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4.4.1 Netzhaut

Die innerste Wandschicht des menschlichen Auges wird durch die Netzhaut oder Retina (lat.

rete = Netz) gebildet. Mit einer durchschnittlichen Dicke von 200 μm bildet sie den licht-wahrnehmenden Teil des Auges, wobei in ihren Zellen die Umwandlung eines optischen Signals (Licht) in ein neuronales Signal (elektrischer Impuls) stattfindet. Die Aufgabe der retinalen Zellen beschränkt sich jedoch nicht auf die alleinige Weiterleitung optischer Sig-nale an höhere visuelle Zentren des Gehirns, sondern beinhaltet auch schon deren Vorverar-beitung.

Die inneren zwei Drittel der Netzhaut (Ganglienzellen bis äußere plexiforme Schicht) wer-den von Netzhautarterien aus der A. centralis retinae mit Blut versorgt, wohingegen das in-nere Netzhautdrittel (Pigmentepithel und Photorezeptoren bis äußere plexiforme Schicht) durch Diffusion aus dem venösen Plexus der Aderhaut des Auges versorgt wird.

Funktionell kann die Netzhaut in zwei Teile eingeteilt werden: die Pars optica (welche aus neuronalen Zellen besteht) und die Pars caeca (welche ausschließlich aus Pigmentepithel besteht). In dieser Arbeit bezeichnet der Begriff Retina oder Netzhaut, wenn nicht anders vermerkt, ausschließlich den neuronalen Anteil der Netzhaut. Histologisch besteht die Pars optica aus neun Zellschichten (Lüllmann-Rauch, 2012, s. Abbildung 1).

Abbildung 1: Histologischer und schematischer Aufbau der Retina

LINKS: Histologischer Querschnitt durch die Retina (Quelle: http://webvision.med.utah.edu/)

gelber Pfeil: Weg des Lichts durch die Retina / roter Pfeil: Weg der neuronalen Signaltransduktion durch die Retina

RECHTS: Schematische Zeichnung der Retina mit Verschaltungsmuster der einzelnen Zelltypen (frei nach M.

Trepel – Neuroanatomie, 4. Auflage 2008, S. 346)

Auf das Pigmentepithel der Pars caeca (nur in der Schemazeichnung angedeutet) folgen die Photorezeptoren (Stratum segmentorum), bestehend aus farbwahrnehmenden Zapfen und hell-dunkel-wahrnehmenden Stäbchen. Während die Stäbchen (ca. 120 Mio. pro Netzhaut) ausschließlich in der Peripherie der Netzhaut vorkommen, befinden sich die Zapfen (ca. 6 Mio. pro Netzhaut) v.a. in der Fovea centralis. Bei Photorezeptoren handelt es sich im Ge-gensatz zu Sinneszellen in Haut, Innenohr oder Zunge um sogenannte primäre Sinneszellen, was bedeutet, dass sie funktionell das erste Neuron der Sehbahn bilden. Auf die Photorezep-toren folgt die äußere Grenzschicht (Stratum limitans externum), welche aufgrund der dort gelegenen Fortsätze retinaler Gliazellen auch als äußere Gliagrenzmembran bezeichnet wird.

Die äußere Körnerschicht (Stratum nucleare externum) beherbergt die Perikaryen der Pho-torezeptoren. In der äußeren plexiformen Schicht (Stratum plexiforme externum) liegen die nach innen gerichteten Axone der Photorezeptoren, sowie die Dendriten der Bipolarzellen.

In dieser Schicht findet die synaptische Übertragung (Transmitter: Glutamat) der visuellen

Impulse vom ersten Neuron auf das zweite Neuron der Sehbahn statt. Die innere Körner-schicht (Stratum nucleare internum) enthält nicht nur die Perikaryen der Bipolarzellen, son-dern auch gliale Müller-Zellen und die inhibitorisch wirkenden Horizontalzellen und ama-krinen Zellen. Durch hemmenden Einfluss dieser Interneurone (Transmitter: GABA und Glycin) sind diese an der intraretinalen Integration visueller Impulse beteiligt. Diese bereits erwähnte Vorverarbeitung des optischen Impulses auf Netzhautebene dient der Kontrastver-stärkung. Während die Horizontalzellen in der äußeren plexiformen Schicht an den Synap-sen wirken, bilden die amakrinen Zellen vornehmlich in der inneren plexiformen Schicht (Stratum plexiforme internum) hemmende Synapsen aus. Diese Schicht besteht außerdem vorrangig aus den Axonen der Bipolarzellen und den Dendriten der multipolaren Ganglien-zellen. In dieser Schicht findet somit die synaptische Übertragung (Transmitter: Glutamat) der visuellen Impulse vom zweiten auf das dritte Sehbahnneuron statt. Die Perikaryen der glutamatergen retinalen Ganglienzellen liegen in der Ganglienzellschicht (GZS, Stratum ganglionicum), deren, im Bereich der Netzhaut noch marklose Axone, die Nervenfaser-schicht (Stratum neurofibrarum) bilden, welche zudem die großen Blutgefäße der Netzhaut enthält. Die Axone ziehen gemeinsam zur Sehnervenpapille (Papilla nervi optici), wo sie sich zum II. Hirnnerven, dem Sehnerven (Nervus opticus), bündeln. Die letzte Schicht der Netzhaut bildet die innere Grenzschicht (Stratum limitans internum oder innere Gliagrenz-membran), welche die Retina vom Glaskörper abschließt. Sie besteht aus langen Fortsätzen der glialen Müller-Zellen.

4.4.2 Sehbahn – afferentes System zur Sehrinde

Die Netzhaut des menschlichen Auges bildet wie angesprochen den lichtwahrnehmenden Anteil des zentralen Nervensystems (ZNS). Die Bereiche an welchen das Sehen, also die Wahrnehmung der empfangenen Lichtreize, stattfindet, liegen jedoch im Okzipitallappen des Großhirns. Den Weg von der Wahrnehmung eines Lichtreizes an der Retina, bis hin zum letztendlichen Sehen dieses Reizes im Okzipitallappen, bildet die sogenannte Sehbahn, wel-che im Folgenden skizziert werden soll.

Abbildung 2: Die menschliche Sehbahn im Schema (Quelle: Grieshaber, 2010)

H: Hypothalamus, AP: Area pretectalis, CS: Colliculi superiores, CGL: Corpus geniculatum laterale

Der Sehnerv beginnt mit dem Austritt der Axone aus der Sehnervenpapille und tritt aus der Orbita durch den Canalis opticus in die Schädelhöhle ein. Über der Hypophyse vereinigt er sich mit Anteilen des gegenüberliegenden Sehnervs zum Chiasma opticum, wobei im Chiasma alle Fasern der medialen Netzhauthälfte, welche folglich das laterale Gesichtsfeld darstellen, zur Gegenseite kreuzen (s. Abbildung 2). Im sich an das Chiasma opticum an-schließenden Tractus opticus verlaufen nun jeweils die Fasern der ipsilateralen temporalen und der kontralateralen nasalen Netzhauthälften, welche das entsprechende entgegenge-setzte Gesichtsfeld repräsentieren. Im Corpus geniculatum laterale (CGL) des Thalamus en-den die Fasern des Tractus opticus und weren-den dort auf das 4. Neuron der Sehbahn umge-schaltet. Zuvor gibt der Tractus opticus noch Kollateralen an Hypothalamus, Area pretectalis und zum Tectum des Mittelhirnes ab, was erklärt, warum auch bei Zerstörung des CGL oder der nachgeschalteten Sehbahn bestimmte optische Reflexe erhalten bleiben. Vom CGL aus-gehend läuft die Sehbahn über die weit gestreute Gratiolet-Sehstrahlung (Radiatio optica)

weiter zur Sehrinde im Okzipitallappen. Die Sehstrahlung verläuft entlang der medialen und lateralen Wände des Hinter- und Unterhorns der Seitenventrikel im Temporallappen.

Von den Zellen der Retina bis zur Großhirnrinde am Okzipitalpol lassen sich die Sehbahn-fasern in ein magnozelluläres und ein parvozelluläres System einteilen (siehe Kapitel 1.4.3).

Beide Systeme unterscheiden sich funktionell dahingehend, dass das magnozelluläre System vor allem der Bewegungswahrnehmung und der nicht-farbwahrnehmenden groben Objekt-wahrnehmung dient, wohingegen hochauflösendes Sehen und FarbObjekt-wahrnehmung Aufgabe des parvozellulären Systems ist. Die beiden Systeme verlaufen in ihren Strängen von der Retina bis zum Kortex weitgehend getrennt von- und dennoch parallel nebeneinander. Bis zum Kortex ist dieser Verlauf vor allem retinotopisch, also nach der Lokalisation des Impul-ses auf der Retina, geordnet. Die topische Trennung beider funktioneller Systeme findet erst im Kortex statt. Die Efferenzen der Sehstrahlung aus dem CGL verlaufen zur primären Sehrinde (Area striata, Area 17 nach Brodmann) und enden dort retinotopisch gegliedert.

Somit kann, zumindest theoretisch, jedem Bereich der Retina ein bestimmtes Areal im visu-ellen Kortex zugeordnet werden. Die Fovea centralis, als Ort des schärfsten Sehens, nimmt dabei schon ca. 80 % der gesamten primären Sehrinde ein. Die Area 17 ist der zerebrale Ort, an welchem nun erstmals die visuellen Impulse aus der Netzhaut „bewusst werden“. Integ-rative Verarbeitung bzw. erkennendes Zuordnen des nun „Gesehenen“ finden erst in der se-kundären Sehrinde (Areae 18 und 19) statt, wohin die Efferenzen der primären Sehrinde verlaufen. Die Areae 18 und 19 umranden die primäre Sehrinde am Okzipitalpol, von wo aus ihre Efferenzen, entsprechend ihrer Aufgabe als Zuordnungsorgane des visuellen Inputs, mit zahlreichen kortikalen Arealen verknüpft sind, welche die erhaltenen Informationen ver-arbeiten und entsprechende „Maßnahmen“ zur Integration und Weiterverarbeitung einleiten.

4.4.3 Retinale Ganglienzellen (RGZ)

Da die RGZ die untersuchten Zellen dieser Arbeit darstellen, sollen deren Klassifikation, Eigenschaften und Besonderheiten im folgenden Abschnitt genauer erläutert werden. Wie schon angesprochen liegen die Perikaryen der RGZ in der Ganglienzellschicht (GZS, Stra-tum ganglionicum) der Netzhaut neben amakrinen Zellen, Astrozyten, Endothelzellen und Perizyten. Ihre Dendriten verzweigen sich in feinen, genau definierten Schichten in der in-neren plexiformen Schicht und ihre Axone enden in der magno- oder parvozellulären Schicht des Nucleus geniculatum laterale (NGL) im gleichnamigen Corpus des Thalamus. In der menschlichen Retina befinden sich ca. 1,2 Mio. RGZ, wobei jedoch große Variabilität

herrscht. Ca. 69 % der RGZ befinden sich in ihrer Lage in direkter Nachbarschaft zur Fovea centralis, wo sie für etwa 30° des zentralen Gesichtsfeldes sorgen.

RGZ lassen sich in ihrem in ihrem zellulären Aufbau, sowie in ihrem ausdifferenzierten physiologischen Verschaltungsmuster in verschiedene Subtypen unterteilen. Hierbei sei je-doch auf die entsprechende Fachliteratur verwiesen.

Abschließend bleibt zu erwähnen, dass vor allem das Verständnis wichtig ist, dass visuelle Wahrnehmung nicht nur die Aufnahme und Weiterleitung optischer Reize durch die Pho-torezeptoren, sondern mit all ihren Facetten (Kontrast, farbliche Zusammensetzung, Objekt-form und Bewegung) eine integrative Leistung des retinalen/zentralen Neuronensystems als Ganzes ist.