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6 E RGEBNISDARSTELLUNG

6.5 Präventions- und Aufklärungsarbeit

In allen Interviews zeigt sich deutlich, dass die Präventionsarbeit einen großen Stellenwert in der Arbeit mit Menschen im eüH einnimmt. Es bedarf einer umfassenden Aufklärung über den eüH, um Abbrüchen vorzubeugen bzw. diese zu minimieren. Somit sollen wichtige Informationen an Antragsteller*innen weitergegeben werden. Ihnen soll vermittelt werden, dass der eüH mit strengen Regeln und Vorgaben einhergeht, an welche sie sich halten müssen, damit es zu einer erfolgreichen Beendigung kommt. Oft kommt es medial zu einer fälschlichen Darstellung des eüHs, dass die Betroffenen „ja nur zuhause sitzen und nichts machen müssten“ (Interview 1: Zeile 672). Demnach besteht die Aufgabe der Professionist*innen, sprich der Überwachungszentrale, der JA und dem Sozialen Dienst sowie dem Verein NEUSTART, Transparenz gegenüber den Adressat*innen zu schaffen (vgl.

Interview 2: Zeile 191). Den Strafgefangen, sowohl in der FD- als auch in der BD-Variante soll nähergebracht werden, dass der eüH eine „wertvolle Chance ist, die sie nutzen sollen“

(Interview 5: Zeile 123-124). Nicht nur um den Rest der Strafe wieder in den eigenen vier Wänden zu verbringen (BD), sondern um ein Herausreißen aus dem Familiensystem (FD) gänzlich zu verhindern. Eine interviewte Person versucht vor allem den FD-Klient*innen

„klarzumachen, dass es eine Chance ist, dass man draußen bei der Familie sein und dass man halt eben arbeiten gehen kann und sein soziales Leben, natürlich mit Einschränkungen, aufrechterhalten kann“ (Interview 5: Zeile 120-123). Ein Aufrechterhalten des Arbeitsplatzes gewährleistet die Versorgung der Familie und ermöglicht, dass eine gewisse Normalität beibehalten werden kann (vgl. ebd.). Zudem ist es den Straftäter*innen durch den eüH möglich, nicht aus dem Leben gerissen zu werden, sondern weiterhin Teil der Gesellschaft zu sein und auch dazu beizutragen (vgl. Interview 6: Zeile 81-82).

Nicht nur die Aufklärung und Offenlegung über die Möglichkeit des eüHs für die Klient*innen, sondern auch die Zusammenarbeit sowie der Kommunikationsaustausch zwischen den drei Betreuungsinstanzen sei essentiell. Eine befragte Person untermauert dies mit der Aussage, dass „eines der wichtigsten Sachen ist Kommunikation von der Betreuungsseite, Kommunikation mit der Überwachungszentrale, mit der Justizanstalt und auch umgekehrt, damit alle wissen, was passiert gerade“ (Interview 1: Zeile 618-620). Eine transparente und offene Kommunikation sowie eine zuverlässige Informationsweitergabe an alle Betreuungssysteme darf nicht außer Acht gelassen werden. Somit müssen wichtige Daten und aktuelle Fakten der eüH-Klient*innen zuverlässig weitergegeben werden, um eine frühzeitige Intervention möglich zu machen und einen Abbruch zu verhindern. Dies scheint in der Praxis nicht immer stattzufinden. Ein*e Expert*in ist der Ansicht, dass möglicherweise

„viele Dinge früher abgefedert werden können, wenn die Kommunikation immer gut wäre oder der ein oder andere Fall wäre sicher schon viel früher zum Widerrufen gewesen [...] und das ist nicht passiert, weil Informationen gefehlt haben“ (Interview 1: Zeile 620-624). Dieses Zitat macht deutlich, wie wichtig der Austausch sei, um einerseits Gefahren frühzeitig zu erkennen und andererseits entsprechend eingreifen zu können.

Ein weiterer, wichtiger Aspekt im Zuge der Informationsweitergabe und der Aufklärung über den eüH an alle, besteht in der Vernetzung mit anderen Einrichtungen (vgl. Interview 1).

„Informationsweitergabe und Informationsveranstaltungen [...] an alle, die in dem Bereich tätig sind, die mit Leuten in Kontakt kommen, [...] wo es Thema ist oder es Thema sein könnte, also alle Betreuungseinrichtungen, die es in dem Bereich gibt. Also das es da Informationen über diese Möglichkeit gibt und wie das alles genau abläuft“

(Interview 1: Zeile 679-684).

Durch den transparenten Zugang für die entsprechenden Einrichtungen und das Wissen um die Möglichkeit des eüHs, können Betroffene angesprochen werden und im Idealfall, wenn alle

Voraussetzungen erfüllt sind, ein Haftaufenthalt vermieden oder das soziale Leben nicht zerstört werden. Somit könnten auch mehr Leute ihre Strafe im eüH verbüßen, was aufgrund der Überfüllung der JA äußerst relevant wäre (vgl. Interview 1, 6, 7).

Außerdem spiegelt sich in allen Interviews wider, dass eine klare und verständliche Anleitung während des eüHs unvermeidlich ist, um Rückfällen vorzubeugen. Häufig kommt es vor, dass Aufsichtsprofile von den überwachten Personen aus unterschiedlichen Gründen geändert werden und sich somit die Tagesstruktur nicht mehr wie vereinbart einhalten lässt. Kommt dies vermehrt vor, findet eine Umkehr in der Betreuung statt. Dies bedeutet, dass die Betreuungspersonen von den Klient*innen „angeleitet werden und selbst nicht mehr anleiten“

(Interview 1: Zeile 617). Dies scheint des Öfteren in der Praxis vorzukommen, was den ursprünglichen Sinn des eüHs nicht erfülle. Um dies zu vermeiden, braucht es eine klare Positionierung der Professionist*innen, um den Adressat*innen deutlich zu machen, dass nicht nach ihren „Spielregeln“ gespielt werde, sondern sie sich an die vorgegebenen Voraussetzungen halten müssen, da es sonst im schlimmsten Fall zu einem Widerruf kommen kann. Immerhin befinden sich die eüH-Klient*innen in Strafhaft „daher ist es ein Strafvollzug, nur nicht im Gefängnis, sondern eben zuhause und da gelten Regeln, an die man sich halten muss und das soll auch klar vermittelt werden“ (Interview 1: Zeile 60-62).

Die Kommunikation kann für die Expert*innen als wichtiger Aspekt in der Präventionsarbeit gesehen werden. Ein offener, ehrlicher und regelmäßiger Austausch mit der Betreuungsperson führt dazu, dass Probleme, Konflikte oder Krisen vorher abgefangen werden können. Denn ist eine stabile Beziehung zwischen Klient*in und Fachkraft vorhanden, so kann dies als „Auffangnetz“ (Interview 6: Zeile 67) für die Betroffenen wahrgenommen und genutzt werden. Eine befragte Person macht dies mit der Aussage deutlich, dass es besonders wichtig sei, dass Menschen das Gefühl haben, sollte es Probleme geben, dass sie unterstützt und begleitet werden und „sie wissen, wo sie hinkommen können und dass sie den Rahmen wissen, in dem sie sich bewegen können“ (Interview 4: Zeile 180-181). Den Adressat*innen soll vermittelt werden, dass nicht nur die zuständige Sozialarbeiter*in von NEUSTART als Ansprechperson zur Verfügung stehe, sondern auch die Mitarbeiter*innen der Überwachungszentrale sowie der zuständigen JA. Ein*e Justizwachbeamt*in aus der JA Wien-Simmering erläutert dies mit der Aussage, dass „den Insassen immer kommuniziert und nahegelegt wird, dass sie mit uns reden können, wenn etwas ist und sie uns anrufen können“

(Interview 5: Zeile 170-172). Zudem führt die Person aus, dass es schwierig sei, wenn sie vorher nicht über Probleme informiert werden und es dann in einer öffentlichen Meldung zu ihnen kommt, bei der es dann keine andere Möglichkeit mehr gebe, als zu widerrufen und den eüH vorzeitig zu beenden (vgl. ebd.). Wenn Belastungen vorher angesprochen werden, kann ein rechtzeitiges Intervenieren möglich gemacht werden. Es kommt jedoch des Öfteren vor,

dass dieses Angebot nicht angenommen werde, weil es für Klient*innen nicht immer leicht sei, über belastende Dinge zu sprechen (vgl. Interview 4: Zeile 188).

Bei möglichen Belastungen und Konflikten können erarbeitete Strategien hilfreich sein, damit ein frühzeitiges Beenden des eüHs verhindert werden kann. Die Sozialarbeiter*innen von NEUSTART setzen sich mit den Klient*innen und ihren unterschiedlichen Problemlagen auseinander. Bei einer Suchtproblematik beispielsweise „wird genau besprochen was ist, wenn es wieder das Bedürfnis gibt, etwas zu nehmen“ (Interview 2: Zeile 248-249). Auch bei Konfliktsituationen mit anderen werde erarbeitet, wie die betroffene Person damit umgehen kann und welche Möglichkeiten es im eüH gibt, Konflikten auszuweichen. Somit sollen Handlungsalternativen entwickelt werden, weil es nun nicht mehr möglich sei „einfach wegzugehen, ins Gasthaus oder was sonst halt vorher gemacht wurde, wenn es einen Streit gegeben hat oder man schläft bei einem Freund“ (Interview 1: Zeile 533-534). Somit wird deutlich, dass vorherigen Ausweichmöglichkeiten im eüH nicht mehr nachgegangen werden kann. Daher werden mithilfe der sozialarbeiterischen Betreuung, Klient*innen dabei unterstützt, Pläne zu erarbeiten, die Orientierung und Sicherheit in schwierigen Situationen bieten können (vgl. Interview 2).

Zusätzlich ergibt sich eine Präventivmaßnahme durch die regelmäßig durchgeführten Alkohol- und Drogenkontrollen. Diese werden stichprobenartig durchgeführt. Die überwachten Personen sind dazu verpflichtet, 0,00 Promille im gesamten eüH vorzuweisen (vgl. Interview 3: Z 319-320). Im Vorfeld sei es wichtig, die eüH-Klient*innen über die regelmäßigen Kontrollen sowie über die daraus resultierenden Konsequenzen aufzuklären (vgl. Interview 6: Zeile 108-111).