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Die Frage des Metrums

Das Qıssa-i Yūsuf von сAlī ist als Strophengedicht verfasst, wobei jede Stro-phe die Rubāсī-Form aufweist, z.B.:

3271. сazīz Yūsuf qullarına emir qıldı 3272 ol tāzī ėyerledi hāżır kėldi

3273. tāzī kişneb şāh bināsın zāhir qıldı 3274. barı leşker oldem taсcīl kėlür ėmdi

Auch der Verfasser bestätigt im Vers 4958, dass er sein Gedicht in Rubāс ī-Form verfasst hat:

4955. āh dirīġā degme kişi düzmedi 4956. fehmi eksik kimseler yazmadı 4957. bu żaсīfing oşbu nazmı ozmadı 4958. rubāсī derūn içre dursa ėmdi

In der Tat besteht seine umfangreiche Dichtung aus 1243 Vierzeilern. Jeder Vierzeiler reimt auf aaax, bbbx, cccx etc. und fügt sich damit einwandfrei in das tra-ditionelle Schema des orientalischen Rubāсī ein. Das wiederkehrende Reimwort (re-dif) ėmdi zieht sich von dem ersten bis zum letzten Vierzeiler durch und hält die 150 Seiten lange Rubāсī-Kette zusammen, um sie zu einer poetischen Einheit zu formen.

Drei Strophen des Gedichtes (307-308, 349-350, 591-592) sind wohl durch die Unachtsamkeit der Abschreiber unvollständig und erscheinen im Text nun als halbe Vierzeiler.

Der obligatorische Reim (aaax, bbbx, cccx, usw.) wird vom Dichter durchaus konsequent eingehalten. Die Reimwörter sind sowohl von derselben als auch von der unterschiedlichen Vokalreihe: qaldung – qıldung – oldung, qalmış idi – qazmışidi – açı idi, aġlaşdılar – çoġlaşdılar – dėrneşdiler, hażret – quvvet – saсat, turdı – kördi – ėrdi, köçdi – keçdi – düşdi usw. Manchmal wiederholt der Verfasser dasselbe Wort:

olmışidi – olmış idi, kėldi – kėldi, aydur idi – aydur idi, söyleng - söyleng, birle – birle, kerek – kerek usw. Defekte Reime sind allerdings keine Seltenheit: doldurdılar – köndürdi, ısmarladı – aydur idi, Melik – ilk – biling (graphisch gereimt), waqıt – altun, oldım – qıldı usw.

Obwohl es über die Rubāсī-Form des Qıssa-i Yūsuf von сAlī keinen Zweifel geben kann, finden sich in seinem Gedicht dennoch einige Elemente, die vom

Ru-bāсī-Schema abweichen. Zunächst die Silbenzahl ist bei weitem nicht immer 12, wie es beim Rubāсī üblich ist, sondern beträgt sehr oft, vielleicht sogar überwiegend 11, sieht man von den defekten Versen ab, deren Zahl gar nicht so gering ist.

Eine weitere Abweichung kommt beim Versmaß vor. Die Bestimmung des Versmaßes bereitet allerdings große Probleme. Da Rubāсī in der orientalischen Lite-raturtradition feste Metren aufweist43, haben die Forscher gleich nach der Entde-ckung des Gedichtes von сAlī versucht, bei der Bestimmung dessen Metrums ver-ständlicherweise von einem der Rubāсī-Metren auszugehen. Das Resultat war aber negativ, so dass beispielweise Gibb zu dem Ergebnis kam, dass Qıssa-i Yūsuf im silbenzählenden Metrum verfasst sei, nur dass die Silbenzahl nicht sieben beträgt, sondern von сAlī auf 11-12 erhöht worden sein sollte.44 Diese Schlussfolgerung Gibbs wurde von späteren Literaturforschern mehr oder weniger übernommen.45

Die Hypothese von Gibb ist indessen nicht unproblematisch. Die Schwan-kung der Silbenzahl ist bei dem Silbenmetrum nicht üblich. Sie kommt normalerwei-se in Vernormalerwei-sen vor, die in Aruz verfasst worden sind. Deshalb müsnormalerwei-sen wir eher davon ausgehen, dass сAlī sein Gedicht in einem von den Aruzmetren verfasst hat. Da der türkische Sprachtypus aber bekanntlich für den Aruz nicht so geeignet ist wie die arabische Sprache konnte der Dichter verständlicherweise nicht immer der Aruzre-geln genüge tun.

Wir können auch die Tatsache nicht außer Acht lassen, dass die zwischen dem Verfassungs- und dem Abschriftdatum liegende Zeitspanne so groß ist, dass in der Zwischenzeit das Aruzmetrum zerstört werden konnte, wenn das Original in ei-nem der solchen geschrieben wurde. Trotz der schlechten Eignung der türkischen Sprache für den Aruz und ungeachtet aller Dialektunterschiede oder Unachtsamkeit der Abschreiber müssen einige Verse in der ursprünglichen Form erhalten geblieben sein. Mit etwas Glück sind sie auch zu finden. Bei der Prüfung des Gedichtstextes fand ich immer wieder Verse, die mich an den Remel erinnerten. Manche waren so-gar in voller Übereinstimmung mit dem Remel, zum Beispiel:

| — ν — — | — ν — — | — ν — — |

82. gül [ü] reyhan / dürr [ü] mercān / saçısarven 95. oşbu düşni / böyle kördüm / hiç gümānsuz 170. ol ėşitmiş / evvel öngden / oşbu sözi 176. ben ėşiddüm / eygü te’vīl / qıldı ėmdi 187. anga lāyıq / rāy [u] tedbīr / eyleyelim 276. cümlemiz aġ/laşalım nā/liş qılalum 325. Dīne aytur / ben bu sāсat / yatu ėrdim

43 s. İslam Ansiklopedisi s.v. Rubai.

44 E. J. W. Gibb, A History of Ottoman Poetry, Vol. I. London 1900, S. 76.

45 M. F. Köprülü, Türk Edebiyatı Tarihi, Istanbul 1926, S. 277.

345. yarlu Yūsuf / aġlayu ar/dım dėyür 756. yā muсabbir / bunga te’vīl / qılġıl ėmdi 771. küfr ü şirket / mihnetinden / qurtula sen 794. quşa mengzer / anda mecmūс / olmış idi 907. oġrıdur yal/ġançıdur qaç/qançıdur 1089. ey dirīġā / sen anam ya/turmusen 1202. yaġadurġan / qara yaġmur / sildi döndi 1433. hulle kėyüb / köngli şādgām / olduġında 1471. Yūsuf aydur / banga Mevlīm / bėrdi xılсat 2025. üç yüz altmış / pāreden ton / eyledi 2036. yincü mercān / birle baġlab / saçın örer 2133. maslahat iş / eylesem sen/den yanga

Da die anderen Yūsuf-Legenden (von Şeyyād Hamza, Sula Faqīh und Darir) auch im Remel verfasst worden sind und der Remel wegen seiner Einfachheit von frühen türkischen Dichtern vorgezogen wurde, schien er auch für unseren Text in Frage zu kommen. Wenn wir nun die beiden ersten Strophen prosodisch überprüfen läuft vieles gerade auf den Remel hinaus.

1. elhamd [u] şükür / [ü] sipās ol / Ehade 2. mülki anıng / bī-zeval ol / Samede 3. milket içre / bī-şerīk ol / Ehade 4. anı Bāqī / Zülcelāl bil/dük ėmdi

Wenn wir den nicht richtig platzierten Artikel el- vom ersten Wort elhamd streichen und das Wort Ehade wie im Volksmund Āhede lesen würden, kann der Remel ohne Zweifel für diese Strophe als Versmaß genommen werden.

5. andan songra / anıng dostı / Muhammede 6. peġamberler / güzīdesi ol / Ahmede 7. qāb-ı qavseyn / maqāmlı ol / Muhammede 8. anıng üzre / telim dürūd / olsun ėmdi

Wenn wir das Wort Muhammed mit Mehmed wie in der türkischen Ausspra-che lesen, das Wort güzīde mit seinem türkisAusspra-chen Pendant gözde vertausAusspra-chen und peġamber als peyġamber korrigieren würden, sähe es so aus:

5. andan songra / anıng dostı / Mehmede 6. peyġamberler / gözdesi ol / Ahmede 7. qāb-ı qavseyn / maqāmlı ol / Mehmede 8. anıng üzre / telim dürūd / olsun ėmdi

Damit wäre die Strophe keineswegs restlos mit dem Remel kompatibel, sie würde aber erheblich mit ihm übereinstimmen.

Obwohl die Frage des Metrums damit vielleicht nicht endgültig gelöst werden kann, spricht vieles dafür, dass die von сAlī verfasste Originalversion des Gedichtes auf dem Metrum Remel basierte. Durch spätere Bearbeitungen des Werkes scheint das Metrum des Originals verloren gegangen zu sein. Insbesondere bei der Überset-zung eines Gedichtes in eine andere Sprache muss das ursprüngliche Versmaß zwangsläufig in Mitleidenschaft gezogen werden.

Die bisherigen Bemühungen um die Erschließung