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Einstieg in die Atomenergienutzung, erster Atomausstieg,

Im Dokument Fachlicher Abschlussbericht (Seite 28-31)

2.1 Historischer und gesellschaftspolitischer Hintergrund der

2.1.1 Einstieg in die Atomenergienutzung, erster Atomausstieg,

Betrieb und Rückbau von Atomkraftwerken sind mit der Produktion großer Mengen radioaktiver Abfälle verbunden. 1957 ging der erste Forschungsreaktor in der Bundesrepublik Deutschland in München in Betrieb, 1959 wurde mit der Verabschiedung des Atomgesetzes die kommerzielle Nutzung der Atomenergie in der Bundesrepublik Deutschland zugelassen, ohne dass eine sichere Entsor-gung der radioaktiven Abfälle nach dem Stand von Wissenschaft und Technik gewährleistet oder auch nur absehbar gewesen wäre.34

Erst mit der Vierten Atomgesetznovelle von 197635 wurden erstmals eine Pflicht zur Beseitigung radioaktiver Abfälle sowie die

Planfeststellungs-bedürftigkeit von atomaren Endlagern in das Atomgesetz aufgenommen. In der

34 Vgl. Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren, v. 23.12. 1959, BGBl. I S. 814.

35 Vgl. Viertes Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes v. 4.9.1976, BGBl. I S. 2573.

DDR verlief die Entwicklung mehr oder weniger ähnlich.36

Die Nutzung der Atomenergie war in der Bundesrepublik Deutschland nahezu von Beginn an von großen Widerständen in der Gesellschaft und zunehmend auch in der Politik begleitet. Nach Konsensverhandlungen mit den vier Atomkraftwerksbetreibern RWE, VIAG, VEBA und EnBW beschloss der Deutsche Bundestag am 22. April 2002 mit dem „Gesetz zur geordneten Be-endigung der Kernenergienutzung zur gewerblichen Erzeugung von Elektri-zität“ den ersten Atomausstieg.37 Danach sollten die Betriebsgenehmigungen der Atomkraftwerke erlöschen, sobald jeweils eine Strommenge produziert gewesen wäre, die maximal einer Strommenge von 32 Betriebsjahren ent-sprach. Zusätzlich wurde ein auf zehn Jahre befristetes Erkundungsmoratorium für den Salzstock Gorleben vereinbart. Auf Grund von Übertragungen von Reststrommengen von neueren auf ältere Atomkraftwerke war bis 2010 tatsäch-lich kein Atomkraftwerk vom Netz gegangen.

Im Herbst 2010 machte der Deutsche Bundestag aufgrund geänderter politischer Mehrheitsverhältnisse den ersten Atomausstieg mit Verabschiedung der 11. Novelle des Atomgesetzes rückgängig.38 Die Laufzeit für alle 17 deut-schen Atomkraftwerke wurde um durchschnittlich zwölf Jahre verlängert. Die Anlage 3 zu § 7 Abs. 1a AtG wurde um eine Spalte mit entsprechenden zusätz-lichen Restrommengen für jedes einzelne Atomkraftwerk ergänzt. Zeitgleich mit der Elften Novelle passierte die Zwölfte Novelle des Atomgesetzes39 den Bundes-tag. Mit ihr wurden u. a. Vorschriften über ein neues Schutzniveau (§ 7d

„Weitere Vorsorge“) sowie über Enteignungen im Hinblick auf die Realisierung eines atomaren Endlagers (§§ 9d ff.) in das Atomgesetz (AtG) aufgenommen.

Als Konsequenz aus der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima im März 2011 verabschiedete der Deutsche Bundestag nur wenige Monate nach der Laufzeitverlängerung am 30. Juni 2011 die 13. Novelle des Atomgesetzes.40 Maßgeblich sind seitdem wieder die im Atomgesetz von 2002 in Anlage 3 zu § 7 Abs. 1a AtG festgeschriebenen Elektrizitätsmengen. Zusätzlich wurde mit der 13. Novelle für jedes Atomkraftwerk ein fixes Enddatum eingeführt, an dem die Berechtigung zum Leistungsbetrieb auch dann erlischt, wenn die zugestan-denen Elektrizitätsmengen noch nicht produziert worden sein sollten. Spätes-tens Ende 2022 gehen danach schließlich mit Isar 2, Emsland und Neckarwest-heim 2 die letzten Atomkraftwerke vom Netz (§ 7 Abs. 1a Nr. 6 AtG). Die sieben ältesten Reaktoren Biblis A und B, Neckarwestheim 1, Brunsbüttel, Isar 1, Unter-weser und Philippsburg 1 sowie das Atomkraftwerk Krümmel wurden bereits unmittelbar nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima stillgelegt.41 Mit dem

36 Siehe u.a. Klöpfer 1991, S. 126ff.

37 Vgl. BT-Drs. 14/7261; Gesetz zur geordneten Beendigung der Kernenergienutzung zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität vom 22. April 2002, BGBl. I, Nr. 26.

38 Elftes Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes vom 8. Dezember 2010, BGBl. I, S. 1814 ff.

39 12. Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes vom 8. Dezember 2010, BGBl. I, S. 1817 ff.

40 13. Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes vom 31. Juli 2011, BGBl. I, S. 1704 ff.

41 Ausführlich zur Historie siehe auch Ziehm 2012, S. 221ff.; Kommissionsbericht 2016, S. 66ff.

Standortauswahlgesetz von 2013 wurde zudem die bergmännische Erkundung des Salzstocks Gorleben beendet.

Festzuhalten bleibt: Nach jahrzehntelangem Betrieb der Atomkraftwerke sind große Mengen hoch radioaktiver Abfälle vorhanden. Sie werden gegen-wärtig über ganz Deutschland verteilt in oberirdischen zentralen und dezen-tralen Zwischenlagern aufbewahrt. Die noch aus der so genannten Wiederauf-arbeitung aus Frankreich und Großbritannien zurückzunehmenden radio-aktiven Abfälle sollen in drei der dezentralen Zwischenlager verbracht werden.

Durch den 2011 beschlossenen Atomausstieg lässt sich auch die Menge der insgesamt endzulagernden hoch radioaktiven Abfälle mehr oder weniger exakt bestimmen. Die erwarteten Mengen an radioaktiven Abfällen sind im Nationa-len Entsorgungsprogramm der Bundesregierung vom 12. August 2015 detailliert aufgeführt. Dabei handelt es sich um

• rund 10.500 Tonnen Schwermetall in Form von bestrahlten

Brennelementen aus dem Betrieb der Atomkraftwerke (diese Masse wird in rund 1100 Behältern aufbewahrt),

• rund 300 Behälter mit hoch- und mittelradioaktiven Abfällen aus der Wiederaufarbeitung bestrahlter Brennelemente im europäischen Ausland,

• rund 500 Behälter mit bestrahlten Brennelementen aus dem Betrieb von Forschungs-, Entwicklungs- und Demonstrationsreaktoren.

Zusätzlich werden rund 600.000 Kubikmeter schwach- und mittelradio-aktive Abfälle eingeplant.42

Die Lösung der Endlagerfrage, also das „Ob“ des Such- und Auswahl-verfahrens für einen Standort für insbesondere hochradioaktive Abfälle steht nicht zur Disposition: Zuletzt hatte die Ethikkommission der Bundesregierung in ihrem Bericht vom 30. Mai 2011 gefordert, dass die in Deutschland erzeugten radioaktiven Abfälle in Deutschland einer abschließenden Lagerung zugeführt werden müssen.43 Keine der heutzutage diskutierten Alternativen zur End-lagerung in einer langzeitsicheren, tiefen geologischen Formation bietet eine ähnliche große Sicherheit für die unabdingbare unbefristete Isolation hoch radioaktiver Abfälle von der Biosphäre. Das hat auch die „Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfälle“ erneut bekräftigt.44 In Frage steht also auch nicht die Lagerung in einer tiefen geologischen Formation.

Die Endlagerfrage ist infolge des zweiten Atomausstiegs auch nicht länger mit der Frage um die Richtigkeit oder Unvertretbarkeit der

Atomenergie-nutzung verbunden. Die Folgen der Auseinandersetzungen um die Nutzung die Atomenergie sowie um den Salzstock Gorleben wirken allerdings fort und

42 Vgl. Nationales Entsorgungsprogramm 2015; ein Verzeichnis radioaktiver Abfälle (Bestand 31.12.2014 und Prognose) ist online unter:

http://www.bmub.bund.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Nukleare_Sicherheit/verzeichnis_

radioaktiver_abfaelle_aug_bf.pdf [05.11.2016].

43 Siehe Bundesregierung 2011, S. 104 ff.

44 Siehe Kommissionsbericht 2016, S. 237ff.

beeinflussen zwangsläufig auch die Ausgestaltung der Öffentlichkeits-beteiligung nach dem Standortauswahlgesetz.

Im Dokument Fachlicher Abschlussbericht (Seite 28-31)