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2.5. Die Bedeutung des Wunderlandes

3.1.3. Parallelen mit dem Übersetzungsvorgang

Mit dem ernannten Medienwechsel ähnelt sehr der Übersetzungsvorgang schriftlicher Texte. Mit dieser Ähnlichkeit haben sich auch viele Theoretiker befasst. Bohnenkamp selbst z. B. bezeichnet, indem sie einen Begriff von Jacobson paraphrasiert, die Übertragung eines Werkes von einem Medium in ein anderes als „intermediale Übersetzung“. Auch Bazin hat längst auf diesen Vergleich hingewiesen. Denn so wie eine Übersetzung ihren ursprünglichen Text berechtigen muss, um ihn förmlich und inhaltlich in die andere Sprache wieder zu geben, dergleichen muss eine filmische Adaption den literarischen Ausgangstext ebenso berechtigen. Doch Bazin erklärt, dass dieses Ziel für den Vorgang des Übersetzens erreicht werden kann, wenn die Kenntnis der Sprache sehr gut ist.51 Mit dieser Aussage wird das Thema Werktreue erneut eingeleitet. Die „richtig verstandene Werktreue wäre also nicht Versklavung durch das Original, sondern mediale Transformation und Entsprechung der Vorlage.“52

Anhand ähnlicher umfassender Sprach-Theorien wurden auch Literaturverfilmungen analysiert. Dabei wurde vor allem auf die sogenannte „Tiefenstruktur“ des schriftlichen Textes Acht genommen. Filmische Adaptionen gelten insofern als Vermittlung konkreter

49 vgl. Albersmeier, Franz - Joseph (1988): Von der Literatur zum Film. In: Albersmeier, Franz Joseph/

Roloff , Volker (Hrgb.) (1988): Literaturverfilmungen, FaM: Suhrkamp, S. 17

50 vgl. ebd.:15

51 vgl. Bohnenkap, 2004: 23

52 Beicken, 2004: 174

25 literarischer Elemente („deskriptive[r], narrative[r] und argumentative[r]“)53 in einem anderen Medium. Das was bei diesem intermedialen Prozess betont wird, ist das Adjektiv

„neu“, also dass diese Umsetzung auf Erfrischung des Textinhaltes hinaus zielt.

Aber Übersetzung und Literaturverfilmung haben auch einen erheblichen Unterschied.

Denn Übersetzungen nehmen die Stelle eines Textes ein, der in der Zielsprache nicht existiert. Im Gegensatz dazu gilt eine filmische Adaption häufig als Ergänzung ihrer ursprünglichen Quelle. Davon abgesehen kann eine filmische Übertragung ein Werk zu diversen Altersgruppen, oder in anderen Ländern bekannt machen. Das gleiche kann auch anhand einer Übersetzung geschehen und anhand dieser Meinung werden nicht mehr die negativen Aspekte dieses Vorgangs (Verlust, Untreue), sondern die positiven thematisiert. Es wird nicht darauf gezielt ein Duplikat anhand einer wortwörtlichen Übersetzung zu erschaffen, sondern eine Weiterentwicklung des Ausgangstextes.

Differenzen, die dabei entstehen, werden schließlich als Erwerb und Bereicherung aufgefasst.54

Stam verbindet die Problematik der Werktreue mit unmessbaren bzw.

unwissenschaftlichen Faktoren, konkreter mit den individuellen Gefühlen von Laien.

Obwohl man anhand von Fortschritt der Technologie und neueren Theorien wie Intertextualität und Poststrukturalismus das veraltete Kriterium Werktreue abschaffen sollte, ist es trotzdem von Interesse inwiefern Thematik, Figurenkonstellation, narrative Elemente, oder Textgattung in einer filmischen Adaption beibehalten oder nicht werden.

Die Lesergefühle, die von einer „misslungenen“ Adaption verletzt werden, stehen im Zusammenhang mit folgenden Punkten. Einerseits wird der Kern eines beliebten Buches nicht aufrichtig umgewandelt. Andererseits sind manche Literaturverfilmungen besser als andere bzw. werden als bessere bezeichnet.

53 Bohnenkamp, 2004: 24

54 vgl. ebd.: 23f.

26 Außerdem entsteht die Endfassung eines Filmes nach Interpretation des Originaltextes.

Die fertigen Bilder, den Ablauf dieser, die Schauspieler und noch weitere Entscheidungen treffen die Regisseure, die gleichzeitig Leser des literarischen Textes sind, anhand ihres kritischen Urteilvermögens. Dabei entsteht die Frage an welchem Prätext eine Adaption sich orientiert. Denn in manchen Fällen schreibt ein Schriftsteller neben seinem Roman auch das Drehbuch dazu. Und im konkreten Beispiel ist die Wahl noch schwieriger, wenn beide Texte voneinander abweichen. Letztendlich aber werden immer filmische Adaptionen vehement unterbewertet. Dies geschieht wiederum nicht bei Theater-Inszenierungen, oder wenn ein (vorhandener) Text „neu“ geschrieben wird.

Wellers meint infolgedessen, dass es keine Logik gibt einen Roman zu adaptieren, wenn der Regisseur ihn nicht ergänzt oder verändert.55

Der Gegenstand Adaption bestimmt sich also nicht von selbst, sondern steht immer in Verbindung zu den Entscheidungen, die von Menschen getroffen werden, um einen literarischen Text für die Leinwand tauglich zu machen.

Es ist längst Fakt geworden, dass das immer wieder kehrende Argument über die

„Untreue“ eines Werkes in der Debatte um den Gegenstand Adaption altmodisch erscheint und einen negativen Beigeschmack hat.56 Aufgrund dessen sind neue und

„positive“ Analogien und Stichwörter bedingt, mit denen sinnvoller über die Transformation eines Werkes zwischen den Medien (Film und Text) gesprochen werden kann. Manche dieser Bezeichnungen heißen: „reading, rewriting, critique, translation, transmutation, metamorphosis, recreation“ u.a.57 Jeder dieser Begriffe kann nicht mit dem der Adaption und ferner Literaturverfilmung gleichgesetzt werden, trotzdem beschreibt jeder davon eine andere Funktion dieses umfassenden Feldes, wie längst die Metapher der Übersetzung bezeugt. Das Wort „reading“ z. B. impliziert die Menge von Lesarten

55vgl. Stam/ Raengo, 2005: 14f.

56 vgl. ebd.: 24

57 ebd.: 25

27 eines literarischen Textes durch seine Adaptionen, auf dieselbe Art wie auch ein Text ohne Adaption mehrfach interpretiert werden kann.58

Hans und Zimmer benutzen den Begriff Adäquanz an Stelle von Werktreue. Die Frage nach der Korrespondenz zwischen filmischer Adaption und Vorlage führt zur Überbewertung der zweiten. Die Suche nach dem Grad der Treue entspricht einer Denkart, in der beide Werke nicht äquivalent, sondern die Literaturverfilmung ein Duplikat des Textes ist. Ferner werden die medienspezifischen Bedingungen unter denen die jeweiligen Werke entstehen außer Acht gelassen. Eine Adaption muss dagegen als Interpretation empfunden werden. 59 Die Aufmerksamkeit soll folglich auf die positive Seite des Terminus gelenkt werden. Diesbezüglich ist die Metapher der Adaption als

„evolutionary process“ ebenfalls dienlich. Hiernach ist die Adaption mit „mutation“

gleichzustellen, anhand der letzeren die literarische Vorlage „survive[s]“.60