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Crassostrea gigas (Thunberg, 1793)

Die Pazifische Auster Crassostrea gigas löste Mitte des 20. Jh. die konspezifische Portugiesische Auster (C. ‚angulata‘) als Kulturauster ab. Zunächst von der kanadischen Westküste in die Niederlande importiert, später von diversen geographischen Ursprungsorten in verschiedene nordwest-europäische Länder gebracht, verwilderte sie und breitete sich explosionsartig an allen europäischen Nordseeküsten aus. Kulturversuche an der deutschen Nordsee begannen in den 1970er Jahren.

1991 wurde ein erstes Exemplar außerhalb der Kulturen auf einer Muschelbank bei Sylt gefunden. Die Pazifische Auster wird als IAS (invasive alien species which threa-tens ecosystems, habitats or native species) eingestuft, und ihre Ausbreitung ist nicht kontrollierbar. Zu ihrer Invasionsgeschichte und den überwiegend negativen Auswirkungen existiert eine Fülle von Literatur.

An der deutschen Ostseeküste kommt C. gigas aufgrund des geringen Salzgehalts nicht vor.

Syn.: für eine Liste synonymisierter Taxa s. WoRMS

Deutscher Name: Pazifische Auster Englischer Name: Pacific oyster

Status: nicht-heimische Art, etabliert Lebensraum: marin

Ursprungs-/Donorgebiet: Nordwest-Pazifik; Japan und SO-Asien

Vektor: Besatz von Austern-Aquakulturen, sekundäre Verbreitung mit Meeresströmungen, im Schiffsbewuchs und durch weiteren Handel

Erstnachweis in deutschen Küstengewässern:

Nordsee 1984 Fund eines Individuums unbekannter Her-kunft bei Juist (Meixner 1984)

1991 erste C. Gigas im Freiland auf einer Mu-schelbank bei Sylt (Reise 1998b)

(seit 1971 Aquakulturen bei Sylt; Wolff & Reise 2002) Ostsee: (1971, inzwischen aufgegebene Austernkultur

in der Flensburger Förde (Langballigau), keine wildlebenden C. gigas (Wolff & Reise 2002))

Einschleppung in nordeuropäische/deutsche Küstenge-wässer und Ausbreitung:

Die Pazifische Auster wurde zu Kulturzwecken von der ame-rikanischen und kanadischen Pazifikküste sowie aus Japan in die Niederlande (1964), nach Großbritannien (1965) und

Frankreich (1966) importiert (Wolff 2005, Wolff & Reise 2002). Ein entscheidender Grund war damals der Nieder-gang der nordeuropäischen Kulturen nach Ausbruch einer Virusepidemie. Inzwischen hat C. gigas sich in allen Gebie-ten unkontrolliert ausgebreitet (Nehring & Leuchs 1999a) und bildet stellenweise ausgedehnte, massive Riffe.

In Deutschland wurden 1971 erstmals aus schottischen Zuchtbetrieben stammende Pazifische Austern bei Munk-marsch/Sylt in geringem Umfang ausgebracht. In den darauf folgenden Jahren gab es weitere Kulturversuche bei Nordstrand und Neuharlingersiel (1974), Wilhelms- haven (1976 und 1982), Amrum (1979), Wangerooge (1982) und Norderney (1987) (Nehring & Leuchs 1999a, Wehrmann et al. 2000). 1986 wurde dann die Austernkul-tur südlich von List/Sylt in Betrieb genommen, in der aus Großbritannien und Irland stammende Jungtiere (briti-sche Setzlinge via Irland) bis zur Verkaufsgröße gemästet werden und die aktuell die einzige Austern-Aquakultur an der deutschen Küste ist.

Zunächst ging man davon aus, dass die Wassertempe-raturen eine unkontrollierte Ausbreitung verhindern würden, aber 1991 wurde auf einer Muschelbank nörd-lich der Sylter Kulturflächen erstmals ein frei lebendes Exemplar gefunden (Reise 1998 b). Ab 1995 wusste man, dass auch südlich des Hindenburgdammes (Sylt) frei lebende C. gigas existieren. Inzwischen ist die Pazifische Auster im gesamten nordfriesischen Wattenmeer verbrei-tet und bildet ausgedehnte Bestände. Ähnliches gilt für das ostfriesische Wattenmeer. Dort war schon 1984 ein Individuum der Pazifischen Auster von Muschelfischern gefunden worden, dessen Herkunft unklar war und für dessen Ursprung schon damals Larvendrift aus den Nie-derlanden angenommen wurde (Meixner 1984). Ab 1998 wurden dann zunehmend Exemplare im ostfriesischen Wattenmeer gefunden, obwohl dort keine Austernkultu-ren betrieben werden (Wehrmann et al. 2000). Die Quelle der ostfriesischen Bestände ist in niederländischen Po-pulationen zu suchen, deren Larven mit Meeresströmun-gen verdriften (Reise et al. 2005, Wehrmann et al. 2000).

Genetische Untersuchungen zeigen, dass sie sich offen-bar sukzessive bis nach Eiderstedt ausbreiten konnten, während die nördlichen Populationen durch ständigen Neubesatz der Sylter Austernkulturen genetisch unein-heitlich sind (Moehler et al. 2011).

Auch in der Ostsee gab es in den 1970er Jahren Versuche einer Austernkultur in der Flensburger Förde (Neudecker 1990, Wolff & Reise 2002), die jedoch wegen der zu

geringen Salinität scheiterten. Vermutlich von dort wurden 1979 Austern in den Kleinen Belt (Dänemark) gebracht, wo 1983 dann auch Austern anderer Herkunft angesiedelt wurden (Wolff & Reise 2002). Im Limfjord (1972) und an der Nordküste der Insel Seeland (Isefjord, um 1987) gab es ebenfalls Bemühungen Austern zu kultivieren, jedoch ohne große Erfolge (Jensen & Knudsen 2005).

Aufgrund sinkender Wassertemperaturen und Salinitäten und, im westlichen Limfjord, möglicherweise auch durch einen zeitweiligen Mangel an Phytoplankton (Groslier et al. 2014), blieben die Populationen an skandinavischen Küsten und im Kattegat klein, verglichen mit der massi-ven Invasion in der südlichen und westlichen Nordsee.

Eine Übersicht über die Verbreitung an skandinavischen Küsten geben Dolmer et al. (2014).

Durch den europa- und weltweit operierenden Handel mit Jungaustern ist der Ursprung vieler Bestände inzwi-schen kaum noch nachvollziehbar. In den Beständen mi-schen sich Austern unterschiedlicher Bezugsorte, Larven verdriften und Jungaustern werden als Schiffsbewuchs transportiert. Auch scheinen Austern als Begleitfauna von Miesmuschelsaat von Nordfriesland in die Niederlande gekommen zu sein (Wolff & Reise 2002).

Nachweise von Nordseeküsten (inkl. östl. Ärmelkanal und Skagerrak):

Großbritannien (Eno et al. 1997, Minchin et al. 2013) Belgien (Kerckhof et al. 2007)

Niederlande (Wolff 2005)

Deutschland (Moehler et al. 2011, Reise 1998b)

Dänemark (Dolmer et al. 2014, Reise et al. 2005, Strand et al. 2012)

Norwegen (Dolmer et al. 2014, Wrange et al 2010) Schweden (Dolmer et al. 2014, Wrange et al. 2010)

Nachweise von Ostseeküsten (inkl. Kattegat und Limfjord):

Schweden (nördl. Kattegat; Dolmer et al. 2014, Wrange et al. 2010)

Dänemark (Isefjord, Dolmer et al. 2014, Strand et al. 2012)

Zur Biologie und Ökologie:

Crassostrea gigas ist deutlich größer als die Europäische Auster (Ostrea edulis) mit dickerer, stärker skulpturierter und ovalerer Schale. In Ermangelung felsiger Untergründe siedeln die Tiere in der südlichen Nordsee bevorzugt auf Miesmuschelbänken, wo sie inzwischen solide Riffe bilden, sowie auf anthropogenen Hartsubstraten z. B. in Häfen.

Im Gegensatz zur Europäischen Auster (Ostrea edulis), die im Wattenmeer ihre Verbreitung im Sublitoral hatte, bevorzugen pazifische Austern das untere Eulitoral, sind aber auch im flachen Sublitoral zu finden. Sie überstehen Temperaturen von 4-35 °C und Salinitäten von 10-42 psu.

Zur Reproduktion im Juli/August sind allerdings Min-desttemperaturen von 18-20 °C erforderlich. Die resultierende Planktonlarve bleibt 3-4 Wochen im freien Wasser, bevor sie sich mit ihrer unteren Schalenhälfte festzementiert. Obwohl die Art wärmeliebend ist, über-stehen die Populationen auch kalte Winter erfolgreich.

Auswirkungen und invasives Potential:

Die Pazifische Auster (Crassostrea gigas) ist an der deutschen Nordseeküste ein augenfälliges Beispiel für einen eingeschleppten Organismus, dessen unerwartete Ausbreitung unvorhersehbare Folgen hat und unkontrol-lierbar ist.

Sie wird als eingeschleppte Art mit hohem invasiven Potential eingestuft (IAS - invasive alien species which threatens ecosystems, habitats or native species) (CBD 2000) (Gollasch & Nehring 2006).

Eine Flut von Untersuchungen befasst sich mit der Ausbreitung von C. gigas und deren Folgen auf heimi-sche Lebensräume und Organismen, Auswirkungen auf ökologische und ökonomische Interessen, sekundäre Effekte, durch C. gigas bedingte Einschleppungen etc.

Troost (2010) gibt eine Übersicht zu Auswirkungen auf Organismen und Lebensräume. Zusammenfassungen von Teilen der Literatur finden sich z. B. auch bei Diederich et al. (2005), Eschweiler & Christensen (2011), Miossec et al. (2009), Nehring (2011).

Larven der Pazifischen Auster setzen sich etwa auf Mies-muscheln (Mytilus edulis), Strandschnecken (Littorina littorea) oder Seepocken, die mit zunehmender Größe der Austern überwachsen werden und sterben. Hat sich eine Miesmuschelbank in ein Austernriff gewandelt, auf dem sich immer neue Austerngenerationen ansiedeln, entstehen komplexe Aggregate, die wiederum Lücken-systeme und Anheftungsmöglichkeiten für viele andere Organismen bieten, so auch für Miesmuscheln, Strand-schnecken und Seepocken. Im flachen Sublitoral finden sich darunter auch eingeschleppte Arten wie Sargassum muticum und Styela clava, für die C. gigas als Vektor fun-giert haben könnte.

Crassostrea kann mit anderen Filtrierern um Planktonnah-rung konkurrieren und dabei deren Larven dezimieren.

Als Nahrung für muschelfressende Arten spielen

bestenfalls kleine Austern eine Rolle. Für Menschen besteht vornehmlich durch die messerscharfen Schalen-ränder eine Verletzungsgefahr.

In kalten Wintern können Eisschollen auf Austernriffen erhebliche Zerstörungen anrichten. Von Frankreich her breitet sich eine als ‚summer mortality‘ bekannte Erkran-kung aus, an der Viren und Vibrio-Bakterien beteiligt sind und die Populationen, die aus niederländischen Zuchten an der Nordseeküste stammen, erheblich dezimieren kann (Pernet et al. 2012, Watermann et al. 2008).

Kategorie 1 (Neobiota mit starken Auswirkungen)

Literatur: Diederich et al. 2005, Dolmer et al. 2014, Eno et al. 1997, Eschweiler & Christensen 2011, Gollasch &

Nehring 2006, Groslier et al. 2014, Jensen & Knudsen 2005, Kerckhof et al. 2007, Meixner 1984, Minchin et al.

2013, Miossec et al. 2009, Moehler et al. 2011, Nehring 2011, Nehring & Leuchs 1999a, Neudecker 1990, Pernet et al. 2012, Reise 1998, Reise et al. 2005, Strand et al.

2012, Troost 2010, Watermann et al. 2008, Wehrmann et al. 2000, Wolff 2005, Wolff & Reise 2002, Wrange et al.

2010.

Pazifische Austern (Crassostrea gigas) bilden ausgedehnte Riffe im Wattenmeer. (Foto: K. Reise)