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DIE SPRACHE DER DRESDENER HANDSCHRIFT A. Phonetik

C. Verbum finitum 1. Personalsuffixe

4. Perfekt auf -ubdur

Die aus dem Konverb -Ub erweiterte Form -ubdur/-übdür wird im Text als finite Form fünf Mal benutzt. Die ursprüngliche Bedeutung des Verbs dur- “stehen”

ist noch nicht gänzlich verblasst, so dass man die Bedeutung einer in der Vergangen-heit abgeschlossenen aber noch in die Gegenwart hineinwirkenden Handlung spüren kann. Diese Bedeutung des Andauerns oder des Beharrens in einem Zustand sehen wir in Sprachen wie Aserbaidschanisch, Turkmenisch, Usbekisch, Uigurisch, in de-nen diese Endung als finite Form für das Perfekt benutzt wird, nicht mehr.

Die fünf Belege sind alle in der dritten Person und haben kein negatives Bei-spiel: şeytān-ı gümreh qılubdur anga uymang “der ketzerische Satan hat [falsch]

gehandelt, gehorche ihm nicht” 520, ġam [u] ġussa sanga olubdur ey yār “oh du Freund, Leid und Kummer bedrücken dich” 1580, Yūsuf aydur xalvet sarāy tüzülübdür “Yūsuf sagt, ein einsamer Palast wurde schon errichtet” 2263, hūr kibi Zelīxā tamām bėzenübdür “Zelīxā ist wie eine Paradiesfrau voll ausgeschmückt”

2264, racīm Şeytān azdurmaġa özenübdür “der verfluchte Satan versuchte ihn vom Weg abzubringen” 2265.

5. Aorist

Der Aorist lautet nach Konsonant -ar/-er/-ur/-ür, nach Vokal –r oder –yur/–

yür, und drückt verschiedene Zeitstufen aus: eine allgemeine Gegenwart sizi sewerben “ich liebe euch” 3731, eine Handlung in der Zukunft Yūsufımı körerven

“ich werde meinen Yūsuf sehen” 4278, eine Handlung im Präsens tėz yürürsen “du läufst schnell” 4588, eine Annahme oder abstrakte Handlung ādemīye Şeytān düşmān olur “der Satan ist der Feind des Menschen” 160. Zur Flexion werden grundsätzlich die pronominalen Personalsuffixe verwendet.

Bei den Vokalstämmen lösen sich die Kurz- und Langformen –yur : –r ziem-lich unregelmäßig, scheinbar nach prosodischen Maßstäben ab. Zum Beispiel tile–

yür 2mal : til–er 5mal, dė–yür 137mal : dė–r 110mal, aġla–yur einmal : aġla–r 33mal u. dgl.

Die Verneinung des Aorists wird mit den Suffixen –maz/–mez bzw. –mas/–

mes und denselben Personalmorphemen wie beim Positivaorist gebildet. Mit anderen Worten, in unserem Gedicht treten die ogusisch-kiptschakischen Suffixformen – maz/–mez und die osttürkischen –mas/–mes nebeneinander auf.

1.Ps. Sg.: ben sizi sewerben “ich mag euch” 3731, qorqarben “ich fürchte mich” 4309, bu qulı ben satun alurven “ich kaufe diesen Sklaven an” 910, cümle mālım mülküm fidā eyleyürven “ich opfere mein ganzes Vermögen” 1741, anı daġı sevdüginden ayırurven “ich werde auch ihn von seinem Geliebten trennen” 4548, ben Xālıqdan qorqarven “ich habe Angst vor Gott” 2411, ben Kenсāndan kėlürven

“ich komme aus Kanaan” 2810, sanga sıġınurmen “ich suche bei dir Zuflucht” 49, tevfīq sendin umanurmen “ich erwarte von dir Hilfe” 53, visāling dilerem cān rāhatı

“ich verlange nach deinem Gesicht, das die Seele beruhigt” 2323, düşerem bātıl işe

сisyānına “ich falle ins Vergängliche und Ungehorsam” 2665, anı ben ayıtmazven

“ich sage es nicht” 1959, qul olmazam “ich werde kein Sklave” 920, anga mutīс olmazven “ich werde ihr nicht gehorchen” 2414. Die erste Person Singular weist also mehrere Personalmorpheme auf, die nicht nur auf unterschiedliche Entwick-lungsstufen hinweisen, sondern auch verschiedene Dialekte repräsentieren. Es liegen zwei Belege für –ben, mehrere Belege für das südtürkische –ven, und drei Belege für das tschagataische –men vor, wobei die letzteren ausschließlich im restaurierten Teil

der Handschrift stehen. Das jüngere ogusische –em wird nur zweimal verwendet:

dilerem 2323, düşerem 2665. Zu beiden Fällen ist das Suffix allerdings defektiv ge-schrieben, so dass man dessen Vokal nicht zweifelsfrei feststellen kann.

2.Ps. Sg.: benim hālim sen bilürsen “du weißt Bescheid von meinem Zu-stand” 1139, banga pend ü nasīhat ne qılursen “welchen Rat gibst du mir?” 1296, ne qaçarsen “warum fliehst du” 2479, axī сarab ne dėyürsen “oh mein arabischer Bru-der, was sagst du?” 2847, qanqı ėlden kėlürsen qanca varursen “aus welchem Land kommst du, wohin gehst du?” 3816. Für die negative Bildung gibt es nur einen Be-leg: körmezmüsen anlar sanga nėte qıldı “siehst du denn nicht, was sie dir angetan haben?” 986. Für die zweite Person Singular hat der Dichter stets das osttürkische Suffix –sen gebraucht. Die Morpheme –sın/–sin, die für das Osmanische typisch sind, kommen aber gar nicht vor.

3.Ps. Sg.: sözin сayān qılur “er spricht offen” 208, söger bu şerīr üzre sorar

“dieser schimpft und fragt niederträchtig” 1132, tāqatı u quvveti kėter “ihre Kraft und Energie verlässt sie” 2138, xaqīqat peġambersen dėyür “er sagt, wahrlich bist du Prophet” 1318, yā Yūsuf Celīl emri eyledür dėr “er sagt, oh Yūsuf! so ist Gottes-befehl” 3257, İsrā’īl Yūsufa destūr vėrmes “İsrā’īl gibt Yūsuf keine Erlaubnis” 255, Yūsuf düşni anlarga aydıvėrmes “Yūsuf erzählt denen seien Traum nicht” 193, Yūsufnıng elin qoymaz “sie lässt Yūsufs Hand nicht los” 319, ol ėl içre Yūsufı kişi bilmez “niemand erkennt Yūsuf in diesem Land” 1376.

1.Ps. Pl.: Kenсāndan kėlürmiz “wir kommen aus Kanaan” 3667, velākin

сārlanurmiz “wir schämen uns aber” 1044, anıng üçün qazurwuz “aus diesem Grun-de graben wir” 4766, öldürürüz yoqsa “sonst töten wir” 863. Insgesamt haben wir fünf Belege für die positive Flexion dieser Person. Zwei Belege davon tragen osttür-kische Endung –miz, drei weitere die südtürosttür-kische –wuz, –üz. Die Zahl der negativen Belege beläuft sich auf sechs und alle tragen das ogusische Suffix –vüz bzw. –wüz:

atamıza yalan daxı olumasvüz “wir werden vor unserem Vater nicht als Lügner ste-hen” 1045, seni kėrü aŋa ėletümeswüz “wir bringen dich nicht zu ihm zurück” 1046, oşbu işe hiç tedbīr qılumaswüz “wir können dieses Problem nicht lösen” 1047, anlar aydur biz daġı bilümezvüz “sie sagen: wir können auch nicht verstehen” 4449, oqub sanga hiç cevābın vėrümesvüz “wir können nicht lesen und dir berichten” 4450, bu bitide datlu söz bilümesvüz “wir erkennen kein gutes Wort in diesem Brief” 4451.

2.Ps. Pl.: siz aydursız atamız nebī dėrsiz “ihr sagt, unser Vater ist Prophet”

3676, benim qatımda ne dėyürsiz “was erzählt ihr nun vor mir?” 4481, qanqı ėlden kėlürsiz ne istersiz “aus welchem Land kommt ihr, was wollt ihr?” 3664, yalan yėrde aġlaşursiz sizler “ihr weint unecht” 680. Die Endung der zweiten Plural –siz im Text ist mit dem Suffix des Alttürkischen identisch und in der Entstehungszeit des Werkes galt es als das gemeintürkische Suffix der zweiten Person Plural schlechthin.

Unser Text weist einen einzigen Beleg im Vers 381 für die negative Flexion dieser Person auf: ey qardaşlar körmezsiz ol Celīli “oh Brüder, ihr seht Gott, den Ruhmrei-chen nicht”.

3.Ps. Pl.: cümlesün ol dīvāra yazarlar “alles schreiben sie auf die Wand auf”

3930, anlar aġlaşurlar “sie weinen” 4489, ol yalavaçlar Zelīxānı dilerler “die Ge-sandten bitten um Zelīxās Hand” 3287. Der Autor lässt in einigen Fällen die Plural-endung fort: bātıl tedbīr qılur “sie ergreifen falsche Maßnahmen” 180, her birisi tevāżuсlıq qılur “alle zeigen sich bescheiden” 200. Sieben negative Belege hat diese Person im Text vorzuweisen: Yūsufı quyu içre bulmazlar “sie finden Yūsuf im Brunnen nicht wieder” 848, ne varursan anlar seni sewmezler “wozu gehst zu de-nen? sie mögen dich nicht” 988, anlar Yūsufı hiç bilmezler “sie erkennen Yūsuf nicht wieder” 3662.