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transnationalen Ebene

Übersicht 8.2: Abstufungen der Legitimitätskategorien des Regierens jenseits des Nationalstaates

8.2 Analyse der Legitimität der internationalen Aid Effectiveness Agenda

8.2.2 Input-Legitimität

a) Repräsentativität bzw. Offenheit der Regelungsarrangements

Sie bemisst sich daran, „inwieweit [globale Formen des Regierens] alle relevanten Stakeholder […] mit einbeziehen.“ (Take, 2013, S. 37). Ange-sichts des oben erläuterten Stakeholder-Begriffs ist dies ein hoher An-spruch, der in der Praxis kaum einzulösen ist.

Da es in funktionalen Zusammenhängen praktisch unmöglich ist, die für eine Entscheidung Verantwortlichen und die von dieser Entschei-dung Betroffenen in ihrer Gesamtheit zu identifizieren und auch aus praktischen Gründen nicht alle Regelungsadressaten in einen Ent-scheidungsprozess inkorporiert werden können, kann es hier realisti-scherweise nur um eine möglichst vollständige Partizipation sektoral organisierter Referenzgruppen und nicht von Individuen gehen. (Take, 2013, S. 38)

Diese Modifizierung des Prinzips der Repräsentativität und Offenheit ist auch im Falle der Aid Effectiveness Agenda notwendig, da die internatio-nale EZ wie erwähnt durch komplexe Akteurskonstellationen und multiple

Principal-Agent-Konstellationen gekennzeichnet ist. Die Regelungsadressa-ten der Agenda sind auf Geber- und Partnerseite nicht allein Regierungen, sondern auch Parlamente (die in Geberländern möglicherweise Verfah-rensänderungen billigen und in Partnerländern z. B. Entwicklungsstrate-gien und -budgets oder Reformen nationaler Systeme beschließen müssen) und Durchführungsorganisationen. Die Regelungsbetroffenen sind letzt-lich alle Zielgruppen, denen die EZ nutzen soll. Schließletzt-lich ist in der internationalen EZ der Kreis von Inhabern von Problemlösungskompetenz sehr groß.

Alle diese Stakeholder in die Verhandlungen der Aid Effectiveness Agenda einzubeziehen wäre schlicht unmöglich gewesen. Die Verhandlungen gingen daher zunächst von der für die intergouvernementale Ebene typi-schen Prämisse aus, dass Regierungen ihre Länder (und dort jeweils die Regelungsadressaten und Regelungsbetroffenen) und internationale Regierungsorganisationen die sie konstituierenden Staaten repräsentieren.

Der Teilnehmerkreis erweiterte sich dann ganz erheblich von Paris über Accra nach Busan um zivilgesellschaftliche Organisationen und Vertreter des Privatsektors (Übersicht 5.4) sowie um parlamentarische Organisatio-nen und nicht zuletzt um internationale Think Tanks. Im Falle des HLF von Busan umfasste der Teilnehmerkreis etwa 3.000 Personen.

Unter Berücksichtigung des im Rahmen globaler Verhandlungen Machba-ren hatte das HLF von Paris einen mittleMachba-ren Grad von Repräsentativität und Offenheit, während er im Falle der HLF von Accra und Busan hoch war. Der mittlere Grad im Falle von Paris erklärt sich nicht allein daraus, dass nur eine begrenzte Zahl von CSOs und keine Vertreter weiterer Stakeholder (Vertreter parlamentarischer Organisationen und des Privat-sektors) teilnahmen. Auch der Kreis der beteiligten Entwicklungsländer war mit 58 nur etwa halb so groß wie in Accra und Busan (Übersicht 5.3).71 Auch für die WP-EFF gelten die vorstehenden Repräsentativitäts-grade. Wie in Kap. 6.2.2 erwähnt, stellte die WP-EFF ein Forum aller interessierten Regierungen und weiteren Akteure dar, dessen Mitglieder-zahl im Zeitverlauf erheblich anwuchs (Übersicht 6.2). Wichtig war, dass

71 Mit den beteiligten Entwicklungsländern sind diejenigen gemeint, die die Erklärungen übernommen haben. Der größte Teil von ihnen hat auch an den Verhandlungen teilge-nommen (die exakte Zahl liegt allerdings nicht vor), ein kleiner Teil hat sich den Er-klärungen später angeschlossen.

es a priori keine Ausschlusskriterien gab, sondern die Bereitschaft zur Mitarbeit das faktische Zulassungskriterium war.72

Mit dem Übergang von der WP-EFF zur Steuerungsgruppe der GPEDC trat an die Stelle der Offenheit für alle interessierten Regierungen und weiteren Akteure das Prinzip der formalen Repräsentativität. Nach dem Grundsatz „globally light structures“ wurde die Mitgliederzahl der Steuerungsgruppe auf 18, inzwischen 24, beschränkt und ein Vertretungs-schlüssel beschlossen (Übersicht 7.2), der im Wesentlichen alle relevanten Akteure berücksichtigt. Gleichwohl gab es Kritik, dass z. B. Gewerkschaf-ten nicht vertreGewerkschaf-ten sind. Dies wurde 2014 korrigiert. Wichtiger für die tatsächliche Repräsentativität der Steuerungsgruppe ist allerdings, dass die Mitglieder tatsächlich ihre Stakeholdergruppen möglichst gut vertreten, d.h. deren Interessen bündeln und in die Beratungen einbinden. Zu beach-ten ist, dass der Steuerungsausschuss im Konsens arbeitet und selbst keine Entscheidungen im Namen der GPEDC trifft, sondern die Arbeit zwischen den HLF koordiniert und die HLF vorbereitet.

Vergegenwärtigt man sich den Teilnehmerkreis und die Organisations-struktur der Aid Effectiveness Agenda, so wird schnell klar, dass die besonders von China und Indien vorgebrachte Kritik, die Agenda sei OECD-gesteuert und im Gegensatz zum DCF der UN nicht universal legitimiert, weitgehend falsch ist. Richtig sind nur zwei Punkte.

 Erstens waren es die DAC-Mitglieder, die mit der Bildung der DAC Task Force on Donor Practices Ende 2000 die Agenda eingeleitet hat-ten, und zwar noch bevor die UN-Konferenz über Entwicklungsfinan-zierung von Monterrey 2002 zur Verbesserung der Wirksamkeit der internationalen EZ aufgefordert hatte. Die DAC-Mitglieder haben aber von Anfang an Partnerländer beteiligt.

72 Dies widerspricht der Auffassung, dass die Entscheidung darüber, wer an der Formulie-rung von Regeln mitwirken durfte, ganz im Kompetenzbereich des OECD/DAC lag (Dann & Sattelberger, 2010, S. 15). Dies trifft in einem rein formalen Sinn allenfalls für den Beginn der Aid Effectiveness Agenda (Rom-Erklärung, Paris-Erklärung) zu, als die WP-EFF und ihr Vorgänger noch als Untergruppe des DAC agierten und das DAC daher entsprechend seinem Mandat das Recht hatte, externe Akteure einzubeziehen.

Tatsächlich hat das DAC jedoch alle an der Mitarbeit interessierten und dazu bereiten Partnerländer eingeladen. Nach Paris entwickelte sich die WP-EFF wie erwähnt zu ei-nem Forum sui generis.

 Zweitens hat das DAC-Sekretariat die schon erwähnte wichtige unterstützende Rolle gespielt, war aber nicht der agenda setter. Dem-gegenüber standen die Beratungen in der WP-EFF und vor allem die Entscheidungen bei den HLF allen interessierten Partnerländern und zunehmend auch Vertretern der Zivilgesellschaft und anderer Akteurs-gruppen auf der Basis der Gleichberechtigung (Konsensentscheidung) offen. Die DAC-Mitglieder waren in der WP-EFF nur bis etwa 2008 zahlenmäßig die größte Gruppe, spätestens nach Accra aber in der Minderzahl. Die GPEDC wurde von über 200 Regierungen, multilate-ralen Organisationen und weiteren Akteuren beschlossen. Hier von mangelnder universaler Legitimität zu sprechen, ist erstaunlich. Dass das DAC-Sekretariat die Rolle des unterstützenden Apparates über-nahm, liegt nicht am Dominanzstreben der DAC-Geber, sondern schlicht am Fehlen einer gleichwertigen Alternative.

Das Argument, dass das DCF als Einrichtung des Wirtschafts- und Sozialrates (ECOSOC) der Vereinten Nationen über eine höhere Legitima-tion verfüge als die OrganisaLegitima-tionsstrukturen des Paris-Accra-Busan-Prozesses und der GPEDC, ist noch aus einem anderen Grund wenig überzeugend. Es hat allen Beteiligten der Aid Effectiveness Agenda freigestanden, die gemeinsamen Bemühungen auf UN-Ebene voranzu-bringen. Dies ist aber nicht geschehen, und auch die UN haben dazu nicht die Initiative ergriffen. Das DCF wurde erst 2008 als Diskussionsplattform ins Leben gerufen, und zwar ohne das Mandat, die Aid Effectiveness Agenda zu übernehmen, und ohne administrative Kapazität, die das DAC-Sekretariat bot. Die Parallelität von DCF und GPEDC muss sicher künftig ein Thema sein.

Bezüglich der Organisationsstruktur der GPEDC wird darauf hingewiesen, dass sie nicht in einem umfassenden intergouvernementalen Verhand-lungsprozess beschlossen und nicht von den UN bestätigt wurde (Janus, Klingebiel, & Mahn, 2014, S. 3). Beides ist nur sehr begrenzt richtig und schränkt die Legitimation der GPEDC nicht wirklich ein. Die Entscheidung über die Organisationsstruktur der GPEDC sollte ursprünglich in Busan getroffen werden, wurde aber aus Zeitgründen vertagt. Die Busan-Erklärung (Ziff. 36c) beauftragte die WP-EFF mit der Einberufung einer alle Unter-zeichner der Erklärung repräsentierenden Gruppe, die den Auftrag hatte, einen Vorschlag für die neue Organisationsstruktur zu erarbeiten. Die daraufhin gebildete Post-Busan Interim Group hatte 25 Mitglieder

(OECD/DAC, 2012c), die alle Akteursgruppen der GPEDC repräsentierten, und erarbeitete den Vorschlag für die künftige Organisationsstruktur, der von der WP-EFF auf ihrer letzten Sitzung Ende Juni 2012 angenommen wurde. Wie erwähnt hatte die WP-EFF über 80 Mitglieder. Falls der Umstand, dass nur die WP-EFF und nicht die über 200 Mitglieder der GPEDC die neue Organisationsstruktur beschlossen hatten, ein Problem ist, steht es den Mitgliedern anlässlich der hochrangigen Treffen der GPEDC frei, die Struktur zu ändern. Eine Bestätigung durch die UN war weder erforderlich noch angezeigt, da die UN die GPEDC nicht an sich gezogen hatten. Grundsätzlich sind intergouvernementale bzw. transnatio-nale Vereinbarungen nicht weniger legitim, wenn sie kein UN-Siegel tragen. Entscheidend für die Legitimität ist, dass sie sich auf die Zustim-mung der tatsächlich Beteiligten stützen können.

b) Grad der politischen Gleichheit

Er bemisst sich daran, ob es gleiche oder abgestufte Beteiligungsrechte gibt und ob die Beteiligung durch Ressourcen unterstützt werden kann.

Der erste Aspekt ist für die Aid Effectiveness Agenda zu bejahen. Es gab und gibt keine abgestuften Beteiligungsrechte. Die Unterstützung durch Ressourcen ist besonders relevant für die Beteiligung der Partnerländer an den gemeinsamen Beratungen (HLF, Treffen von Untergruppen, regionale oder thematische Konferenzen), an den bisherigen Monitoring Surveys und der internationalen Evaluierung der Paris-Erklärung.

Die Frage der Unterstützung der Partnerländer ist schwer zu beantworten, da systematisch erhobene und dokumentierte Daten dazu nicht vorliegen.

Bekannt ist, dass Geberländer und internationale Organisationen zahlrei-che Treffen und die Teilnahme von Partnerländern finanziell unterstützt haben. Das DAC-Sekretariat hat Partnerländern im Zuge der Monitoring Surveys technische Unterstützung gewährt. Verschiedene Länderevaluie-rungen im Rahmen der internationalen Evaluierung der Paris-Erklärung wurden von Geberländern finanziert. Insgesamt ist zu vermuten, dass ab Accra alle interessierten Partnerländer die Möglichkeit zur inhaltlichen Beteiligung hatten. Überdies dokumentiert die sehr hohe Teilnehmerzahl in Accra und Busan nicht nur die formale, sondern auch die faktische Möglichkeit der Beteiligung. Unter dem Vorbehalt fehlender systemati-scher Daten erscheint der Grad der politischen Gleichheit in Paris auf einem mittleren Niveau und in Accra und Busan hoch.

c) Konsensorientierung der Verhandlungen

Wie in Kap. 5.2.2 ausgeführt, sind die Beratungen und Entscheidungen im Rahmen der Aid Effectiveness Agenda auf allen Ebenen (HLF, WP-EFF bzw. Steuerungsgruppe der GPEDC, Untergruppen, regionale und thema-tische Konferenzen und Foren) auf Konsens angelegt. Auf keiner Ebene gilt das Mehrheitsprinzip. In Busan wurde allerdings das Konsensprinzip in einem wichtigen Punkt nur formal, aber nicht inhaltlich erfüllt (formal insofern, als Konsens bestand, dass kein Konsens besteht). Nichttraditio-nelle Geber setzten durch, dass die Verpflichtungen von Paris und Accra im Rahmen der Süd-Süd-Kooperation nur auf freiwilliger Basis gelten, obwohl die internationale Evaluierung der Paris-Erklärung zu dem Ergeb-nis gekommen war, dass die Prinzipien und Verpflichtungen von Paris auf alle Formen internationaler EZ anwendbar sind, auch wenn sie hinsichtlich ihrer Gewichtungen, Prioritäten und Zeithorizonte die Unterschiede zwischen Ländern berücksichtigen müssen (Wood et al., 2011, S. xvii).

Man kann diesen mangelnden inhaltlichen Konsens in Busan als Hinweis darauf interpretieren, dass das Konsensprinzip und das Prinzip der glei-chen Beteiligung ernst genommen wurden (also Konsens nur dort, wo er auch wirklich besteht, und Vetomöglichkeit selbst einer kleinen Gruppe von Beteiligten dort, wo kein Konsens besteht). Dies stärkt die Glaubwürdigkeit und Input-Legitimität der getroffenen Vereinbarungen. Aus diesem Grund wird die Konsensorientierung hier nicht nur im Falle von Paris und Accra, sondern auch im Falle von Busan als hoch eingestuft. Allerdings besteht die Gefahr, dass das für einen Teil der internationalen EZ eingeführte Prinzip der Freiwilligkeit den Grad der Selbstverpflichtung der Beteiligten und damit die Akzeptanz (empirische Legitimität) senkt (siehe unten).