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Offene Fragen zur Konzeption der Endlager-Kommission

Im Dokument Fachlicher Abschlussbericht (Seite 62-67)

2.4 Ausführungen zur Öffentlichkeitsbeteiligung im Kommissionsbericht

2.4.6 Offene Fragen zur Konzeption der Endlager-Kommission

Öffentlichkeits-beteiligung im Rahmen der Standortsuche und -auswahl ergeben sich nach der deskriptiven Zusammenfassung der vorgesehenen Elemente mehrere kritische Punkte, die sich zunächst maßstäblich anhand folgender fünf Leitfragen aufspannen:

1) Wie stehen die vorgeschlagenen, erweiterten Beteiligungsmöglichkeiten zu der übergeordneten gesetzlichen Zielstellung, ein Standortsuchverfahren zügig und effektiv bis 2031 abzuschließen? Haben sich die Vorschläge der Kommission, beispielsweise die Regionen mit Nachprüfrechten ausstatten zu wollen, am gesetzlichen Zeitplan zur Auswahl eines Standortes orientiert?

Welche Rückwirkungen sind jeweils zu erwarten?

2) Wurde die übergeordnete gesellschaftliche Zielstellung, einen Sicher-heitsgewinn durch den Bau eines Endlagers in Deutschland zu erzielen, in den Maßnahmen zur stärkeren Öffentlichkeitsbeteiligung institutionell berück-sichtigt? Welche Rückwirkungen sind jeweils zu erwarten?

3) Sind die im Kommissionsbericht genannten ambitionierten Ziele zur Öffentlichkeitsbeteiligung durch die vorgeschlagenen Umsetzungsmaßnahmen adäquat abgebildet? Mit anderen Worten: Können die vorgeschlagenen Aktivitäten, Maßnahmen und Formate die intendierten Kommissionsziele bezüglich Öffentlichkeitsbeteiligung überhaupt leisten?

4) Wurden die real existierenden Erfahrungen aus Öffentlichkeits-beteiligung im Zusammenhang mit der Endlagerung radioaktiver Abfälle in Deutschland ausgewertet und inwiefern bildet sich eine (etwaige) Auswertung in den Empfehlungen der Kommission zur Öffentlichkeitsbeteiligung ab?

5) Setzt sich der Bericht damit auseinander, dass Beteiligung kein

„Selbstläufer“ ist, jedenfalls nicht, solange keine konkreten Betroffenheiten erkennbar sind?

Hierzu sollen jeweils die Kernelemente bzw. Formate zur Umsetzung der Öffentlichkeitsbeteiligung betrachtet werden, die im Abschlussbericht der

164 Siehe im Einzelnen Kommissionsbericht 2016, S. 409.

Endlager-Kommission ausgeführt werden:165

• Regionalkonferenzen (Vollversammlung und Vertretungskreis)

• Fachkonferenz Rat der Regionen

• Informationsplattform

• Fachkonferenz Teilgebiete

• Stellungnahmeverfahren/Erörterungstermine

• Nationales Begleitgremium166

Fragen, die alle Elemente und Maßnahmen gleichermaßen betreffen, zielen zum einen darauf, welche übergeordneten Prämissen für jedes Beteili-gungsformat leitend sein sollten, um das Gesamtziel stets zu gewährleisten. Im selben Zusammenhang ist zu fragen, wer den Mehrwert der Beteiligung hin-sichtlich des Gesamtziels überprüft und wie mögliche Sollbruchstellen zum Abbruch von Beteiligungsverfahren definiert werden. Zum anderen geht es um das Zusammenspiel von den formulierten, neuen Stellungnahmemöglichkeiten der Öffentlichkeit und den ohnehin gesetzlich vorgesehenen Beteiligungsmög-lichkeiten (z.B. SUP und UVP), um mögliche Doppelarbeit und daraus resultie-rende Missverständnisse auszuschließen bzw. um die Prozessabläufe zu opti-mieren. Auch muss geklärt werden, was passiert, wenn die Beteiligung nicht die erwartete Zahl von Akteuren und relevanten Gruppen umfasst. Und schließ-lich ist zu fragen, inwieweit es Ausstiegs- und Abbruchmögschließ-lichkeiten für einzel-ne Verfahrensschritte gibt, falls intendierte Ziele, nach wenigen Wochen sicht-bar, überhaupt nicht erreicht werden können?

Für die vorgeschlagenen Formate sind – jeweils in Frageform – folgende Aspekte kritisch zu betrachten:

Regionalkonferenzen

• Ist die Zahl der im Vertretungskreis zu berufenen Mitglieder der Aufgabenerfüllung adäquat?

• Wie wird der konstruktive Umgang mit den gewählten Gebietskörper-schaften sichergestellt?

• Wie wird der möglichen Eigendynamik, sich gegen die Bundesebene zu

„solidarisieren“, begegnet?

• Was kann und darf das BfE im Hinblick auf ein nicht unwahrscheinliches

„Autonomiestreben“ der Regionalkonferenzen tun, welche Maßnahmen kann und darf das BfE ergreifen, um Vertrauen zu den Regionalkonferen-zen aufzubauen und zu sichern?

• Wie kann der organisatorische Aufwand für Vollversammlung und Vertretungskreis sichergestellt werden? Wer kontrolliert die

165 Siehe im Einzelnen Kommissionsbericht 2016, S. 392-409.

166 Da für das Nationale Begleitgremium nicht das BfE zuständig ist, wird es hier nicht weiter betrachtet.

wendung durch die Regionalkonferenzen?

• Ist die Intensität der Fragestellungen und die daraus resultierende zeitliche Belastung für die Mitarbeit an den beiden Gremien ehrenamtlich zu leisten?

• Kann eine Gruppe von maximal 30 Personen (Vertretungskreis) zum einen arbeitsfähig sein, zum anderen die Region repräsentativ abbilden? Sind hier nicht Konflikte bei der Besetzung des Vertretungskreises vorpro-grammiert, insbesondere, wenn Vertreterinnen und Vertreter aus mehreren Kreisen und Gemeinden mitarbeiten wollen?

• Sind die Nachprüfrechte der Regionen hinreichende Motivation für die Prozessbereitschaft? Wie absehbar ist es, dass sie nur genutzt werden, um BfE und BGE zu weiteren Berichten zu „zwingen“ und zeitliche Verzögerun-gen zu „provozieren“?

• Ist die Aufgabenzuweisung, den gesamten Prozess durch die Regional-konferenzen u.a. auf „Richtigkeit“ zu prüfen, angemessen?

• Welche Schlussfolgerungen ergeben sich aus den Erfahrungen insbeson-dere in der Asse-II-Begleitgruppe für die Ausgestaltung und Rolle der Regionalkonferenzen?

Rat der Regionen

• Wodurch kann die Umsetzung des Gemeinwohlgedankens in diesem Gremium sichergestellt werden?

• Wie soll der Interessenausgleich in dem Gremium sichergestellt werden?

Derzeit wäre dieses Gremium eine Ansammlung von „Partikular-interessen“.

• Die Gefahr des Scheiterns bzw. des Suchens nach einem „gemeinsamen Feind“ (Bundesebene) liegt nach dem derzeitigen Bauplan nahe.

Informationsplattform

• Wie werden die Gremien und Beteiligungsinstitutionen des Prozesses mit ihren Texten und Materialien in eine vom BfE betreute

Informationsplattform eingebunden? Wie kann das datenschutz- und presserechtlich konform erfolgen?

• Welche redaktionellen Rechte an der Plattform werden beispielsweise den Regionalkonferenzen überhaupt zugestanden werden?

• Was meint der Kommissionsbericht mit Informationsbüros? Es gibt keine näheren Erläuterungen.

Fachkonferenz Teilgebiete

• Es ist unklar, welche Vertreterinnen und Vertreter der Teilgebiete ausge-wählt werden sollen und warum sie dreimal innerhalb von sechs Monaten tagen sollen.

• Welcher Mehrwert wird erwartet und ist erreichbar?

Zusätzliche Stellungnahmeverfahren und Erörterungstermine

• Welche Funktion haben diese zusätzlichen Stellungnahmeverfahren?

Bestehen überhaupt noch Informationsdefizite nach den vielen anderen eingerichteten Gremien und Formaten?

• Wäre dieses Element zeitlich, personell und inhaltlich (Erkenntnisgewinn?) gerechtfertigt? In welchem Verhältnis zu formellen Beteiligungsverfahren stünde es?

3 Die besondere Komplexität des Standortauswahlverfahrens

Die Analyse und Bewertung der einzelnen Rahmenbedingungen verdeut-licht in der Zusammenschau die besondere Komplexität des Standortauswahl-verfahrens für Deutschland; die Suche und Errichtung eines Endlagers für hochradioaktive Abfallstoffe ist einzigartig. Diese Komplexität und Einzigartig-keit zeigt sich in verschiedenen Dimensionen, die einzeln sowie in ihrem viel-fältigen Zusammenspiel die Parameter für die später abzuleitenden Anforde-rungen darstellen (I, Kapitel 4). Gleichzeitig liegen in dieser

Mehr-dimensionalität auch die möglichen Konfliktpotenziale bzw. Herausforderungen für die Ausgestaltung der Öffentlichkeitsbeteiligung im

Standortauswahlverfahren.

Die wissenschaftlich-technische Dimension: Zunächst ist die Endlagerung von hochradioaktivem Abfall mit besonderen Herausforderungen in wissen-schaftlich-technischer Hinsicht verknüpft: Die Suche nach dem am besten ge-eigneten Standort im Sinne des StandAG setzt die Kenntnis und das Verständ-nis von äußerst schwierigen naturwissenschaftlichen und geologischen Zusammenhängen voraus. Gleichzeitig müssen diese für die Akzeptanz des Auswahlverfahrens von der allgemeinen Öffentlichkeit nachvollzogen werden können, um insbesondere eine sachliche Diskussionsgrundlage zu haben.

Die verfahrensrechtliche Dimension: Der Umfang und die Abstufung des geplanten Beteiligungsverfahrens lässt eine einfache Übernahme des bis-herigen Verfahrensrechts zur Durchführung von Beteiligungsverfahren nicht zu. Die unterschiedlichen Verfahrensstufungen und Beteiligungsformate müssen auch in verfahrenstechnischer Hinsicht aufeinander abgestimmt und klar voneinander abgegrenzt werden, um zum einen eine effektive Beteiligung zu ermöglichen und zum anderen eine Lösung erzielen zu können.

Die zeitliche Dimension: Das geplante Beteiligungsverfahren wird hinsicht-lich der geplanten Dauer, also der zeithinsicht-lichen Dimension im Vergleich zu den bisher durchgeführten Beteiligungsverfahren beispiellos sein. Die damit auf-tretenden Schwierigkeiten und Herausforderungen finden sich in allen weiteren Dimensionen in unterschiedlicher Ausprägung wieder.

Die finanzielle Dimension: Die Endlagersuche sowie die Errichtung des Endlagers werden auch in finanzieller Hinsicht die bisherigen Infrastruktur-projekte in den Schatten stellen. Dies gilt ebenso für die Kosten der geplanten Öffentlichkeitsbeteiligung.

Die administrative Dimension: Die Komplexität im administrativen Bereich ergibt sich aus den gesetzlich angeordneten Pflichten des BfE in Verbindung mit der zeitlichen Dimension der Standortsuche. Es ist davon auszugehen, dass

die Unterrichtung der Öffentlichkeit aufgrund der wissenschaftlich anspruchs-vollen Materie und der besonderen gesellschaftspolitischen Dimension eine Vielzahl an zu behandelnden Themenkreise umfassen wird und dadurch um-fangreiche administrative Ressourcen binden wird; insbesondere die vor dem Hintergrund der zeitlichen Dimension erforderliche inhaltliche Aufarbeitung der zeitlich vorhergehenden Beteiligungsschritte wird neue administrativ zu bewältigende Herausforderungen mit sich bringen.

Die personelle Dimension: Die Endlagersuche wird von der Einbeziehung und Auseinandersetzung mit einer Vielzahl und sich über den Zeitraum bis zum Bau des Endlagers unterscheidenden Akteuren gekennzeichnet sein. Die Unge-wissheit über den Standort führt zu Beginn der Standortsuche zu einer in quan-titativer Hinsicht einzigartigen Umfang der zu beteiligen Öffentlichkeit. Auf-grund des langen Zeitraums bis zum Abschluss des Beteiligungsverfahrens ändern sich zudem die an der Endlagersuche beteiligten Akteure – sowohl bei den Entscheidungsträgern in Bundestag und der Verwaltung als auch in der allgemeinen Öffentlichkeit.

Im Dokument Fachlicher Abschlussbericht (Seite 62-67)