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Petricolaria (Petricola) pholadiformis (Lamarck, 1818) Die Bohrmuschel Petricolaria pholadiformis stammt von

der nordamerikanischen Atlantikküste und wurde sehr wahrscheinlich mit Amerikanischen Austern (Crassostrea virginica) Ende des 19. Jh. nach Großbritannien impor-tiert. Von dort aus eroberte sie die Küsten der Nordsee-anrainerstaaten und drang bis ins nördliche Kattegat vor.

Die Muschel bohrt in weichem Material wie Klei, Torf oder Holz. Nach anfänglich starkem Populationswachs-tum gingen die Bestände an der deutschen Nordseeküs-te stark zurück, inzwischen ist sie nur noch relativ selNordseeküs-ten zu finden. In der deutschen Ostsee kommt sie nicht vor.

Syn.: Petricola pholadiformis Lamarck, 1818

Deutscher Name: Amerikanische Bohrmuschel, Engelsflügel Englischer Name: American piddock, False angel wing, American rock-borer

Status: nicht-heimische Art, etabliert (inzwischen selten) Lebensraum: marin (die ersten europäischen Individuen

wurden allerdings im Brackwasser der Themsemündung (River Crouch) gefunden)

Ursprungs-/Donorgebiet: Atlantikküste von Nordamerika (Wolff 2005)

Vektor: wahrscheinlich mit amerikanischen Kulturaus-tern (Crassostrea virginica) nach Großbritannien einge-schleppt; sekundäre Verbreitung der Larven mit Meeres-strömungen und eventuell adulter Tiere in Treibholz (Eno et al. 1997, Nehring & Leuchs 1999a)

Erstnachweis in deutschen Küstengewässern:

Nordsee 1896 bei Föhr (Schlesch 1932) Ostsee: - (unklar, s.u.)

Einschleppung in nordeuropäische/deutsche Küstenge-wässer und Ausbreitung:

Petricolaria pholadiformis wurde in Europa nicht später als 1890 vermutlich mit Setzlingen der Amerikanischen Auster (Crassostrea virginica) eingeschleppt und zuerst in

der Themsemündung (River Crouch) gefunden (Eno et al.

1997). Im Gegensatz zu den meisten Autoren, die dafür das Jahr 1890 angeben (z.B. Minchin et al. 2013, Nehring

& Leuchs 1999a), nennt Jensen (2010a) für den Erstnach-weis 1893 ohne dies näher zu begründen.

Das europäische Festland erreichte die Muschel wahr-scheinlich mittels Larvendrift. Erste Nachweise aus Belgi-en stammBelgi-en von 1899 nahe der GrBelgi-enze zu dBelgi-en Nieder-landen und 1905 dann von der niederländischen Küste (Wolff 2005). Nach Literaturangaben in Wolff (2005) ist sie in den Niederlanden bis in die 1940er Jahre eine weit verbreitete und häufige Art.

Nehring & Leuchs (1999a) spekulieren, dass Petricolaria mit der europäischen Auster (Ostrea edulis) in das deut-sche Wattenmeer gelangt sein könnte. In Nordfriesland, wo zwischen 1894 und 1896 die überfischten Bestände mit Jungaustern aus Frankreich bestückt worden waren (Nehring & Leuchs 1999a), tauchte die Bohrmuschel bereits 1896 auf (Schlesch 1932). Dies würde eine sehr frühe Ansiedlung der Muschel in Frankreich voraussetzen.

Wann genau Petricolaria an die französische Küste kam, ist unklar. In der Liste von Goulletquer et al. (2002) über eingeschleppte Arten in französischen Gewässern taucht sie nicht auf, an der belgisch-niederländischen Grenze wurde sie jedoch erst 1899 gefunden.

An der deutschen Nordseeküste hatten sich dann bis 1906 große Populationen vor Amrum und Sylt, aber auch vor der ostfriesischen Insel Juist, entwickelt (Nehring &

Leuchs 1999a).

Inzwischen ist die Amerikanische Bohrmuschel im Wat-tenmeer selten geworden (Reise 1982), und Nehring &

Leuchs (1999a) geben größere Vorkommen nur noch für die Jade an, wo die Tiere in Klei und Torf geeignete Lebensräume finden. Für das Wattenmeer wurde Petrico-laria, obwohl eine gebietsfremde Art, inzwischen sogar auf die ‚Rote Liste‘ gesetzt.

Im dänischen Wattenmeer wurde die Bohrmuschel 1907 bei den Inseln Fanø und Manø entdeckt, nachdem schon 1903 leere Schalenklappen bei Esbjerg aufgetaucht waren (Schlesch 1932). (Es wird auch 1905 als Datum des Erstfundes angegeben, dies scheint aber falsch zu sein.) Im Verlauf der folgenden Jahre wanderte die Art an der jütländischen Küste nordwärts, erscheint aber nicht vor 1931 im nördlichen Kattegat bei Fredrikshavn, und Schlesch (1932) vermutet, dass die abnehmende Sali-nität die Ausbreitung zum Erliegen bringt bzw. dass mit den gängigen Methoden die Art möglicherweise nicht erreicht wird (was aber das Vorhandensein leerer Schalen nicht ausschließt). Jensen & Knudsen (2005) geben noch einen Nachweis von 1943 aus dem Großen Belt an.

Auch im dänischen Wattenmeer befinden sich die Be-stände schon seit den 1930er Jahren wieder im Nieder-gang (Jensen 1992).

Einen Erstfund für die deutsche Ostsee datieren Nehr-ing (2000) und Gollasch & NehrNehr-ing (2006) auf 1927. Als Quelle wird bei Nehring (2000) ein Bestimmungsschlüs-sel für Muscheln und Schnecken der Ostsee genannt (Jagnow & Gosselck 1987). Diese Quelle konnte nicht eingesehen werden. Andererseits beschreibt Schlesch (1932), der für die dänischen Küsten äußerst detailliert die Nachweise bis 1931 auflistet, dass Petricolaria phola-diformis bis dahin weder im südlichen Kattegat noch in der Flensburger Förde trotz intensiver Suche gefunden werden konnte. Der Fund einer leeren Schalenklappe unbestimmter Herkunft in der Flensburger Außenförde 1930 wird vom Finder wie vom Autor als nicht ausrei-chend für das Vorkommen der Muschel angesehen (und mit ‚Eine Schwalbe macht bekanntlich keinen Sommer‘

kommentiert).

Jensen & Knudsen (2005) verweisen ebenfalls auf das Jahr 1927 als Erstnachweis für die westliche Ostsee, ohne nähere Angabe des Ortes oder der Quelle. Da die Au-toren eingeschleppte Arten speziell dänischer Küsten auf-listen, ist unklar, ob sich dieser Hinweis auf deutsche oder dänische Gewässer bezieht. Sie spekulieren, dass die Art durch den NOK gewandert sein könnte, was aufgrund der niedrigen Salinität im Kanal zweifelhaft ist.

Größere Bestände kommen in der deutschen Ostsee sicher nicht vor.

Nachweise von Nordseeküsten (inkl. östl. Ärmelkanal und Skagerrak):

Großbritannien (Eno et al. 1997, Minchin et al. 2013) Belgien (Kerckhof et al. 2007)

Niederlande (Wolff 2005)

Deutschland (Nehring & Leuchs 1999a) Dänemark (Jensen & Knudsen 2005)

Norwegen (www.frammandearter.se, Literatur in Jensen 2010) Schweden (Skagerrak, www.frammandearter.se)

Nachweise von Ostseeküsten (inkl. Kattegat und Limfjord):

Schweden (Kattegat, www.frammandearter.se) Dänemark (Großer Belt, Jensen & Knudsen 2005)

Zur Biologie und Ökologie:

Petricolaria pholadiformis bohrt sich in relativ weiches Material wie Kleie, Torf, Holz oder Kreide ein und filtert durch zwei Siphone, die aus der Öffnung ragen. Jensen (2010a) gibt an, dass die Art sich auch in Sand eingräbt.

Einmal an ihrem Standort etabliert, ist Petricolaria zu keinem Ortswechsel fähig und stirbt bei ungünstigen

Be-dingungen ab, etwa wenn sie verschüttet wird (Nehring

& Leuchs 1999a). Durch ihre Lebensweise ist ihre Aus-breitung stark vom Vorhandensein geeigneter Substrate abhängig.

Die Art scheint auf höhere Salzgehalte angewiesen zu sein, was ihr Fehlen in der Ostsee erklärt. Allerdings wurde sie erstmals im Brackwasser der Themsemündung gefunden, wohin sie vermutlich ohne eigenes Zutun ge-langte. Ob diese Bestände noch existieren und florieren ist uns nicht bekannt.

Auswirkungen und invasives Potential:

Häufig wird eine mögliche Konkurrenz zur heimischen Bohrmuschel Barnea candida angegeben, der Petricolaria auch äußerlich sehr ähnlich sieht. Nach der schwedischen Internet-Datenbank www.frammandearter.se hat die

Amerikanische Bohrmuschel in Belgien und den Nieder-landen die heimische Barnea nahezu verdrängt, jedoch bezeichnet Jensen (2010a) dies als anekdotisch. Tat-sächlich wurde nirgendwo an nordeuropäischen Küsten dokumentiert, dass die amerikanische Einwanderin die heimische Bohrmuschel verdrängen konnte.

Kategorie 3 (Einwanderer mit bisher kaum bekannten Auswirkungen)

Literatur: Eno et al. 1997, Gollasch & Nehring 2006, Jensen 1992, Jensen 2010a, Jensen & Knudsen 2005, Kerckhof et al. 2007, Minchin et al. 2013, Nehring &

Leuchs 1999a, Reise 1982, Schlesch 1932, Wolff 2005 www.frammandearter.se (Aktualisierung v. 16.12.2006)

Die amerikanische Bohrmuschel Petricolaria pholadiformis; Schalenlänge bis 60 mm. (Foto: K. Reise)

Rangia cuneata

(G.W. Sowerby 1832)

Die Muschel Rangia cuneata stammt von der amerikani-schen Atlantikküste, wo sie im Brackwasser von Ästuaren lebt. Als ursprüngliche Heimat rezenter Populationen wird der Golf von Mexiko angenommen, von wo aus sie in den 1950er Jahren die amerikanische Ostküste bis nach New York eroberte, möglicherweise mit Hilfe von Austern-transporten oder als Larven im Ballastwasser von Schiffen.

Jedoch wird auch ein Überleben pleistozäner Restpopu-lationen nicht ausgeschlossen (Verween et al. 2006). In Europa tauchte sie erstmals 2005 im Hafen von Antwer-pen in industriellen Kühlwasserrohren auf (Verween et al.

2006). 2010 wurde sie im russischen Teil des Frischen Haffs (Vistula Lagoon) nachgewiesen, wo sie sich wahrscheinlich

bereits 2007/2008 angesiedelt hatte (Rudinskaya & Gusev 2012). Im November 2013 wurde Rangia cuneata erstmals für deutsche Küstengewässer im Nord-Ostsee-Kanal (NOK) bei Brunsbüttel gefunden (Bock, pers. Mitt. Juli 2014).

R. cuneata kann Kühlwassersysteme verstopfen und gilt als potentiell invasiv (Verween et al. 2006), ist aber auch eine neue Nahrungsquelle für die Organismen der arten-armen Brackwasserhabitate und wird an der amerikani-schen und mexikaniamerikani-schen Ostküste für den menschlichen Konsum genutzt (Rudinskaya & Gusev 2012).

Literatur: Rudinskaya & Gusev 2012, Verween et al. 2006