• Keine Ergebnisse gefunden

Ein signifikanter Anstieg der mRNA- und Proteinexpression von CaBPD28k in der ESG war nur bei der Linie L68 nachzuweisen. Es ist bekannt, dass die mRNA-Expression von CaBPD28k in Abhängigkeit der Eischalenkalzifizierung an-steigt, eine Veränderung der Proteinexpression konnte aber noch nicht gezeigt wer-den (NYS et al. 1989). Die Hochregulation auf beiwer-den Ebenen induziert durch einen Ca-Mangel könnte bedeuten, dass die Linie L68 fähiger ist, ausreichend Ca für die Kalzifizierung bereitzustellen, da so der Ca2+-Transport in dem Organ erhöht werden kann. Dies macht sich auch dadurch bemerkbar, dass die Werte der Eischalenquali-tät der Linie L68 nur marginal abnahmen (s. Abbildung 19, Abbildung 20 und Abbildung 21). BAR et al. (1984) konnten bereits eine positive Korrelation zwischen Calbindin in der Eischalendrüse und Ca in der Eischale aufzeigen. Die Eischalenqua-lität der Hochleistungslinien fiel in der vorliegenden Studie deutlich stärker ab, was darauf zurück zu führen ist, dass sie keine Hochregulation von CaBPD28k zeigten. Ein Grund, warum die Linie R11 sich in der Eischalenqualität nur geringfügig von der Li-nie L68 unterschied, obwohl die LiLi-nien nicht die gleiche Genregulation zeigten, könn-te sein, dass die Linie R11 stattdessen Knochengewebe mobilisierkönn-te (s. Abbildung 28). Die Linie L68 zeigte somit als einzige Linie eine effiziente Anpassung an die Ca-restriktive Diät, ohne kortikale Knochensubstanz zu verlieren. Es ist auffällig, dass die Linie WLA bei adäquater Versorgung bereits die höchste basale mRNA-Expression hatte. Vermutlich war hier das mRNA-Expressionsmaximum durch die hohe Le-gerate bereits erreicht, sodass keine Kapazitäten zur Hochregulation vorhanden wa-ren.

Die Regulation der Ca2+-transportierenden Strukturen in der Eischalendrüse erfolgt durch unbekannte Mechanismen, die unabhängig vom Vitamin D-Status sind (BAR et al. 1984; NYS et al. 1992b). Eine gewisse Regulation durch 1,25(OH)2D3 kann nicht ausgeschlossen werden (OHIRA et al. 1998), allerdings hat eine Diät, die reich an 1,25(OH)2D3 ist, keinen Einfluss auf die CaBPD28k-Expression (BAR et al. 1990), ge-nauso wenig wie eine 1,25(OH)2D3-Injektion bei Hennen, die schalenlose Eier legen (NYS u. DE LAAGE 1984a). Östrogen führt bei Junghennen zu einer Reifung des

125

Ovidukts und zu einer erhöhten Calbindin-Synthese, die Regulation bei ausgewach-senen Hennen erfolgt aber durch einen Ca2+-Flux-abhängigen Faktor, der mit der Eischalenkalzifizierung assoziiert ist (NYS et al. 1992b). Es wurde bereits gezeigt, dass sowohl der Plasma-Ca-Spiegel als auch das Calbindin in der Eischalendrüse bei einem Ca-Gehalt des Futters von 0,7 % im Vergleich zu einem Ca-Gehalt von 3,6 % signifikant abnahmen (BAR et al. 1984). Es wurde zudem beobachtet, dass eine vorzeitige Oviposition den Ca2+-Flux in der Eischalendrüse verhindert, wodurch sich die mRNA-Expression von CaBPD28k und von dem VDR reduziert (IEDA et al.

1995). Eine Stimulation durch das Ei selbst scheint somit auch notwendig.

Nur die Linie L68 konnte in der dritten Ca-Restriktionsphase sowohl den Cat- als auch den Ca2+-Spiegel aufrechterhalten und zeigte gleichzeitig eine Hochregulation von CaBPD28k in der Eischalendrüse. Daher kann die Hypothese unterstützt werden, dass der Plasma-Ca-Spiegel an der Regulation beteiligt ist. Ein calcium responsive element, welches bisher nur in der humanen CaBPD28k-DNA im Kleinhirn nachge-wiesen werden konnte (ARNOLD u. HEINTZ 1997), könnte hierbei die Regulation vermitteln. Die Linie WLA zeigte tendenziell eher eine Abnahme der mRNA- und Pro-teinexpression, was dadurch erklärt werden kann, dass der Plasma-Ca-Spiegel (Cat

und Ca2+) bei dieser Linie in der dritten Ca-Restriktionsphase am niedrigsten war und die Stimulation durch Ca fehlte. Auch die PMCA-Expression nahm bei allen Linien weder auf mRNA- noch auf Proteinebene signifikant zu, aus vermutlich gleichen Gründen wie im Intestinum. Bei der Linie WLA war sogar ein signifikanter Abfall der PMCA-Proteinexpression zu verzeichnen, was die Hypothese unterstützt, dass diese durch Ca reguliert wird. Die Linie WLA hatte somit vermutlich die schlechtesten Fä-higkeiten, Ca in der Eischalendrüse bereitzustellen. Da die Legerate bei der WLA nicht abnahm, aber keine Hochregulation von PMCA und CaBPD28k bei gleichzeitig reduzierten Plasma-Ca-Werten stattfand, nahm die Eischalenqualität folglich ab. Die Eischalenqualität nahm bei der Linie WLA am schnellsten und am deutlichsten ab, sodass bis zu 90 % der Eier beschädigt waren (s. Abbildung 18).

126 5.7 Pi im Plasma und Knochengesundheit

Die Ca-restriktive Fütterung hatte keine eindeutigen Auswirkungen auf die Pi -Konzentrationen im Blut, obwohl mit einer erhöhten Freisetzung von Pi aus dem Knochen zu rechnen war. Dies wird durch erhöhte 1,25(OH)2D3-Spiegel vermittelt (NYS et al. 1992), die zu einer Mobilisation von Ca2+und Pi aus dem Knochen führen (HAUSSLER et al. 1998). Zwar kommt es während der Eischalenkalzifizierung zu erhöhten Pi-Konzentrationen (RUSCHKOWSKI u. HART 1992), allerdings ist auch bekannt, dass die renale Pi-Exkretion bei Geflügel durch den Einfluss von PTH wäh-rend der Eischalenkalzifizierung stimuliert wird (CLARK u. SASAYAMA 1981; MILES et al. 1984). Die renale Pi-Exkretion wird bei einer alimentären Ca-Restriktion wegen einer erhöhten PTH-Synthese vermutlich noch stärker stimuliert, sodass die circadia-ne Rhythmik verloren geht und die Pi-Konzentration im Blut signifikant niedriger ist als bei Hennen, die ein Futter mit adäquatem Ca-Gehalt erhalten (RUSCHKOWSKI u. HART 1992). Da PTH hier das regulierende Hormon darstellt, kann angenommen werden, dass die Pi-Exkretion von der Stärke der Ca-Restriktion abhängt. Werden die Tiere einer extremen Ca-Restriktion von 0,36 % ausgesetzt (siehe die Studie von RUSCHKOWSKI u. HART (1992)), wird vermutlich eine sehr hohe Syntheserate von PTH erreicht und es könnte eine höhere renale Pi-Exkretion folgen als bei höheren Ca-Gehalten im Futter. Dies würde erklären, warum es in der vorliegenden Arbeit nicht zu einer Reduktion der Pi-Konzentrationen kam. Darauf deuten auch die Ergeb-nisse der Studie von STAHL (2013) hin, in der die Pi-Konzentration zwar am Anfang der Ca-Restriktion (0,9 % Ca) signifikant anstieg, sich nach zwei Wochen aber nicht mehr von den Werten der Kontrolltiere unterschied. Die Pi-Konzentration stellt somit keinen geeigneten Parameter dar, um Rückschlüsse auf eine mögliche Knochenre-sorption zu ziehen.

Parameter zur Knochenqualität wurden in diesem Fall von dem Institut für Nutztier-genetik, FLI, erhoben und ergaben lediglich in Bezug auf die kortikale Fläche des Tibiotarsus eine signifikante Interaktion zwischen der Linie und Fütterung (p < 0,0019). Dies ist in Abbildung 28 graphisch dargestellt. Hier ist erkennbar, dass

127

die Proportion des kortikalen Knochens nur bei den Weißlegern (WLA und R11) durch eine Ca-restriktive Fütterung signifikant abnahm.

Abbildung 28: Kortikaler Knochenanteil im Tibiotarsus

LSM ± SEM, n = 132, 2way ANOVA: Linie p < 0,001, Diät p < 0,001, Linie*Diät p < 0,0019;

Tukey’s HSD-Test (p < 0,05): verschiedene Buchstaben repräsentieren einen signifikanten Unter-schied (Abbildung zur Verfügung gestellt durch das Institut für Nutztiergenetik, FLI)

128 5.8 Ressourcen-Verteilung und Tierschutz

Häufig wurde das Problem der Ressourcen-Verteilung bei hochgezüchteten Nutztier-arten in Übersichtsarbeiten bereits erörtert (RAUW et al. 1998; GRASTEAU et al.

2005; MIRKENA et al. 2010; HUBER 2017). Wie im Literaturüberblick dieser Arbeit (s. Kapitel 2.9) beschrieben, geht man davon aus, dass die Zucht auf ein bestimmtes Merkmal mit einer vorrangigen Einteilung der Ressourcen für dieses bestimmte Merkmal einhergeht, sodass für andere Merkmale oder für den Erhaltungsbedarf we-niger Ressourcen zur Verfügung stehen. Es ist bekannt, dass diese Zucht zu ge-sundheitlichen Schäden und verkürzten Lebenserwartungen bei verschiedensten Nutztierarten führt (LEENSTRA 1993).

Ziel der vorliegenden Studie war es zu ermitteln, ob eine Zucht auf Leistungseffizienz bei Legehennen mit einer schlechteren Anpassungsfähigkeit an eine alimentäre Ca-Restriktion einhergeht und ob die Phylogenie hier eine wesentliche Rolle spielt.

Anhand der Studienergebnisse lässt sich zeigen, dass die Ressourcen-Verteilung weniger durch das Leistungsniveau der Tiere, sondern vielmehr durch die Phyloge-nie beeinflusst wird. Eine Differenzierung in Bezug auf die PhylogePhyloge-nie anstatt in Be-zug auf das Leistungsniveau erscheint auch deshalb sinnvoll, weil Weißleger und Braunleger verschiedenen Genpools angehören (LYIMO et al. 2014) und die Linien WLA und R11 bzw. BLA und L68 näher miteinander verwandt sind als die Linien WLA und BLA bzw. R11 und L68.

Die Weißleger zeigten eine schlechtere Eischalenqualität als die äquivalenten Braun-leger, was vor allem bei Betrachtung der Schalendicke (s. Abbildung 19, Abbildung 20 und Abbildung 21) und des Anteils beschädigter Eischalen (s. Abbildung 18) deut-lich wird. Die hochleistende Braunleger-Linie BLA reduzierte durch die Ca-Restriktion ihre Legerate und konnte vermutlich dadurch Ca einsparen, es kann aber auch nicht ausgeschlossen werden, dass sie durch die Ca-Restriktion stimuliert wurde, vermehrt verlegte Eier aufzunehmen. Fest steht, dass die Eischalenqualität der Linie BLA nicht so deutlich abnahm wie bei der Linie WLA, was darauf hindeutet, dass hochleistende Braunleger trotz genetischer Selektion die Leistung modulieren und sich an

wech-129

selnde Umweltbedingungen anpassen können. Dahingegen hat sich die Ca-Restriktion nicht auf die Legerate der hochleistenden Weißleger-Linie WLA ausge-wirkt, obwohl die Plasma-Ca-Werte hier teilweise am niedrigsten waren und eine Genregulation kaum stattgefunden hat. Bei Weißlegern hat die genetische Selektion auf hohe Leistung somit vermutlich dazu geführt, dass die Produktionsleistung auf-rechterhalten wird, ungeachtet der Produktionsqualität und der Kapazitäten. Hinzu kommt, dass bei den Weißlegern beider Leistungsniveaus die kortikale Knochensub-stanz des Tibiotasus signifikant abnahm, bei den Braunlegern hingegen nicht. Letzte-re konnten somit der Ca-Restriktion durch andeLetzte-re Letzte-regulative Mechanismen begegnen als über eine Mobilisation von kortikalem Knochengewebe. Dass die minderleistende Weißleger-Linie R11 trotz Genregulation von CaBPD28k im Darm und Resorption von kortikalem Knochengewebe signifikante Abnahmen des Cat-Spiegel zeigte, macht deutlich, wie schlecht diese Linie ihre Ca-Homöostase aufrechterhalten konnte. Zwar zeigte der Ca2+-Spiegel nach der dritten Ca-Restriktionsphase – also die Phase, die der Gewebeentnahme direkt vorranging – keinen signifikanten Unterschied zu der Kontrollgruppe, allerdings hat die Eischalenqualität in dieser Phase so stark abge-nommen, dass der Anteil beschädigter Eischalen ähnlich hoch war, wie bei der Linie WLA (s. Abbildung 18). Eine Knochenresorption war hier somit weder bezüglich der Eischalenqualität noch bezüglich der Cat-Spiegel effektiv.

Da ein Verlust der kortikalen Knochensubstanz zu Osteoporose und Knochenfraktu-ren fühKnochenfraktu-ren kann (THORP 1994), ist die Gesundheit der Weißleger bei einer Ca-restriktiven Fütterung stärker gefährdet, als die der Braunleger. Laut Tierschutz-gesetz (TierSchG) § 1 liegt es in der Verantwortung des Menschen, das Leben und Wohlbefinden der Tiere zu schützen. Es dürfen ihnen außerdem nicht ohne vernünf-tigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden. Für die Untersu-chung, ob Schäden unter normalen Umständen (Futter mit adäquatem Ca-Gehalt) auftreten, wären noch weitere Studien notwendig. Werden Umweltfaktoren verändert, wie in diesem Fall die Ca-Zufuhr, haben die Weißleger scheinbar schlechtere Fähig-keiten, sich an diese veränderten Bedingungen adäquat zu adaptieren, ohne dass dies Auswirkungen auf die Gesundheit hat. Die Zucht der Weißleger-Linien per se hat vermutlich zu einer schlechteren Fähigkeit der Ressourcen-Verteilung geführt

130

und nicht ausschließlich die genetische Selektion auf hohe Leistung. Wenn die Regu-lation der Ca-Homöostase bei Weißlegern beeinträchtigt ist und die Hennen infolge-dessen Osteoporose und Knochenbrüche erleiden, ist dies als Schaden anzusehen, der mit Schmerzen und Leiden einhergeht. Vermutlich bezieht sich das schlechtere Adaptationsvermögen der Weißleger auch auf andere Umwelteinflüsse, was gegen-wärtiger Bestandteil von anderen Studien im Rahmen des Verbundprojekts

„Adapt Huhn“ ist. Die Zucht und Haltung der Weißleger-Linien wäre demnach nur tierschutzgerecht, wenn sichergestellt werden könne, dass diese Linien nicht mit plötzlich auftretenden Umweltveränderungen konfrontiert werden.

Eine weitere Charakterisierung des „Leidens“ könnte durch Stressparameter erfol-gen. Weißleger können möglicherweise schlechter mit Stress umgehen, was sich unter anderem auf das Körpergewicht und das Verhalten auswirken könnte. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde durch das Institut für Nutztiergenetik, FLI, das Körpergewicht an den Tagen der Blutentnahmen erfasst. Es zeigte sich, dass das Körpergewicht der Linie WLA nach der zweiten und dritten Ca-Restriktionsphase reduziert war (s. Anhang K). Dies könnte darauf hinweisen, dass diese Tiere ver-mehrt Stress hatten, was zu einer höheren Bewegungsaktivität und einer geringeren Futteraufnahme geführt haben könnte. Eine Untersuchung des Glucocorti-coid-Spiegels der Hennen könnte hier hierüber Aufschluss bringen. Außerdem ist bekannt, dass Glucocorticoide die Knochenresorption fördern (CANALIS u. DELANY 2002; REHMAN u. LANE 2003). Hätten Weißleger einen höheren Glucocorticoid-Spiegel, könnte dies die signifikante Reduktion von kortikalem Knochengewebe be-dingen.

Innerhalb einer phylogenetischen Gruppe machte es den Anschein, dass die Minder-leistunsgtiere sich in Bezug auf Eischalenqualität, Genexpression und Plasma-Ca-Konzentration besser an eine Ca-Restriktion adaptieren konnten als die Hochleis-tungstiere. Hierfür könnte der durch die hohe Leistung hervorgerufene metabolische Stress verantwortlich sein, durch den die Sensitivität gegenüber der Umwelt zunimmt und wechselnde Umweltbedingungen schlechter kompensiert werden können (VAN DER WAAIJ 2004). Es ist bekannt, dass die Regulationsfähigkeit des

Vita-131

min D-Metabolismus bei älteren Legehennen vermindert ist (JOYNER et al. 1987), weshalb die Belastung der Ca-Homöostase im Alter noch höher sein dürfte, wenn die Ca- und 25-OHD3-Gehalte im Futter nicht angepasst werden (BAR et al. 1988; AN et al. 2016). Die langanhaltende hohe Legerate und die abnehmende Regulationsfähig-keit stellen somit eine schwere Belastung für den Organismus dar. So steigt die Prä-valenz von Knochenbrüchen mit zunehmendem Alter an (STRATMANN et al. 2016), wobei in Käfig-Kleingruppenhaltung weniger Brustbeinfrakturen auftreten als in ande-ren Haltungssystemen (KAPPELI et al. 2011; HABIG u. DISTL 2013).

5.8.1 „Qualzucht“

Als eine „Qualzucht“, die laut Tierschutzgesetztes § 11 b verboten ist, könnte man die Zucht der weißen oder hochleistenden Linien nicht direkt bezeichnen. Es ist laut Gesetzestext nur die Zucht verboten, bei der den Nachkommen „erblich bedingt Kör-perteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder um-gestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten“ (§ 11 b TierSchG). Ferner dürfen bei den Nachkommen der Kontakt mit Artgenossen und die Haltung nicht zu Schmerzen, Leiden oder Schäden führen. Außerdem dürfen keine mit Leiden verbundene erblich bedingte Verhaltensstörungen auftreten. Zwar könnte argumentiert werden, dass die Regulationsmechanismen der Weißleger bzw. Hoch-leistungstiere so „umgestaltet“ worden sind, dass hierdurch Schäden auftreten kön-nen. Allerdings wird in dem Gesetzestext explizit auf den Zustand von Schäden und nicht auf eventuelle Möglichkeiten verwiesen. Zudem werden nur „Körperteile und Organe“ genannt und keine komplexen Regulationsmechanismen, die mehrere Or-gansysteme umfassen.

Diese Ungenauigkeit im Tierschutzgesetz veranlasste die Bundestierärztekam-mer e.V. am 26. April 2016 eine Resolution zu verabschieden und das Bundesminis-terium für Ernährung und Landwirtschaft dazu aufzufordern, „von der Ermächti-gungsgrundlage des § 11 b Abs. 4 Tierschutzgesetz Gebrauch zu machen und über eine Rechtsverordnung erblich bedingte Krankheitsrisiken in der Nutztierzucht näher zu bestimmen und die Zucht mit bestimmten Nutztierrassen bzw. Linien zu verbieten

132

oder zu beschränken, wenn dieses Züchten zu Verstößen gegen § 11 b Abs. 1 Tier-schutzgesetz führen kann“. Das Ungleichgewicht zwischen züchterischer Leistungs-fähigkeit und der Gesundheit der Tiere im Nutztierbereich sei schon lange bekannt und es sei unmöglich, bei geltender Rechtsgrundlage auf tierschutzrelevante, züchte-rische Folgen Einfluss zu nehmen. Darüber hinaus kam man bei einer Veranstaltung zum Thema Milchkuh der Tierärztekammer Berlin am 10. November 2018 zu dem Schluss, dass dem Verbraucher die Zusammenhänge zwischen Zucht und Erkran-kungen besser vermittelt werden sollten, da diesbezüglich noch viel Unwissenheit herrsche. Die Bundestierärztekammer e.V. gründete am 30. Januar 2019 die neue Arbeitsgruppe „Qualzucht bei Nutztieren“, durch die Aufklärung, Öffentlichkeitsarbeit und Fortbildung zum Thema „Qualzucht“ kontinuierlicher verfolgt werden sollen. Die-se Maßnahmen könnten dazu beitragen, dass in Zukunft die Zucht auf hohe Lege-leistung gesetzlich eingeschränkt wird. Die in der vorliegenden Studie generierten Ergebnisse untermauern die Notwendigkeit dieser Initiative. Wenn auch in anderen Studien aufgezeigt wird, dass Braunleger gegenüber Weißlegen mehr Vorteile be-züglich der Anpassung haben, wäre außerdem eine Differenzierung in dieser Hin-sicht nötig. Das Staatsziel Tierschutz könnte somit strenger verfolgt werden, was zu einer Reduktion des Tierleidens im Nutztierbereich beitragen würde.

133 5.9 Schlussfolgerung

Die Ergebnisse zeigen, dass der Grad der alimentären Ca-Restriktion ausreichend war, um die Ca-Homöostase aller Linien zu belasten, sodass Regulationsmechanis-men aktiviert wurden. Die vorliegende Arbeit liefert neue Erkenntnisse, die teils in Widerspruch mit bisherigen Erkenntnissen in der Literatur stehen. Beispielsweise nahmen HOCKING et al. (2003) an, dass bei kommerziellen, hochleistenden Linien die Eischalenqualität nur deshalb nicht schlechter als bei robusten, minderleistenden Rassen ist, weil bei Hochleistungstieren vermehrt Knochengewebe resorbiert wird. In der vorliegenden Studie konnte jedoch gezeigt werden, dass die Knochenresorption von der Phylogenie und nicht vom Leistungsniveau abhängt. Zudem ist man bisher davon ausgegangen, dass reine Rassen anpassungsfähiger und robuster sind als Legehybride (RIZZI u. CHIERICATO 2005). Die in dieser Studie untersuchten Min-derleistungslinien R11 und L68 sind zwar keine reinen Rassen, aber mit reinen Ras-sen vergleichbar, da es sich bei dieRas-sen Linien um unselektierte Populationen handelt.

Die vorliegenden Ergebnissen stehen im Widerspruch zu RIZZI u. CHIERICATO (2005), denn im Gegensatz zu der Linie L68 zeigte die Linie R11 eine schlechte An-passung an die Ca-restriktive Diät in Hinblick auf die Eischalenqualität, Legerate und Ca-homöostatische Parameter. Darüber hinaus konnte bei der Linie BLA, welche mit einer kommerziellen Linie vergleichbar ist, trotz ihres genetisch hohen Leistungsni-veaus eine Anpassung durch Reduktion der Legerate festgestellt werden. Eine ande-re Studie konnte zeigen, dass bei kommerziellen Linien die Knochenstabilität von Hochleistungslinien niedriger ist als bei reinen Rassen (HOCKING et al. 2003). Die daraus resultierende Hypothese, dass die Hochleistungslinien ihre Eischalenqualität durch Knochenresorption aufrechterhalten, kann anhand der vorliegenden Ergebnis-sen nicht untermauert werden, da hier ein kortikaler Knochenabbau bei den Weißle-gern beider Leistungsniveaus stattfand. Auf Basis der vorliegenden Ergebnisse kann daher keine allgemeingültige Aussage über die Anpassungsfähigkeit hinsichtlich des Leistungsniveaus bei einer Ca-restriktiven Fütterung getroffen werden.

Nichtsdestotrotz ist eine gewisse Unterscheidung hinsichtlich des Leistungsniveaus innerhalb einer phylogenetischen Gruppe möglich. Die Linie R11 wies gegenüber der

134

Linie WLA überwiegend eine bessere Eischalenqualität, eine höhere Genregulation im Darm und bessere Plasma-Ca-Werte auf. Auch die Linie L68 zeigte im Vergleich zur Linie BLA eine geringere Abnahme der Eischalenqualität und Legerate bei bes-seren Plasma-Ca-Werten. Die scheinbar besbes-seren adaptiven Fähigkeiten der Min-derleistungslinien im Vergleich zu den entsprechenden Hochleistungslinien müssen aber vorsichtig interpretiert werden, da die Minderleistungslinien einen niedrigeren Ca-Bedarf haben und keine Angaben über die Futteraufnahme und Ca-Retention vorliegen.

135 5.10 Ausblick

Wie jede empirische Untersuchung weist auch die vorliegende Arbeit Limitationen auf, die Anknüpfungspunkte für zukünftige Studien bieten. Aufgrund der Gruppenhal-tung konnten die gelegten Eier keinem spezifischen Tier zugeordnet werden. Um die Legerate der Tiere individuell zu dokumentieren und die Eischalenqualitätsparame-tern mit den einzelnen Tieren verknüpfen zu können, sollten die Tiere in einer weite-ren Studie in Einzelkäfighaltung untergebracht werden. Dies würde auch die Identifi-zierung von „Nicht-Legern“ ermöglichen und somit mögliche Verzerrungen in den Ergebnissen reduzieren. Zusätzlich könnte so über Einwaage und Rückwaage des Futters die Futteraufnahme bestimmt werden.

Durch eine automatisierte Detektion der Eiablage könnte individuell der Zyklusstand der Hennen geschätzt werden. Dies wäre notwendig für eine Blutentnahme, wenn sich die Eischalenkalzifizierung im fortgeschrittenen Stadium befindet. Damit wäre es dann möglich, verlässliche Werte über die 1,25(OH)2D3- und PTH-Konzentration im Blut zu erhalten, die weitere Hinweise auf die regulativen Mechanismen der Ca-Homöostase liefern könnten.

In der vorliegenden Studie hat die alimentäre Ca-Restriktion zu einer ausreichenden Belastung der Ca-Homöostase geführt. Bei der Linie R11 hatte sich in der ersten Restriktionsphase bereits ein „Legestopp“ angedeutet. Um diesbezüglich valide Er-gebnisse zu erhalten, insbesondere ob und wenn ja, ab welcher Dauer es in den schiedenen Linien zu einem „Legestopp“ kommt, sollte die Ca-Restriktionsphase

In der vorliegenden Studie hat die alimentäre Ca-Restriktion zu einer ausreichenden Belastung der Ca-Homöostase geführt. Bei der Linie R11 hatte sich in der ersten Restriktionsphase bereits ein „Legestopp“ angedeutet. Um diesbezüglich valide Er-gebnisse zu erhalten, insbesondere ob und wenn ja, ab welcher Dauer es in den schiedenen Linien zu einem „Legestopp“ kommt, sollte die Ca-Restriktionsphase