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nehmung und Wertschätzung von Lebensmitteln und Landwirtschaft

2.8 Politik und Administration

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– Auf der Konsumseite sollten Informations- und Motivationsansätze verstärkt und weiter-gehende Instrumente dringend erforscht, erprobt und eingeleitet werden.

2.8 Politik und Administration

Die in Teil B dieses Abschlussberichts der ZKL ent-wickelten Empfehlungen haben zum allergrößten Teil politische, juristische und administrative voraussetzungen und Folgen. Diese können hier nicht im Einzelnen dargestellt werden, teilweise liegt ihre Behandlung auch jenseits der Kompe-tenzen der ZKL. Die aus Sicht der ZKL wichtigsten Leitlinien für die politische Mitgestaltung und Förderung des Transformationsprozesses des Landwirtschafts- und Ernährungssystems sind in Kapitel B 1.2 zusammengestellt. An dieser Stelle folgen wenige ergänzende Hinweise.

Rechtliche Vorgaben: Der juristische Rahmen für das Agrar- und Ernährungssystem ist äußerst differenziert. Er reicht vom Landes- und Bundes-recht über das Recht der Europäischen union bis hin zu völkerrechtlichen vereinbarungen (u.a. uN, WTO, internationale verträge), von Regulierungen der Produktionspraxis über das Steuer- und Wettbewerbsrecht bis hin zum inter-nationalen Handelsrecht. Zu ihm gehören Klima-, umwelt- und Tierschutzrecht, Bodenrecht, Lebensmittelrecht, Arbeitsrecht u. v. a. m.

Zahlreiche dieser rechtlichen Ordnungssysteme ebenso wie die entsprechenden Exekutiv-, Administrations- und Kontrollinstanzen sind keineswegs indifferent gegenüber den voraus-setzungen für eine gleichermaßen ökonomisch tragfähige, ökologisch nachhaltige und sozial verantwortliche Landwirtschaft. Nicht selten sind sie Ausdruck von Leitbildern, denen die Landwirt-schaftspolitik heute nicht mehr durchgängig oder ohne Modifikationen und Ergänzungen folgt oder folgen sollte; prominente Beispiele hierfür sind das Landwirtschaftsgesetz der Bundesrepublik von 1955 oder Art. 39 des vertrages über die Arbeits-weise der Europäischen union. Nicht wenige dieser Normsysteme privilegieren im Effekt eine Wirtschaftsordnung, in der vielfältige Anreize bestehen, Wettbewerbsfähigkeit dadurch zu stei-gern, dass tatsächliche Produktionskosten zulasten

von Gemeinwohlgütern wie Klima, Biodiversität und Tierwohl externalisiert werden. Wie u.a. die Machbarkeitsstudie zu den Empfehlungen des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung60 zeigt, können der ökonomisch effektiven umsetzung einer Reihe von ökologisch sinnvollen Politik-optionen z.B. erhebliche handels-, markt- und wettbewerbsrechtliche Hürden entgegenstehen.

Die Beseitigung derartiger rechtlicher Hürden erfordert übergreifendes und langfristiges politisches Handeln. Die aus Nachhaltigkeits-gründen erforderliche systemische Transformation des Landwirtschafts- und Ernährungssystems wird nicht gelingen können, solange der Status quo des angedeuteten rechtlich-administrativen Rahmens unangetastet bleibt. vielmehr ist dieser nach Auffassung der ZKL seinerseits dahingehend dynamisch weiterzuentwickeln, dass er den Trans-formationsprozess befördert und beschleunigt.

Politik: Staatliches Handeln mit Bezug auf das Landwirtschafts- und Ernährungssystem ein-schließlich seiner Interdependenzen mit Klima-, umwelt-, Arten- und Tierschutz ist in problema-tischem umfang geprägt durch das Fehlen eines integrierenden und orientierenden Leitbildes sowie eines konsistenten bundesrechtlichen Rahmens. An dessen funktionale Stelle treten des Öfteren Strategien der Exekutive (z. B. Sus-tainable Development Goals [SDG], Green Deal, Ackerbaustrategie, Aktionsprogramm Insekten-schutz). Interne Widersprüche und ein Mangel an Abgestimmtheit der relevanten Politikfelder, z.B. im verhältnis von Förderhandeln und Ordnungsrecht, sind daher ebenso offenkundig wie vollzugsmängel und Zielverfehlungen. Dies gilt sowohl hinsichtlich der ökonomischen Trag-fähigkeit von Landwirtschaft wie auch in Bezug auf ökologische Nachhaltigkeitsziele.

Für eine wirksam auf Nachhaltigkeit zielende Agrar- und umweltpolitik ist sowohl eine bessere horizontale als auch eine bessere vertikale Integ-ration politischer Maßnahmen notwendig. Dazu müssen zum einen Instrumente (z. B. finanzielle Förderung und Ordnungsrecht) und Politikfelder (z.B. Agrarpolitik und umwelt- oder Tierschutz-politik) sinnvoller aufeinander abgestimmt werden. Zum anderen müssen die verschiedenen Politikebenen (Eu, Bund, Länder, Kommunen) schlüssiger verknüpft werden und deren politi-sche Aktivitäten wirksamer ineinandergreifen.

Dies zu erreichen, ist eine deutliche Heraus-forderung für die Praxis der Rechtssetzung, die sich rasant wandelnden Rahmenbedingungen und Erwartungen der Öffentlichkeit im All-gemeinen sowie der jeweiligen Normadressat:in-nen im Besonderen gegenübersteht. um sowohl den oben formulierten Ansprüchen an Gesetze und verordnungen zu genügen als auch Betroffe-nenkreise effektiv einbeziehen zu können, sollte eine verbesserte Abschätzung der möglichen Wirkzusammenhänge zwischen den politischen Maßnahmen und dem politischen Ziel angestrebt werden.61

von landwirtschaftlich Tätigen wird verbreitet die Tendenz zu sehr kleinteiliger Regulierung und zunehmende bürokratischen Belastung fest-gestellt. Im Maße nachweislicher Fortschritte bei der ökologisch nachhaltigen Transformation der Landwirtschaft kann das bestehende, teilweise sehr detaillierte und administrativ aufwendige Ordnungsrecht der Agrar- und umweltpolitik auf seine eigentliche Funktion zurückgeführt werden, die darin besteht, Mindeststandards festzulegen und deren verletzung juristisch sanktionierbar zu machen.

60 c. Deblitz et al. (2021): Politikfolgenabschätzung zu den Empfehlungen des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung (Thünen Working Paper 173), https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Tiere/Nutztiere/folgenabschaetzung-borchert.html.

61 vgl. Nationaler Normenkontrollrat (2019): Erst der Inhalt, dann die Paragrafen – Gesetze wirksam und praxistauglich gestalten, https://www.normenkontrollrat.bund.de/nkr-de/bessere-rechtsetzung-buerokratieabbau/praxistaugliche-gesetze.

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Die notwendige Transformation des Agrar- und Ernährungssystems bringt für alle Beteiligten grundlegende veränderungen mit sich. Weit-gehende Akzeptanz auch bei direkt Betroffenen ist deswegen eine wichtige Bedingung für das Gelingen dieses Transformationsprozesses.

Dafür müssen u.a. angemessene Fristen gesetzt, verlässliche Rahmenbedingungen geschaffen und Planungssicherheit gewähr-leistet werden. Nur wenn es für sie absehbare, hinreichend verlässliche und wirtschaftlich tragfähige Transformationspfade gibt, werden landwirtschaftliche Betriebe die notwendigen Investitionen tätigen; nur dann ist es für unter-nehmen und Forschungseinrichtungen sinnvoll, in die Entwicklung von neuen, zukunftsfesten Praktiken, Techniken, Produkten oder Sorten zu investieren; nur dann werden sich vertrags- und verhandlungsstrukturen sowie Ernährungsstile positiv entwickeln.

Verwaltung: Eine zügige und umfassende umsetzung der in den vorhergehenden Kapiteln beschriebenen nachhaltigkeitsorientierten Agrar- und umweltpolitik und ein regelmäßiges Monitoring des Transformationsprozesses setzen auf allen Ebenen (Kommunen, Länder, Bund, Eu) eine hocheffektive Agrar- und umweltverwaltung voraus. Diese muss daher entsprechend unter-stützt und in die Lage versetzt werden, die auch für sie gegebenen enormen Anforderungen des Transformationsprozesses zu bewältigen.

Insbesondere sind zur Wahrung der hohen Lebensmittelsicherheit die Überwachungs-behörden personell wie technisch besser auszustatten; dies ist unabdingbar, denn zwar hat die Lebensmittelsicherheit in Deutschland und der Europäischen union grundsätzlich einen hohen Standard erreicht, jedoch bleiben Lebensmittelsicherheit und -qualität in der Praxis eine permanente Herausforderung für die Lebensmittelwirtschaft und -überwachung.

Ob im Einzelnen Kontroll- oder Zertifizierungs-aufgaben in privatwirtschaftliche Hände gelegt werden könnten oder sollten, sollte ebenfalls geprüft werden.

2.9 Wissensmanagement und