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Nachdem in B¨urstensaummembranen ein Sialoglykoprotein gefunden worden war, das von desialyliertem TGEV ¨uber Sialins¨auregruppen gebunden wurde, wurde die Bindung von TGEV in Darmgefrierschnitten untersucht. Die Untersuchung der Bindung in Kryoschnit-ten bietet den Vorteil, dass die Strukturen des Darmgewebes in ihrer nat¨urlichen Zu-sammensetzung weitestgehend erhalten bleiben, und so Aussagen ¨uber die tats¨achliche Lokalisation des Bindungspartners gemacht werden k¨onnen.

Gefrierschnitte des Jejunums eines 3 Tage alten Saugferkels wurden mit Paraformaldehyd fixiert und anschließend mit konzentrierten Virussuspensionen von TGEV-NA, TGEV,

5.8. Interaktion von TGEV mit Darmepithel 113

HAD3-NA und m10-NA inkubiert (s. Methoden 4.19.4). Die Virusbindung wurde ¨uber den mAk 6A.C3 und einen FITC-gekoppelten Zweitantik¨orper nachgewiesen und im Fluo-reszenzmikroskop beurteilt.

Die Fluoreszenz in Abbildung 5.24 (oben, unten) zeigt, dass TGEV-NA in umschriebenen Bereichen an das D¨unndarmepithel des Saugferkels band (weiße Pfeile). Es handelt sich bei diesen Bereichen vermutlich um Becherzellen des D¨unndarmepithels, was vor allem in dem vergr¨oßerten Bildausschnitt in Abbildung 5.24 (unten) bei der Gegen¨uberstellung von Fluoreszenz und Durchlicht zu erkennen ist. Becherzellen sind modifizierte S¨ aulen-epithelzellen, die Schleim synthetisieren und sezernieren. Der apikale breitere Zellleib der Becherzellen ist dicht mit Muzingranula gef¨ullt, die durch Exozytose abgegeben werden und mit Wasser den Darmschleim bilden.

Wurden die Kryoschnitte vor der Virusinkubation mit Neuraminidase aus Vibrio cholerae behandelt, verschwand die Bindung von TGEV-NA in den Becherzellbereichen (Abb. 5.24 Mitte). Dies belegt die Sialins¨aureabh¨angigkeit der Bindung von TGEV in diesen Regio-nen. Die Bindung an den zellul¨aren Rezeptor pAPN bewirkte nur ein schwaches Fluores-zieren des gesamten Epithels (Nachweis mit mAk G43 nicht gezeigt.).

Zum Vergleich wurde die Interaktion von nicht desialyliertem TGEV und den Mutanten HAD3 und m10 (in desialylierter Form) mit Gefrierschnitten des Jejunums des Saugferkels untersucht. Die Ergebnisse dieser Bindungstests sind in Abbildung 5.25 dargestellt. Die beiden Mutanten zeigten keine Bindung an die von TGEV-NA erkannten Becherzellberei-che, was die Bedeutung der Sialins¨aurebindungsaktivit¨at von TGEV f¨ur diese Interaktion unterstreicht. TGEV hingegen konnte auch ohne vorherige Neuraminidasebehandlung mit Strukturen der Becherzellen interagieren, allerdings in abgeschw¨achter Form (Abb. 5.19 oben, weiße Pfeile).

TGEV bindet somit vermutlich an Sialins¨auregruppen der Muzingranula in den Becher-zellen und an den daraus entstehenden Darmschleim. Eine vorherige Desialylierung der TGE-Virionen zur Optimierung der Sialins¨aurebindungsaktivit¨at ist f¨ur die Interaktion mit Darmepithel im Kryoschnitt nicht unbedingt erforderlich. Entweder sind die Viruspar-tikel aufgrund der eingesetzten hohen Konzentration auch ohne Desialylierung in der Lage zu interagieren, oder die Affinit¨at zu den Strukturen im Becherzellbereich ist h¨oher als die zu anderen Sialoglykokonjugaten.

Abbildung 5.24:Bindung von TGEV-NA an D¨unndarmepithel. Darstellung der Bindung durch Fluoreszenz (links) und entsprechender Bildausschnitt im Durchlicht (rechts). Die Bindung von TGEV-NA ist im ¨Uberblick oben und in einem vergr¨oßerten Bildausschnitt unten gezeigt (wei-ße Pfeile). Die Bilder in der Mitte zeigen die Bindung von TGEV-NA nach vorheriger VCNA-Behandlung des Darmschnittes.

5.8. Interaktion von TGEV mit Darmepithel 115

Abbildung 5.25: Bindung von nicht desialyliertem TGEV und den Mutanten HAD3 und m10 an unndarmepithel. Inkubation der Kryoschnitte mit TGEV (oben), HAD3-NA (Mitte) und m10-NA (unten).

6. Diskussion

6.1 Bedeutung der Desialylierung von TGEV f¨ ur die Interaktion mit Sialoglykokonjugaten

F¨ur die Untersuchung der Sialins¨aurebindungsaktivit¨at von TGEV wurden die Virionen im Vorfeld stets mit Neuraminidase ausVibrio cholerae desialyliert und anschließend ¨uber einen Saccharosegradienten gereinigt. Diese Vorbehandlung diente der Optimierung der Bindung an Sialins¨auren durch das S-Protein von TGEV und sollte klarere Ergebnisse bez¨uglich potentieller Bindungspartner des Virus liefern. TGEV besitzt im Gegensatz zu den Coronaviren der Gruppe II keine Rezeptor-inaktivierende Enzymaktivit¨at. Die Sia-lins¨aurebindungsaktivit¨at von TGEV bewirkt, dass in Zellkultur wachsendes Virus mit Sialoglykokonjugaten zellul¨aren Ursprungs umgeben wird. Dieser Maskierung der Sia-lins¨aurebindungsstellen des S-Proteins kann mangels viraler Enzymaktivit¨at nur durch externe Neuraminidasebehandlung entweder der Virionen nach der Virusernte oder der Zellen vor der Virusinfektion entgegengewirkt werden (Kremplet al., 1997).

Um zu sehen, wie sich die Maskierung der Sialins¨aurebindungsstellen des S-Proteins durch zellul¨are Sialoglykokonjugate auf die Bindungsaktivit¨aten von TGEV auswirkt, wurde bei den Bindungsstudien in Zellkultur, mit intestinalen Muzinen, B¨ urstensaummembra-nen und Kryoschnitten von Darmepithelien parallel zu neuraminidasebehandeltem TGEV auch nicht enzymbehandeltes Virus untersucht. Bei den Virusbindungstests auf Nitrozel-lulose stellte sich heraus, dass TGEV-Partikel, die vor dem Reinigungsschritt ¨uber einen Saccharosegradienten nicht desialyliert worden waren, nicht nur in ihrer Sialins¨ aurebin-dung sondern auch in ihrer Binaurebin-dung an den zellul¨aren Rezeptor Aminopeptidase N stark

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beeintr¨achtigt waren (5.3.2, 5.6.3). Die Interaktion zellul¨arer Sialoglykokonjugate mit den S-Proteinen von TGEV-Partikeln k¨onnte zu einer Vernetzung und somit zur Aggregatbil-dung der Viruspartikel gef¨uhrt haben (Krempl und Herrler, 2001). Dies w¨urde auch die Bindungsstellen f¨ur pAPN zu großen Teilen verdecken und f¨ur die Interaktion mit den pAPN-Banden auf der Nitrozellulose nicht mehr gen¨ugend Kontaktstellen bieten. Selbst der Einsatz unbehandelter TGE-Virionen in einer 10fach h¨oheren Proteinkonzentration als die anderen Viruspartikel zeigte nur eine sehr schwache Bindung an die pAPN-Bande bei 150 kDa (5.3.2). F¨ur einen Virusbindungstest auf Nitrozellulose ist somit der Ein-satz nicht desialylierter TGEV-Partikel zur Untersuchung der Sialins¨ aurebindungsakti-vit¨at und auch zur Untersuchung der Bindung an pAPN ungeeignet.

Bei der Untersuchung der Bindung von TGEV an Zellkulturen, die in Mikrotiterplatten ausges¨at worden waren, wurden ebenfalls VCNA-behandelte und unbehandelte Virionen verwendet. Auch hier zeigte sich, dass die Sialins¨aurebindungseigenschaft unbehandel-ter Viruspartikel aufgrund bereits gebundener zellul¨arer Sialoglykokonjugate stark einge-schr¨ankt war. Nicht desialyliertes TGEV kann aber sehr wohl noch Rindererythrozyten agglutinieren, die zu 90% Neu5Gc auf ihrer Oberfl¨ache tragen. Dieser Sialins¨auretyp wird von TGEV bevorzugt erkannt und auf der Oberfl¨ache von Rindererythrozyten m¨ ogli-cherweise auch in sterisch g¨unstiger Form pr¨asentiert (Schultze et al., 1996). Auf ST-und LLC-PK1-Zellen befindet sich aber ¨uberwiegend Neu5Ac (5.3.1). Da die Affinit¨at von TGEV zur Bindung an Neu5Ac wesentlich geringer ist als die Bindungsaffinit¨at zu Neu5Gc (Schultzeet al., 1996), findet eine effiziente Bindung von TGEV an die beiden Zellkulturen erst nach Neuraminidasebehandlung der Viruspartikel statt.

Bei intestinalen Muzinen und Muzin aus der Glandula submandibularis des Schweines (PSM) k¨onnte man aufgrund des teilweise hohen Gehalts an Neu5Gc erwarten, dass die Bindung von TGEV auch ohne vorherige Desialylierung der Viruspartikel nachweisbar ist. Es zeigte sich jedoch, dass selbst bei den Muzinen des Saugferkels B und PSM, die den h¨ochsten Gehalt an Neu5Gc bei den eingesetzten Proben aufwiesen, nicht desialy-liertes TGEV im Gegensatz zu desialyliertem TGEV nur wenig binden konnte (5.5.1).

M¨oglicherweise h¨atten h¨ohere Viruskonzentrationen eine st¨arkere Bindung bewirkt. Es kann aber auch sein, dass durch die Immobilisierung der Muzine auf der ELISA-Platte und die Vernetzung der Viruspartikel untereinander ¨ahnlich ung¨unstige Voraussetzungen

6.1. Bedeutung der Desialylierung von TGEV f¨ur die Interaktion... 119

geschaffen wurden wie bei dem Virusbindungstest auf Nitrozellulose.

Darmgewebe aus frischtoten Tieren, das direkt nach der Entnahme in Isopenthan/fl¨ ussi-gem Stickstoff eingefroren wurde, kann in relativ unver¨andertem Zustand gelagert werden (−80C). Die Untersuchung der Virusbindung an Kryoschnitte, die aus solchen Jejunum-proben angefertigt wurden, bietet somit die M¨oglichkeit, an relativ unver¨anderten Struk-turen zu arbeiten. Da ein Schnitt nicht mehr das gesamte Gewebe in unver¨anderter Form pr¨asentiert, ist auch diese Untersuchungsmethode nur eine Ann¨aherung an nat¨urliche Verh¨altnisse. So sind durch die Anfertigung der Darmschnitte auch Strukturen ange-schnitten, die im Tier vom Darmlumen aus nicht direkt zug¨anglich w¨aren. Trotzdem ist die Untersuchung der Bindung von TGEV an Kryoschnitte des Darmes, die Methode in dieser Arbeit, die den nat¨urlichen Bedingungen im Tier am n¨achsten kommt. Die Schnitte wurden vor der Inkubation mit Virus mit Paraformaldehyd fixiert, da das Arbeiten mit unfixierten Schnitten die zellul¨aren Strukturen des Darmgewebes nach mehreren Inku-bationsschritten sch¨adigte bzw. schlechter erkennen ließ. Vorherige Tests mit unfixierten Schnitten zeigten jedoch, dass sich das Bindungsverhalten von TGEV durch die Fixie-rung nicht ver¨anderte. Bei der Bindung von TGEV an Sialins¨aurereste der Strukturen des Darmepithels in diesen Kryoschnitten zeigte sich, dass die Vorbehandlung der Virio-nen mit VCNA in dieser Untersuchungsmethode nicht notwendig war. Nicht desialylier-te TGE-Virionen konndesialylier-ten ¨uber ihre Sialins¨aurebindungsaktivit¨at an Sialoglykokonjugate des Darmepithels binden, wenn auch nicht so effizient wie TGEV-NA. Die Bindungspart-ner, die TGEV ¨uber seine Sialins¨aure-bindende Aktivit¨at im Kryoschnitt des Jejunums erkennt, sind somit offensichtlich f¨ur eine Interaktion mit TGEV optimal sialyliert, so-wohl was den Sialins¨auretyp betrifft als auch hinsichtlich der r¨aumlichen Pr¨asentation der Sialins¨auren. Die Affinit¨at zu diesen Bindungspartnern scheint so stark zu sein, dass die verbleibenden Sialins¨aurebindungsstellen auf den nicht desialylierten S-Proteinen von TGEV f¨ur eine Bindung ausreichen. Denkbar ist auch, dass die Bindung der zellul¨aren Sialoglykokonjugate an TGEV aufgrund einer h¨oheren Affinit¨at zu den jejunalen Sialo-glykokonjugaten gel¨ost wird.

Die Notwendigkeit der vorherigen Desialylierung der Virionen ergibt sich also aus der Me-thode, mit der man die TGEV-Bindung nachweisen m¨ochte. W¨ahrend die enzymatische Vorbehandlung bei der Bindung an immobilisierte Glykoproteine und Muzine, an

Zellkul-turen und bei der Agglutination von H¨uhnererythrozyten unbedingt erforderlich ist, kann man bei der Agglutination von Rindererythrozyten und bei der Bindung an Kryoschnitte des Darmes darauf verzichten.

Da f¨ur die Interaktion mit Sialoglykokonjugaten des Darmepithels die Desialylierung von TGEV nicht erforderlich ist, kann die Sialins¨aurebindungsaktivit¨at f¨ur die Enteropatho-genit¨at von TGEV in vivo von großer Bedeutung sein. Ganz gleich, ob das Virus auf seinem Weg in den Darm mit Sialoglykokonjugaten beladen ist oder nicht, es weist eine hohe Bindungsaffinit¨at zu Sialoglykokonjugaten des Darmepithels auf und kann mit den Enterozyten interagieren.

6.2 Bewertung des Vergleichs von TGEV mit