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2 Der Sorgfaltsmaßstab nach österreichischem Recht

2.2 Rechtsfolgen bei Verstoß

2.2 Rechtsfolgen bei Verstoß

Wenn Vorstandsmitglieder jedoch ihre Obliegenheiten verletzen, sind sie gem. § 84 Abs 2 AktG der Gesellschaft gegenüber zum Ersatz des dadurch entstandenen Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet. Dies natürlich nach allgemeinen zivilrechtlichen Schadenersatzvorschriften.47 Da sich meine Arbeit auf den Sorgfaltsmaßstab und daraus folgende Rechtswidrigkeiten bezieht, werde ich auf die einzelnen Probleme von Schaden, Kausalität und Verschulden nur am Rande, in Verbindung mit den sich aus § 84 Abs 2 AktG ergebenden Beweislastregeln, eingehen. Zunächst ist allerdings zu klären, wer mögliche Ansprüche geltend machen kann.

2.2.1 Geltendmachung von Ansprüchen

Gemäß § 84 Abs 2 erster Satz ist ein Vorstandsmitglied, wenn es pflichtwidrig handelt, in erster Linie der Gesellschaft gegenüber verpflichtet.

Zur Geltendmachung dieser Schadenersatzansprüche ist bei einem Beschluss der Hauptversammlung gem § 97 Abs 1 AktG zunächst einmal der Aufsichtsrat befugt. Dies wird insbesondere dann schlagend werden, wenn das betroffene Vorstandsmitglied noch nicht aus der Gesellschaft ausgeschieden ist. Weiters ist, aufgrund seiner allgemeinen Vertretungsbefugnis, auch der Restvorstand kompetent, Ansprüche geltend zu machen, dies gilt vor allem dann, wenn das betroffene Vorstandsmitglied bereits abberufen wurde, dann nämlich ist der Restvorstand alleine zuständig. In aller Regel ist auch die Entscheidung des Restvorstands, ob nun Ersatzansprüche geltend gemacht werden oder nicht, eine Ermessensentscheidung, allerdings kann ihn die Hauptversammlung durch einen Beschluss mit einfacher Mehrheit gem § 122 AktG auch dazu verpflichten.48 Weiters können auch Minderheiten unabhängig von einem Mehrheitsbeschluss eine Durchsetzung des Anspruchs fordern:

• Zehn Prozent der Aktionäre, sofern die vorgeworfenen Ansprüche nicht offensichtlich unbegründet sind (§ 122 Abs 1 Satz 2 AktG).

47 vgl Nowotny in Doralt, Kommentar zum Aktiengesetz (2003), § 84; Strasser, Kommentar zum Aktiengesetz (2006), §84.

48 Pichler/Weninger, Aktienrecht (2002), 109.

• Fünf Prozent der Aktionäre, sofern es einen Prüfbericht gibt, aus dem sich Ansprüche gegen Vorstandsmitglieder ableiten lassen (§ 122 Abs 1 Satz 3 AktG).

Eine Schadenersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft tritt nicht ein, wenn das Verhalten des Vorstandsmitglieds auf einem gesetzmäßigen Hauptversammlungsbeschluss beruht.

Durch einen billigenden Beschluss des Aufsichtsrates wird eine mögliche Ersatzpflicht allerdings nicht ausgeschlossen.49

In zweiter Linie ist es auch Gläubigern der Aktiengesellschaft möglich gem § 84 Abs 5 AktG direkt auf den Vorstand zu greifen, sollten sie von der Gesellschaft selbst nicht befriedigt werden. Dies funktioniert, indem sie die Ansprüche der Gesellschaft „selbst im eigenen Namen geltend machen.“ Bei Pflichtverletzungen, die in § 84 Abs 3 AktG genannt sind, ist dies jedenfalls möglich, da diese Schutzgesetze iSd § 1311 ABGB darstellen, bei allen anderen nur unter der Voraussetzung, dass der Vorstand grob fahrlässig gehandelt hat. Im Falle einer Konkurseröffnung sind Forderungen der Aktiengesellschaft Teil der Masse und sind deshalb vom Masseverwalter geltend zu machen und nicht mehr von den Gesellschaftsgläubigern. Verletzt ein Vorstandsmitglied allerdings ein Schutzgesetz, was in diesem Fall insbesondere bei Konkursverschleppung bzw bei Unterlassung von Reorganisationsmaßnahmen der Fall sein wird, haftet der Vorstand den Gläubigern direkt für den aus der Zahlungsunfähigkeit resultierenden Schaden. Kridaträchtige Handlungen gem 159 Abs 5 StGB sind selbstverständlich ebenso haftungsbegründend.50

Daraus ergibt sich, dass auch Aktionäre einen Schaden direkt gegenüber dem pflichtwidrig handelnden Vorstandsmitglied geltend machen können, wenn das Vorstandsmitglied eine Schutznorm verletzt hat, die darauf abstellt, einen solchen Schadenseintritt zu verhindern.

Ein Beispiel für eine solche Schutznorm ist etwa § 255 AktG, der eine Haftung für die unrichtige Wiedergabe, Verschleierung oder das Verschweigen von Verhältnissen die Gesellschaft betreffend, vorsieht. Häufigster Anwendungsfall in der Praxis ist die Vorstandshaftung gegenüber den Aktionären für Schäden, die aus falschen oder verschwiegenen Informationen resultieren, etwa bei einem Gewinnverteilungsbeschluss

49 § 84 Abs 4 AktG; vgl weiters Thiele, Vorstand der Aktiengesellschaft, ecolex-Skript 2001/20.

50 Pichler/Weninger, Aktienrecht (2002), 109.

auf diesen Grundlagen. Keinen Anspruch begründen jedoch Behauptungen, wie: Der Vorstand hat grob fahrlässig meine Einlagen verwirtschaftet.51

Wenn es sich um Schäden im Wertverlust der Beteiligung handelt, ist deren Ersatz in das Gesellschaftsvermögen zu leisten. Das bedeutet, dass in diesem Fall Aktionäre keine Leistungen für sich selbst fordern können (sog „Doppel“ - oder Reflexschaden“).52

Einen weiteren wichtigen Haftungstatbestand enthalten die §§ 100 ff AktG. Diese verbieten „die Anstiftung eines Organmitgliedes zu gesellschaftsschädigenden Handlungen unter Ausnutzung von Einfluss auf die Gesellschaft und zum Zweck, für sich oder andere Personen gesellschaftsfremde Sondervorteile zu erlangen“. § 100 AktG enthält eine Haftung sowohl für den Anstifter (zum Beispiel für einen Aktionär) als auch für das Organmitglied, welches mit dieser Handlung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nach § 84 Abs 1 AktG nicht einhält.53

2.2.2 Die Beweislast

Zunächst sieht das Gesetz in § 84 Abs 2 Satz 2 AktG eine Beweislastumkehr zu Lasten des zum Schadenersatz herangezogenen Vorstandsmitglieds in Bezug auf Rechtswidrigkeit und Verschulden vor. Auch ohne § 84 Abs 2 Satz 2 AktG würde die Beweislastverteilung zwischen Vorstand und Gesellschaft nicht anders aussehen, da diese Norm nur einen Sonderfall des § 1299 ABGB darstellt54. Das bedeutet, der Vorstand muss beweisen, dass er mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters gehandelt hat.

Rechtswidrigkeit und Verschulden wird also angenommen.55 Die Gesellschaft hat wiederum zu beweisen, dass ein Schaden eingetreten ist, ebenso wie die adäquate Kausalität der schädigenden Vorstandshandlung.56 In neuerer Judikatur vertritt der OGH eine nicht unumstrittene Meinung, dass nämlich die klagende Gesellschaft nicht nur Schaden und Kausalität zu beweisen hat, sondern darüber hinaus auch Tatsachen

51 Forstinger/Jenatschek, GesRZ 2003, 139 und FN 37;

vgl weiters OGH 1 Ob 617/91, JBl 1992,444 (Ostheim) = SZ 64/160 = RdW 1993, 142.

52 Pichler/Weninger, Aktienrecht (2002), 109.

53 Mader, Kapitalgesellschaften (2008), 73.

54 Torggler, ZfRV 2002/9, 133; vgl weiters Strasser, Kommentar zum Aktiengesetz (2006), §84, 156.

55 Völkl, GesRZ 2003, 73; vgl weiters Strasser, Kommentar zum Aktiengesetz (2006), §84, 156.

56 Torggler, ZfRV 2002/9, 133; vgl weiters Strasser, Kommentar zum Aktiengesetz (2006), §84, 156.

vorbringen muss, aus denen man schließen kann, dass das belangte Organmitglied auch pflichtwidrig gehandelt hat. Die Rechtswidrigkeit ist also zumindest zu behaupten.57 Gelingt dem Vorstand der Beweis, pflichtgemäß gehandelt zu haben, befreit ihn dies nur von seiner persönlichen Haftung, die Ansprüche der einzelnen Aktionäre werden durch so einen Entlastungsbeschluss nicht berührt.58

Für den Fall, dass die Haftung nicht im Bereich des § 84 Abs 2 AktG liegt, ist zu beachten, dass die Beweislastumkehr nicht gilt. Will der Geschädigte den Anspruch durchsetzen können, hat er auch das Verschulden des Vorstandsmitglieds zu beweisen.59

2.2.3 Praktische Bedeutung der Inanspruchnahme

Das Risiko, in Österreich als Vorstand tatsächlich in Anspruch genommen zu werden, lässt sich nicht als besonders hoch einstufen, da für das Betreiben eines Verfahrens oft die zehn bzw fünf Prozent Mehrheiten nicht bestehen oder die Voraussetzungen nach § 100 AktG nicht gegeben sind. Allerdings zeigt die Entwicklung eine steigende Tendenz bei tatsächlicher Pflichtverletzung.60

Ein gravierendes Problem bei der tatsächlichen Inanspruchnahme hat der Vorstand jedoch bei den Beweislastregeln des österreichischen Rechts. Da in fast allen Fällen das Vorstandsmitglied erst nach Ausscheiden geklagt wird, besitzt der Betroffene, sei es „mit oder ohne anstellungsvertraglicher Unterlagenrückgabeklausel“ nur selten „über den Zugang zu den relevanten Informationen“, die er für den Beweis seines sorgfältigen Handelns benötigen würde.61 In der Praxis ist also eine so genannte

„Einsichtnahmeklausel“ im Anstellungsvertrag sehr empfehlenswert.62

57 OGH 1 Ob 144/01k, GesRZ 2002, 86 = ecolex 2003/22 = wbl 2002, 325 = GeS 2002, 26 = RdW 2002/350.

58 Pichler/Weninger, Aktienrecht (2002), 109.

59 Pichler/Weninger, Aktienrecht (2002), 109.

60 Thiele, Vorstand der Aktiengesellschaft, ecolex-Skript 2001/20.

61 Schima, Business Judgment Rule und Verankerung im österreichischen Recht, GesRZ 2007, 93.

62 Runggaldier/Schima, Manager-Dienstverträge (2006), 161.