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6 E RGEBNISDARSTELLUNG

6.4 Abbruch- und Erfolgsfaktoren

Alle Interviewpartner*innen erwähnten als häufigsten Abbruchgrund im eüH den Alkoholmissbrauch, obwohl die Anordnung und Weisung 0,00 Promille im gesamten Verlauf des eüHs betrage. Positive Drogentests können als zweiter Grund angeführt werden, gefolgt vom Nichteinhalten der Aufsichtsprofilvorgaben. An vierter Stelle stehe der Verdacht auf neuerliche Straftaten, diese führen jedoch eher selten zum Abbruch (vgl. Interview 1-7). Die Einschätzung der Expert*innen über die Abbruchgründe stimmt mit den statistischen Daten überein (vgl. Kapitel 3.9).

Zu erwähnen ist, dass es sich beispielsweise bei einem positiven Alkoholtest um einen groben Verstoß handelt, der sofort abgemahnt, jedoch nicht gleich widerrufen wird. Passiert dies ein zweites Mal, kommt es in der Regel zum Abbruch des eüHs. Dies werde den eüH-Klient*innen immer offen kommuniziert. Auch der Substanzmissbrauch sei für die Expert*innen ein wichtiges Thema, dem viel Beachtung geschenkt werde (vgl. Interview 5). Es werde jedoch jeder Fall individuell betrachtet. Dies bedeutet, dass zuerst geprüft werde, um welche Situation es sich handelt, wie lange die Reststrafe beträgt oder ob ein Verlust der Arbeitsstelle zu befürchten sei. Kommt es vor, dass jemand von seinem/ihrem Ausgang nicht zurückkehrt, erfolgt keine Abmahnung, sondern sofort ein Widerruf, da der Vertrauensvorschuss

missbraucht wurde. Auch bei einer Verheimlichung des Job- oder Wohnungsverlustes erfolgt ein sofortiger Widerruf (vgl. Interview 1, 4).

Dies macht das Beispiel eines jungen Mannes deutlich, der schon zuvor wegen Einbruchsdiebstahl in Haft gewesen sei, mehrere Haftstrafen sowie mehrere Bewährungshelfer*innen hinter sich hatte. Trotzdem habe er die Chance bekommen, seine restliche Zeit im eüH zu verbüßen. Aufgrund von mehreren Verstößen erfolgte schlussendlich ein Widerruf (vgl. Interview 4).

„Er war wirklich sehr bemüht [...] er war für die Deliktverarbeitung bereit, ist regelmäßig zu den Treffen gekommen [...] also es hat wirklich gut angefangen. Dann hat es angefangen, dass ihn alles genervt hat, die ganzen Regeln und Verpflichtungen [...] er hat dann getrunken, also er musste 0,00 Promille haben, er hat dann auch unerlaubt sein Zuhause verlassen [...] ein Auto gestohlen und mit dem hat er dann einen Unfall verursacht und ist in ein Polizeiauto gekracht“ (Interview 4: Zeile 5-16).

Ein*e weitere Expert*in beschreibt eine erlebte Erfahrung mit einem eüH-Klienten, bei dem es nach vielen „Ups und Downs“ zum Widerruf gekommen sei (vgl. Interview 5).

„Gleich in der ersten Woche kam es zu Änderungen wegen der Beschäftigung [...] in der zweiten Woche hat es geheißen, er hat jetzt eine neue Wohnung und möchte sofort umziehen. Dann ist noch dazugekommen, dass er Vater wird [...] und Probleme mit der Freundin hat, die hat ihn dann angezeigt, dann gab es wieder einen Wohnungswechsel [...] dann kam die Versöhnung, er ist zurückgezogen, dann gab es aber wieder Streitereien und erneut ein Ansuchen auf einen Wohnungswechsel [...] schlussendlich mussten wir ihn dann ablösen und er sitzt wieder in der Justizanstalt“ (Interview 5: Zeile 14-25).

Dieser Abschnitt macht deutlich, dass nicht sofort ein Abbruch zu befürchten sei bzw. dieser nicht sofort stattfinde, sondern mehrere Faktoren zusammenkommen müssen, damit als letzte Konsequenz nur noch ein Abbruch in Frage kommt. Aber auch Überforderung und eine mangelnde Einsichtsfähigkeit der Klient*innen kann zu einer vorzeitigen Beendigung des eüHs führen. Welche Auswirkungen ein Widerruf auch auf das soziale Umfeld haben kann, wird im nächsten Ausschnitt angeführt (vgl. Interview 1).

„Es war eine Dame im Hausarrest mit drei Kindern und da ist so viel passiert, dass wir widerrufen mussten [...] ich meine so schnell passiert es eh nicht, dass widerrufen wird [...] da hat das Jugendamt dann die Kinder abgenommen und die sind jetzt fremduntergebracht in der Zeit, wo die Mutter im Gefängnis ist und sowas ist wirklich nicht schön“ (Interview 1: Zeile 84-91).

Ein Abbruch des eüHs kann nicht nur für die Klient*innen negative Auswirkungen haben (z.B.

Haftaufenthalt), sondern auch für die Familienangehörigen. Vor allem, wenn es dazu kommt, dass Kinder dann nicht mehr in ihrem gewohnten Umfeld bleiben können (vgl. Interview 1).

Da die Strafgefangenen sich an eine vorgegebene und strenge Struktur im eüH halten müssen, sind vier der Expert*innen (vgl. Interview 2-5) der Ansicht, dass sich jemand, der es gewohnt sei, strukturiert und organisiert zu leben, „natürlich leichter tut als jemand, der so ein bisschen dahinlebt“ (Interview 5: Zeile 38-41). Eine Arbeit bzw. Beschäftigung mit festen Zeiten kann sich zusätzlich positiv auf die Zeit im eüH auswirken, da „alles einfach planbar ist, für die Betreuung und für die Klient*innen“ (Interview 3: Zeile 61-62). Eine Tagesstruktur bzw. eine Beschäftigung bringe nicht nur Orientierung, sondern sorge auch für eine finanzielle Sicherheit der Klient*innen (vgl. Interview 5). Darüber hinaus sei es vielen Klient*innen gelungen, nur für die Zeit im eüH eine Arbeitsstelle zu finden, weil sie ihre Strafe unbedingt in dieser Vollzugsform verbüßen wollten. „Denen ist es dann wirklich gelungen, den Job auch danach zu behalten, obwohl sie das vor dem eüH nie geschafft haben“ (Interview 1: Zeile 6-8).

Zudem kommen immer wieder Fälle vor, bei denen trotz der Vorbelastungen der Strafgefangenen, ein erfolgreiches Beenden des eüHs möglich sei. Eine interviewte Person schildert ein Beispiel aus der Praxis, wo keiner der beteiligten Expert*innen damit gerechnet habe, dass der eüH funktionieren würde. Dabei handelte es sich um einen jungen Burschen, der „seine Familie ausgelöscht hat, also umgebracht und der war dann im eüH und das Überraschende war, er war wirklich problemlos, da war nie etwas. Der hat dann sogar eine Lehre gemacht und ja der war komplett unauffällig“ (Interview 6: Zeile 17-22). Durch die schwierigen Bedingungen und die Schwere des Delikts, die dieser Klient aufwies, sei es ihm trotz allen Umständen möglich gewesen, diese Vollzugsform zu bewältigen. Die Unterstützung des Sozialen Dienstes sowie des Vereins NEUSTART haben einen großen Beitrag dazu geleistet (vgl. ebd.). Der folgende Abschnitt beschreibt die Situation eines älteren Ehepaares im eüH. Trotz starker, gesundheitlicher Vorbelastungen des Mannes, konnte der eüH erfolgreich beendet werden (vgl. Interview 4).

„Ich hatte ein Ehepaar im eüH, beide um die 70, beide sind das erste Mal straffällig geworden. Der Mann hatte Diabetes, Herzrhythmusstörungen, COPD [...] er war auch im Rollstuhl und ihm ging es sehr schlecht und seine Frau hatte die ganze Organisation über. Dann kam der Lockdown und keiner der beiden durfte das Haus verlassen, weil sie Risikopatienten waren und ja, das war sehr schwierig alles, auch von der Betreuung her [...] aber sie haben vor kurzem beide den eüH erfolgreich beendet“ (Interview 4:

Zeile 45-63).

Dieses Zitat hebt hervor, dass es trotz schlechter gesundheitlicher Rahmenbedingungen möglich sei, den eüH erfolgreich zu beenden. Auch in Interview 2 wird deutlich, dass auch „80-Jährige zum Beispiel, die jetzt nicht so optimal strukturiert sind“ (Interview 2: Zeile 81-86) den

eüH positiv abschließen können. Für die Expert*innen kommt es darauf an, wie sehr die Strafgefangenen es wollen, ob sie Durchhaltevermögen besitzen und auch die sozialarbeiterische Unterstützung sei ausschlaggebend (vgl. Interview 1-7).

Wie durch die angeführten Ausschnitte ersichtlich wird, befinden sich sowohl Klient*innen mit besseren, als auch Klient*innen mit schwierigeren Rahmenbedingungen, die es kaum schaffen, die Voraussetzungen zu erfüllen, im eüH. Trotz der Multiproblemlagen sei es ihnen möglich, diese Vollzugsform mit all den Strukturen und den damit verbundenen belastenden Faktoren durchzustehen und somit positiv abzuschließen. Die Interviewpartner*innen sind sich darüber einig, dass Faktoren wie Motivation, ein starker Wille, der Wunsch nach einem besseren Leben, Disziplin und Selbstkontrolle sowie eine Paktfähigkeit der Klient*innen maßgeblich zur Bewältigung des eüHs beitragen können (vgl. Interview 1-7).

In den Interviews ergab sich zudem die Fragestellung, ob Personen, die vorher schon Bewährungshilfe hatten, einen Vorteil haben, den eüH besser abzuschließen. Dabei kam es zu unterschiedlichen Meinungen der Expert*innen. Zum einen ergebe sich kein Vorteil, da Personen, die eine Bewährungshilfe haben, bereits vorbestraft sind und daher ein eher schwieriges Profil aufweisen (vgl. Interview 2, 4). Und zum anderen könnte sich der Vorteil daraus ergeben, dass der/die Bewährungshelfer*in viel detaillierter über den eüH informiere und aufkläre. Zudem werde in der Bewährungshilfe eine Stabilisierung in verschiedenen Lebensbereichen angestrebt, wie beispielsweise die Unterstützung bei der Wohnungs- oder Jobsuche. Dadurch könnte es für Klient*innen der Bewährungshilfe durchaus vorteilhafter sein, als für manche ohne. Dennoch ist zu erwähnen, dass der eüH viel fordernder sei, als die Bewährungshilfe an sich, denn hierbei finde vorwiegend eine Kontrollausübung statt (z.B. das Einfordern von Zeitbestätigungen), wohingegen es in der Bewährungshilfe nicht so streng ablaufe (vgl. Interview 3: Zeile 405-415)