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Die Beschreibung der Dresdener Handschrift

Die Handschrift, auf der diese Arbeit basiert, befindet sich in der Sächsischen Landesbibliothek zu Dresden, wo sie unter der Nummer 419 geführt wird. In Flei-schers Katalog erscheint sie unter der Signatur Cod. Turc. foll. 76.41 Sie trägt keinen Titel, sondern beginnt gleich mit “bismillāhirrahmānirrahīm” (1v). Die Zahl der Blät-ter beträgt 76, die Zahl der Verse 4978. Die ersten elf BlätBlät-ter stammen aus späBlät-terer Zeit und von einer anderer Hand, da die Handschrift offenbar am Anfang defekt war und restauriert werden musste. Die ersetzten Blätter lassen das Jahr 1779 als Wasser-zeichen erkennen, während die restlichen Blätter ein anderes WasserWasser-zeichen tragen, welches auf das Jahr 1757 hinweist. Die meisten Blätter wurden in einer Papiermühle der Provinz Jaroslavl’, nordwestlich von Moskau, hergestellt. 42

Die Handschrift hat einen ca. 6 mm dicken Holzdeckel, der ursprünglich zu sein scheint, sowie einen Ledereinband, der sich jedoch vom Buchrücken vollkom-men gelöst hat. Das Papier ist glatt, die ersten Blätter sind heller als die anderen. Die rekonstruierten Blätter unterscheiden sich aber nicht nur in Farbton und Duktus, son-dern auch in der Zeilenzahl von dem Rest. Seite 1v enthält 17 Zeilen (die Überschrift

38 Chisamov, Sjužet Jusufa Zulejchi v tjurko-tatarskoj poezii XIII-XV vv. (Problema versij), Kasan’

2001, S. 51-52, 56.

39 A. T. Tagirdžanov, Vlijanie poemy Firdousi “Jusuf i Zulajcha” na “Kissa-i Jusuf” сAli i “Jusuf i Zulajcha” Šajjad Chamzy. Palestinskij sbornik 21 (84). Leningrad 1970, S. 46-61 insbesondere S.

47-51.

40 Mir lag ‘Jussuf und Suleiche Romantisches Heldengedicht von Firdussi, aus dem Persischen von O. Schlechta-Wssherd. Wien 1889, vor.

41 H. O. Fleischer, Catalolus Codium Manuscriptorum Orientalium Bibliothecae Regiae Dresdenis, Leipzig 1831, S. 72.

42 S. L. West, ibid. S. 77 f.

mitgezählt), Seite 2r 18 Zeilen und die Seiten 2v bis 11r 16 Zeilen. Im Gegensatz dazu ist der Rest 17-zeilig. Der restaurierte Abschnitt enthält insgesamt 308 Zeilen (ohne Überschriften) beziehungsweise 154 Rubai.

An dem Manuskript scheinen drei Hände tätig gewesen zu sein. Neben der Haupthand und der Hand des restaurierten Teiles taucht auf Seiten 32v (ganze Seite), 59r (ab der sechsten Zeile) und 59v ganz, ein dritte Hand auf. Der Duktus ist durch-weg Nastalīq. Falsch geschriebene Wörter sind gestrichen und am Blattrand neu ge-schrieben worden. Auch versehentlich weggelassene Wörter wurden am Blattrand nachgetragen. Manchmal steht ein ganzer Vers am Papierrand. Da die Schreibfehler keine Seltenheit sind, trifft man Randkorrekturen relativ oft an.

Die Zwischentitel sind arabisch und markieren jeweils ein neues Kapitel mit der Angabe der Kapitelnummer und des Themas. Einige Kapitel sind nicht über-schrieben. Sie fangen mit einer Leerzeile an, in der die Überschrift nachträglich ein-gesetzt werden sollte, aber nie ausgefüllt wurde. Einige der Kapitelüberschriften scheinen von einer späteren Hand nummeriert worden zu sein, wenn auch dies nicht immer richtig getan wurde.

Die Blätter sind mit Kustoden versehen. Die Blattzählung in der oberen lin-ken Ecke stammt von einer europäischen Hand. Ein Kolophon ist nicht vorhanden.

Die Abschriftzeit ist nicht angegeben, lässt sich jedoch anhand der Wasserzeichen annähernd feststellen, die, wie gesagt, auf das Jahr 1757 bzw. 1779 hinweist. Der Abschreiber ist nicht bekannt, ebensowenig der Ort der Abschrift. Die relativ massi-ve ogusische Schicht in der Sprache des Denkmals legt die Vermutung nahe, dass die Abschrift möglicherweise auf der Krim oder im südlichen Russland entstanden ist.

Am Ende der Handschrift befinden sich einige Eintragungen im russischen Alphabet und der Ortsname Казан, den man eher als Wohnort des Besitzers der Handschrift denn als Ort der Abschrift interpretieren kann.

Die Komposition des Werkes folgt weitgehend der Tradition der klassisch-islamischen Literatur. Das Gedicht beginnt mit dem Lob auf Allāh, den Propheten Muhammed, seine vier Nachfolger, den Gründer der hanefitischen Rechtsschule Sā-bit b. Nuсmān (Abū Hanīfe) und die Gelehrten im allgemeinen. Danach bittet der Dichter Gott um Beistand, um das beabsichtigte Werk erfolgreich vollenden zu kön-nen. Der Vortrag der Legende beginnt unvermittelt im Vers 73 und endet mit dem Vers 4930. Im letzten Kapitel wird Gott für seinen Beistand gedankt und um Verge-bung der Sünden gebeten. Zum Schluss nennt der Autor seinen Namen und gibt die Zeit der Vollendung der Dichtung an. In einigen Versen lobt sich der Dichter selbst, in dem er den Leser auf seine eigene Unermüdbarkeit und die Einzigartigkeit des Werkes aufmerksam macht.

Nach der Dresdener Handschrift zerfällt das Gedicht in 21 Kapitel, die über-schrieben sind bzw. hätten überüber-schrieben sein sollen. In der nachstehenden Aufstel-lung ist die Gliederung des Werkes tabellarisch veranschaulicht, wobei sich die Zah-len in den eckigen Klammern auf den Anfang des jeweiligen Kapitels beziehen.

Kapitel Überschrift

1. Einleitung [1v] bismillāhirrahmānirrahīm 2. Fasl [3v] fī beyāni menām

3. Fasl [7v] ohne Überschrift 4. Fasl [8v] fī sıfati-l-cāh

5. Fasl [13v] unlesbar 6. Fasl [26v] fī beyāni Zelīxā 7. Fasl [34r] unlesbar 8. Fasl [41r] fī-t-tanassuhi-n-nisā’

9. Fasl [44r] qıssa сarab 10. Fasl [47r] fī-z-zindān 11. Fasl [50v] unlesbar 12. Fasl [51v] unlesbar

13. Fasl [54v] ohne Überschrift

14. Fasl [60v] daxlu İbniyābin сalā Yūsuf сAlayhissalām 15. Fasl [66r] Yaсqūb сalayhissalām

16. Fasl [69v] ... al-başīr bi-qamīsi Yūsuf сasm 17. Fasl [72r] ġārimu-l-сār qıssa Rayyāni-bni Walad 18. Fasl [72v] fī wafāti Yaсqūb сalayhissalām

19. Fasl [73v] xurūcu Yūsuf сasm mina-l-Mısr 20. Fasl [74r] wafāti Yūsuf сalayhi-s-salām

21. Fasl [75v] al-xabari-t-tamām wa bi-llāhi-t-tawfīq

Das 3. Fasl, das auf Seite 7v beginnt, muss ein Versehen sein, weil die Szene vor dem Brunnen weder thematisch noch erzählerisch unterbrochen wird und so kein Anlass für eine neue Überschrift besteht. In Vers 4960 gibt der Autor an, dass sein Gedicht 24 Kapitel (fasl) beinhalte. Diese Zahl stimmt offensichtlich nicht mit der tatsächlichen Kapitelzahl überein, obwohl der Unterschied auch nicht besonders groß ist. Die ursprüngliche Kapitelzahl ist in dem Berliner Manuskript erhalten, das wir zum Vergleich heranziehen können.

Eine einfache Aufzählung der Überschriften vom Berliner Manuskript ergibt die Zahl 24, also in völliger Übereinstimmung mit der Zahl, die im Vers 4960 ange-geben wurde. Die erste der vier zusätzlichen Überschriften der Berliner Handschrift, die wir zur Rekonstruktion unserer Hs. benötigen, befindet sich zwischen den Versen 604 und 604, wo Yūsuf ein Gespräch mit Gabriel führt nachdem seine Brüder ihn in den Brunnen warfen und das Hemd mit seinem Blut beschmiert haben, lautet : fasl fī ... ixvāni Yūsuf сasm. “Kapitel über ...Yūsufs Brüder.”

Die zweite Überschrift lautet Yūsuf сasm kāfirler şehrine kelgen sözleri “Die Worte des Yūsuf (asm) nach seiner Ankunft in die Stadt der Ungläubigen”. Sie hätte ihren Platz zwischen den Versen 1224 und 1225 unserer Handschrift einnehmen müssen. Bis zum Vers 1224 lesen wir wie Karawane mit Yūsuf durch die Wüste zog

und zuletzt wie die Reisenden den großen Sturm überleben. Im Vers 1225 beginnt eine neue Szene: die Ankunft der Reisenden in der Stadt Pelus.

Die fehlende dritte Überschrift heißt in der Berliner Hs. Qudüs Meliki düş körgen sözleri “Die Worte des Königs von Jerusalem über seinen Traum” und in dem Kapitel wird die Karawane von Jerusalems König empfangen, weil er davon geträumt hatte. Die Stelle der genannten Überschrift würde in der Dresdener Hs.

zwischen den Versen 1248 und 1249 liegen.

Das Kapitel mit dem Titel Yūsuf сasm Mısırġa kelgen sözleri “Die Worte ü-ber die Ankunft Yūsufs in Ägypten” beginnt auf der Seite 24v der Berliner Hs. Diese Überschrift fehlt der Dresdener Hs. und sollte dementsprechend vor dem Vers 1503 stehen.

Im Dresdener Manuskript fallen einige Schreibfehler auf, die mit der falschen Punktierung oder mit der Unachtsamkeit des Abschreibers erklärt werden könnten.

Einige dieser Fehler lassen sich beheben, indem man nur den fehlenden oder zu viel gesetzten Punkt korrigiert, wobei die Berliner Handschrift oder der Kasaner Druck zum Vergleich herangezogen werden können. In Fällen, in denen dies nicht möglich war, erwies sich die Rekonstruktion als sehr schwierig oder sogar unmöglich. Hier einige Schreibfehler, die glücklicherweise berichtigt werden konnten: nekes für kenges (48), ġalat statt ġalat (212), hasad anstelle hased (380), düştdüm für düşdüm (384),



für esirgeding (433),  für dūde (479),  für ayruqsı (512), yastuq für yatsuq (629), atdük anstatt atduq (646), oldüm (710) und oldim (1061) für oldem, tılfım für tıfılım (1111), dedim statt dedem (1141), dorlu für dolu (1159), Mısıra içre statt Mısır içre (1507), qaġurdılar anstelle qayġurdılar (1863), dārġa für xazīnedārġa (1975), dūnārların für duvarların (2185), östürsünler für astırsunlar (2188), bender statt bendler (2380),

 

für cāsus (2723),



für qavşab (2378), qaqu statt qoqu (2878), cāhatıng statt cerāhatıng (3882), çıqarġama statt çıqarmaġa (3931), yazıс für yarıġ (4130), ėŋesi für eŋegi (4710), yarmuqlar für yaruqlar (4941), mü’ekkil “Vertreter” (2197) wider dem Sinn des Verses anstelle mükellel, şoya vėrdi für soya vėrdi (4026) und im Vers 2548 ist cā’a zu viel.

Einige freie Seiten und Stellen des Manuskriptes wurden zu späteren Zeiten immer wieder für Notizen, kleine Gedichte und Texte genutzt, die nicht zum Werk gehören. Auf Seite 11r sehen wir ein Gedicht mit der Überschrift Hikāyet, das zur eigentlichen Geschichte nicht gehört. Der Autor dieser Verse, die im Metrum Remel verfasst sind, ist nicht zu ermitteln.

Hikāyet

tobdur сışq sāqining saġraqı içen olur cümle сışq müstaġraqı

(Der Kelch des Weinschenks ist voll mit Liebe, wer davon trinkt, ertrinkt er in der Liebe.)

dün ü gün çaġır içer mihnet durur eyle sanurlar anı сişret durur

(Derjenige, der Tag und Nacht Wein trinkt, trägt nur Last, aber man denkt, dass er sich amüsiert.)

... eksülmek suçı işledim

kendi kendi nefsime zulm eyledim

(Ich beging die Sünde ..., dadurch quälte ich mich selbst.) her ki kendi eksügin bilü durur

durmadın rahmet anga kėlü durur

(Wer eigene Fehler erkennt, dem wird Gott ständig Gnade erweisen.) her ki suçsuzum deyü daсvī qıla

lācėrem ol mihnete lāyıq ola

(Wer aber behauptet, dass er ohne Sünde sei, wird auf jeden Fall Qual verdienen.) bendeki xışm u ġażab kibr ü kīne

her biri bengzer Süleymān divīne

(Mein Zorn, Heuchelei und Hass sind wie diejenigen des Rieses Süleyman.)

Auf dem Schmutzblatt vor dem Anfang des Werkes finden wir ein weiteres Gedicht mit dem Versmaß Hezec:

alub keldük sanga qaçqan qulıngnı xatālar bābını açqan qulıngnı

(Wir haben dir deinen geflüchteten Sklaven mitgebracht, der die Tür der Irrtümer geöffnet hat.)

kelübdür xatāsı çoqdur kiderge bu qulıng derd-i men zāyıq iderge

(Dieser dein Sklave ist voller Fehler, er vermehrt mein Leid.) vefā ummaŋ cihāndın bīvefādur

vefāsızdın vefā ummaŋ xatādur

(Erwartet keine Treue von dieser Welt, sie ist untreu. Erwartet keine Treue von ei-nem Untreuen, das ist falsch.)

cān .. cismning içre kirse köngül içre āh yazılubdur ...

ten quru yėrdür köngül dėngiz dürür cān ...

Wir finden auch zwei Eintragungen von den Besitzern der Handschrift, Merdi Seyrān und Yahyā:

oşbu kitāb Merdi Seyrānnıng turur heç kiminki ėrmes (Dieses Buch gehört Merdi Seyrān, sonst niemandem.) und

oşbu kitāb Yahyānıng turur heç kiminki ėrmes (Dieses Buch gehört Yahyā, sonst niemandem.)

Auf der selben Seite sehen wir noch eine schräg notierte humorvollere Be-merkung über den Besitzer geschrieben:

oşbu kitāb iyesi kötüne tayaq tėyesi Haq Taсālā ... bolsa hātur yėrler qoçası

(Derjenige, der dieses Buch besitzt, den soll ein Stock auf seinen Hintern berühren, ...)

Nach dem eigentlichen Text der Yūsuf-Legende sehen wir ein Rätsel und dessen Lösung:

bismillāhirrahmānirrahīm

Rivayet: bir kişige beş hātūn qarşu keldi ol kişi aydı ol beş hātūnnıng birisi hātūnım tėdi ikisi qız qarındaşım tėdi yėne ikisi qarawaşım tėdi bu beş hātūnnıng anası birdür tėdi

(Es wird erzählt: Fünf Frauen traten einem Mann gegenüber. Der Mann sagte: von diesen fünf Frauen ist eine meine Frau, zwei sind meine Schwestern, die anderen zwei sind meine Sklavinnen und alle diese Frauen haben dieselbe Mutter.)

cevāb

bir kişi bir hātūn qarawaş satub aldı üç qızı birle yėne ol hātūnnı özinge nikāh qıldı yėne andın toġdı iki qız [iki] oġlan ol ėrning oġlı qaravaşnıng bir qızına nikāh qıldı bu beş hātūnnın anası birdür

(Lösung: Ein Mann kaufte eine Sklavin mit drei Töchtern. Er heiratete die Sklavin, die ihm noch zwei Mädchen und zwei Jungen gebar. Sein Sohn heiratete dann eine Tochter der Sklavin. Diese fünf Frauen haben also die selbe Mutter.)

Unter dem Rätsel steht ein persischer Satz, in dem einzelne Wörter, die mit der Geschichte zu tun haben, aneinander gereiht. Der ganze Satz an sich ergibt aber keinen Sinn: hikmet-i ze-mısreş būdī pirāhīn şendī çerā der-cāhī kefeneş nevīdī. Dar-unter findet man Buchstaben mit dem dazu gehörigen Ebced-Wert. Ihre Bedeutung ist leider nicht zu verstehen, dient vermutlich der Wahrsagerei.

Auf der Rückseite des letzten Blattes, dessen vordere Seite den Schluss des Gedichtes trägt, steht ein Satz, der scheinbar von dem Kopisten stammt:

oşbunı ben yazmadum yazdı qalem oşbunıng ... çoq çoq selām eyler banga ...

(Dies habe ich nicht geschrieben, sondern schrieb es der Stift, ...)