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6 E RGEBNISDARSTELLUNG

6.7 Begleitung und Betreuung

Die folgende Kategorie befasst sich mit den Aspekten, die mit der Begleitung und Betreuung von Menschen im eüH in Verbindung stehen. Daher werden die Fragen und Probleme der Strafgefangenen, die Betreuungsziele, Defizite und Verbesserungsvorschläge in Bezug zum eüH sowie die relevanten Betreuungsfaktoren der Sozialen Arbeit näher in den Blick genommen.

6.7.1 Fragen und Probleme der eüH-Klient*innen

Diese Unterkategorie soll darstellen, mit welchen Anliegen bzw. Fragen Menschen in der Vorbereitung sowie während des eüHs an die Expert*innen herantreten.

Besonders in der Vorbereitung zum eüH ergeben sich für die antragstellenden Personen viele Fragen- und Problemstellungen. In der BD-Variante erfolgt die Informationsvermittlung in Bezug auf den eüH über den Sozialen Dienst in der Haftanstalt oder die Justizwachbeamt*innen. Die Fragestellungen gestalten sich unterschiedlich und betreffen u.a.

den Arbeitsbereich „wie viel sie arbeiten müssen, oder wie hoch die Kosten im eüH sind“

(Interview 5: Zeile 102-103). Eine Frage scheint bei den Insassen aktuell sehr häufig gestellt zu werden, dabei handelt es sich darum, wie lang es dauert, bis sie den Antrag stellen können bzw. wie schnell sie über das Ergebnis informiert werden. Dies sei auf die derzeitige Gesundheitslage (COVID-19) zurückzuführen, da kaum Ausgänge in den JA genehmigt werden (vgl. Interview 7). Ein ebenfalls gefragtes Thema betreffe die Ausweitung des eüHs auf 18 bzw. 24 Monate, die seit Jahren in Diskussion stehe (vgl. Interview 3). Bei den

FD-Klient*innen sehen die Fragen ziemlich ähnlich aus. Diese betreffen u.a. die Wohnsituation, den Arbeitsplatz sowie allgemeine Fragen zum eüH-Antrag, beispielsweise welche Unterlagen genau benötigt werden. Darüber hinaus ergeben sich auch während der Betreuung, vor allem zu Beginn, immer wieder Fragen wie „wohin dürfen sie sich bewegen, was sind die Sanktionen, wenn etwas nicht eingehalten wird, was kann ich tun, um keinen Fehler zu machen“ (Interview 4: Zeile 129-131).

Bei den Problemstellungen handelt es sich vorwiegend um die Frage, welche Maßnahme eintrete, wenn der Arbeitsplatz verloren werde und wie lange die Frist sei, eine neue Arbeitsstelle zu finden sowie der Umgang mit Überstunden. Zudem ergeben sich einige Problemlagen in Bezug auf die familiäre Situation, wie z.B. der Umgang mit dem*n Kind(ern) oder dem*r Lebensgefährt*in. Hierbei werden die Klient*innen umfassend beraten und die Personen, um die es sich handelt, in die Beratung miteinbezogen (vgl. Interview 2, 3, 6).

Abschließend lässt sich sagen, dass die Fragen und Probleme der eüH-Klient*innen eine Mehrdimensionalität aufweisen, wodurch eine transparente und unterstützende Haltung essentiell sei.

6.7.2 Betreuungsziele

Die Betreuungsziele ergeben einen wichtigen Aspekt in der Arbeit mit Menschen im eüH. Das Anstreben auf eine erfolgreiche Beendigung des eüHs und somit einer Vermeidung der Inhaftierung, wird von allen Expert*innen als primäres Ziel definiert. Es soll den Strafgefangenen ermöglicht werden, wieder Teil der Gesellschaft zu werden bzw. das soziale Leben aufrechtzuerhalten (vgl. Interview 1-7). Damit die Rückfallwahrscheinlichkeit minimiert werden kann und somit Abbrüche verhindert werden können, werden entsprechende Maßnahmen gesetzt. Eine gesetzte Maßnahme sei die Deliktverarbeitung, die einen großen Stellenwert in den wöchentlichen Gesprächen einnimmt. Dabei wird nach einem bestimmten Leitfaden über die Tat gesprochen. Der/die Straftäter*in müsse sich mit dem eigenen Delikt auseinandersetzen, denn nur dann können Interventionen abgeleitet werden, die dabei hilfreich seien, dass alte Handlungsmuster nicht mehr ausgeführt werden (vgl. Interview 2:

Zeile 193-198). Es ist jedoch zu erwähnen, dass eine Deliktverarbeitung abhängig ist von der Dauer des eüHs. Denn befinde sich eine Person beispielsweise nur drei Monate im eüH, erfolgt keine Deliktverarbeitung, weil es zeitlich nicht möglich sei (vgl. Interview 3: Zeile 218-220). Nicht nur in Bezug auf das Delikt, sondern auch zum Thema einer (vergangenen) Suchtproblematik werden entsprechende Maßnahmen gesetzt. Auch hier sei es wichtig, Handlungsalternativen zu entwickeln, damit bei möglichen Stress- und Belastungssituationen nicht wieder auf Drogen oder Alkohol zurückgegriffen werde. Daher können neu erlernte Verhaltensweisen dabei behilflich sein, nicht in zuvor gewohnte Problemlösestrategien hineinzufallen. Wichtig sei zudem, dass die gesetzten Maßnahmen über die Zeit des eüHs

hinausgehen und in ein selbstständiges Leben ohne Betreuung, integriert werden können (vgl.

Interview 4, 5, 6).

6.7.3 Defizite und Verbesserungsvorschläge in der Betreuung

In der Arbeit mit Menschen im eüH werden immer wieder Defizite in der Betreuung sichtbar.

In diesem Unterkapitel werden die Defizite, die Expert*innen in ihrer Tätigkeit wahrnehmen, beschrieben sowie die Verbesserungsvorschläge offen dargelegt.

Als großes Defizit in der Betreuung von eüH-Klient*innen kann der Personalmangel gesehen werden. Alle Interviewpartner*innen äußerten mehrmals während des Gesprächs, dass zu wenig Personal vorhanden sei, um den eüH-Klient*innen ausreichend gerecht zu werden (vgl.

Interview 1-7). Vor allem wenn es zu mehr Krisen kommen würde, seien nicht genügend Ressourcen, vor allem Zeitressourcen vorhanden, um sich diesen Krisen umfassend anzunehmen (vgl. Interview 4: Zeile 260-261). Darüber hinaus wurde von vier der sieben Befragten erwähnt, dass es problematisch sei, wenn eüH-Klient*innen viele Kilometer von der zuständigen JA oder von einem NEUSTART Standort entfernt wohnen. Im ländlichen Bereich sei es den eüH-Klient*innen teilweise nicht möglich, beispielsweise 40 Kilometer in eine Richtung zu fahren, da nicht jeder über einen Führerschein verfügt oder die öffentliche Anbindung nicht optimal sei (vgl. Interview 1, 3, 4, 5). Durch die Entfernung der Adressat*innen von der JA kann es zusätzlich schwierig werden, wenn es zu einem Störfaktor kommt, weil beispielsweise die Fußfessel kaputt ist. Hier sei eine zeitgerechte Behebung des Problems nicht möglich. Dies bedeutet, dass der/die Strafgefangene nun jederzeit den Wohnraum verlassen könne, da es teilweise einen Tag dauern würde, bis sich jemand um das Problem kümmern kann, weil zu wenig geschultes Personal vorhanden sei. Es gebe zwar Sicherheitseinrichtungen, wodurch angezeigt werde, ob sich jemand bewegt oder nicht, es sei aber schon vorgekommen, dass „die Fußfessel dann der Frau gegeben wurde und dann geht sie halt damit herum“ (Interview 1: Zeile 822-823). Dies seien Defizite, die „dringend“ verändert werden müssen, eine Änderung sei jedoch nicht absehbar.

Ferner betonen alle sieben Expert*innen die Wichtigkeit einer Ausweitung der Fußfessel auf 18 bzw. 24 Monate (vgl. Interview 1-7). Dies sei bereits vor Jahren angekündigt worden, eine Umsetzung fand jedoch bis jetzt nicht statt. Es muss jedoch deutlich erwähnt werden, dass eine Ausweitung nur mit einer intensiveren Betreuung möglich sei und dafür bedarf es mehr Personal. Wenn Personen beispielsweise bis zu zwei Jahren im eüH sind, könne damit gerechnet werden, dass die Belastungen noch intensivere Auswirkungen auf die überwachten Personen und ihr Umfeld haben können (vgl. Interview 2, 4). Die Belastungen werden größer, dadurch ergebe sich noch mehr Raum für Konflikte und Überforderungen. Hinzu kommt, dass der Aufenthalt im Freien für die Klient*innen erhöht werden soll. Ein*e Expert*in sehe es als besonders wichtig an, den Aufenthalt im Freien zu erhöhen, wenn es nach einer gewissen Zeit

der Beobachtung gut funktioniere. Denn „zwei Jahre im eüH mit nur maximal einer Stunde im Freien bzw. mit dieser Enge ist fast nicht aushaltbar“ (Interview 2: Zeile 280-281). Bei einer Ausweitung des eüHs müsse die Betreuung und Begleitung alle Lebensbereiche noch intensiver miteinschließen bzw. eine umfassendere Auseinandersetzung mit den Klient*innen stattfinden (vgl. Interview 3, 4).

Bezüglich der Ausgänge gebe es für die Expert*innen zahlreiche Unklarheiten bzgl. der Vorgaben und Regeln im eüH. In den verschiedenen Bundesländern gebe es laut den Expert*innen unterschiedliche Handhabungen, was die Ausgänge betrifft. Wohingegen in einigen Bundesländern Ausgänge von mehreren Stunden am Wochenende bewilligt werden, gebe es in anderen hingegen keine. Dies führe bei allen interviewten Personen zu Unverständnis. Deshalb sprechen sich alle Interviewpartner*innen für eine einheitliche und klare Vorgehensweise bei dieser Thematik aus (vgl. Interview 1-7).

Zudem wünschen sich alle Befragten eine Umstellung von der Radio-Frequenz Überwachung auf die GPS-Fußfessel. Derzeit komme die GPS-Variante nur bei Einzelfällen zum Einsatz, beispielsweise bei Berufsgruppen wie Landwirt*innen oder Selbstständigen (vgl. Interview 1, 6). Eine Umstellung würde zu einer engmaschigeren Kontrolle führen und Zeit sowie Personal sparen, denn „die Justizanstalt muss viele Kontrollen durchführen und herumfahren [...] und das braucht Personal und Zeit und das haben wir nicht, zumindest nicht in dem Ausmaß, wie es stattfinden sollte“ (Interview 1: Zeile 940-944). Daher würde die GPS-Überwachung für Entlastung sorgen, denn anhand eines Knopfdruckes können stichprobenartige Kontrollen durchgeführt werden (vgl. ebd.). Somit kann genau herausgefunden werden, wo und wann sich die überwachte Person zu einem bestimmten Zeitpunkt aufgehalten habe (vgl. Interview 6, 7).

Des Weiteren wird der Umgang mit nicht-österreichischen Staatsbürger*innen kritisiert, denn hierbei seien viele „Sachen sehr undurchsichtig und es scheint teilweise so, als würde sich niemand richtig auskennen“ (Interview 5: Zeile 227). Dies betreffe vor allem die Beschäftigung, da nicht eindeutig geklärt sei, wie und wo die Personen beschäftigt werden können. Für einige Betroffene werde eine Bürgschaft übernommen, wodurch sie auch versichert werden, andere seien angestellt, „bekommen aber von heute auf morgen einen Abschiebebescheid und die sind im eüH nie aufgefallen, weil alles funktioniert hat und dann muss auf einmal widerrufen werden und da kennt sich einfach keiner aus“ (ebd.: Zeile 229-232). Eine klare Vorgehensweise wäre hier wünschenswert.

6.7.4 Relevante Betreuungsfaktoren der Sozialen Arbeit

In der Arbeit mit Menschen im eüH kommt dem Umgang mit dieser Personengruppe eine bedeutende Rolle zu. In den Interviews wurde hervorgehoben, dass darauf zu achten sei, eine

Stigmatisierung der Klient*innen zu vermeiden. Eine respektvolle und wertschätzende Haltung seien die Grundpfeiler der Sozialen Arbeit. Es sei wichtig, ihnen das Gefühl zu geben, sie seien keine schlechten Menschen, auch wenn die Auseinandersetzung mit der Tat für manche Expert*innen nicht einfach sei. Diese Gefühle müssen von den Expert*innen jedoch in den Hintergrund gestellt werden, denn immerhin gehe es darum, die Strafgefangenen dabei zu unterstützen, den eüH erfolgreich zu bewältigen. Daher habe es „oberste Priorität, den Menschen auf Augenhöhe zu begegnen und nicht zu verurteilen [...] denn in dem Moment, wo sich Klient*innen im eüH stigmatisiert fühlen, ist der sozialarbeiterische Auftrag vollkommen verloren gegangen“ (Interview 3: Zeile 278-280). Den eüH-Klient*innen gegenüber soll eine neutrale Haltung eingenommen werden, die signalisiere, dass sie als Mensch anerkannt und angenommen werden, egal mit welcher Vergangenheit (vgl. Interview 4).

Hinzu kommt die direkte, begleitende und unterstützende Anleitung in allen Lebensbereichen, die insbesondere bei Krisen und Belastungen eine große Stütze bieten kann. Eine Aufklärung über den eüH sowie die Konsequenzen, die eintreten, wenn es zu einer Verletzung der Voraussetzungen kommt, sei äußerst relevant. Es soll Transparenz geschaffen werden, damit eine Strukturierung und Orientierung für die eüH-Klient*innen möglich gemacht werden. Denn genaue Vorgaben und eine unterstützende und begleitende Haltung helfen bei der Bewältigung dieser Vollzugsform (vgl. Interview 1, 4, 5). Außerdem sei eine Reflexion der Adressat*innen in Bezug auf ihre Tat und deren Umstände essentiell. Eine Auseinandersetzung mit den Faktoren, wie es dazu gekommen ist, sei sowohl für eine präventive Wirkung für die Gesellschaft als auch für die verurteilte Person selbst ein wichtiger Aspekt (vgl. Interview 2, 4).

6.8 Einsatz von Diagnoseinstrumenten bei der Erhebung und Betreuung