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transnationalen Ebene

Übersicht 7.1: Dimensionen und Abstufungen globaler Verrechtlichung Vertikale Dimensionen

7.1.4 Vor- und Nachteile von hard law und soft law

Hard law und soft law haben jeweils Vor- und Nachteile. Hard law ist nicht immer besser als soft law, und obwohl beide auf einem Kontinuum angesiedelt sind, ist soft law nicht immer eine Vorstufe zu hard law.

Abbott und Snidal (2000, S. 422)54 zufolge hat hard law vor allem drei Vorteile: (i) die hohe Glaubwürdigkeit der Vereinbarungen auf Grund ihrer Verbindlichkeit, (ii) die Reduktion der Transaktionskosten der Anwendung der Vereinbarungen wegen präziser Regeln, (iii) die Lösung von Problemen, die sich aus unvollständiger Vertragsschließung (lücken-haften Vereinbarungen) ergeben, durch Delegation der Interpretation und Konfliktschlichtung an dritte Instanzen. Dem stehen zwei wesentliche Nachteile gegenüber: die hohen ‚Kosten‘ der Vertragsschließung (erhebli-cher politis(erhebli-cher, juristis(erhebli-cher und finanzieller Aufwand zur Erreichung verbindlicher Vereinbarungen) und die Einschränkung der Souveränität der beteiligten Staaten.

Die Vor- und Nachteile von soft law ergeben sich zunächst spiegelbildlich aus den Eigenschaften von hard law, die Vorteile sind aber darauf nicht beschränkt. Der Nachteil von soft law ist, dass es nicht die Vorzüge von hard law aufweist. Unverbindliche Regeln erleichtern die Nichteinhaltung.

Unpräzise Regeln erschweren die Überwachung der Regeleinhaltung.

Mangelnde Delegation bietet wenig Möglichkeit zur Regelinterpretation und Konfliktschlichtung.

Der wichtigste Vorteil von soft law besteht demgegenüber darin, dass es (partielle) Lösungen für den Fall bietet, dass Staaten und andere Akteure nicht zu rechtlich bindenden Vereinbarungen bereit sind. Die Häufigkeit einer solchen Situation nimmt mit der Zahl der zu Beteiligenden tendenzi-ell zu, da die Wahrscheinlichkeit unterschiedlich ausgeprägter Bereitschaft zu rechtlicher Bindung mit der Zahl der Akteure wächst. Bevor es zu

54 Abbott und Snidal gehören der rationalistisch/funktionalistischen Strömung in der Analyse der internationalen Beziehungen an. Sie übertragen die aus der Institutionen-ökonomie bekannte Kategorie der Transaktionskosten auf das internationale Verhalten von Staaten und untersuchen unter dieser Prämisse die Präferenzen für hard law und soft law. Konstruktivistische Theoretiker betonen demgegenüber die Rolle von Nor-men und Regeln für das Selbstverständnis und das Verhalten von Staaten (vgl. Sim-mons, 2013, S. 356-357).

überhaupt keiner Vereinbarung kommt, ist soft law eine Alternative, da es leichter zu erreichen ist. Soft law ist mit weniger Souveränitätskosten (definiert als Ausmaß und politische Sensitivität von Souveränitätseinbu-ßen) verbunden, es kann bei Unsicherheiten angemessener sein als von vornherein verbindlich formuliertes Recht, es erleichtert Kompromissbil-dung, und es ist dynamisch, indem es Lernprozesse fördert und dadurch zu Veränderungen der Ausgangssituation führen kann. Zur Erläuterung:

 Souveränitätskosten: Abbott und Snidal (2000) zufolge sind die Souveränitätskosten internationaler Verrechtlichung am höchsten in Sicherheitsangelegenheiten. Die Bereitschaft zu Souveränitätsein-schränkungen durch hohe Verbindlichkeit und besonders durch starke Delegation ist daher hier tendenziell gering. Umgekehrt sind die Sou-veränitätskosten eher gering in technischen Fragen (z. B. technische Normen, Produktstandards), bei denen die technische Komplexität oft ein gewisses Maß an Delegation an spezialisierte internationale Orga-nisationen erfordert. Zwischen diesen Polen siedeln die Autoren Berei-che wie z. B. Handelspolitik, Investitionspolitik oder GeldwäsBerei-che an.

 Unsicherheit: Soft law eröffnet verschiedene Möglichkeiten zum Umgang mit Unsicherheit, z. B.: hohe Verbindlichkeit bei gleichzeitig mittlerer oder geringer Präzision und Delegation [O, p, d oder O, –, –], hohe Präzision bei geringer Verbindlichkeit und Delegation [–, P, –], geringe Verbindlichkeit bei mittlerer Präzision und Delegation [–, p, d]

oder hohe Verbindlichkeit und Präzision bei geringer Delegation [O, P, –]. Aus der Kombination des Souveränitäts- und des Unsicherheitskal-küls lassen sich vier Hypothesen über die Bereitschaft zur Verrechtli-chung ableiten (Abbott & Snidal, 2000, S. 446).55

 Kompromissbildung: Soft law erleichtert Kompromisse zwischen bindungswilligen und weniger bindungswilligen Staaten (die

55 (i) Geringe Souveränitätskosten und geringe Unsicherheit: hohe Wahrscheinlichkeit von hard law [O, P, D]; (ii) hohe Souveränitätskosten und geringe Unsicherheit: hohe Bereitschaft zu Verbindlichkeit und Präzision, geringe Bereitschaft zu Delegation [O, P, –]; (iii) geringe Souveränitätskosten und hohe Unsicherheit: hohe Bereitschaft zu Verbindlichkeit und mittlere Bereitschaft zu Präzision und Delegation [O, p, d]; (iv) hohe Souveränitätskosten und hohe Unsicherheit: mittlere oder geringe Bereitschaft zu Verbindlichkeit, mittlere Bereitschaft zu Präzision, geringe Bereitschaft zu Delegation [o, p, –] oder [–, p, –].

tive wäre hard law, dem sich aber eine Reihe von Staaten und Akteu-ren möglicherweise überhaupt nicht anschließen würden), Kompromis-se zwischen starken und schwachen Staaten und Akteuren (wobei je nach Anwendungsfall die starken oder die schwachen Beteiligten für härtere oder weichere Vereinbarungen eintreten können), und Kom-promisse im Zeitablauf zwischen Beteiligten, die auf rasche oder aber erst spätere Vereinbarungen drängen.

 Dynamische Effekte: Soft law ermöglicht eine flexiblere Anwendung von Vereinbarungen und kann dadurch Lernprozesse fördern, die das Verhalten der beteiligten Staaten und Akteure gegenüber der Aus-gangssituation verändern und genauere Auskunft über die relative Vor-züglichkeit unterschiedlicher Ausprägungen der drei Dimensionen Verbindlichkeit, Präzision und Delegation geben können. Insofern kann soft law den Weg zu hard law ebnen, dies ist aber nicht zwangs-läufig. Die dynamischen Effekte können auch negativ sein, wenn die verschiedenen Abschwächungen („Schlupflöcher“) des soft law die Regeleinhaltung vermindern und dadurch die getroffenen Vereinba-rungen faktisch aushöhlen.

Bei der Wahl zwischen hard law und soft law sowie zwischen verschiede-nen Optioverschiede-nen von soft law spielen nicht nur die verhandelnden Staaten eine Rolle, sondern häufig auch nationale und/oder internationale Interes-sengruppen, die für stärkere oder schwächere Verrechtlichung entlang der drei Dimensionen eintreten. Interessengruppen treten gegen (starke) internationale Verrechtlichung ein, wenn ihre Interessen dadurch einge-schränkt werden. Umgekehrt setzen sie sich für starke internationale Verrechtlichung ein, wenn sie dadurch ihre Interessen besser gegenüber der eigenen Regierung oder international vertreten können.

Die Bewertung von hard law versus soft law und der unterschiedlichen Ausprägungen von soft law hängt letztlich von der Effektivität der jeweili-gen Vereinbarunjeweili-gen ab, d.h. von ihrer Fähigkeit zur Lösung des zugrunde-liegenden internationalen Problems, das annahmegemäß in seinen Auswir-kungen und in seiner Bewältigung grenzüberschreitend ist. Die Analyse der Effektivität kann je nach Komplexität des Problems, Datenlage und

Grad des Monitorings der Umsetzung sehr anspruchsvoll sein.56 Sie wird noch komplizierter bei der Frage, ob andere als die gewählten Optionen (insbesondere innerhalb des soft law) mehr erreicht hätten.

7.2 Die Rechtsqualität der internationalen