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Die neuroprotektive Rolle der sGC und ihre erhöhte Expression durch ALF-

7.1 Diskussion der Ergebnisse

7.1.4 Die neuroprotektive Rolle der sGC und ihre erhöhte Expression durch ALF-

Von Interesse war nun die Frage, ob es dem von ALF-186 freigesetzten Kohlenstoffmonoxid gelingt, neuroprotektive Eigenschaften über eine Aktivierung der löslichen Guanylatzyklase (sGC) zu vermitteln. Über eine irreversible Hemmung der sGC mit ODQ wurde eine Ge-genprobe der These, dass eine Aktivierung der sGC durch CO zu erhöhtem Zellschutz in RGZ führe, untersucht. In der Tat konnte dem Kohlenstoffmonoxid freisetzenden ALF-186 bei vorheriger Hemmung der sGC durch ODQ und I/R-Schaden der Retina keine ausrei-chend zellschützende Wirkung mehr nachgewiesen werden. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass eine Aktivierung der löslichen Guanylatzyklase durch das von ALF-186 freigesetzte CO zu erhöhtem Schutz von RGZ nach I/R-Schaden führen kann.

In einer von Vieira (2008) durchgeführten in vitro Studie wurden Kleinhirnkörnerzellen vor Apoptoseinduktion mit CO bedampft, was zu höherem Überleben der Zellen beitrug. Wurde die sGC zuvor jedoch mit ODQ gehemmt, vermochte CO keine protektiven Effekte auf die Zellkulturen mehr auszuüben. Bei diesen Untersuchungen wurden nach Hemmung der sGC nur noch erniedrigte Konzentrationen von cGMP gemessen. Laut Vieira führen erhöhte cGMP-Spiegel zu einer Öffnung von mitochondriellen K+-ATP-Kanälen, was zu einer Er-niedrigung des neuronalen Zelltodes aufgrund niedrigerer intrazellulärer K+ -Konzentratio-nen führt (Vieira et al., 2008).

Wie schon zuvor angesprochen, untersuchte Schallner (2013), ob eine Präkonditionierung mit ALF-186 über eine Aktivierung der sGC zu einer Hemmung der Apoptose in RGZ nach I/R-Schaden führt. Eine Hemmung der sGC mit ODQ bei in vitro Zellkulturen hob den durch eine Präkonditionierung mit ALF-186 hervorgerufenen neuroprotektiven Effekt auf SH-SY5Y-Zellen auf. Mithilfe eines cGMP-Aktivitätsassays wurden bei Vorbehandlung mit ALF-186 erhöhte Spiegel von cGMP in den Neuroblastomzellen gemessen, wobei dieser Effekt bei Inhibierung der sGC ausblieb. Auch durch die Aktivierung der sGC mit dem sGC-Induktor YC-1 konnte eine (ALF-186-unabhängige) erhöhte Hemmung der Apoptose ge-messen werden. Wurden die Neuroblastomzellen jedoch mit dem PKG-1-Inhibitor KT5823 vorbehandelt, so konnte ALF-186 keine zellschützenden Effekte mehr vermitteln. All diese Versuchsergebnisse bestätigen die Hypothese, dass ALF-186 in der Lage ist, über den sGC-cGMP-PKG-1-Signalweg protektive Effekte auf neuronale Zellen (in vitro) zu vermitteln.

In an in vitro Zellen durchgeführten Western Blot- und Echtzeit-PCR-Analysen konnte von

Schallner eine signifikant erhöhte Expression der β1-Untereinheit der sGC nach Vorbehand-lung mit ALF-186 (nicht jedoch mit iALF-186) und anschließender Apoptose-Induktion ge-messen werden.

Ebenfalls konnte von Schallner bei Versuchen an SD-Ratten nachgewiesen werden, dass eine vorherige Hemmung der sGC durch den Inhibitor NS-2028 den zuvor beobachteten antiapoptotischen Effekt von ALF-186 fast vollständig aufhebt. Durch an retinalen Zellen durchgeführten Echtzeit-PCR-Analysen konnten außerdem erniedrigte Expressionen der proapoptotischen Gene Caspase 3 und Bax gemessen werden (Schallner et al., 2013). Keine Erhöhung ergaben bei den in vivo Versuchen jedoch die Messungen der Genexpression der α1- und β1-Untereinheiten der sGC, worauf in der weiteren Diskussion noch eingegangen wird.

Die Bedeutung der Untereinheiten der sGC für den Schutz neuronaler Zellen wurde in einer Forschungsarbeit von Atochin (2010) explizit untersucht. Dabei wurde deren protektives Potential an sGC-α1-Knockout-Mäusen im Vergleich zu Wildtyp-Mäusen untersucht, wel-che, durch Ligation der linken A. carotica interna und Exzision der linken A. carotica ex-terna, einer einem ischämischen Schlaganfall gleichenden Schädigung des Gehirns unterzo-gen wurden. Eine Versuchsgruppe wurde einer Ischämie von einer Stunde, sowie einer Re-perfusionszeit von 23 Stunden ausgesetzt, wohingegen bei der zweiten Gruppe die Ischämie 24 Stunden lang andauerte (ohne Reperfusion). Über eine auf dem Schädel der Tiere ange-brachte Fiberglasoptik konnte durch Laser-Doppler-Flussmessung der kranielle Blutfluss (cranial blood flow, CBF) der Tiere gemessen werden. Nach Beendigung der Versuche wur-den die bestehenwur-den motorischen Fähigkeiten aller Mäuse mittels eines neurologischen Ver-haltenstests untersucht und bewertet. Außerdem wurde postmortal das Volumen des entstan-denen Infarktgebiets gemessen. Es ergab sich für beide Versuchsgruppen, dass bei den sGC-α1(-/-) Mäusen im Vergleich zum Wildtyp sowohl das Infarktvolumen größer, als auch das neurologische Outcome schlechter waren. Untersuchungen des CBF ergaben zwar keine Veränderungen während der Ischämiezeit, jedoch einen 45 %igen Abfall des CBF eine Stunde nach Einleitung der Reperfusion. Da bekannt ist, dass die inkomplette Reperfusion einen Hauptmechanismus größerer Infarktvolumen nach transienter Ischämie darstellt, ist es verständlich, dass das Infarktvolumen bei den Wildtypmäusen bei Einleitung einer vollstän-digen Reperfusion kleiner ist, als wenn die Ischämie für 24 Stunden aufrechterhalten wird.

An den sGC-α1(-/-) Mäusen jedoch zeigten sich, unabhängig von der Versuchsgruppe, gleich große Infarktvolumina, was die Autoren schlussfolgern ließ, dass die Erholung neuronalen Gewebes durch Reperfusion nach ischämischem Schaden essentiell von der Anwesenheit

und Aktivität der löslichen Guanylatzyklase abhängig sei, da diese zu einer Erhöhung des CBF und in der Folge zu kleineren Infarktgebieten und somit besserem neurologischen Out-come führe (Atochin et al., 2010).

Die im Rahmen dieser Forschungsarbeit mittels Western Blot gemessenen Proteinexpressi-onen der sGC-β1-Untereinheit nach Injektion von ALF-186 nach I/R-Schaden, sowie die darauf erniedrigte Apoptose in den RGZ, lassen ebenfalls den Schluss zu, dass die lösliche Guanylatzyklase über das von dem CORM im Gewebe freigesetzte Kohlenstoffmonoxid stärker exprimiert wird und in der Folge verstärkt protektive Wirkung auf die neuronalen Zellen zu vermitteln vermag. Auf diese Schussfolgerung hin deutet die nach Inhibition der sGC durch ODQ fast auf Basalniveau abgesunkene RGZ-Dichte trotz Injektion von ALF-186 - bei zuvor nachgewiesenem neuroprotektiven Effekt des CORMs. Dieser ausgebliebene neuroprotektive Effekt bei vorheriger sGC-Hemmung spricht klar für ein antiapoptotisch wirksames Potential der sGC, sowie dafür, dass dieser neuroprotektive Effekt zumindest teilweise über eine signifikante Erhöhung der Expression des löslichen Enzyms in vivo durch ALF-186 vermittelt wird. Dieses Ergebnis steht nicht in völliger Übereinstimmung mit den Ergebnissen von Schallner und Kollegen (2013), welche in vivo bei einer Präkondi-tionierung mit ALF-186 vor I/R-Schaden der Retina keine signifikant erhöhte Expression der sGC-Untereinheiten nachweisen. Dies mag jedoch an den in den Versuchsaufbauten un-terschiedlichen Applikationszeitpunkten - vor oder nach I/R-Schaden – liegen, was wiede-rum dafürspricht, dass speziell dem Zeitpunkt der Applikation von ALF-186 bei der Thera-pie des ischämischen Schadens hohe Bedeutung zukommt. Diesen Zusammenhang gilt es in zukünftiger Forschungsarbeit genauer zu untersuchen.

Auch konnte in der vorliegenden Arbeit eine nach ALF-186-Behandlung aufgetretene er-höhte Expression der sGC gemessen werden – auf welchem molekularen Signalweg diese jedoch zu einer Erniedrigung der Apoptose beiträgt, ist nicht abschließend geklärt. Auch unter Einbezug der jetzigen Forschungs- und Datenlage lässt sich nicht die eine dafür ver-antwortliche Signalkaskade festmachen. Es scheint eher der Fall zu sein, dass eine erhöhte Aktivität des sGC-cGMP-PKG-1-Signalweges über mehrere weiter darauffolgende Mole-kularwege und dadurch beeinflusste Reaktionen im Organismus zu einer Senkung der Apoptose in neuronalen Zellen führt. So stellt die über die sGC vermittelte Vasodilatation (Atochin et al., 2010) mit anschließender Erhöhung der Perfusion des neuronalen Gewebes speziell für den I/R-Schaden sicherlich eine sekundär neuroprotektiv wirkende Komponente von Neuronen dar. Die mit dem verminderten Schaden einhergehende niedrigere Inflamma-tion und Ödembildung mag dabei zwar nur sekundärer Genese sein, sich also nicht direkt

auf eine Wirkung des sGC-cGMP-PKG-1-Signalweges zurückführen lassen, doch sind diese beiden Effekte mit Sicherheit eine positive und anzustrebende Folge dessen. Ebenfalls wird die direkt hemmende Einwirkung der sGC und ihres Produktes cGMP auf die Apoptose von Neuronen, etwa durch Öffnung mitochondrieller K+-ATP-Kanäle, diskutiert (Vieira et al., 2008). Als bewiesen kann angesehen werden, dass die lösliche Guanylatzyklase durch das aus ALF-186 freigesetzte CO erhöht exprimiert wird, wodurch verstärkt protektive Wirkung auf neuronale Zellen entwickelt wird. Die spezifischen neuroprotektiven Wirkmechanismen von ALF-186 sind jedoch noch nicht abschließend geklärt, was die Aufgabe zukünftiger Forschungsarbeit sein muss.

Im Rahmen dieser Arbeit muss auch kritisch hinterfragt werden, ob die erhöht gemessene Expression der sGC-β1-Untereinheit auch wirklich zu einem qualitativ wirksamen Gesam-tenzym führt, da nicht untersucht wurde, ob ALF-186 ebenfalls zu einer Erhöhung der α1-Untereinheit der sGC führt. Eine Heterodimerisierung der α- und β-α1-Untereinheit ist jedoch zwingende Voraussetzung, damit die sGC in einen aktivierbaren Zustand übergehen kann (Seeger et al., 2014). Zwar sind zwei β-Untereinheiten dazu fähig, Homodimere miteinander zu bilden, doch zeigen diese kaum gesteigerte Aktivität (Zabel et al., 1999). Auch sind soli-täre β1-Untereinheiten ohne ihren α-Partner instabil (Mergia et al., 2006; Ma et al., 2010).

Da aufgrund der bisher beschriebenen Ergebnisse dennoch davon ausgegangen werden kann, dass ALF-186 über den sGC-Signalweg neuroprotektiv auf RGZ zu wirken vermag, kann unter Berücksichtigung der Datenlage über die Beschaffenheit der durch ALF-186 erhöht exprimierten sGC-Proteine nur spekuliert werden. So ist diesbezüglich eine (in dieser Arbeit nicht untersuchte) gleichzeitige Erhöhung der α-Untereinheit eine Erklärungsmöglichkeit, da diese sich mit den β-Anteilen zu voll funktionellen αβ-Heterodimeren zusammenschlie-ßen könnte. Eine andere Möglichkeit ist die Bildung eines ββ-Heterodimers, welches zwar nur von labiler Stabilität zeugt und nur niedrige basale Aktivität aufweist, durch CO-Ligan-denbindung jedoch ebenfalls erhöhte Aktivität aufweisen kann. Dies kann aufgrund der schon beschriebenen Sequenzidentität von α- und β-Untereinheit (Ma et al., 2010), sowie der in ihrer Komplexität noch nicht vollständig aufgeklärten Regulierung der unterschiedli-chen Domänen der sGC (Seeger et al., 2014; Campbell et al., 2014) der Fall sein. Dennoch ist die Frage, wie das sGC-Protein, welches durch ALF-186 erhöht exprimiert wird, struktu-rell exakt aufgebaut ist, sicherlich eine Frage, die an dieser Stelle nicht vollständig geklärt werden kann und in zukünftiger Forschungsarbeit abschließend geklärt werden muss.

7.1.5 ALF-186 verändert die Expression von Regulatorproteinen der Apoptose Hinsichtlich der nachgewiesenermaßen hemmenden Wirkung von ALF-186 auf die Apoptose stellt sich nun die Frage, ob ALF-186 dabei auch Auswirkungen auf die Amplifi-kation, also die Vermehrung von DNA-Abschnitten, von an der Apoptose beteiligten Regu-latorproteinen hat. Die Rolle der sGC ist in diesem Zusammenhang ebenfalls von Interesse.

Die proapoptotischen Bax und Bad, sowie das antiapoptotische Bcl-2, gehören zur Protein-familie der Bcl-Proteine (B-cell lymphoma - so benannt, da das Protein erstmals im B-Zell-Lymphom isoliert wurde) und zeigen deutliche strukturelle Ähnlichkeiten. Sie sind in ihren regulatorischen Funktionen den Caspasen vorgeschaltet und regulieren die Apoptose sowohl intrinsisch, über die Regulation der Freisetzung von Cytochrom C aus den Mitochondrien, als auch extrinsisch, über Rezeptoren der TNF-Familie (Chao & Korsmeyer, 1998;

Hengartner, 2000). Bax (Bcl-2 associated X protein) und Bad (Bcl-2 antagonist of cell death) können in vivo mit Bcl-2 heterodimerisieren und die antiapoptotische Wirkung von Bcl-2 antagonisieren (Oltvai et al., 1993; Chao & Korsmeyer, 1998). Die Mitglieder der Bcl-2-Familie regulieren somit zum einen sich selbst, interagieren mit vielen anderen an der Apoptose beteiligten Proteinen bzw. Rezeptoren und regulieren die Freisetzung apoptotisch wirksamer Substanzen (Hengartner, 2000).

Caspasen (cysteinyl-aspartate specific proteases) stellen eine wichtige Enzymgruppe der Cystinproteasen dar und sind essentieller Bestandteil der Apoptose. Ihre Haupteigenschaft liegt in der Fragmentierung der DNA, wodurch die Caspase 3, welche am Ende der apopto-tischen Signalkaskade steht, ebenfalls als ein bekannter Marker des apoptoapopto-tischen Zelltodes gilt (Hengartner, 2000).

Die Ergebnisse der qRT-PCR konnten den Nachweis erbringen, dass in den RGZ nach Gabe von ALF-186 proapoptotisch wirksame Proteine wie Bax oder Caspase 3 reduziert waren, wohingegen das antiapoptotische Bcl-2 amplifiziert wurde. Somit ist nachgewiesen, dass unter ALF-186-Gabe auf DNA-Ebene eine Verschiebung der Apoptose regulierenden Pro-teine stattfindet, welche in ihrer molekularbiologischen Konsequenz zu messbar geringerem Zelltod führen. Auch Bad zeigte eine Reduktion unter Gabe von ALF-186, jedoch unterhalb des Signifikanzniveaus.

Diese Erkenntnisse sind äquivalent mit den von Schallner (2012 & 2013) veröffentlichten Ergebnissen. So zeigten sich dort bei postkonditioneller CO-Inhalation erniedrigte Werte für Bax und Caspase 3, sowie eine Amplifikation von Bcl-2 in den PCR-Untersuchungen

(Schallner et al., 2012). Auch bei präkonditioneller Injektion von ALF-186 zeigten sich sig-nifikante Reduktionen von Bax und Caspase 3 (Schallner et al., 2013).

Von Interesse ist zudem die Frage, ob die durch ALF-186 vermittelten Änderungen der Re-gulatorproteine der Apoptose über die sGC getriggert werden. Bei Inhibition der sGC durch ODQ ließen sich für die beschriebenen Proteine meist nur leichte Veränderungen beobach-ten, welche im direkten Vergleich (ALF-186-Gabe mit oder ohne Hemmung), mit Ausnahme von Bcl-2 (Amplifikation signifikant verstärkt bei nicht-gehemmter sGC im Vergleich zur gehemmten sGC), keine signifikanten Veränderungen zeigten. So zeigten sich bei ALF-186-Gabe für Caspase 3 und Bax auch bei gehemmter sGC ähnlich niedrige Werte wie bei funk-tioneller sGC. Diese neu gewonnenen Ergebnisse lassen die Hypothese zu, dass eine funkti-onelle, sprich erhöht exprimierte sGC indirekt (etwa über Vasodilatation und weniger Ischä-mie) zur leichten Reduktion proapoptotischer bzw. zur Amplifikation antiapoptotischer DNA-Abschnitte führt. Diese Reaktion greift jedoch vermutlich nicht direkt in die moleku-larbiologische Steuerung der Apoptose über Regulatorproteine ein und ALF-186 vermittelt seine offensichtlich neuroprotektive Wirkung vermutlich hauptsächlich über andere Zielmo-leküle.