bauliche Anpassung möglich ist.

„Cradle to Cradle“: Von der Wiege zur Wiege ist ein Konzept, in dem Materialien und

Nährstoffen in Kreisläufen unendlich zirkulieren (EPEA 2020). So wird die Recyclingfähigkeit bereits während der Designphase eines Produkts berücksichtigt. Mögliche Abfälle fallen als Nährstoffe an. Die Natur wird als Vorbild genommen (Ebenda). Durch die Entwicklung von Kreisläufen kann der Rohstoffverknappung und dem Klimawandel entgegengewirkt werden (Özer 2020). Es wurden/werden seit einigen Jahren verschiedene Projekte nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip umgesetzt z.B.: Moringa Wohnhochhaus in Hamburg, Stadthaus in Venlo,

Ruhrkohle AG (RAG) Neubau in Essen, The cradle - Holzhybridhaus im Mediahafen Düsseldorf.

„Rückbau und Recycling“: Der Rückbau und das Recycling sind Voraussetzungen, um lineare Systeme (cradle to grave) zu zirkulär vernetzten Systemen zu transformieren (z.B. im Bereich von Baustoffen) (Weimann et al. 2013) (siehe auch cradle to cradle oben).11

„Circular Economy“: Die Circular Economy strebt eine ganzheitliche Betrachtung der

Lebensphasen von Produkten an. Die Circular Economy geht weit über die bisher in Deutschland praktizierte und oft linear ausgerichtete Kreislaufwirtschaft hinaus, denn sie strebt eine

ressourceneffiziente und nachhaltige Verwendung von natürlichen Rohstoffen, deren Weiter- und Wiederverwertung innerhalb eines Kreislaufsystems und die Vermeidung von Abfällen werden an (UBA 2020 b). In Abgrenzung zum Kreislaufwirtschaftsbegriff gemäß

Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) wird deshalb von „zirkulären Wirtschaften“ oder direkt von der EU-Circular Economy gesprochen (Ebenda). In der Circular Economy werden eingesetzte Ressourcen werden nach ihrer Nutzung als Ausgangsstoffe für neue Produkte, womit sie kontinuierlich in Produktkreisläufen zirkulieren können (EPEA 2020).

„Urban Mining": Die integrale Bewirtschaftung des anthropogenen Lagers (Technosphäre) mit dem Ziel, aus langlebigen Gütern sowie Ablagerungen Sekundärrohstoffe zu gewinnen (UBA Webpage 2016 a).

„Klimaresiliente Stadtplanung“: Zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit und zur Minderung von klimatischen Folgeschäden werden Städte so entwickelt, dass sich Wetter- und

Klimaextreme weniger stark auswirken. Insbesondere die Stadtplanung ist gefragt, da in Planungsprozessen die Möglichkeit besteht, den urbanen Raum möglichst resilient gegenüber klimatischen Auswirkungen zu gestalten (Verbücheln et al. 2017).

11 In der Stadt Zürich wurde mit der Ressourcenstrategie z.B. ein neuer Markt für Sekundärmaterialien geschaffen (Verbücheln et al.

2018).

„Faktor X“: Faktor X ist ein Konzept zur Dematerialisierung12. So wird die Ressourceneffizienz um den Faktor X erhöht z.B. wird beim Faktor 4 eine 75-prozentige Steigerung erzielt (UBA Webpage 2016b). Mit einem ganzheitlichen Ansatz werden Gebäude energie- und

ressourcensparend entwickelt und gebaut. Hierbei wird der Lebenszyklus des Gebäudes oder Quartiers betrachtet (Faktor X-Agentur 2020). Faktor X orientiert sich an folgende Indikatoren:

Treibhausgase, abiotische und biotische Rohstoffe mit ihren ökologischen Rucksäcken, nicht erneuerbare Primärenergie und der direkte Flächenverbrauch. Alternative Baustoffe wie Holz, Recyclingbeton oder natürliche Dämmstoffe werden eingesetzt, um Verbräuche zu reduzieren.

Im rheinischen Braunkohlerevier wurden bereits Projekte, zum Beispiel in den Kommunen Eschweiler und Inden, umgesetzt. Grundlagen zum Bauen mit Faktor-X wurden für Bauherren, Planer und Architekten in einem Bauhandbuch festgehalten (Ebenda).

„Städtebauliche Qualitäten“: Sie beschreiben verschiedene Kriterien wie etwa Funktion, Ökologie, Ökonomie und „Schönheit“. Attraktive Gebäude oder Stadtteile haben eine längere Nutzungs- und Lebensdauer, womit Energie und Ressourcen eingespart werden

(Bundestransferstelle Städtebaulicher Denkmalschutz und complan 2014).

Dies ist eine Auswahl an Leitbildern bzw. Prinzipien, die noch erweitert werden kann. Die aufgeführten Prinzipien und Ansätze sollten bei jeder baulichen Entwicklung von Flächen bzw.

der Entwicklung von Gebäuden mitgedacht und möglichst berücksichtigt werden. Bei der Siedlungsentwicklung sollten des Weiteren die Prinzipien der Effizienz, Suffizienz und Konsistenz gleichermaßen Beachtung finden (siehe mehr zu den Nachhaltigkeitsansätzen in den Fußnoten: 56, 57, 58 auf Seite 174). Ein alleiniger Fokus auf Effizienzansätze, wie in der Vergangenheit häufig praktiziert, ist nicht ausreichend, um die Herausforderungen einer

nachhaltigen Stadtentwicklung umfänglich zu adressieren. Die relevanten Akteure im Planungs- und Baubereich sollten stärker das notwendige und rechte Maß (Suffizienz), die Reduktion des Einsatzes von Energie und Material (Effizienz) und die Wahl nachhaltiger Materialien

(Konsistenz) gleichermaßen berücksichtigen (Aachener Stiftung Kathy Beys 2015). Gerade die Suffizienz ist ein Ansatz, der große Potenziale für eine nachhaltige Ausrichtung der

Stadtentwicklung besitzt. Diese Prinzipien sollten deshalb im Gesamtkontext der Stadtplanung unbedingt mitgedacht werden, denn die Planung hat auf die Umsetzung der in Betracht

kommenden Ansätze i.d.R. einen mittelbaren und unmittelbaren Einfluss.

12 Mittels Dematerialisierung werden Stoffströme reduziert, die einen hohen Material- und Energieverbrauch aufweisen.

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