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Die historische Entwicklung der BJR

3 Die Business Judgment Rule und ihre Entwicklung in den USA

3.3 Die historische Entwicklung der BJR

Delaware eingetragen.88 Was genau der Grund für diesen Erfolg war, ist nicht unumstritten. Seit Jahren wird die „Leistungsfähigkeit des Gesellschaftsrechts von Delaware diskutiert.“ Von manchen wird das Gesellschaftsrecht in Delaware als zu locker und managerfreundlich kritisiert („race to the bottom“),von anderen als fortschrittlich und ökonomisch hoch gelobt („race to the top“).89 Fest steht, dass Delaware nicht nur aufgrund seiner Vielzahl an Präzedenzfällen und der „hohen Qualität des Richterrechts“, was natürlich die Rechtssicherheit verstärkt, auch in Zukunft attraktiv für Gesellschaftsgründungen bleiben wird.90

Weiters ist zu sagen, dass das US - amerikanische Gesellschaftsrecht, nicht nur in Delaware, in vielen Punkten liberaler ist als das Gesellschaftsrecht im kontinental europäischen Rechtskreis. So ist zum Beispiel der Rückerwerb eigener Aktien in den USA sehr weit verbreitet, im Gegensatz dazu in Österreich nur in sehr geringem Ausmaß erlaubt.91

3.3 Die historische Entwicklung der BJR

Die BJR ist keine Erfindung der heutigen Rechtsprechung, sondern hat tiefe Wurzeln in der US - amerikanischen Rechtsgeschichte. Es gibt eine lange Liste an historischen Entscheidungen, die als Ursprung der BJR angeführt werden.92 Die Entscheidung Hun v Cary im Jahre 1880 war jedoch eine der ersten in den USA, nach der man wirklich von der Business Judgment Rule sprach. In ihr wurde ausgeführt, dass ein director oder officer, selbst wenn er der Gesellschaft oder den Aktionären schadet, nicht automatisch dafür haftbar ist. In England entwickelte sich im 18. Jahrhundert eine ähnliche Rechtsprechung.93

Bis die BJR jedoch ihre heutige Gestalt angenommen hat, ist sie in zahlreichen Entscheidungen immer weiterentwickelt worden und ist somit das Ergebnis von case law

88 http://www.corp.delaware.gov/ (12.5.2009).

89 Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften (2004), Rn 1-4.

90 Forstinger, ZfRV 2002, 41.

91 Gärtner, Der Erwerb eigener Aktien durch die US - corporation (2001), 1.

92 Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung und unternehmerisches Ermessen: Die Business Judgement Rule im deutschen und im amerikanischen Recht (2000), 19.

93 Grossberg/Tomlins, The Cambridge History of Law in America (2008), 554.

der letzten zweihundert Jahre. Im Folgenden möchte ich auf die für die Entwicklung der BJR wichtigsten Entscheidungen eingehen.

3.3.1 Arson v Lewis

In der Entscheidung Arson v Lewis94 ging es darum, dass der board of directors der Meyers Parking System, Inc. einen Beratervertrag mit einem ehemaligen board - Mitglied abgeschlossen hatte. Dieser ehemalige director, der zugleich eine kontrollierende Mehrheit am Unternehmen besaß, bekam für seine Leistungen ein überproportional hohes Honorar und zusätzlich einen unverzinsten Kredit. Der Kläger behauptete, dass dieser Vertrag ein

„waste of corporate assets” sei, und der Vertrag nur deswegen so zustande gekommen war, weil der Beklagte die Gesellschaft kontrolliert. Das Gericht sah trotz des unverhältnismäßigen Nachteils für die Gesellschaft den Anwendungsbereich der BJR eröffnet und der board of directors bekam Recht, obwohl der Vertrag keinem Fremdvergleich standgehalten hätte.95

Ich kann diese Entscheidung nicht nachvollziehen, insbesondere nicht, da das Gericht bei diesem Urteil einen ähnlichen Prüfungsmaßstab aufstellte, wie er später vom ALI (näheres dazu in Kapitel 3.5.) niedergeschrieben wurde:

„The business judgment rule is a presumption that, in making a business decision the directors of a corporation acted on an informed basis, in good faith and in the honest belief that the action taken was in the best interests of the company [and its shareholders].“96

Fraglich ist, wie das Gericht, unter den gegebenen Umständen, diese board - Entscheidung so sehen konnte, dass sie im besten Interesse für die Gesellschaft war.

3.3.2 Smith v Van Gorkom

In der Entscheidung Smith v Van Gorkom97 des Delaware Supreme Court aus dem Jahr 1985, welche zugleich auch eine der bekanntesten ist, ging es um die Frage der

94 473 A.2d 805 (Del. 1984).

95 http://www.fairnessopinion.com/pdf/6_Aronson-Lewis.pdf (12.5.2009).

96 Rojo, DELAWARE VERSUS TEXAS CORPORATE LAW 2003, 308 nachzulesen unter http://www.hbtlj.org/v03/v03Rojoar.pdf (12.5.2009).

97 488 A.2d 858, 884 (Del.1985).

Informationsbeschaffung des board of directors und wann eine solche unzureichend ist.

Auf die genaue Prüfung der Informationsbeschaffung wird im Kapitel 3.5.3. näher eingegangen. Der Sachverhalt des Falles, der auch als Trans Union case98 bezeichnet wird, lautet wie folgt:

„Der Board einer börsennotierten Gesellschaft erhielt von einem Konkurrenzunternehmen ein freundschaftliches Übernahmeangebot: Beim Börsenkurs von 30 Dollar bot der Konkurrent 40 Dollar pro Aktie. Bei der eilig einberufenen Board - Sitzung gab es keinerlei Unterlagen, nur das Angebot des Konkurrenten. Auf dieser Basis akzeptierte der Board nach nur einstündiger Beratung das Angebot. Ein Aktionär erhob Haftungsklage gegen die Board - Mitglieder; das Gericht verweigerte dem Board das Privileg der Business Judgment Rule wegen unsorgfältiger Vorbereitung seiner Entscheidung, prüfte diese dann selbst nach und kam zum Ergebnis, dass der richtige Preis 55 Dollar gewesen wäre - je Aktie also ein Schaden von 15 Dollar eingetreten war.“99

Vom Gericht wurde dieses Vorgehen als grob fahrlässig eingestuft, da sich die Verantwortlichen „eines nachvollziehbaren Entscheidungsfindungsprozesses“ zu bedienen haben.100

Die Reaktionen auf diese Entscheidung waren sehr gespalten. Die US - amerikanischen D&O´s waren durchwegs geschockt, allerdings auch positiverweise zum Nachdenken angeregt. Ira Millstein, Professor für Gesellschaftsrecht an der Columbia University, meinte dazu Folgendes: „If you went into a boardroom before Van Gorkom and tried to talk about legal obligations, they'd say 'We have more important things to do […] When it came down, you were able to walk into a boardroom for the first time and really be heard."

Allerdings ist er auch davon überzeugt, dass alle board - Mitglieder bei der Entscheidung der Meinung waren, dass in diesem Moment nichts Falsches passiert.101

98 Becker, Verwaltungskontrolle durch Gesellschafterrechte: eine vergleichende Studie nach deutschem Verbandsrecht und dem amerikanischen Recht der corporation (1997), 265, FN 9.

99 Lutter, GesRZ 2007, 79 (83).

100 Kapsch/Grama, ecolex 2003, 524.

101 http://www.everything2.com/index.pl?node_id=1768786 (12.5.2009).

Andere bezeichneten das Urteil höhnisch als: „investment bankers´ full employment doctrine“, da seit dem Urteil bei praktisch allen Fusionen eine „fairness opinion von Investmentbanken eingeholt wird.“102

3.3.3 Disney

In der neuesten Rechtsprechung ereignete sich ein ähnlicher Fall im Jahr 2003 bei der Walt Disney Company.103 Der Sachverhalt lautet folgendermaßen:

„Nach nur vierzehnmonatiger Dienstzeit wurde der erfolglose president der Gesellschaft, Michael Ovitz, vormals ein Talentagent in Hollywood, per board - Beschluss mit einem Paket im Wert von 140 Mio. US-$ von seinem Posten verabschiedet. Der board genehmigte die großzügige Abfindungsregelung ohne nähere Sachprüfung im Wesentlichen auf Grund der Vorhaltungen des chairman, Michael Eisner, der sich mit seinem früheren Intimfreund Ovitz verfeindet hatte und diesen nun als Störenfried in der Gesellschaft empfand.“104 Der Delaware Chancery Court lehnte den safe harbour der BJR mit der Begründung ab, der board hätte nicht genügend Information für diese Entscheidung beschafft und sie letztlich nur abgestempelt.105