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1.2 Das Virus der ¨ ubertragbaren Gastroenteritis (TGEV)

1.2.1 Pathogenit¨ at und Epidemiologie

F¨alle der ¨ubertragbaren Gastroenteritis der Schweine wurden vermutlich bereits in den 30er Jahren beobachtet (Smith, 1956). Die virale ¨Atiologie der transmissiblen Gastro-enteritis (TGE) wurde 1946 durch einen Bericht von Doyle und Hutchings (1946) in den Vereinigten Staaten best¨atigt. Sie konnten zeigen, dass ein filtrierbares Agens auf Schweine ¨ubertragen werden konnte und daraufhin eine h¨aufig fatale Gastroenteritis her-vorrief. In den folgenden Jahrzehnten wurde die TGE in allen Kontinenten beschrieben.

Von Bedeutung wurde die ¨ubertragbare Gastroenteritis f¨ur die Schweineindustrie mit ih-rer Intensivierung (Woode, 1969). Den Kriterien der Familie der Coronaviridae folgend (Tyrrell et al., 1968) wurde TGEV von Tajima(1970) in die Gruppe der Coronaviren eingeordnet.

Bis in die 70er Jahre traten TGEV-Infektionen in den Vereinigten Staaten und in Europa

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vor allem im Winter als akute Epizootien in Aufzuchtbetrieben auf. Nach einem Aus-bruch der TGE hielt die Immunit¨at der Herde ca. 2 bis 3 Jahre an, bis es dann durch Einschleppung des Virus zu einem neuen Ausbruch kam. Durch die Intensivierung der Schweinezucht wandelte sich das Bild der TGEV-Infektion zu einer Enzootie vor allem in großen Zuchtbetrieben, in denen das Virus nach einem Erstausbruch in Absetzferkeln persistierte. In Europa und in den Vereinigten Staaten ist das Auftreten der ¨ ubertragba-ren Gastroenteritis r¨uckl¨aufig (Enjuanes und van der Zeijst, 1995). Es gibt jedoch auch Berichte von schweren TGE-Ausbr¨uchen in den 90er Jahren. So starben z.B. 1996 bei einem schweren Ausbruch in England 750 Ferkel und 5 Sauen (Jones und Paton, 1996; McGoldricket al., 1999).

TGEV ist ein typisch enteropathogener Vertreter der Coronaviren, kann aber auch im Res-pirationstrakt und in der Milchdr¨use laktierender Sauen replizieren. Das Virus wird mit infekti¨osem Material z.B. den F¨aces oder der Sauenmilch auf oralem Wege aufgenommen.

Es erreicht ¨uber die Magen-Darm-Passage den D¨unndarm und infiziert die Epithelzellen im apikalen Bereich der Zotten von Jejunum und Ileum. Das Virus breitet sich ¨uber den Villus auf die weiter abw¨arts liegenden Epithelzellen aus, wurde aber nie in den Zellen an der Zottenbasis und in den Zellen der Krypten gefunden (Garwes, 1995). Die infizierten Epithelzellen l¨osen sich vom Villus ab und werden von neuen Zellen aus den Krypten ersetzt. Dieser Vorgang beendet die Infektion nach ca. 5–7 Tagen. Die neuen Zellen wer-den nicht infiziert. Durch die Abl¨osung der Epithelzellen kommt es zur Villusatrophie und dadurch bedingt zu einer w¨assrigen Diarrh¨oe (Hooper und Haelterman, 1969;

Pensaert et al., 1970). Epizootische Ausbr¨uche der ¨ubertragbaren Gastroenteritis be-treffen Schweine aller Altersgruppen und breiten sich in 2–3 Tagen auf die gesamte Herde aus. Der Schweregrad der Erkrankung ist jedoch je nach Alter der Tiere unterschiedlich.

Bei Saugferkeln bis zum Alter von zwei Wochen kommt es h¨aufig zu Erbrechen und w¨ ass-riger Diarrh¨oe, die zu Dehydratation, starkem Gewichtsverlust und Tod in 2 bis 5 Tagen f¨uhren. Die Mortalit¨atsrate in dieser Altersgruppe liegt bei bis zu 100%. Bei Absetzferkeln (3–8 Wochen alt) betr¨agt die Mortalit¨atsrate weniger als 10–20%. Es kommt jedoch zu Wachstumsverz¨ogerungen und somit zu wirtschaftlichen Verlusten. Erwachsene Tiere ent-wickeln ebenfalls einen w¨assrigen Durchfall, der 2–4 Tage anh¨alt, aber die Mortalit¨atsrate in dieser Altersgruppe liegt unter 5%.

Die Empf¨anglichkeit f¨ur eine TGEV-Infektion setzt sich aus unterschiedlichen Faktoren zusammen: Alter der Tiere, Umweltbedingungen, Virusdosis und Virulenz des jeweiligen Virusstammes. Auch die M¨oglichkeit zur Kolostrumaufnahme scheint bei neugeborenen Ferkeln die Empf¨anglichkeit gegen¨uber einer TGEV-Infektion zu beeinflussen. So konn-te gezeigt werden, dass Neugeborene, die kein Kolostrum erhielkonn-ten, nach einer Infektion mit TGEV (PUR46-MAD) starben (100% Mortalit¨at). Ihre Wurfgeschwister, die f¨ur 7 h Zugang zum Kolostrum hatten, zeigten hingegen keinerlei Krankheitszeichen. In welcher Weise die Kolostrumaufnahme die Empf¨anglichkeit f¨ur eine TGEV-Infektion beeinflusst, ob z.B. dadurch die Epithelzelldifferenzierung ver¨andert ist oder ob Inhaltsstoffe des Ko-lostrums mit den Virionen interagieren, ist noch nicht bekannt (Enjuanes undvan der Zeijst, 1995). Als Ursache f¨ur den Schweregrad des Krankheitsverlaufs epizootischer TGE-Ausbr¨uche bei Saugferkeln wurden ebenfalls unterschiedliche Faktoren diskutiert:

eine geringe Enterozytenerneuerungsrate bei neugeborenen Ferkeln (Moon, 1973); das Vorkommen von Enterozyten fetalen Ursprungs auf dem Villus, welche durch ihr tubulo-vakuol¨ares System die Virusreplikation erleichtern (Wagner et al., 1973); die fehlende Aktivit¨at von nat¨urlichen Killerzellen in den intraepithelialen Lymphozyten neugebore-ner Ferkel (Cepica und Derbyshire, 1984) sowie das Vorkommen eines zus¨atzlichen Rezeptors auf den Zotten Neugeborener (Weingartl und Derbyshire, 1993).

W¨ahrend der serologischen Routine¨uberwachung von Schweinebest¨anden in Großbritan-nien, Belgien, den Niederlanden und Frankreich vermerkte man Mitte der 80er Jahre eine Erh¨ohung der Anzahl an Schweinebest¨anden, die Antik¨orper gegen TGEV besaßen. Dieser Anstieg korrelierte nicht mit einer Erh¨ohung der Erkrankungsrate an TGE. 1986 konnte schließlich eine TGEV-Variante, das porzine respiratorische Coronavirus (PRCoV), aus dem Respirationstrakt infizierter Schweine in Belgien isoliert werden (Pensaert et al., 1986). Diese Variante replizierte mit hoher Effizienz im Respirationstrakt, jedoch nicht oder nur in geringem Ausmaß im Gastrointestinaltrakt von Schweinen (Coxet al., 1990).

Die meisten Beobachter registrierten in Verbindung mit einer PRCoV-Infektion nur we-nige oder keine Anzeichen einer respiratorischen Erkrankung (Enjuanes und van der Zeijst, 1995). Serologische Untersuchungen ergaben, dass TGEV und PRCoV nahe ver-wandt sind (Callebaut et al., 1988; S´anchez et al., 1992). Aus diesem Grund wird PRCoV auch als TGEV-Variante und nicht als eigene Coronavirusspezies betrachtet. Da das porzine respiratorische Coronavirus aerogen ¨ubertragen wird, besitzt es eine hohe

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Ausbreitungsrate. So waren bis Ende der 80er Jahre fast alle Schweinebest¨ande in Belgien infiziert (Pensaert und Cox, 1989). Diese Ausbreitung von PRCoV wird als Grund f¨ur den R¨uckgang der TGEV-Infektionen angesehen. So wirkt eine PRCoV-Infektion aufgrund der serologischen Verwandtschaft h¨aufig als nat¨urlicher Impfschutz gegen eine TGEV-Infektion. Die Analyse der Sequenzen beider Viren ergab eine Homologie von 96%.

Die Hauptunterschiede in der Sequenz bestehen in drei Deletionen des PRCoV-Genoms (Rasschaertet al., 1990; Wesley et al., 1991; S´anchezet al., 1992). Durch zwei der Deletionen wird der ORF3a, der f¨ur ein Nicht-Strukturprotein unbekannter Funktion ko-diert, in ein Pseudogen verwandelt. Die dritte Deletion betrifft das Gen des S-Proteins.

Durch eine Deletion von 672 Nukleotiden (224 Aminos¨auren) bei europ¨aischen Isolaten bzw. 681 Nukleotiden (227 Aminos¨auren) bei nordamerikanischen Isolaten besitzt PRCoV ein in seinem aminoterminalen Bereich stark verk¨urztes S-Protein.