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3 Ökologische Handlungsfelder und Tierhaltung, Politikoptionen und Empfehlungen

3.1 Klima und klimawandel- klimawandel-bedingte Auswirkungen auf die

Landwirtschaft

um den Klimawandel und seine ökologischen und sozialen Folgen zu begrenzen, müssen die Treibhausgasemissionen so zurückgefahren werden, dass das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens erreicht wird. Da dieses Ziel nicht ohne eine grundlegende Transformation des gesamten Wirtschaftssystems hin zu einer emissionsreduzierten volkswirtschaft denkbar ist, macht es die Entwicklung von Emissionsminde-rungs- oder Kohlenstoffbindungsstrategien für alle relevanten Sektoren erforderlich, um einer-seits richtige Impulse für klimaschutzpolitische Strukturveränderungen zu setzen und anderer-seits Technologieinnovationen anzustoßen.

Dies hat auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 24. März 2021 mit der Forderung an den Gesetzgeber unter-strichen, entsprechend weitere Maßnahmen für Emissionsverringerungen vorzusehen und damit die Grundrechte insbesondere auch jüngerer und zukünftiger Generationen zu schützen.

Durch die nicht kurzfristig umzusetzende Transformation des gesamten Landwirtschafts- und Ernährungssystems können im verlauf des Prozesses unsicherheiten auftreten – z.B.

im Bereich der Produktion und des klima-schonenden Konsums sowie für die Gestaltung einer effizienten Klimaschutzpolitik. um diese unsicherheiten möglichst zu vermeiden,

sollten klimaschutzpolitische Zwischenziele und Maßnahmen regelmäßig überprüft und ggf.

nachjustiert sowie mit Synergien aufgrund von Maßnahmen in anderen Sektoren, aber auch mit

der Zielerreichung widerstrebenden Maßnahmen kritisch abgeglichen werden.

Davon unberührt sind jedoch die im Rahmen des Pariser Klimaabkommens völkerrechtlich verbind-lichen und im Klimaschutzgesetz umgesetzten Regelungen, denen zufolge es ausschließlich zu verschärfungen von Klimaschutzzielen kommen kann.

Das Agrar- und Ernährungssystem im Allgemeinen und die landwirtschaftlichen Produktionsprozesse im Besonderen sind in drei-facher Weise mit dem Klimawandel verbunden:

Die Landwirtschaft und hier in besonderem Maße auch die landwirtschaftliche Tierhaltung verursachen in erheblichem umfang selbst Treibhausgasemissionen. Der Anteil dieser Emissionen am derzeitigen bundesdeutschen jährlichen Ausstoß von Treibhausgasen ist mit knapp 9 % zu veranschlagen. Dazu kommen Treibhausgasemissionenaus landwirtschaft-licher Landnutzung und Landnutzungs-änderungen(4,4%).

Landwirtschaftliche Produktion ist nicht nur konstitutiv vom ungestörten Funktionieren ökologischer Systeme abhängig, sondern sie ist wie kaum ein anderer Wirtschaftszweig von den Folgen des Klimawandels auch direkt und indirekt betroffen. Zwar sind die Auswirkungen der Erderwärmung auf die landwirtschaft-liche Produktion zu komplex, als dass sie ein-deutig vorherzusagen wären. verlässlich ist allerdings die Prognose, dass es – bei allen unterschieden zwischen Kulturen und Welt-regionen – ohne Anpassungsmaßnahmen lang-fristig überwiegend zu einem Rückgang der Agrarproduktionkommenwürde.64 Bereits heute nehmen durch den Klimawandel be-dingteExtremwetterereignisse(Starkregen, Hitze- und Dürreperioden) und langanhaltende

Wetterlagen deutlich zu, der vegetations-beginn verschiebt sich nach vorne, die Ge-fahr durch Spätfröste steigt, Schadorganismen etablieren sich neu oder verstärken ihre Schädigungswirkung.

Die landwirtschaftliche Produktion kann zu-gleich auch ein wichtiges Mittel zur aktiven Be-kämpfung des globalen Klimawandels sein, weil Wasser, Böden und Pflanzen der Atmosphä-re TAtmosphä-reibhausgase entziehen und diese binden können.

3.1.1 Treibhausgaseffizienz, -reduktion und -bindung

Deutschland hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2045 klimaneutral zu werden. Angesichts der kurzfristig großen Einsparpotenziale in anderen Sektoren werden Landwirtschaft und Landnutzung schrittweise eine immer be-deutendere Rolle in der Bekämpfung des Klima-wandels spielen. Zu bedenken ist dabei jedoch:

Nahrungsmittel lassen sich nicht komplett ohne Treibhausgasemissionen erzeugen. Dennoch ist zur Erreichung der rechtlich festgelegten, verfassungsrechtlich begründeten und auch völkerrechtlich verbindlich vereinbarten Klima-ziele eine deutliche Reduktion der Treibhausgas-emissionen aus Landwirtschaft, Ernährung und Landnutzung sowie ein langfristiger Ausbau der Senkenfunktion in diesen Bereichen notwendig.

Hierfür braucht es eine vielzahl unterschiedlicher Maßnahmen und Aktivitäten.

um den Herausforderungen im Klimaschutz angemessen zu begegnen, müssen daher sofort implementierbare und sofort wirksame Maß-nahmen zur Reduktion der Treibhausgase aus der Landwirtschaft etabliert werden.

Dabei gibt es eine vielzahl von Ansätzen, um die Treibhausgasemissionen in der Landwirtschaft zu

64 J. R. Porter et al. (2014): Food Security and Food Production Systems, in: c. B. Field et al.: Impacts, Adaptation, and vulnerability. Part A: Global and Sectoral Aspects. contribution of Working Group II to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on climate change,

https://www.ipcc.ch/site/assets/uploads/2018/02/WGIIAR5-chap7_FINAL.pdf.

EMPFEHLuNGEN / ÖKOLOGIScHE HANDLuNGSFELDER uND TIERHALTuNG, POLITIKOPTIONEN uND EMPFEHLuNGEN

senken, die zum Teil auch schon praktiziert wer-den. Im Zentrum steht hier eine klimaeffizientere Bewirtschaftung, die auch häufig kosteneffizient ist. Hierfür sind zum Teil intensivere und staat-lich geförderte Beratungsangebote als bisher notwendig (z. B. regelmäßige Klimachecks auf einzelbetrieblicher Ebene). unter besonderen voraussetzungen sollte mindestens für eine Übergangsphase die gezielte staatliche Förde-rung von Bewirtschaftungsweisen, welche der Minderung von Treibhausgasemissionen und der Speicherung von Treibhausgasen dienen, weitergeführt und intensiviert werden. Der Weg in die Klimaneutralität wird auch für den Bereich Landwirtschaft und Landnutzung mit Lern- und Anpassungseffekten verbunden sein. Deshalb sollten entsprechende prozessbegleitende Nach-steuerungen mitgedacht werden. Im Folgenden werden wichtige Maßnahmen differenziert nach verschiedenen Treibhausgasen vorgeschlagen.

Methan: Der überwiegende Teil der Emissionen aus der Landwirtschaft stammt aus der Tier-haltung, insbesondere der Rinderhaltung. Daher ist es zur verringerung des Methanausstoßes notwendig, dass der Konsum und damit einher-gehend die Produktion tierischer Lebensmittel zurückgehen.

Daher empfiehlt die ZKL:

– einen den Klimazielen angepassten umfang der Rinderbestände und die Konzentration auf eine grünlandbasierte Rinderhaltung, einhergehend mit der Anpassung des Konsums; gleichzeitig muss die Wertschöpfung je Tier steigen, damit dasBetriebseinkommenmindestensstabil bleibt;

– eine Optimierung des Düngungs- und Fütterungsmanagements;

– eine verbesserung der Lebenstagsleistung bei Milchkühen

Lachgas: Etwa 80 % der Lachgasemissionen in Deutschland stammen aus der Landwirtschaft.

vor allem der Einsatz von stickstoffhaltigen Düngemitteln verursacht erhebliche Lachgas-emissionen. Die Effizienz des Stickstoffeinsatzes in der deutschen Landwirtschaft liegt im

Durchschnitt nur bei etwa 50%. Ziel muss es sein, den Stickstoffüberschuss entsprechend der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie bis 2030 auf höchstens 70 Kilogramm pro Hektar zu reduzieren.

Daher empfiehlt die ZKL:

– die Etablierung von Anreizsystemen für die be-triebsindividuelle Optimierung der Stickstoff-effizienz der Agrarproduktion;

– die zügige umsetzung einer einfachen, trans-parenten und überprüfbaren einzelbetrieb-lichen Stoffstrombilanzierung; erst wenn die schon umgesetzten politischen Maßnahmen wie die Düngeverordnung nicht greifen, sollten ergänzend marktwirtschaftliche Instrumente zur Reduktion der Stickstoffüberschüsse in Be-tracht gezogen werden (s. Kapitel B 3.2);

– die emissionsarme Düngung zur vermeidung von Stickstoffüberschüssen;

– die Entwicklung sachgerechter Zulassungs-verfahren für Nitrifikationshemmer und an-dere Stoffe, die Stickstoffverluste verringern können.

Kohlenstoffdioxid: Landwirtschaftliche Böden und Moore können erheblich zur Speicherung von cO2 in Böden beitragen. Hierfür sind ins-besondere langfristig angelegte Maßnahmen notwendig.

Humusaufbau: Angesichts der enormen zu-sätzlichen vorteile des Aufbaus und Erhalts des Humus für die Klimaresilienz der Landwirtschaft und die Ertragsfähigkeit ihrer Böden sowie in An-betracht der Bedeutung von Humusvermehrung bezüglich anderer Ziele (z. B. Biodiversität) stellt

die Steigerung des Humusgehalts ein zentrales agrarökologisches Handlungsfeld dar.

Es gibt bereits heute eine vielzahl von Maß-nahmen, die den Humusaufbau steigern.

Daher empfiehlt die ZKL:

– ein verstärktes Angebot von entsprechenden staatlich finanzierten Fördermaßnahmenn (u. a.

Förderungerweiterterundhumusmehrender Fruchtfolgen, Förderung eines Zwischenfrucht-anbaus und des Anbaus von Leguminosen);

– die Entwicklung von Instrumenten zur Messung der veränderung von Humusgehalten, um eine Honorierung der dauerhaften Speicherung von Kohlenstoff auf landwirtschaftlich genutzten mineralischen Böden zu ermöglichen;

– die rechtlich verbindliche verankerung einer ausgeglichenen Humusbilanz in der guten fach-lichen Praxis.

Moore: Moore sind natürliche Kohlenstoff-senken, deren landwirtschaftliche Nutzung zur Freisetzung von Treibhausgasen führt.

Hier bieten sich für die Landwirtschaft schnell umsetzbare, große Potenziale für Beiträge zum Klimaschutz. Dies sollte entsprechend von der Gesellschaft honoriert werden. Erforderlich ist die Erarbeitung einer nationalen Moorschutz-strategie von Bund und Ländern im engen Austausch zwischen Landwirtschaft und Natur-schutzverbänden. Dabei soll im Einklang mit dem Ziel „Klimaneutralität 2045“ eine weitgehende Wiedervernässung der derzeit trocken genutzten landwirtschaftlichen Flächen erreicht werden.

Für den entstehenden Nutzungsausfall müssen die entsprechenden Mittel bereitgestellt werden.

Die ZKL empfiehlt als Maßnahmen zum

differenzierten Schutz derzeit landwirtschaftlich genutzter Moore:

– die umwandlung von Acker- in Grünland-flächen, die bei höherer Schutzwürdigkeit

zu-dem extensiv bewirtschaftet werden, den Schutz von Grünland sowie die unterstützung vonProduktenausGrünlandnutzungund Weidehaltung;

– eine Wiedervernässung von Flächen mit hohem Renaturierungs- und Klima-schutzpotenzial, die mit Produktions- und Einkommensperspektiven für die dort wirt-schaftenden Betriebe zu verbinden ist;

– die verwendung von Torfersatzstoffen und ein Eu-weites verbot des Torfabbaus;

– die Nutzung und Förderung von Paludikulturen.

vor allem die Wiedervernässung wird erhebliche finanzielle Anstrengungen erfordern. Deshalb kann ein Emissionshandel für vermiedene Emis-sionen aus organischen Böden ein geeignetes Konzept sein, um hier die Klimaschutzziele zu erreichen. Aufgrund der hohen Komplexität von Treibhausgasemissionen in der Landwirtschaft und deren Monitoring ist die Implementierung eines gesonderten Emissionshandels jedoch kompliziert und nicht kurzfristig umzusetzen.

Allgemeine Maßnahmen: Zur Reduktion von Treibhausgasemissionen und für eine verbesserte Klimaeffizienz kommen überdies weitere Maß-nahmen in Betracht.

Die ZKL empfiehlt deswegen:

– eine einkommenswirksame Finanzierung von vertragsklimaschutzmaßnahmeninkl. um-fassender und anreizorientierter Programme zum differenzierten Schutz landwirtschaftlich genutzter Moore (s. o.);

– der Digitalisierung bei der umsetzung von Klimazielen eine wichtigere Rolle zuzumessen, denn Technologien und digitale Anwendungen können dabei helfen, den cO2-Ausstoß in der Landwirtschaft zu reduzieren;

– im Ernährungsbereich neben den in Kapitel B2.7 enthaltenen Maßnahmen gegen Lebens-mittelverschwendung die Potenziale der Ausgabe klimafreundlicher Gerichte bei

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anstaltungen und einer entsprechenden Ein-bindung der Gemeinschaftsverpflegung in öffentlichen Kantinen zu nutzen; als erster Schritt könnten DGE-Qualitätsstandards für die Gemeinschaftsverpflegung verpflichtend in allen Bundesländern eingeführt und um Nach-haltigkeitskriterienerweitertwerden;

– in Kitas und Schulen Bildungsangebote in ver-bindung mit einer entsprechenden gesund-heitsförderlichen, nachhaltig ausgerichteten und beitragsfreien verpflegung zu machen;

– staatlich finanzierte Beratungsangebote auszubauen und die Möglichkeiten von klimaschützenden Maßnahmen für landwirt-schaftliche Betriebe erkennbar und realisierbar zu machen;

– die EinführungmindestenscO2-effizienter, möglichst aber cO2-neutraler Produktions-techniken im gesamten Lebensmittelsystem;

– Forschungsprojekte und Best-Practice-Demonstrationsvorhaben z.B. zu Agroforst-systemen, Dauerbegrünung, nicht wendender Bodenbearbeitung, Kompost oder Mulch;

– die effiziente und biodiversitätsfördernde Nut-zung von landwirtschaftlicher Fläche für er-neuerbare Energien (unter vermeidung von Landnutzungskonkurrenzen);

– Maßnahmen, damit die Sektoren Landwirt-schaft und Landnutzung perspektivisch in ihrer gemeinsamen Bilanz mit negativen Emissionen zum Klimaschutz beitragen können.

3.1.2 Resilienz der Agrarproduktion gegenüber Folgen des Klimawandels

Die Agrarproduktion ist in besonderem Maße direkt den Folgen des Klimawandels ausgesetzt.

Starkregen, Dürren und andere Extremwetter-ereignisse infolge des Klimawandels, Boden-degradation und -erosion, der allgemeine Temperaturanstieg sowie die verschiebung von Jahreszeiten sind insbesondere für den Ackerbau eine Gefährdung. Entsprechende Anpassungen der Landwirtschaft müssen politisch begleitet und gefördert werden. Besonderes Augenmerk

muss dabei den folgenden Gesichtspunkten gelten:

Strukturreiche Agrarlandschaften mit grünen Pflanzen, Wasserrückhaltung und möglichst dauerhaft begrünten Flächen speichern Was-ser, begrenzen die Austrocknung von Böden und beeinflussen Mikro- und Mesoklima posi-tiv (vgl. dazu auch Kapitel B 3.2).

Der Humusgehalt der Böden spielt eine

Schlüsselrolle bei der Entwicklung einer gegen-über den Folgen des Klimawandels möglichst resilienten Landwirtschaft. Böden mit guter Humusversorgung können große Wasser-mengen in kurzer Zeit aufnehmen und in tro-ckenen Perioden zur verfügung stellen. In die gleiche Richtung wirkt eine gute Bodenstruktur (nicht verfestigte, „gare“ Böden).

Standort- und klimaangepasste, ertragreiche, robuste und gesunde Sorten von hoher Spei-se- bzw. Futter- und verarbeitungsqualität einer möglichst großen Anzahl von Kultur-pflanzenarten sind zentral, um ein resilientes und produktives Agrar- und Ernährungssystem weiterzuentwickeln. Im Rahmen des Green Deal und der Farm-to-Fork-Strategie der Eu gilt dies umso mehr. Dabei werden die An-forderungen an die Züchtung immer komplexer (vgl. dazu auch Kapitel B 4.4).

3.2 Boden, Wasser, Luft,