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4.5 Physiologische und molekularbiologische Grundlagen

4.5.1 Kohlenstoffmonoxid (CO)

Kohlenstoffmonoxid beschreibt die chemische Verbindung von Sauerstoff und Kohlenstoff mit der Summenformel CO, welche unter anderem bei der unvollständigen Verbrennung organischer Materie entsteht. Es ist ein farb-, geruch-, sowie geschmackloses Gas mit einem Schmelzpunkt von -205,0 °C und einem Siedepunkt von -191,5 °C und seine Reaktivität steigt bei erhöhter Temperatur (GESTIS-Stoffdatenbank des IFA).

Exogene Entstehung und Toxizität

CO entsteht auf natürlichem Wege bei der Verbrennung kohlenstoffhaltiger Stoffe. Somit ist eine CO-Vergiftung häufig Bestandteil einer Rauchvergiftung. Da CO ein relativ schwach wasserlösliches Gas darstellt, gelangt es per inhalationem leicht in die Alveolen, von wo es dann rasch ins Blut gelangt. Da CO eine bis zu 210-fach höhere Affinität für Hämoglobin (Hb) (Ganong, 1995) als Sauerstoff (O2) besitzt, besetzt es leichter als dieses die Fe2+ -Bin-dungsstelle am Häm, wodurch der O2-Transport ins Blut unterbrochen wird (Schmidt, 2010).

Ebenso sorgt CO für einen Übergang des Hämoglobins in die R-Struktur und somit für eine Linksverschiebung der O2-Bindungskurve. Dies wiederum reduziert die Sauerstofffreiset-zung im Gewebe, was die O2-Partialdrücke in den Gewebskapillaren noch weiter senkt (Schmidt, 2010; Blumenthal, 2001). Während physiologischerweise 1 % des Gesamt-Hbs als Carboxy-Hb (CO-Hb) vorliegt, kann sich bei chronischer oder akuter Exposition dessen

Anteil stark erhöhen. Während bei langjährigen Rauchern der Anteil des Carboxy-Hbs am Gesamt-Hb durch die Entstehung von CO bei der (unvollständigen) Verbrennung zwischen 5-15 % schwanken kann, was per se schon gesundheitsschädlich ist, entstehen bei der akuten CO-Vergiftung schnell CO-Hb-Anteile von > 40 %, was als lebensbedrohliche Intoxikation einzustufen ist (Schmidt, 2010). Die Symptome einer Intoxikation mit Kohlenstoffmonoxid sind vielfältig und vor allem abhängig von Dauer und Konzentration der CO-Exposition (Romão et al., 2012) (s. Abbildung 3).

Abbildung 3: Symptome einer steigenden CO-Hb-Konzentration im Blut (modifiziert nach Romão et al., 2012)

Während die auffallend rosige Hautfarbe von CO-Vergifteten, hervorgerufen durch die hell-rote Farbe des Carboxy-Hbs, ein sehr spezifisches Phänomen der CO-Intoxikation darstellt, scheinen die weiteren zu beobachtenden Leiden von eher allgemeinerer Symptomatik zu sein: So zeigen sich bei CO-Intoxikierten initial häufig Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen oder Schwächegefühl. Durch die steigende Hypoxämie offenbart sich dann im Verlauf eine Laktatazidose (Blumenthal, 2001). Da die Bindungsaffinität von CO für Myoglobin sogar noch höher als für Hämoglobin ist, führt die steigende Bindung von CO ans Myoglobin zu verminderter Herzleistung, Hypotension und Arrhythmien (Raub et al., 2000). Kausale The-rapiemöglichkeiten einer CO-Vergiftung sind die Beatmung mit reinem Sauerstoff (100 %) oder die hyperbare Sauerstofftherapie (Weaver, 2014).

Endogene Entstehung und Bedeutung von CO

Die Hypothese, dass CO nicht nur exogen aufgenommen werden kann, sondern auch von Organismen selbst, also endogen, produziert wird, wurde schon vor über einem Jahrhundert aufgestellt, jedoch erst Mitte des letzten Jahrhunderts explizit untersucht (Coburn et al., 1963; Sjostrand, 1970). Das Enzym, welches heute für die endogene Produktion von CO als verantwortlich gilt, wurde jedoch erst 1968 von Tenhunen (Tenhunen et al. 1968 & 1969) beschrieben. In dieser Arbeit wurde auch die bis heute geltende Lehrmeinung aufgestellt, dass CO beim Abbau von Häm durch das Enzym Hämoxygenase (HO) zusammen mit Bi-liverdin und Fe2+ anfällt. Ebenso wurde postuliert, dass die Hämoxygenase bei dieser Reak-tion abhängig von NADPH (Nicotinsäureamid-Adenin-Dinukleotid-Phosphat) und Sauer-stoff arbeitet. Seit der Entdeckung und Benennung der Hämoxygenase hat die Forschung über dieses Enzym und seine Stoffwechselprodukte, u.a. CO, stark zugenommen. Gerade über das bis dato vorrangig für seine giftigen Eigenschaften bekannte Gas CO wurden im Laufe der Jahre immer mehr Daten veröffentlicht, welche dessen vielfältiges therapeutisches Potential beschreiben (Motterlini & Otterbein, 2010). So wurde in etlichen Veröffentlichun-gen die neurologische und vaskuläre Bedeutung von endoVeröffentlichun-genem CO für das Erinnerungs-vermögen (Zhuo et al., 1993), den zirkadianen Rhythmus (Boehning & Snyder, 2002) oder die hämodynamische Regulation (Kobayashi et al., 2007) beschrieben. Als letztendlich be-weisend für den zytoprotektiven Einfluss von CO und seinem Zusammenspiel mit der HO gelten vor allem Beobachtungen über Organismen, in welchen ein Defekt des Isoenzyms HO-1 beobachtet wurde. So etwa in einem Fallbericht eines 6-jährigen Patienten mit nach-gewiesener HO-1-Defizienz (Yachie et al., 1999), welcher unter anderem an schwerer Wachstumsretardierung, persistierender hämolytischer Anämie und schweren Endothel-schäden bei abnormaler Koagulation und Fibrinolyse litt und in der Folge auch an seiner Erkrankung verstarb.

In einer Veröffentlichung von Poss & Tonegawa (1997), welche mit Knockout-Mäusen ohne funktionelle HO-1 (Hmox1-/-) arbeiteten, wurde die universelle Bedeutung des Enzyms er-neut nachgewiesen. So starben die Hmox1-/- Mäuse schon als Embryonen deutlich häufiger (> 95 %) als die gesunden Kontrolltiere. Auch lebende, erwachsene Mäuse mit einer nicht physiologisch ausgebildeten HO-1 starben signifikant früher, wobei sich vor allem Endorg-anschäden in der Leber (Lebernekrosen durch erhöhten hepatozellulären Eisenanstieg) ver-antwortlich zeigten. Auch waren die Tiere deutlich anfälliger für jegliche Form von Stres-sexposition.

Hämoxygenasen existieren im menschlichen Organismus in zwei Isoformen: die induzier-bare HO-1 und die konstitutive HO-2 (Maines et al., 1986; McCoubrey et al., 1997). Wäh-rend auf Zellebene das Vorkommen der HO-1 ubiquitär (endoplasmatisches Retikulum, Zy-toplasma, Mitochondrien, Peroxisomen) zu sein scheint, wurde die HO-2 bisher vorrangig im endoplasmatische Retikulum nachgewiesen (Mahan, 2012). Die Katalyse von Häm ist für den Organismus von essentieller Bedeutung, da hohe Konzentrationen von Häm sowohl oxidative, als auch toxische Wirkungen erzielen. Durch die Hämoxygenasen werden freie Häm-Moleküle in Konzentrationen gehalten, in deren Bereich sie ihren wichtigen physiolo-gischen Aufgaben als Transportmolekül für Sauerstoff nachgehen können.

Auf Gehirnebene wurde sowohl HO-1 (Gyrus dentatus (Hippocampus), Hypothalamus, Ce-rebellum, Hirnstamm), als auch HO-2 (Bulbus olfactorius, Pyramidenzellen von Cortex und Hippocampus, Granulazellen des Gyrus dentatus, Hypothalamus, Thalamus, Cerebellum, Hirnstamm, Typ-I-Astrozyten) nachgewiesen, doch kommt die Isoform HO-2 im Gehirn in bedeutend höheren Konzentrationen vor und scheint fast für die komplette endogene CO-Produktion im Gehirn zuständig zu sein (Vincent et al., 1994). Einzig im Hoden scheint die HO-2 ebenfalls ein höheres Vorkommen als ihre Isoform HO-1 aufzuweisen. In den meisten Geweben (v.a. Leber und Milz) scheint dagegen jeweils die induzierbare HO-1 stärker ver-treten zu sein, als ihr konstitutives Pendant (Ryter et al., 2006).

Während die HO-2 eine konstitutive und somit nicht induzierbare Isoform der Hä-moxygenase darstellt, können die unterschiedlichsten Faktoren eine Erhöhung der HO-1 in-duzieren. Dabei sind Stickstoffmonoxid (NO) (Datta & Lianos, 1999), Ischämie, Hypoxie (Carraway et al., 2000), bakterielle Lipopolysaccharide (LPS) oder eine Vielzahl an chemi-schen Agenzien nur ein paar Beispiele in einer langen Reihe von Induktoren (Klemz, 2009).

Hinsichtlich der Eigenschaften von CO lässt sich festhalten, dass das Gas in quasi allen Ge-weben nachgewiesenermaßen zytoprotektiv, antiinflammatorisch, vasodilatatorisch, antia-poptotisch, sowie auf ZNS-Ebene neuroprotektiv wirksam sein kann. Nun stellt sich die Frage, auf welchen zellulären Signalwegen diese Eigenschaften von CO beruhen und welche molekularen Erkenntnisse sich darüber in der bisherigen Forschung finden lassen. Ausge-hend von der grundlegenden Arbeit von Klemz (2009) lässt sich sagen, dass die verschiede-nen Wirkungen von CO im Organismus einem Netzwerk von regulatorischen Signalwegen zugrunde liegen und nicht nur ein konkreter Mechanismus dafür verantwortlich gemacht werden kann. Hinsichtlich der antiapoptotischen Wirkung von CO scheint vor allem dessen Beeinflussung auf verschiedene Mitogen-aktivierten Proteinkinasen (MAPK) eine Rolle zu

spielen (Brouard et al., 2000; Biermann et al., 2010; Schallner et al., 2012), wobei vor allem eine indirekte oder direkte Änderung des Phosphorylierungsstatus der MAPK eine Rolle zu spielen scheint, auch wenn der genaue Mechanismus darüber bisher ungeklärt ist (Morse &

Choi, 2005). Dabei gilt vor allem eine erhöhte Phosphorylierung der β-Untereinheit der MAPK p38 durch CO als Signalweg, über welchen die Expression und Wirkung der proapoptotischen Caspase 3 gesenkt wird (Zhang et al., 2003; Brouard et al., 2000; Biermann et al., 2010; Schallner et al., 2012). Ebenso scheint eine erhöhte Phosphorylierung der MAPK ERK1/2 (Schallner et al., 2012) eine Rolle zu spielen, genauso wie eine Senkung des Tumornekrosefaktors α (TNF-α) über p38 (Brouard et al., 2000).

Die normalerweise Lipopolysaccharid-induzierte Erhöhung von TNF-α wird im Rahmen von inflammatorischen Vorgängen beobachtet und kann durch CO nachgewiesenermaßen erniedrigt werden, was zur Minderung der Entzündungsreaktion beiträgt (Otterbein et al., 2000). Weitere Studien beobachten eine in der Folge antiinflammatorisch wirksame Hem-mung von TNF-α durch CO in verschiedenen Geweben - etwa in Hepatozyten in vitro (Sass et al. 2003; Kim et al. 2006) oder in RGZ in vivo (Biermann et al., 2010). Auch scheint CO auf die Expression bestimmter Zytokine eine hemmende (wie auf das proinflammatorische Interleukin-1β) oder fördernde (wie auf das entzündungshemmende Interleukin-10) Wir-kung zu besitzen (Otterbein et al., 2000).

Sowohl hinsichtlich der entzündungshemmenden, als auch der zytoprotektiven Wirkungs-weise von CO, lassen sich in Studien wiederholt Zielmoleküle ausmachen: So wurden in mehreren Studien erhöhte Synthese und DNA-Bindung des Transkriptionsfaktors Heat Shock Factor 1 (HSF-1), sowie einiger seiner Genprodukte, u.a. Heat Shock Protein 70 und 90α (HSP-70, HSP-90α), nach CO-Gabe in verschiedenen Geweben nachgewiesen (Kim et al., 2005; Göbel et al., 2009; Loop et al., 2012; Biermann et al., 2010), die zytoprotektive Effekte mit sich bringen.

Die große strukturelle Ähnlichkeit von Kohlenstoffmonoxid (CO) und Stickstoffmonoxid (NO) wird zudem als Grund angenommen, dass es beiden Stoffen möglich ist, aktivierenden Einfluss auf die lösliche Guanylatzyklase (sGC, soluble guanylate cyclase) zu nehmen (Lee

& Yen, 2009; Li et al., 2009), wodurch nachweislich zytoprotektive Effekte vermittelt wer-den.

Ebenfalls neuroprotektive Effekte werden CO auch im Hinblick auf die Beeinflussung an-derer zellulärer Signalkaskaden zugewiesen, wie etwa die aktivierende Wirkung auf das cAMP response element-binding protein (CREB), einem Transkriptionsfaktor, welcher die

Expression von Genen, die für Plastizität, Wachstum und Überleben neuronaler Strukturen sorgen, positiv beeinflusst (Lonze & Ginty, 2002). Auch Biermann und Kollegen wiesen in ihrer Studie (2010) eine erhöhte DNA-Bindungsaktivität von CREB in RGZ nach I/R-Scha-den nach präkonditionierender Inhalation von CO nach. Die Arbeitsgruppe um Schallner und Kollegen (2012) wies sogar bei Postkonditionierung durch inhalatives CO in RGZ nach I/R-Schaden diverse neuroprotektive Mechanismen nach, etwa eine erniedrigte mRNA- und Proteinexpression des proapoptotischen Bax-Proteins, sowie eine Erhöhung in den Expres-sionen des antiapoptotischen Bcl-2-Proteins. Speziell für retinale Zellen sind wiederholt zy-toprotektive Effekte nachgewiesen worden, etwa durch Senkung des oxidativen oder ischä-mischen Schadens retinaler Zellen nach Induzierung eines CO-Anstiegs durch Flavanoide (Szabo et al., 2004; Hanneken et al., 2006). Eine Studie von Resch und Kollegen (2005) wies zudem erhöhte retinale und choroidale Blutflüsse nach Inhalation von CO bei gesunden Menschen nach, was hinsichtlich der schon beschriebenen vasodilatativen Wirkung von CO nachvollziehbar erscheint (Resch et al., 2005).

Des Weiteren wird von CO, wie auch von NO, angenommen, dass sie als Neurotransmitter fungieren (Snyder et al., 1998), da sie als niedermolekulare, sowie wasserlösliche Gase schnell und relativ unbehindert Biomembranen durchdringen können.