• Keine Ergebnisse gefunden

4 Blick in die Theorie - Einflussanalyse sowie Stadtplanungsinstrumente und deren

4.3 Schnittstellenbetrachtung – Planungsinstrumente und urbane Stoffströme

4.3.1 Bauwesen

Nach Angaben von Destatis lag der Wohnungsbestand in Deutschland Ende 2019 bei 42,5 Mio.

Wohnungen (Destatis 2020d). In den letzten Jahren ist ein starkes Wachstum an neuem

Wohnraum zu verzeichnen, so wurden beispielsweise allein im Jahr 2018 277.400 Wohnungen gebaut. Seit 2010 wurden in Deutschland knapp 2 Mio. neue Wohnungen errichtet (Ebenda). Für den Bau von Wohnungen wie auch für die notwendige Infrastruktur werden Energie und

Materialien wie etwa Baustoffe eingesetzt, welche Einfluss auf die natürlichen Ressourcen haben. In den nächsten Jahren ist – auch vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie – weiter mit einem Wachstum der Wohnungsnachfrage zu rechnen. Der Immobilienverband

Deutschlands (IVD) erwartet zum Beispiel eine erhöhte Nachfrage nach Wohnraum in Städten mit einem breiten Arbeitsmarktangebot, dieser soll zwischen 150.000 bis 250.000

Wohneinheiten pro Jahr liegen (IVD 2020). Vor diesem Hintergrund ist auch in der Zukunft mit einem hohen Bedarf an Baustoffen und anderen Materialien zu rechnen. Hier besteht dringender Handlungsbedarf, um die Ressourceninanspruchnahme zu reduzieren.

Beispielsweise können durch die Nachverdichtung (z.B. Aufstockung, Umnutzung Verkehrsflächen) in Städten Wohnraum geschaffen werden und gleichzeitig Ressourcen eingespart werden, da beispielsweise vorhandene Infrastrukturen genutzt werden können.

Allein durch die Aufstockung von Gebäuden wird ein Wohnraumpotenzial von 1.1 Mio.

zusätzlichen Wohnungen gesehen (Michalski et al. 2019). In der nachfolgenden Textbox wird auf Aktivitäten zur Nachverdichtung in der Stadt Frankfurt am Main eingegangen.

Schaffung von Wohnraum durch Nachverdichtung in Frankfurt

In der Frankfurter Platensiedlung entstehen durch Nachverdichtung 680 neue Wohnungen. Neue

Stockwerke sind auf Bestandsgebäude in Modulbauweise entstanden. Strom- und Wasserleitungen wurden außen an der Fassade montiert. Das Projekt soll eine „Blaupause“ für andere Gebiete und Städte sein.

Bezahlbarer Wohnraum soll durch Nachverdichtung geschaffen werden (FAZ 2019). Durch Aufstocken von 19 Häusern um zwei Stockwerke in Holzbauweise konnten in der Platensiedlung bereits 380 Wohnungen geschaffen werden (Ebenda). Ebenso werden in Frankfurt Sachsenhausen 82 neue Wohnungen in der Fritz-Kissel-Siedlung durch die Aufstockung von 14 Gebäuden entwickelt. Die Aufstockung erfolgt auf Grund des geringen Gewichts in Holzbauweise, zudem erfüllen die Holzmodule den KfW-40-Standard (Die

Wohnungswirtschaft 2020a).

Insbesondere im Hinblick auf das anhaltende Wachstum der Städte und deren Ausbreitung ins Umland nimmt die Flächenneuinanspruchnahme eine entscheidende Rolle ein. Dabei hat Deutschland das Ziel, die Flächenneuinanspruchnahme für Siedlungs- und Verkehrsfläche von derzeit 56 ha täglich (Destatis 2020a) bis 2030 auf weniger als 30 ha pro Tag zu reduzieren (UBA Webpage 2017; Die Bundesregierung 2002; Die Bundesregierung 2016 b). Dieses Ziel ist nur zu erreichen, indem eine flächensparende Bauweise umgesetzt wird (Adrian et al. 2018).

Eine Flächenkreislaufwirtschaft ist anzustreben (BMBVB/BBSR 2007).

Zur Steigerung der Materialeffizienz können ressourcenschonende nachhaltige Baumaterialien verwendet werden. Sowohl Herstellung als auch Verarbeitung und die Möglichkeiten des Rückbaus sollten beachtet werden. Darunter zählen unter anderem nachwachsende Rohstoffe wie Holz, als auch rezyklierte Materialien wie Recycling-Beton (RC-Beton). Der Einsatz von Holz trägt neben dem Ressourcenschutz zum Klimaschutz und in einigen Fällen zur lokalen

Wertschöpfung bei. Im Bereich der Dämmstoffe sind Flachs, Hanf Holzwolle, etc. als nachwachsende Rohstoffe für eine ressourcenschonende Bauweise geeignet.

Neben den Baumaterialien und der Flächenneuinanspruchnahme wird auch der Stoffstrom Energie durch das Bauwesen beansprucht. Daher zählt neben der Materialeffizienz auch die Energieeffizienz zu den zentralen Handlungsfeldern einer ressourceneffizienten Baustruktur.

Im Hinblick auf die Energieeffizienz kann der Ansatz der energiegerechten Stadtentwicklung18, welches beispielsweise in München in den Stadtteilen Freiham und Neuaubingen erforscht und erprobt wurde, eine zentrale Rolle einnehmen (Landeshauptstadt München 2018 a). Dieses Leitbild umfasst Energieeffizienz- und Wärmedämmmaßnahmen am Gebäude, die

Energieversorgung bspw. über erneuerbare Energien oder KWK-Anlagen sowie die Optimierung des Energieverbrauchs von Gebäuden durch Gebäudestellung (Südorientierung, Besonnung/

Verschattung), Gebäudeform (A-V-Verhältnis) und Gestaltung (u.a. Fassadenmaterial und -farbe) (Landeshauptstadt München o. J.).

Der Energieverbrauch über die Nutzungsdauer eines Gebäudes wird durch Umsetzung der Energieeinsparverordnung geringer – auf der anderen Seite wird die Energie die für Herstellung und Abriss benötigt wird an Bedeutung gewinnen. Im Verhältnis wird vor allem die „graue Energie“ bei Gebäuden eine immer größere Rolle einnehmen.

Nachfolgend werden anhand schematischer Darstellungen die Ergebnisse der Schnittstellenanalyse im Bauwesen für folgende Themenfelder dargestellt:

18Die energiegerechte Stadtentwicklung verknüpft bauliche, städtebauliche, ökonomische und soziale Kriterien (Nationale Stadt Entwicklungspolitik ohne Datum).

1. Ressourcenleichte nachhaltige Baumaterialien, 2. Flächensparende Bauweise

3. Energieeffiziente Stadtentwicklung

Die nachfolgende Abbildung 35 zeigt die Schnittstellen zwischen den Instrumenten der Planung und dem Einsatz nachhaltiger Baumaterialien.

Abbildung 35: Bauwesen – Schnittstelle zwischen Instrumenten der Planung und Baumaterialien

Quelle: Eigene Darstellung, Difu

Die obige Abbildung zeigt nur wenige Möglichkeiten, mit denen die Planung auf Baumaterialien Einfluss nehmen kann. Die Verwendung ressourcenschonender und nachhaltiger

Baumaterialien können Kommunen bei Investitionen vorrangig durch Kriterien im Wettbewerbsverfahren und bei der Vergabe steuern. Möglich ist die Nutzung von Konzeptvergaben oder Grundstückskaufverträgen an Dritte, um Einfluss auf die Art der Baumaterialien zu nehmen. Beispielsweise wurde in München im Rahmen von Kaufverträgen die Nutzung von Holz in einem Quartier verbindlich vorgeschrieben, wobei ein Förderprogramm aufgelegt wurde, um Mehrkosten abzudecken (Landeshauptstadt München 2018 b). Des

Weiteren können Festsetzungen in der Gestaltungssatzung oder im nicht verbindlichen Gestaltungshandbuch aufgenommen werden.

In der nachfolgenden Abbildung 36 werden die Schnittstellen zwischen den Instrumenten der Planung und einer flächensparenden Bauweise aufgeführt.

Abbildung 36: Bauwesen – Schnittstelle zwischen Instrumenten der Planung und flächensparende Bauweise

Quelle: Eigene Darstellung, Difu

Wie die obige Abbildung aufzeigt, sind bei der baulichen Entwicklung große Einflussmöglichkeiten auf die Ressource Fläche abzuleiten. Zur Reduzierung der

Flächenneuinanspruchnahme zählen unter anderem die Entwicklung von Brachflächen, die Nutzung, Erweiterung und Instandsetzung bestehender Baustrukturen und Maßnahmen zur Nachverdichtung (Adrian et al. 2018). Auch über den B-Plan kann die bauliche Dichte und die Nutzungsmischung gut gesteuert und der Flächenverbrauch minimiert werden. Ebenso sind weitere Instrumente in der Lage, die flächensparende Bauweise zu fördern, dies sind

beispielsweise der Flächennutzungsplan, städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen oder städtebauliche Gebote. Im BauGB wird mit dem §13b "Beschleunigtes Verfahren" im Außenbereich dem Flächensparen entgegengewirkt. Kommunen können auf eine Umweltprüfung sowie auf jegliche Ausgleichsmaßnahmen verzichten. Es wird von Umweltverbänden wie auch dem UBA kritisiert (UBA Webpage 2017), dass überwiegend Gebiete für Ein- und Zweifamilienhäuser im ländlichen Raum geplant werden. Siehe auch das Hintergrundpapier zu diesem Projekt.

Die nachfolgende Abbildung 37 zeigt Schnittstellen zwischen den Instrumenten der Planung und einer energieeffizienten Stadtentwicklung.

Abbildung 37: Bauwesen – Schnittstelle zwischen Instrumenten der Planung und energieeffiziente Stadtplanung

Quelle: Eigene Darstellung, Difu

Abbildung 37 zeigt, dass die energiegerechte Stadtentwicklung mit verschiedensten Instrumenten umgesetzt werden kann. Vor allem mit der Aufstellung von B-Plänen hat die Stadtplanung einen guten Hebel in der Hand. Im B-Plan kann beispielsweise ein günstiges Verhältnis von Gebäudefläche zu beheizbarem Gebäudevolumen (A/V-Verhältnis) sowie eine zur energetischen Nutzung der Sonneneinstrahlung, möglichst günstige Stellung der Baukörper, festgelegt werden. Bauliche Dichte und Energieeffizienzmaßnahmen am Gebäude bewirken, dass die Energie optimal genutzt und Verluste reduziert werden können. Ebenso können im B-Plan Flächen für Anlagen zur Erzeugung von erneuerbaren Energien festgesetzt werden. Vor allem aber eignen sich kooperative Planungsinstrumente wie städtebauliche Verträge für die energiegerechte Stadtentwicklung, da die Kommune im Rahmen der vertraglichen

Handlungsmöglichkeiten beispielsweise die Nutzung von erneuerbaren Energien aushandeln kann.

Dieser Abschnitt zum städtischen Element Bauwesen zeigt deutlich, dass Maßnahmen zur Ressourceneffizienz unterschiedlich stark durch die Stadtplanung beeinflusst werden. Es ist erkennbar, dass die Instrumente der Planung (z.B. bei der Vergabe von Flächen) mit Blick auf die Nutzung ressourcenleichter Baumaterialien und somit der „grauen Energie“ limitiert sind - auch vor dem Hintergrund, dass die aufgeführten Instrumente nur unter bestimmten

Rahmenbedingungen eingesetzt werden (siehe hierzu mehr im Kapitel 5). Allerdings ist zu sehen, dass Stadtplanung und Stadtentwicklung gute Möglichkeiten zur Steuerung der Flächenneuinanspruchnahme und der energieeffizienten Entwicklung von Gebäuden und Quartieren haben.

Weitere Information zum Themenfeld Baustoffe sind in den UBA-Veröffentlichungen „Umwelt- und gesundheitsverträgliche Bauprodukte - Ratgeber für Architekten, Bauherren und Planer“

(UBA 2015b) oder „Weiterentwicklung von Kriterien zur Beurteilung des schadlosen und ordnungsgemäßen Einsatzes mineralischer Ersatzbaustoffe und Prüfung alternativer Wertevorschläge“ zu finden (Susset et al 2018).

Im Dokument Steuerbare urbane Stoffströme - (Seite 88-93)