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Dikerogammarus villosus (Sowinski, 1894) Dikerogammarus villosus ist ein großer omnivorer Süßwas-

Im Dokument Neobiota in deutschen Küstengewässern (Seite 132-135)

ser-Amphipode aus dem ponto-kaspischen Raum. Für deut-sche Binnengewässer erstmals 1992 in der Donau nachge-wiesen, breitete er sich schnell in allen großen Flüssen aus und dominiert vielerorts die Gammaridenfauna, die er häufig räu-berisch dezimiert. Ab 2002 wird er im polnischen Gebiet des Oderhaffs nachgewiesen und seit 2005 auch im deutschen Teil.

In den Flussästuaren zur Nordsee scheint er sich bisher nicht etabliert zu haben. Aufgrund seines geringen Vorkommens in Küstengewässern sind schwerwiegende Auswirkungen auf marine Lebensgemeinschaften kaum zu befürchten.

Syn.:

-Deutscher Name: Großer Höckerflohkrebs Englischer Name: Killer shrimp

Status: nicht-heimische Art, etabliert im Süßwasser (und Oderhaff) (Zettler 2008)

Lebensraum: Süßwasser (bis oligohalines Brackwasser) Ursprungs-/Donorgebiet: ponto-kaspischer Raum

Vektor: Verbreitung in Schiffsaufwuchs und Ballastwasser sowie durch Migration entlang von Flüssen und künstlich geschaffenen Wasserwegen. Müller et al. (2001) gehen von einer primären Verbreitung mit Schiffen aus, da sich die Vorkommen in der Oder schwerpunktmäßig in der Nähe von Häfen befinden.

Erstnachweis in deutschen Küstengewässern:

Nordsee Sept. 2012 in Brunsbüttel (Lackschewitz et al. 2012) Ostsee: Jan. 2005 im Oderhaff (Zettler 2008 und

Zettler pers. Mitt. Nov. 2012)

Einschleppung in nordeuropäische/deutsche Küstenge-wässer und Ausbreitung:

Dikerogammarus villosus erreichte deutsche Gewässer über den ‚southern migration corridor’ (Bij de Vaate et al.

2002). Erstmals wurde er 1991 im deutschen Abschnitt der Donau gefunden (Tittizer et al. 2000). Nach Öffnung des Main-Donau-Kanals 1992 breitete er sich in Main und Rhein und weiter ostwärts über Mittelland-Kanal, Weser, Elbe und Havel-Spree-System aus und gelangte schließ-lich bis in die Oder (Grabowski et al. 2007a), wo er 1999 nachgewiesen wurde (Müller et al. 2001).

Inzwischen kommt der Amphipode in zahlreichen großen Flüssen und Seen Mitteleuropas vor (Pöckl 2009).

Allerdings scheint sich die Verbreitung i. Allg. nicht bis in die Brackwasser-Ästuare zur Nordsee zu erstrecken. Krieg (2002) stellt in der Elbe Dikerogammarus villosus nur bis in die limnische Tideelbe bei Zollenspieker fest und be-zeichnet die Brackwasserzone der Unterelbe als Barriere (www.arge-elbe.de/wge/Download/Texte/02Amph.pdf).

2012 wurde die Art auch in Brunsbüttel an der Schleuse in den Nord-Ostsee-Kanal gefunden, wo die Salinität durch den Einfluss der Elbe stark schwanken kann (Lack-schewitz et al. 2012). Inwieweit sich der Amphipode dort etablieren kann bleibt abzuwarten.

Noch im Jahr 2000 war Dikerogammarus villosus im oligohalinen Brackwasser des Oderhaffs nicht nachzu-weisen (Müller et al. 2001), mit seiner baldigen Einwan-derung wurde aber gerechnet. Schon zwei Jahre später, 2002, siedelte er an der Eintrittsstelle der Oder ins Haff (Gruszka & Woźniczka 2008), und die Autoren dokumen-tieren seine Ausbreitung bis zum Jahr 2004 innerhalb des polnischen Teils.

Im Januar 2005 wurde D. villosus erstmals von Mitarbei-tern des IOW (Institut für Ostseeforschung Warnemünde) auch im deutschen Abschnitt des Haffs gefunden (Zettler pers. Mitt. Nov. 2012), und ab Mitte 2005 stellt Zettler (2008) zunehmende Abundanzen im westlichen deut-schen Bereich des Oderhaffs (Kleines Haff) fest.

Inzwischen wird eine zweite Ausbreitungswelle nach Po-len über den ‚central migration corridor’ (Grabowski et al.

2007a) beobachtet. Nach der Entdeckung von D.  villosus im Bug 2003, war der Krebs bis 2007 bereits bis zur Weichsel vorgedrungen (Bącela et al. 2008), so dass ein Erreichen der Oder aus östlicher Richtung eine Frage der Zeit zu sein scheint.

Nachweise von Nordseeküsten (inkl. östl. Ärmelkanal und Skagerrak):

Deutschland (Brunsbüttel, nahe der Einfahrt in den Nord-Ostsee-Kanal, Lackschewitz et al. 2012)

(D. villosus kommt im Süßwasser vieler Anrainerstaaten vor, Nachweise aus Küstengewässern dieser Länder wur-den aber nicht gefunwur-den.)

Nachweise von Ostseeküsten (inkl. Kattegat und Limfjord):

Deutschland (Zettler 2008) Polen (Gruszka & Woźniczka 2008)

Zur Biologie und Ökologie:

Dikerogammarus villosus ist ein großer, 2-3 cm langer omnivorer Süßwasser-Amphipode mit extrem aggressi-vem Verhalten (nach www.frammandearter.se gelegent-lich auch als ‚freshwater jaws’ bezeichnet). Die Krebse fressen nahezu alles Erreichbare, machen auch vor Kannibalismus nicht halt (Platvoet et al. 2009) und sind damit in der Lage, innerhalb kurzer Zeit die heimische Amphipodenfauna zu dezimieren und zur dominanten Art zu werden, insbesondere wenn die Population in Ausbreitung begriffen ist (Pöckl 2009). Die Populationen bestehen größtenteils aus Weibchen, die bereits nach 4-8 Wochen geschlechtsreif sind (DAISIE Datenbank) und sich 9 bis 10 Monate des Jahres fortpflanzen können (Pöckl 2009). Die Tiere adaptieren sich schnell an gege-bene Umweltbedingungen und besiedeln in strömungs-beruhigten Uferzonen Steine und biogene Substrate (Müller et al. 2001). Zwar gilt Dikerogammarus villosus als euryhaline Süßwasserart (Jażdżewski et al. 2005), die Salinitäten zwischen 0 und 10 psu (DAISIE: 12 psu) tole-riert und Temperaturen um 20 °C bevorzugt, jedoch sind Nachweise aus dem Brackwasser selten.

Auswirkungen und invasives Potential:

Bei Dikerogammarus villosus handelt es sich um einen konkurrenzstarken Amphipoden mit hohem invasiven Po-tential, der als IAS (invasive alien species which threatens ecosystems, habitats or native species (sensu CBD 2000)) klassifiziert wird. Innerhalb von 10 Jahren breitete er sich in weiten Teilen Mitteleuropas aus und war in manchen Wasserstrassen der dominante, z. T. sogar einzige Gam-maride (Müller et al. 2001). Insbesondere den ebenfalls eingeschleppten Chelicorophium curvispinum kann er räuberisch stark dezimieren (Krieg 2002, Zettler 2008).

Für das Oderhaff stellt Zettler (2008) fest, dass sich die Amphipodenfauna durch eingewanderte Flohkrebse (u.

a. Dikerogammarus villosus) verändert, jedoch die heimi-schen Arten nicht komplett verdrängt werden.

In den Küstengewässern der Nordsee kommt Dikerogam-marus villosus dagegen so gut wie nicht vor.

Nach www.frammandearter.se stehen die Krebse im Ver-dacht, möglicherweise auch Zwischenwirte für parasiti-sche Acanthocephala zu sein.

Kategorie 2 (Invasive Arten, von denen starke Auswirkun-gen bekannt sind, die aber an heimischen Küsten noch nicht aufgetreten sind)

Literatur: Bącela et al. 2008, Bij de Vaate et al. 2002, Grabowski et al. 2007a, Gruszka & Woźniczka 2008, Jażdżewski et al. 2005, Lackschewitz et al. 2012, Müller et al. 2001, Platvoet et al. 2009, Pöckl 2009, Tittizer et al. 2000, Zettler 2008

www.frammandearter.se (Aktualisierung v. 16.12.2006) www.europe-aliens.org/index.jsp (DAISIE Datenbank, Devin & Beisel, 16.11.2006)

Krieg (2002) in www.arge-elbe.de/wge/Download/

Texte/02Amph.pdf

Der ponto-kaspische Flohkrebs Dikerogammarus villosus (hier fixiertes Material) besiedelt überwiegend das Süßwasser, dringt aber stellenweise bis ins oligohaline Brackwasser vor. Länge bis 30 mm. (Foto: D. Lackschewitz)

Im Dokument Neobiota in deutschen Küstengewässern (Seite 132-135)