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ALF-186 wirkt auch bei Postkonditionierung neuroprotektiv

7.1 Diskussion der Ergebnisse

7.1.1 ALF-186 wirkt auch bei Postkonditionierung neuroprotektiv

Durch die morphometrische Bestimmung der RGZ-Dichten der Netzhautpräparate konnte in dieser Arbeit nachgewiesen werden, dass das Kohlenstoffmonoxid freisetzende Molekül ALF-186 in vivo bei postkonditioneller i.v.-Applikation nach I/R-Schaden der Retina neu-roprotektiv zu wirken vermag. So konnte in den mit ALF-186 behandelten Tieren eine um 28,1 % höhere RGZ-Dichte im Vergleich zu den mit PBS behandelten Kontrolltieren beo-bachtet werden.

In einer Arbeit von Schallner und Kollegen (2013), mit beinahe identischem Studiendesign, konnte durch Gabe von ALF-186 eine sogar noch höhere RGZ-Dichte von 38 % im Ver-gleich zur Kontrollgruppe gemessen werden. Im Unterschied zu dieser hier vorliegenden Arbeit wurde von Schallner untersucht, ob eine Präkonditionierung mit ALF-186, also eine Applikation vor einsetzender Ischämie, eine schützende Wirkung auf RGZ besitzt. Dafür wurde den Tieren 30 Minuten vor Beginn der Ischämie ALF-186 intravenös injiziert. Auch die Senkung der Expression des proapoptotischen Transkriptionsfaktors Bax sowie der Caspase 3 konnte bei Vorbehandlung mit ALF-186 gemessen werden. In derselben Arbeit wurden zudem zytoprotektive Effekte von ALF-186 auf in vitro Zellkulturen nachgewiesen.

Neuroblastomzellen (SH-SY5Y) wurden zu diesem Zwecke 30 Minuten vor Einleitung der Apoptose mit dem auf Mitochondrien toxisch wirkenden Rotenone mit ALF-186 zusammen inkubiert. Durch Anfärbung der Zellen mit Annexin V und Propidiumiodid, sowie anschlie-ßender durchflusszytometrischer Quantifizierung, konnte ein deutlicher Rückgang der An-nexin V positiven (und somit apoptotischen) Zellen nach Vorbehandlung mit ALF-186 ge-messen werden. Ebenso wurde bei den mit ALF-186 behandelten Zellen eine erniedrigte Aktivität der proapoptotischen Caspase 3, sowie eine Erhöhung des mitochondriellen Membranpotentials der Zellen gemessen, was ebenfalls für eine Erniedrigung der Apoptose in den SH-SY5Y-Zellen spricht (Schallner et al., 2013).

Legt man die Ergebnisse von Schallner mit den in dieser Arbeit gewonnenen Erkenntnissen zusammen, so lässt sich aussagen, dass das Kohlenstoffmonoxid freisetzende Molekül ALF-186, intravenös appliziert, sowohl bei Präkonditionierung (30 Minuten vor) als auch bei

Postkonditionierung (unmittelbar nach I/R-Schaden) neuroprotektive Wirkung auf retinale Ganglienzellen auszuüben vermag.

Auch in anderen Studienarbeiten der letzten Jahre wurde das neuroprotektive Potential von CORMs immer wieder untersucht. Dallas und Kollegen (2011) erforschten, ob das von Ru-thenium-basiertem CORM-2 freigesetzte CO ebenfalls neuroprotektives Potential besitzt.

Dafür wurden Zellkulturen hippocampaler Zellen (HEK293) mit CORM-2 inkubiert und nach Einleitung der Apoptose durch DTPP (2,2-Dithiopyridin) elektrophysiologisch mittels Patch-Clamp untersucht. Die Autoren kommen dabei zu dem Ergebnis, dass das aus CORM-2 frei gesetzte CO selektiv den spannungsabhängigen Kalium-Kanal KvCORM-2.1, welcher von hippocampalen Neuronen exprimiert wird, hemmt. Diese Hemmung führe in der Folge zu einer Verhinderung des K+-Anstiegs (Dallas et al., 2011).

Die Wirkung von freigesetztem CO aus dem ebenfalls durch einen Ruthenium-Komplex stabilisierten CORM-3 wurde in einer Arbeit von Yabluchanskiy (2012) in vitro und vivo erforscht. In einem Rattenmodell wurde dabei die Wirkung von CORM-3 auf die Entzün-dungsantwort und den Zellschaden nach hämorrhagischem Schlaganfall untersucht. Durch Injektion von Kollagenase IV in die Basalganglien der rechten Hemisphäre wurde eine int-razerebrale Hämorrhagie (ICH, intracerebral hemorrhage) ausgelöst. Den Tieren wurde zu verschiedenen Zeitpunkten vor oder nach der ICH das CORM-3 verabreicht, um den opti-malen Zeitpunkt einer Applikation des Stoffes zu evaluieren. Interessanterweise zeigten nur die Vorbehandlung (fünf Minuten) und die späte Nachbehandlung (drei Tage) mit CORM-3 positive Effekte auf die erhobenen Parameter des verursachten Schadens (Infarktgröße, Größe des Hirnödems, Verhalten der Tiere) und die nachfolgende inflammatorische Antwort (TNF-α, Neutrophilenzahl). Bei Applikation drei Stunden nach Einleitung der ICH zeigten sich hingegen Exazerbationen und deutlich schlechtere Werte als bei Vorbehandlung (fünf Minuten) und später Nachbehandlung (drei Tage), was die Autoren auf den vermutlich durch CORM-3 primär ausgelösten Effekt der Vasodilatation zurückführen. So sei eine durch Va-sodilatation herbeigeführte, stärkere Perfusion nicht zu einem Zeitpunkt hilfreich, an wel-chem ein hämorrhagischer Schaden noch stattfinde, so die Autoren. Dies vergrößere den Infarkt und führe nachfolgend zu erhöhter Entzündungsantwort und stärkerer Ödembildung.

Yabluchanskiy und Kollegen schlussfolgern, dass eine durch CORM-3 ausgelöste Vasodi-latation nur als Prophylaxe oder Nachbehandlung eines hämorrhagischen Insults hilfreich sei, in den ersten 24 Stunden des Ereignisses jedoch kontraproduktiv zu sein scheint (Yabluchanskiy et al., 2012).

Ungeachtet der zeitpunktabhängigen Komponente beim pathologischen Prozess des hämor-rhagischen Infarkts wurde auch in dieser Studie das antiapoptotische Potential von Kohlen-stoffmonoxid freisetzenden Molekülen nachgewiesen, was im Einklang mit den in der vor-liegenden Arbeit beschriebenen Ergebnissen mit ALF-186 steht. Jedoch muss auf konkrete Schwierigkeiten hinsichtlich der Vergleichbarkeit dieser Arbeit mit der Arbeit von Yabluchanskiy verwiesen werden, was den Pathomechanismus der Nervenzellschädigung anbelangt (Ischämie vs. Hämorrhagie).

Hinsichtlich eines möglichen zukünftigen Einsatzes von CORMs im klinischen Rahmen ist es natürlich von Interesse, noch mehr über das pharmakologische Profil von Kohlenstoff-monoxid freisetzenden Molekülen in Erfahrung zu bringen. Die Wirkung von CORM-3 bei Yabluchanskiy war zwar abhängig vom Zeitpunkt der Applikation, zeigte jedoch bei Verän-derung der applizierten Dosis (4 oder 8 mg/kg KG) keine veränderte Wirkung. Dabei gilt es zu bedenken, dass die von CORMs im Gewebe freigesetzten Mengen an CO relativ gering sind. Möglicherweise scheinen die auf CO ansprechenden Systeme schon bei niedriger Do-sierung gesättigt zu sein und ihre volle Wirkung zu entfalten, was hinsichtlich der geringen benötigten Dosen für eine hohe therapeutische Breite der Stoffe sprechen mag. Dies ist ge-rade hinsichtlich der bekannten toxischen Wirkung von CO und der damit einhergehenden Angst vor tödlichen Kohlenmonoxid-Intoxikationen von Interesse.

Die den SD-Ratten in dieser Arbeit verabreichten Konzentrationen von ALF-186 konnten, wie in der Methodik erwähnt, nur näherungsweise bestimmt werden, da aus Gründen der Durchführbarkeit keine exakten, auf das Körpergewicht der Tiere angepassten Dosen verab-reicht werden konnten. Dem Ziel, jedem Tier 10 mg/kg KG ALF-186 intravenös zu appli-zieren, wurde sich dergestalt genähert, dass jedem Tier 3,33 mg ALF-186 gelöst in 330 μl PBS injiziert wurde. Diesem Vorgehen liegt die Annahme zugrunde, dass SD-Ratten ein durchschnittliches Gewicht von 300 g besitzen. Diese Ungenauigkeit in der Dosierung ist sicherlich ein berechtigter Kritikpunkt an dieser Arbeit, da selbstverständlich nicht jede in dieser Arbeit untersuchte SD-Ratte exakt 300 g wog. Bedenkt man aber die von Yabluchanskiy beschriebene dosisunabhängige Wirkung des dem ALF-186 strukturell ähn-lichen CORM-3, so lassen sich die Auswirkungen dieser Ungenauigkeit in der Dosierung etwas relativieren. Es ist jedoch sicherlich die Aufgabe zukünftiger Forschung, die optimale Dosierung und therapeutische Breite von ALF-186 exakt zu evaluieren.

Auch ist hinsichtlich toxischer Nebenwirkungen von CORMs bislang nur wenig Forschung betrieben worden und die jetzige Datenlage widerspricht sich teilweise zudem. Vor allem

die den CORMs strukturell zugrundeliegenden Metallkomplexe stehen im Verdacht, zyto-toxische Eigenschaften zu entfalten. So besteht die Hypothese, dass das Ruthenium, welches die Basis von CORM-2 und CORM-3 bildet und welches darüber hinaus Bestandteil be-stimmter Zytostatika ist, giftige Eigenschaften besitzt (Winburn et al., 2012). Auch Yabluchanskiy testete CORM-3 auf eine eventuelle zelltoxische Wirkung. Beide Studien bedienten sich eines LDH-Aktivitätsassays als Messinstrument der toxischen Wirkung der CORMs. Außerdem wurde das Gesamtüberleben der Zellen untersucht. Beide Studien kom-men zu dem Ergebnis, dass die untersuchten CORMs in niedriger Dosierung (bis 100 μM) keinerlei Zytotoxizität entfalten (Winburn et al., 2012; Yabluchanskiy et al., 2012). Winburn konnte jedoch nachweisen, dass vor allem CORM-2 bei hoher Dosierung (400 μM) zu Zell-tod und erniedrigter Aktivität der Laktatdehydrogenase (LDH) führt (Winburn et al., 2012).

Für ALF-186 im Speziellen liegt noch kein Protokoll vor, welches dessen Toxizität oder Nebenwirkungsprofil beschreibt. Allerdings sind für Molybdän, welches die Basis des ALF-186-Moleküls bildet, im Gegensatz zu vielen anderen Schwermetallen, nur wenige toxische Eigenschaften bekannt, wobei vor allem akute Molybdän-Vergiftungen unwahrscheinlich sind, da es dazu erst bei exorbitant hohen Mengen kommt. Selbst im Arbeitsumfeld von Molybdänbergbau und -herstellung, wo hohe Expositionskonzentrationen gegeben sind, gibt es bisher keinerlei Hinweise auf Erkrankungen aufgrund einer entsprechenden Exposition.

Auch wenn das zusammen mit ALF-186 in den Körper getragene Molybdän nur in sehr geringen Konzentrationen vorliegt, sind hinsichtlich der Nebenwirkungen von ALF-186 in Zukunft weitere Forschungsarbeiten nötig, vor allem bevor es für einen Einsatz im klini-schen Rahmen in Betracht gezogen werden kann.

7.1.2 Eine neuroprotektive Wirkung von ALF-186 ist auch nach Gabe mit