• Keine Ergebnisse gefunden

Die Legitimität der internationalen Aid Effectiveness Agenda

transnationalen Ebene

Übersicht 7.5: Governance-Strukturen im Bereich Monitoring und Evaluierung der Aid Effectiveness Agenda

8 Die Legitimität der internationalen Aid Effectiveness Agenda

8.1 Konzeptionelle Überlegungen: Legitimitätsbegriffe in der Global Governance-Diskussion

Legitimität bedeutet die Anerkennungswürdigkeit (normative Legitimität) und Akzeptanz (empirische Legitimität) von Regeln, Organisationen, Verfahren und Handeln und unterscheidet sich von Legalität (Geset-zeskonformität). Ausgangspunkt der Debatte über die Legitimität von Global Governance ist die Feststellung eines Demokratieproblems des Re-gierens jenseits des Nationalstaates. Es „entsteht, je mehr internationale Institutionen Herrschaftsfunktionen wahrnehmen und je weniger sie demo-kratischer Kontrolle unterliegen und die von ihren Entscheidungen Betrof-fenen über Partizipationschancen verfügen“ (Beisheim & Nuscheler, 2003, S. 37). Dies gilt vor allem für Supranationalisierung, d.h. die Übertragung politischer Autorität auf überstaatliche Organisationen, denen keine gleichwertigen Parlamente mit der Kompetenz zur Rechtsetzung und Kontrolle der Exekutive gegenüberstehen.

Bei intergouvernementalen Entscheidungen entstehen zwar meist auch Organisationen oberhalb der nationalstaatlichen Ebene, die den Wählern nicht mehr direkt rechenschaftspflichtig sind. Zürn (2012b, S. 2; 2013, S.

413) zufolge kann das aber unter dem Aspekt der Legitimität noch hinge-nommen werden, solange die Entscheidungen im Konsens getroffen werden, weil sie dann durch die Legitimation der beteiligten Regierungen legitimiert werden (zweistufige Legitimation im Rahmen von Global Governance). Das Problem besteht allerdings darin, dass die Legitimationskette umso länger

wird, je weiter intergouvernementale Organisationen ihre Aktivitäten ausdehnen und je weniger sie dabei noch von den sie konstituierenden Staaten kontrolliert werden. Dann entsteht ein Demokratiedefizit, weil eine Kontrolle der intergouvernementalen Organisationen durch demokratisch legitimierte Parlamente fehlt (Beisheim & Nuscheler, 2003, S. 38).

Auf die Frage nach der Demokratisierung von Global Governance hat es unterschiedliche Antworten gegeben. Sie leugnen entweder ein Demokra-tieproblem, weil Global Governance letztlich auf Entscheidungen von durch Wahlen legitimierten Regierungen zurückgehe, oder sie fordern demokratische Prozesse auf allen Entscheidungsebenen von der kommu-nalen über die nationale bis zur globalen Ebene, deren Endpunkt eine kosmopolitische Demokratie sei, oder sie möchten eine Demokratisierung durch zunehmende Beteiligung der Zivilgesellschaft und/oder die Stär-kung deliberativer Prozesse auf globaler Ebene erreichen (als Überblick Jörke & Take, 2011, S. 287-293).

Jörke und Take (2011, S. 293-301) halten keine der Antworten für ausrei-chend. Die erste widerspreche der Empirie, weil die Erosion demokrati-scher Kontrolle vielfältig zu beobachten sei, die zweite sei utopisch und die dritte sei demokratietheoretisch fragwürdig, weil sie die Beteiligung der Bürger und Bürgerinnen an politischen Entscheidungsprozessen ausblende. Die beiden Autoren entgegnen:

Wir plädieren stattdessen dafür, nicht länger nach den Möglichkeiten einer Demokratisierung globalen Regierens zu suchen, sondern sich mit der Frage nach den in diesem Kontext möglichen Formen legiti-men Regierens zu bescheiden. Anders ausgedrückt, wir möchten dafür plädieren, im Kontext supranationalen und globalen Regierens den Demokratiebegriff zu verabschieden und ihn durch den des legitimen Regierens zu ersetzen. (Jörke & Take, 2011, S. 294)

Sie verwenden dabei die Kategorien Input-Legitimität (Partizipation aller Stakeholder), Throughput-Legitimität (Transparenz der Strukturen und Entscheidungsverfahren) und Output-Legitimität (Akzeptanz eines Rege-lungsarrangements) (Jörke & Take, 2011, S. 296-299). Sie verstehen anders als teilweise in der Literatur, aber zu Recht, unter Output-Legitimität nicht die Zielerreichung eines Regelungsarrangements, weil der kausale Zusam-menhang zwischen einer Regelung und der Zielerreichung komplex und nicht immer einfach zu ermitteln ist (Attributionsproblem).

Diese Sichtweise wird durch zwei weitere Argumente gestützt. Zum einen bezieht sich Zielerreichung, die gleichbedeutend mit Wirksamkeit oder Effektivität ist, in der Planungs- und Evaluierungssystematik auf die Ebene der outcomes (erzielte Wirkungen), während outputs die zur Erreichung der erhofften Wirkungen erbrachten Leistungen bezeichnen. In diesem Sinne ist der Begriff outputs auch konsistent mit dem Verständnis von Akzeptanz (Output-Legitimität), die Take (2013, S. 52-53) zufolge nicht nur die freiwillige Unterwerfung unter Regeln (sozusagen die erklärte Anerkennung) beinhaltet, sondern auch Maßnahmen69 zu deren Umsetzung (aktive Anerkennung). Zum anderen sollte Effektivität begriff-lich klar von Legitimität getrennt werden, weil zwischen beiden eine komplexe Beziehung bezieht. Effektivität kann durch (normative) Legiti-mität gefördert werden, Effektivität kann ihrerseits die (empirische) Legitimität erhöhen, und schließlich kann es ein Spannungsverhältnis zwischen beiden geben, wenn nämlich eine hohe Input- und/oder Through-put-Legitimität die Effektivität vermindert.

Take (2013, S. 33-56) erweitert den analytischen Rahmen um zwei zusätzliche Kategorien, die inhaltliche Legitimität (Übereinstimmung der Zielsetzungen mit universellen Prinzipien) und substanzielle Legitimität (Expertise und Problemlösungsressourcen) und gelangt damit zu fünf Legitimitätskategorien, die er teilweise untergliedert (Übersicht 8.1). Die Grundüberlegung bei allen fünf Kategorien ist, dass ihre Beachtung die Legitimität eines Regelungsarrangements im Sinne der Anerkennungs-würdigkeit und Akzeptanz erhöht.

Eine wichtige Rolle im vorliegenden Zusammenhang spielt der Begriff der Stakeholder. Er bezieht sich nicht nur auf die Regelungssetzer, sondern auch auf die Regelungsadressaten, die Regelungsbetroffenen und die Inhaber von Problemlösungsressourcen (Take, 2013, S. 37). In intergou-vernementalen Prozessen sind die Regelungssetzer oft auch die

69 Streng genommen sind Maßnahmen in der Planungs- und Evaluierungssystematik Aktivitäten zur Erbringung von Leistungen (Outputs), aber nicht gleichbedeutend mit Outputs, da unter Umständen trotz zahlreicher Aktivitäten die vorgesehenen Leistun-gen nicht erbracht werden. Auf diese Unterscheidung kann hier jedoch verzichtet wer-den, weil sich die tatsächliche Akzeptanz von Regeln nicht allein an der erklärten An-erkennung und auch nicht nur an Aktivitäten, die womöglich erfolglos bleiben, bemisst, sondern am Grad der Umsetzung. Inwieweit die Umsetzung dann zu den er-hofften Wirkungen führt, ist die Frage der Effektivität.

lungsadressaten, insofern Regierungen zur Lösung gemeinsamer Probleme gemeinsame Regeln für ihr Handeln vereinbaren, die dann für sie gelten.

Trotzdem sind die Regelungssetzer nicht immer deckungsgleich mit den Regelungsadressaten, da viele Regelungen von nachgeordneten Behörden oder Durchführungsorganisationen umgesetzt werden müssen, die meist nicht am intergouvernementalen Verhandlungstisch sitzen. Dies gilt erst recht für die Regelungsbetroffenen, deren Interessen aber unter Legitimi-tätsgesichtspunkten berücksichtigt werden müssen.

Übersicht 8.1: Legitimitätskriterien für das Regieren jenseits des