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Endlager Schachtanlage Asse II

Im Dokument Fachlicher Abschlussbericht (Seite 38-42)

2.2 Erfahrungen aus Öffentlichkeitsbeteiligungen im Zusammen- hang mit

2.2.3 Endlager Schachtanlage Asse II

Die Schachtanlage Asse II bei Wolfenbüttel fiel bis Ende 2008 in den Zu-ständigkeitsbereich des Bundesforschungsministeriums. Von 1967 bis 1978 wurden dort von der Gesellschaft für Strahlenforschung (GSF, heute Helmholtz Zentrum München) schwach- und mittelradioaktive Abfälle eingelagert. Von 1971 an wurde die Asse II faktisch nicht mehr als Versuchslager, sondern als Endlager genutzt, um hier den Großteil der schwach- und mittelradioaktiven Abfälle der Bundesrepublik Deutschland einzulagern. Die Einlagerung endete 1978, nachdem 1976 das Atomgesetz geändert worden war. Als Voraussetzung für die Endlagerung radioaktiver Abfälle war nun ein atomrechtliches Plan-feststellungsverfahren vorgeschrieben. Auf den Betrieb der Schachtanlage Asse II wurde jedoch weiterhin Bergrecht angewandt. Ein Stilllegungskonzept für die Zeit nach der Einlagerung gab es nicht.

Zum 1. Januar 2009 hat die Bundesregierung die Verantwortung für die Schachtanlage Asse II vom Bundesforschungsministerium auf das BMUB und das BfS als Betreiber übertragen. Die Asse unterliegt seitdem insgesamt den Regeln, die für Endlager für radioaktive Abfälle in Deutschland gelten. Seit 2013 besteht mit der „Lex Asse“ der gesetzliche Auftrag, die Schachtanlage Asse II unverzüglich und sicher stillzulegen. Die Stilllegung soll nach Rückholung der radioaktiven Abfälle erfolgen (§ 57b Abs. 2 AtG).

Der hohe Durchbauungsgrad und die Nähe der Abbaukammern zum Nebengebirge verursachen große Probleme in der Asse. Unter dem Druck des Deckgebirges, der auf das Grubengebäude einwirkt, werden die

81 BfS: http://www.endlager-morsleben.de/Morsleben/DE/morsleben/info-morsleben/info-morsleben [10.10.2016]; zur Informationspolitik siehe auch Fox 2014.

82 MULE: http://mule.sachsen-anhalt.de/themen/atomenergie-strahlenschutz/atomrecht/endlager-morsleben/planfeststellungsverfahren-zur-stilllegung-des-eram [10.10.2016].

83 BMUB: http://www.bmub.bund.de/themen/atomenergie-strahlenschutz/endlagerprojekte/endlager-morsleben [10.10.2016].

84 Fox 2014, S. 2.

kammern zusammengedrückt. Dadurch lockern sich das Salz- und Neben-gebirge auf. So sind Wegsamkeiten entstanden, durch die seit 1988 (derzeit salzgesättigtes) Grundwasser in das Bergwerk eindringen. Es sind aufwändige Stabilisierungsarbeiten als Voraussetzung für eine Rückholung der Abfälle erforderlich.85

Für Belastungen, die im Zusammenhang mit der Schachtanlage Asse II stehen, erhält die Region vom BMUB in den nächsten Jahren einen finanziellen Ausgleich. 2014 erhielt der vom Landkreis Wolfenbüttel gegründete „Zukunfts-fonds Asse gGmbH“ eine Million Euro, seit 2015 stehen jährlich drei Millionen Euro zur Verfügung.86

Auch hier informiert das BfS u.a. im Internet auf einer eigenen Seite87 sowie vor Ort in einer Infostelle88 über das Vorhaben und das konkrete Vorgehen im Einzelnen. Das niedersächsische Umweltministerium89 und das BMUB90 infor-mieren ebenfalls im Internet.

Die Bevölkerung in der betroffenen Region ist durch die Asse-II-Begleit-gruppe („a2b“) intensiv an dem Stilllegungs- und Rückholungsprozess

beteiligt.91 Die ehrenamtlich arbeitende Gruppe erhält vom BMUB Finanzmittel für ein Sekretariat und Öffentlichkeitsarbeit. Die Begleitgruppe besteht aus:

• Vertreterinnen und Vertretern des gewählten Kreistages,

• Bürgermeisterinnen und -meistern der Anrainerkommunen der Asse,

• Vertreterinnen und Vertretern der Umweltverbände sowie von Bürgerinitiativen.

Das BMUB finanziert auch eine unabhängige wissenschaftliche Unter-stützung der Asse-II-Begleitgruppe durch die Arbeitsgruppe Optionen – Rückholung (AGO). Auf diese Weise ist es möglich, im Diskurs zwischen staatlichen Stellen und der regionalen Interessenvertretung nach den besten Lösungen zu suchen.92 Die Begleitgruppe wird als „gebündelte Stimme der Region für den speziellen Prozess“ beschrieben.93

85 Siehe insgesamt zu Asse II: BMUB: http://www.bmub.bund.de/themen/atomenergie-strahlenschutz/endlagerprojekte/schachtanlage-asse-ii und BfS:

http://www.asse.bund.de/DE/2_Was Ist/_node.html [beides 10.10.2016].

86 BMUB: http://www.bmub.bund.de/presse/pressemitteilungen/pm/artikel/hendricks-macht-millionen-euro-fuer-die-region-asse-locker [10.10.2016].

87 Siehe: http://www.asse.bund.de/Asse/DE/home/home_node.html [10.10.2016].

88 BfS: http://www.asse.bund.de/Asse/DE/asse/info-asse/info-asse_node.html [10.10.2016].

89 NMU: http://www.umwelt.niedersachsen.de/themen/atomaufsicht/endlager/asse/stilllegung-der-schachtanlage-asse-ii-93833.html [10.10.2016].

90 BMUB: http://www.bmub.bund.de/themen/atomenergie-strahlenschutz/endlagerprojekte/schacht-konrad [10.10.2016].

91 Siehe: http://www.asse-2-begleitgruppe.de/begleitprozess.html [10.10.2016].

92 Siehe http://www.asse-2-begleitgruppe.de/begleitprozess.html [10.10.2016].

93 Dettmann 2014.

Gemäß § 5 ihrer selbstgegebenen Geschäftsordnung sind die Ziele der Asse-II-Begleitgruppe

• der bestmögliche nachhaltige Schutz von Mensch und Umwelt vor dem Asse-Atommüll.

• eine schnellstmögliche und größtmögliche Rückholung des Asse-Atommülls, sofern damit keine unvertretbaren Risiken verbunden sind,

• eine Schaffung von Transparenz zum gesamten Stilllegungsprozess,

• effektive Beteiligung und Information der Öffentlichkeit,

• Versachlichung der Diskussion und Vorbereitung einer sachgerechten Entscheidung.

Der Begleitgruppe kommen daher nach § 6 ihrer Geschäftsordnung die folgenden Aufgaben zu:

• das Stilllegungsverfahren der Schachtanlage Asse zu begleiten und die Frage der Zwischen- und Endlagerung des Asse-Atommülls kriterienge-leitet und verantwortungsvoll zu berücksichtigen,

• Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse aller beteiligten Behörden kritisch zu begleiten,

• die Bündelung der Interessen der Region auf der Basis der gemeinsamen Ziele,

• die Begleitung des Rückholungsprozesses,

• Einfordern und Überwachen eines selbstverpflichtenden Zeit- und Maß-nahmenplanes zur Rückholung.

Die Asse-II-Begleitgruppe tagt vier Mal im Jahr zusammen mit Vertrete-rinnen und Vertretern des BMUB, des BfS, der Asse GmbH, des

nieder-sächsischen Umweltministeriums sowie des Landesbergamtes Niedersachsen.

Die Asse-II-Begleitgruppe wird von einem in der Gruppe vertretenen Bürger als „eine Geschichte mit vielen Erfolgen aller Beteiligter“ gewertet.94 Während ursprünglich die Situation als „Betrug“ und „Information von oben“

erlebt wurde, wird die Situation seit dem Betreiberwechsel 2009 bis zum Ergeb-nis des Optionenvergleichs als eine der „intensiven Beratung und Information“

sowie „Offenheit“ beschrieben. Kennzeichnend sei eine „kritisch-konstruktive Kooperation mit der Begleitgruppe als „Scharnier“ zur Bevölkerung gewesen.

Die aktuelle Phase der Rückholungsplanung und -vorbereitung beschreibt er demgegenüber als „pro-forma-Beteiligung“ und den Staat als „Obrigkeit und Gegner“.95

Schlussfolgerung aus den Erfahrungen in der Asse-II-Begleitgruppe sei, dass ein Begleitgremium und seine Berater eine nicht-staatliche Trägerschaft

94 Fuder 2014.

95 Fuder 2014, S. 7. Eine ähnliche Bewertung dürfte dem Schreiben von Wiegel vom 8.2.2016 an die

„Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“, K-Drs. 221, zu entnehmen sein.

bräuchten, um unabhängig agieren zu können. Eine Abhängigkeit vom Minis-teriumverhindere „Augenhöhe“ und begünstige Trotzverhalten auf beiden Seiten. Ein Begleitprozess benötige zudem ein neues Selbstverständnis und eine neue Kultur in den Behörden. Die Arbeit im Begleitprozess müsse als Teil der „eigentlichen“ Arbeit, nicht als ein lästiger Zusatzaufwand verstanden werden.96

Ein anderes Mitglied der Begleitgruppe sieht als Zielsetzungen der Asse-II-Begleitgruppe u.a. ein „kritisches Gegengewicht zur Öffentlichkeitsarbeit des Betreibers“ sowie die „Möglichkeit fundierten Einspruchs“. Betont werden zu-dem die Notwendigkeit der Unterstützung durch alle gesellschaftlichen Kräfte, die Kontinuität in der personellen Besetzung sowie der Neutralität des Vorsitzes.

Ein Übergewicht der parteigebundenen politischen Vertreterinnen und Ver-treter könne wegen der Bindung an etwaige parteipolitische Vorgaben und Beschlüsse problematisch werden. In jedem Fall müssten die politischen Ver-treterinnen und Vertreter bereit sein, sich vertieft in die fachliche Materie einzuarbeiten.97

Die Vorsitzende des Asse-II-Begleitgruppe, die Landrätin des Landkreises Wolfenbüttel, betont die Notwendigkeit, die verschiedenen Prozesse klar und deutlich zu unterscheiden, und zwar sowohl in der praktischen Durchführung als auch in der Außendarstellung und Wahrnehmung:

• Einerseits das „klassische“ staatliche Verfahren, durchgeführt ent-sprechend den Grundsätzen der parlamentarisch-demokratischen Demokratie nach Recht und Gesetz, das allein von den entscheidenden und durchführenden staatlichen Stellen verantwortet werde;

• andererseits ein gemeinwohlorientierter politischer Begleitprozess mit der Zivilgesellschaft ohne inhaltliche Entscheidungsbefugnisse und ohne rechtliche Verantwortung, dessen Zweck grundsätzlich in der Verbesse-rung und AbsicheVerbesse-rung des staatlichen Verfahrens sowie der Schaffung einer rational begründeten Akzeptanz bestehe, die aus Beteiligung und Nachvollziehbarkeit staatlichen Handelns entstehe.

Komme es zu einer Vermischung dieser Prozesse, bestehe die Gefahr, dass von manchen Akteuren an den gemeinwohlorientierten politischen Begleit-prozess Erwartungen gestellt würden, welche dieser nicht erfüllen könne.98

Insgesamt sei der mentale Wechsel vom „Verhindern“ (einer radioaktiven Verseuchung der Umwelt) zum „Bewerkstelligen“ (der Rückholung) nicht so vollzogen, wie es für eine zielgerichtete Arbeit an der Hauptaufgabe, der Rückholung des Asse-Atommülls, erforderlich wäre. Je akuter das Thema des Zwischenlagers für den rückzuholenden Atommüll geworden sei, desto stärker

96 Fuder 2014, S. 9.

97 Dettmann 2014.

98 Steinbrügge 2015, Seite 2; siehe auch König 2013.

hätten sich die (überwiegend lokalen) Gegner eines Asse-nahen Zwischen-lagers und grundsätzlich kritische Akteure zusammengefunden und eine zunehmend dominierende Rolle eingenommen. Durch eine „Denkpause“ und schließlich eine Mediation sollte eine Lösung gefunden werden.99 Mittlerweile finden wieder Arbeitssitzungen der Begleitgruppe statt.

2.2.4 Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen der Erkundung von Gorleben

Im Dokument Fachlicher Abschlussbericht (Seite 38-42)