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Die vorliegende Masterarbeit beschäftigt sich mit der Betreuung von Menschen im elektronisch überwachten Hausarrest und der Frage, welchen Beitrag die Klinische Soziale Arbeit in diesem Kontext leisten kann, damit die Betroffenen diese Vollzugsform erfolgreich bewältigen können.

Diese Thematik ging aus persönlichem Interesse hervor, welches sich u.a. im Zuge meiner beruflichen Erfahrung im Straffälligenbereich sowie einer Exkursion in die Justizanstalt Wien-Simmering im Rahmen des Masterstudiums „Klinische Soziale Arbeit“ entwickelte. Die dortige Sozialarbeiterin machte auf die Problematik im elektronisch überwachten Hausarrest und den damit einhergehenden Herausforderungen aufmerksam. Durch die Tatsache der psychischen Belastung der betroffenen Personen in der eigenen Wohnung gefangen zu sein, entstand die Idee, diese Thematik mit den Ansätzen der Klinischen Sozialen Arbeit zu verbinden.

Der elektronisch überwachte Hausarrest (eüH) stellt seit 1. September 2010 eine weitere Vollzugsform dar, bei der die betroffenen Personen einen Teil ihrer Freiheitsstrafe (Back-Door) im eüH verbüßen oder eine Inhaftierung (Front-Door) gänzlich vermeiden können. Der Vorteil dieser Vollzugsform ergibt sich einerseits durch das Verhindern oder Verkürzen eines Haftaufenthaltes und andererseits durch die Möglichkeit, weiterhin einer Arbeit nachzugehen, die Familienstruktur aufrechtzuerhalten, für den Unterhalt der Familie zu sorgen sowie Zeit mit dem*r Partner*in und dem*n Kind(ern) zu verbringen (vgl. BMJ 2021, vgl. Hammerschick 2019a: 7ff.).

Menschen, die sich im eüH befinden, werden durch die Medien immer wieder mit Vorurteilen konfrontiert. Die mediale Darstellung dieser Personengruppe bzw. des eüHs allgemein ist meist negativ und sorgt für eine Stigmatisierung gegenüber den Betroffenen. Meist dahingehend, dass es sich hierbei um „keine richtige Strafe“ handelt, die Personen „eh nichts tun müssen“ oder nur „Privilegierte und Prominente“ im eüH sind (vgl. Mock 2014: 19). Was oft in Vergessenheit zu geraten scheint oder nicht ausreichend bekannt ist, ist, dass sich die Strafgefangenen hierbei immer noch in einem Strafvollzug befinden, nur nicht im Gefängnis, sondern im eigenen Zuhause – unter umfassender Kontrolle und mit strengen Auflagen. Wie aus dem Titel der Masterarbeit hervorgeht, kann diese Vollzugsform als „fragile Freiheit“

bezeichnet werden. Dies bedeutet, dass die überwachten Personen einerseits in gewissem Maße in „Freiheit“ leben, da sie ihren Job weiterhin ausüben können, aus dem sozialen Kontext nicht herausgerissen werden und sich in ihrer bekannten Umgebung aufhalten.

Andererseits ist diese Freiheit fragil, sprich zerbrechlich, denn kommt es zu Fehlverhalten beispielsweise aufgrund einer Nichteinhaltung der Vorgaben oder aufgrund eines missbräuchlichen Gebrauchs von Alkohol oder illegalen Substanzen, kann diese bisherige

„Freiheit“ sprichwörtlich zerbrechen und der/die eüH-Klient*in muss mit sofortiger Wirkung (zurück) in Haft. Somit wird deutlich, dass es sich hierbei nicht um eine Haftform für

Privilegierte handelt, die ihre Strafe zuhause in einer „gemütlichen Atmosphäre“ verbüßen, sondern dass die Situation im eüH durchaus mit multikomplexen Belastungen und Problemlagen einhergeht (vgl. Hammerschick et al. 2012: 16f.). Die Ambivalenz, dass es weder Freiheit noch Gefängnis bedeutet, kann durchaus belastend sein. Die Tatsache einer permanenten Überwachung und Kontrolle, die streng vorgegebenen An- und Abwesenheitszeiten, die eingehalten werden müssen, das Nichtausweichen-Können bei familiären oder partnerschaftlichen Konflikten sowie die beschränkten Möglichkeiten eines Aufenthaltes im Freien können zu psychischen Belastungen der Klient*innen führen (vgl.

Hammerschick 2019a: 9ff.). Um den eüH erfolgreich bewältigen und abschließen zu können, müssen die Betroffenen ausreichend und umfassend unterstützt werden. Daher soll in der vorliegenden Masterarbeit der Frage nachgegangen werden, „Welchen Beitrag kann die Klinische Soziale Arbeit in der Betreuung von Menschen im elektronisch überwachten Hausarrest leisten, damit eine erfolgreiche Bewältigung gelingt?“

Die Relevanz der Arbeit mit Menschen im eüH ergibt sich für die Klinische Soziale Arbeit dadurch, dass sie mit ihren Ansätzen, wie beispielsweise dem biopsychosozialen Modell, dem Person-In-Environment-Ansatz, der Salutogenese, der Sozialtherapie, der sozialen Unterstützung sowie der Sozialen Diagnostik sinnvoll und zielführend sein kann, Menschen in dieser belastenden und herausfordernden Lebensphase direkt, unterstützend und ganzheitlich zu betreuen und begleiten. Das Bewältigen von Multiproblemlagen und vielseitigen Belastungen, die Förderung der Selbstbestimmung und Verantwortungsübernahme sowie das Ziel eines straffreien Lebens nach dem eüH können als wesentliche Punkte einer Resozialisierung und somit als Aufgabe der (Klinischen) Sozialen Arbeit mit Straffälligen angesehen werden (vgl. Kawamura-Reindl/Schneider 2015: 289).

In den bisherigen Forschungen wurde dem eüH nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt, obwohl in den letzten Jahren dahingehend immer mehr wissenschaftliche Arbeiten Einzug gefunden haben (vgl. Hammerschick 2019, vgl. Hofinger 2018, vgl. Walser 2018, vgl. Fischer 2016, vgl. Mock 2014). Die Motive dieser Vollzugsform sowie die Belastungen aus Sicht der Betroffenen wurde bereits von Walter Hammerschick (2019) in den Blick genommen. Was bisher nicht ausreichend erforscht bzw. nur von einzelnen Personen (vgl. Fischer 2016) fokussiert wurde und somit der formulierten Forschungsfrage dieser Arbeit einen innovativen Wert zuspricht, ist der spezielle Fokus auf die konkreten Handlungsmöglichkeiten und Kompetenzen der Klinischen Sozialen Arbeit in der Betreuung von eüH-Klient*innen im Rahmen der erfolgreichen Bewältigung dieser Vollzugsform.

Da die Überwachungszentrale, die Justizanstalten sowie der Verein NEUSTART die drei wichtigsten Betreuungsinstanzen für Menschen im eüH darstellen, wurde diese Personengruppe für die qualitative Erhebung mittels leitfadengestützter Expert*inneninterviews ausgewählt. Für diese Arbeit wurde die Justizanstalt Wien-Simmering

herangezogen, da sie die größte Justizanstalt in Österreich ist, die sowohl zur Erprobung als auch zur österreichweiten Durchführung des eüHs beigetragen hat (vgl. Justizanstalt Wien-Simmering 2021). Aus diesem Grund setzt sich die Zielgruppe der Expert*innen aus dem Leiter der Überwachungszentrale, den Justizwachbeamt*innen aus der Justizanstalt Wien-Simmering, die für den Bereich des eüHs zuständig sind sowie aus Sozialarbeiter*innen des Vereins NEUSTART zusammen. Die Auswertung der gewonnenen Ergebnisse der Interviews erfolgt mithilfe der Themenanalyse nach Ulrike Froschauer und Manfred Lueger (2020).

Ausgehend von der Forschungsfrage werden zunächst theoretische Begrifflichkeiten und Hintergründe definiert. Dadurch sollen Zusammenhänge dargestellt sowie eine wesentliche Grundlage geschaffen werden, um die ausgearbeitete Theorie mit den durch die Forschung gewonnenen Ergebnissen in Verbindung zu setzen. Das dritte Kapitel umfasst den Rahmen des elektronisch überwachten Hausarrests. Hierbei werden die zwei Varianten der Überwachung, die Voraussetzungen für den eüH in Straf- und Untersuchungshaft, der Widerruf des eüHs, die Motive und Vorteile sowie die Belastungen und Herausforderungen, die mit dieser Vollzugsform einhergehen, näher erläutert. Zudem widmet sich dieses Kapitel sowohl den Erfolgs- und Abbruchfaktoren als auch den Abbrüchen des eüHs. Das Kapitel vier gibt einen Einblick in die Klinische Soziale Arbeit mit ihren Methoden und Konzepten und verknüpft diese mit der Thematik des eüHs. Darauffolgend wird im fünften Kapitel das Forschungsvorgehen im Rahmen der Forschungsfrage und Zielsetzung, der Zielgruppe und des Forschungszugangs sowie der Datenerhebung und Datenauswertung erläutert. Im Anschluss werden im Kapitel sechs die Ergebnisse der Interviews anhand der herausgearbeiteten Hauptkategorien dargestellt. Anknüpfend daran werden im Kapitel sieben die Ergebnisse der Interviews diskutiert und interpretiert sowie mit den theoretischen Ausarbeitungen aus den vorherigen Kapiteln in Verbindung gesetzt. Das letzte Kapitel beinhaltet ein zusammenfassendes Fazit, Handlungsempfehlungen für die Praxis aus Sicht der Klinischen Sozialen Arbeit sowie die Limitationen der vorliegenden Arbeit. Zudem wird ein Ausblick auf weitere, mögliche Forschungsaspekte gegeben.

2 Begriffsbestimmungen