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Amphibalanus (Balanus) improvisus (Darwin, 1854) Amphibalanus improvisus kann einen sehr weiten

Im Dokument Neobiota in deutschen Küstengewässern (Seite 116-119)

Salini-tätsbereich besiedeln, der bis fast in Süßgewässer reicht.

Es ist die einzige regelmäßig vorkommende Seepocke der Ostsee, sie besetzt aber auch Häfen und Ästuare in der Nordsee. Ihre Ausbreitung in der Ostsee erfolgte überwiegend in der zweiten Hälfte des 19. Jh., der histo-rische Zeitpunkt ihrer Ansiedlung in der Nordsee und ihr Ursprung sind dagegen unklar. Die Art ist in deutschen Küstengewässern etabliert und speziell in der Ostsee sehr häufig.

Syn.: Balanus ovularis

Deutscher Name: Brackwasser Seepocke, Ostsee-Seepocke Englischer Name: Bay barnacle, Acorn barnacle

Status: kryptogen, etabliert in der deutschen Nord- und Ostsee

Lebensraum: Brackwasser (mit sehr weitem Salinitäts-spektrum)

Ursprungs-/Donorgebiet: Die Herkunft von A. improvisus wird äußerst kontrovers diskutiert. Die meisten Autoren hal-ten den Nordwest-Atlantik und die nordamerikanische Küs-te für das Ursprungsgebiet, während andere die ‚AlKüs-te Welt’

in Betracht ziehen oder den Ursprung in subtropisch-ge-mäßigten Gewässern und dem Mittelmeerraum suchen (für eine Übersicht s. Weidema 2000 und Wolff 2005). Wolff (2005) hält Amphibalanus improvisus für eine einheimische europäische Art oder einen sehr frühen Immigranten.

Vektor: Die Ausbreitung im Schiffsbewuchs ist nahelie-gend. Daneben können heutzutage auch ein Transport mit Aquakultur-Muscheln und die Verbreitung der Larven mit Schiffs-Ballastwasser eine Rolle spielen. Eine sekundä-re Verbsekundä-reitung auf Driftsubstraten ist ebenso möglich wie der Larventransport mit Meeresströmungen.

Erstnachweis in deutschen Küstengewässern:

Nordsee 1858 an Bojen in der Elbmündung (Kirchen-pauer 1862 in Nehring & Leuchs 1999a) Ostsee: 1867 bei Greifswald (Wolff 2005)

Einschleppung in nordeuropäische/deutsche Küstenge-wässer und Ausbreitung:

Zehn Jahre bevor Darwin 1854 die Seepocke aus Großbritannien und von nord- und südamerikanischen Küsten beschrieb, war die Art bereits 1844 aus der Ost-see bei Königsberg bekannt (Jensen 2010d, Jensen &

Knudsen 2005, Leppäkoski & Olenin 2000, Wolff 2005).

Man nimmt an, dass sie von dort ausgehend fast alle Küsten der Ostsee sehr schnell eroberte und ihre stärks-te Ausbreitung schon in den 1870er Jahren, zumindest aber bis zur Jahrhundertwende erfahren hatte (Leppä-koski & Olenin 2000).

1867 fand man sie in Greifswald (Wolff 2005), 1880 in Kopenhagen (Knudsen & Jensen 2005) und bis Ende des 19. Jh. an der estnischen Küste, wobei dort der genaue Zeitpunkt und Ort unbekannt sind (www.sea.ee).

Von der norwegischen Küste ist Amphibalanus improvisus seit 1900 bekannt (Hopkins 2002). Von der schwedischen Küste scheint es vor 1920 nur wenige Nachweise zu ge-ben (Leppäkoski & Olenin 2000).

Heutzutage ist Amphibalanus improvisus in der gesam-ten Ostsee vom Skagerrak und Kattegat bis nahezu ins Süßwasser des Bottnischen Meerbusens verbreitet. Nach Leppäkoski (1999) und Weidema (2000) erreichte die Art in der Ostsee Mitte des 20. Jh. bei den Northern Quark (im Bottnischen Meerbusen) ihre nördlichste Ausdehnung.

Als östlichstes Vorkommen wird bei www.sea.ee die Region an der estnisch-russischen Grenze angegeben.

Jedoch scheinen Referenzen in der NOBANIS-Datenbank auch auf ein Vorkommen im russischen Seegebiet bei St.

Petersburg hinzudeuten (Panov et al. 1999, diese Litera-tur konnte nicht eingesehen werden).

Der historische Beginn einer Besiedlung der Nordsee ist schwieriger zu datieren: Archäologische Funde aus Belgien lassen den Beginn der Siedlungsgeschichte zwi-schen dem 9. und 17. Jh. vermuten (Wolff 2005), lange bevor Darwin die Seepocke 1854 von britischen Küsten beschrieb. Auch im Brackwasser des Rheins und an der niederländischen Küste kam sie (als B. ovularis) offenbar deutlich früher als 1854 vor (Wolff 2005).

Für die deutsche Nordseeküste stammt der erste Nach-weis von 1858, als Kirchenpauer im Elbästuar Seepocken an Fahrwassertonnen beschreibt, die er als B. crenatus bezeichnet, und von denen einige rückwirkend als A. improvisus identifiziert wurden (Nehring & Leuchs 1999a).

Die Seepocke ist in Ästuaren und Häfen der Nordsee mit Süßwassereintrag nicht selten. Für das deutsche Wattenmeer bezeichnen Nehring & Leuchs (1999) sie als ausgestorben, in den Häfen im niederländischen

Watten-meer tritt sie aber offenbar auch außerhalb der Häfen auf (Karte bei Gittenberger et al. 2010).

Nachweise von Nordseeküsten (inkl. östl. Ärmelkanal und Skagerrak):

Großbritannien (gilt als native Art; entspr. bei Eno et al.

1997 und Minchin et al. 2013 nicht als Neozoon aufgeführt) Belgien (Kerckhof et al. 2007)

Niederlande (Gittenberger 2010, Wolff 2005) Deutschland (Nehring & Leuchs 1999a) Dänemark (Jensen & Knudsen 2005) Norwegen (Hopkins 2002, Weidema 2000) Schweden (www.frammandearter.se)

Nachweise von Ostseeküsten (inkl. Kattegat und Limfjord):

Schweden (www.frammandearter.se) Dänemark (Jensen & Knudsen 2005) Deutschland (Gerlach 2000) Polen (Olszewska 2000) Litauen (www.nobanis.org) Lettland (www.nobanis.org)

Estland (Leppäkoski & Olenin 2000, www.sea.ee) Russland (www.nobanis.org)

Finnland (Leppäkoski & Olenin 2000)

Zur Biologie und Ökologie:

Amphibalanus improvisus ist eine kalkweiße Seepocke mit glatten, ungefalteten Gehäuseplatten und ist die einzige Seepocke der Ostsee. In lebendem Zustand ist sie leicht an ihrem weiß-violett gestreiften Mantelsaum zu erkennen. Von allen Seepocken ist sie diejenige mit der weitesten Salinitätstoleranz und einem Vorkommen, das weit in die Flüsse hineinreicht. Sie kann Bedingun-gen von nahezu Süßwasser (www.frammandearter.se) bis zu 40 psu (Zaiko 2005b) überstehen. Das Optimum wird von Nehring & Leuchs (1999) zwischen 5 und 18 psu angegeben, von Zaiko (2005b) mit 6-30 psu. Bevor-zugter Lebensraum sind Flussästuare und Brackwas-ser-Buchten, wobei allerdings die Reproduktion bei zu geringer Salinität ausgesetzt ist. Nach Nehring & Leuchs (1999a) findet diese ab 10 °C Wassertemperatur statt mit einem Optimum für die Larven bei 14 °C. Die Tiere sind Hermaphroditen mit fakultativer Selbstbefruchtung, d. h.

isolierte Individuen können durch Selbstbefruchtung neue Populationen initiieren (Weidema 2000). Die vertika-le Verbreitung erstreckt sich vom unteren Eulitoral bis in etwa 6 m Wassertiefe, gelegentlich auch tiefer (Weidema 2000). Da sie auch mit verunreinigtem Wasser und Eu- trophierung gut zurecht kommt, dringt sie weit in Kanäle, Ästuare und Häfen ein (Luther 1987). Neben

unbeleb-tem Untergrund (z. B. an Hafenstrukturen und Schiffen) werden auch belebte Substrate, wie etwa Muscheln, Krebspanzer oder Algen (Fucus vesiculosus) besiedelt (Olszewska 2000).

Die Art ist weltweit verbreitet (Leppäkoski 1999) und fehlt lediglich in der Arktis und Antarktis (Weidema 2000, Zaiko 2005b).

Auswirkungen und invasives Potential:

Durch ihr stellenweise massenhaftes Auftreten begünstigt A. improvisus als sekundäres Hartsubstrat die Ansiedlung anderer Organismen (Leppäkoski 1999). Da sie als kon-kurrenzschwach gegenüber anderen Cirripedia gilt, wird

sie von der später eingeschleppten Seepocke Austromi-nius modestus (vormals ElmiAustromi-nius m.) in der Nordsee mög-licherweise verdrängt (Hayward & Ryland 1990, Nehring

& Leuchs 1999a, Weidema 2000). Für das niederländische Wattenmeer erwarten Gittenberger et al. (2010) nur be-grenzte Auswirkungen auf das Ökosystem.

Internet-Datenbanken wie www.nobanis.org und www.aquatic-aliens.de stufen Amphibalanus im-provisus für viele Länder allerdings als invasiv oder potentiell invasiv ein, was für die Ostsee durch die flächendeckende Besiedlung in Betracht gezogen werden muss.

Negative wirtschaftliche Folgen ergeben sich aus dem massiven Bewuchs von Hafenstrukturen, Unterwasser-bereichen von Schiffen oder Wasserleitungssystemen, deren Reinigung Kosten verursacht (Weidema 2000).

Kategorie 3 (Einwanderer mit bisher kaum bekannten Auswirkungen)

Literatur: Eno et al. 1997, Gerlach 2000, Gittenberger et al.

2010, Hayward & Ryland 1990, Hopkins 2002, Jensen 2010d, Jensen & Knudsen 2005, Kerckhof et al. 2007, Leppäkoski 1999, Leppäkoski & Olenin 2000, Luther 1987, Minchin et al.

2013, Nehring & Leuchs 1999a, Olszewska 2000, Panov et al. 1999, Weidema 2000, Wolff 2005, Zaiko 2005b www.nobanis.org (30.05.2010)

www.frammandearter.se (Aktualisierung v. 16.12.2006) www.sea.ee (09.06.2010)

Die Brackwasser-Seepocke Amphibalanus improvisus ist lebend an dem hell-dunkelviolett gestreiften Mantelsaum gut zu erkennen. (Foto: D.

Lackschewitz)

Austrominius (Elminius) modestus

(Darwin, 1854)

Im Dokument Neobiota in deutschen Küstengewässern (Seite 116-119)