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Politikkohärenz für Entwicklung

Übersicht 2.1: Vereinbarungen im Rahmen der internationalen Entwicklungsagenda

5. Politikkohärenz

2.2.2 Der Paris-Accra-Busan-Prozess

Nach Vorbereitungen in Gestalt der Rome Declaration on Harmonisation (2003)14 und des Marrakech Action Plan on Managing for Development Results (2004) markierte die Paris-Erklärung zur Wirksamkeit der EZ den ersten Höhepunkt in der Systemreform der EZ. Sie wurde auf dem zweiten High-Level Forum on Aid Effectiveness 2005 in Paris von zunächst rund 30 bilateralen Gebern, 25 multilateralen Organisationen und 60 Entwick-lungsländern sowie verschiedenen zivilgesellschaftlichen Organisationen (CSOs) angenommen.

Die Paris-Erklärung hat fünf Prinzipien wirksamer EZ definiert: Eigenver-antwortung der Partner (ownership), Partnerausrichtung der Geberbeiträge (alignment), Harmonisierung der Geberbeiträge, ergebnisorientiertes Management und gegenseitige Rechenschaftspflicht. Die Erklärung sieht vor, dass die Partnerländer (unterstützt von den Gebern) die Voraussetzun-gen für wirksame EZ durch EiVoraussetzun-genverantwortung, partizipative Erarbeitung operationaler Entwicklungsstrategien, Aufbau verlässlicher öffentlicher Fi-nanz- und Beschaffungssysteme sowie Koordinierung der Geberbeiträge schaffen. Die Geber verpflichteten sich, die Führungsrolle der Partnerländer zu respektieren, ihre Beiträge an den Prioritäten, Strategien, Fähigkeiten und Verfahren der Partner auszurichten und ihre Verfahren zu harmonisieren.

Beide Seiten sind für das ergebnisorientierte Management der EZ verant-wortlich und gegenseitig rechenschaftspflichtig. Die Prinzipien wurden in Form von 57 Verpflichtungen konkretisiert, von denen zwölf durch Indi-katoren und den Zeithorizont 2010 operationalisiert wurden (Übersicht 9.2).

Viele Verpflichtungen (z. B. Nutzung der öffentlichen Finanz- und Beschaf-fungssysteme der Partnerländer, Verfahrensharmonisierung, Arbeitsteilung) wirken auf den ersten Blick eher technisch, sie sind aber durchaus politisch sensibel, weil sie die Veränderung angestammter Rollenverteilungen, Verhaltensweisen und Interessen der Akteure implizieren.

Die Prinzipien der Paris-Erklärung sind keineswegs neu. So entsprechen z. B. Eigenverantwortung und Partnerausrichtung dem alten Grundsatz

„Hilfe zur Selbsthilfe“. Neu ist jedoch, dass in der Paris-Erklärung erstmals in der Geschichte der EZ eine große Zahl von Gebern und Partnerländern

14 Sie wurde auf dem ersten High-Level Forum on Aid Effectiveness in Rom ange-nommen.

gemeinsame Prinzipien und Verfahrensregeln vereinbart und damit den internationalen Ordnungsrahmen für die EZ deutlich erweitert haben.

Die Erfahrungen bei der Umsetzung der Paris-Erklärung sowie die inten-sive Auseinandersetzung mit ihr in der staatlichen EZ, in zivilgesellschaft-lichen Organisationen und in der Wissenschaft (ausführlicher dazu Ashoff, 2010a, S. 56-61) führten dazu, dass die Paris-Agenda auf dem dritten High-Level Forum on Aid Effectiveness in Accra 2008 in Gestalt des Accra-Aktionsplans in dreifacher Hinsicht weiterentwickelt wurde:

 Erstens wurde die Agenda politischer. Der Accra-Aktionsplan betonte u. a. die wichtige Rolle der Parlamente und der Zivilgesellschaft in den Partnerländern sowie die Mitverantwortung aller Politiken für das Erreichen der internationalen Entwicklungsziele (Politikkohärenz).

 Zweitens wurden mehrere Verpflichtungen der Paris-Erklärung präzisiert (z. B. Nutzung der Systeme der Partnerländer, Arbeitstei-lung, Partnerorientierung der Technischen Zusammenarbeit, Liefer-aufbindung der EZ) und für die EZ mit fragilen Staaten differenziert.

 Drittens wies der Accra-Aktionsplan auf die wachsende Bedeutung weiterer Akteure (Schwellenländer als neue Geber, Globale Fonds, Privatsektor, zivilgesellschaftliche Organisationen), aber auch auf die damit verbundenen Koordinierungsprobleme hin und forderte „more effective and inclusive partnerships“ im Hinblick auf das Ziel der Ar-mutsbekämpfung.

Ende 2011 wurde die Systemreform auf dem vierten High-Level Forum on Aid Effectiveness in Busan (Korea) erneut überprüft und mit folgenden Ergebnissen weiterentwickelt:

 Die Verpflichtungen von Paris und Accra wurden grundsätzlich bestä-tigt und um weitere Verpflichtungen teils mit, teils ohne Zeithorizont ergänzt. Die Unterzeichner der Paris-Erklärung und des Accra-Aktionsplans haben sich zur vollen Umsetzung ihrer bisherigen und der neuen Verpflichtungen bekannt.

 Wichtige nichttraditionelle Geber (China, Indien, Brasilien, Südafrika) wurden in den Reformprozess eingebunden, um eine Global Part-nership for Effective Development Co-operation (GPEDC) zu begrün-den. Dieser Punkt war bis kurz vor Schluss strittig wegen des Wider-standes insbesondere von China, das die Paris-Agenda als OECD-gesteuert und die Verpflichtungen für sich nicht als verbindlich

betrach-tete. Das Abschlussdokument brachte den erzielten Kompromiss auf den Nenner „shared principles, common goals and differential commitments for effective international development“. Die nichttraditionellen Geber akzeptierten, dass sie Teil des Reformprozesses sind, erkannten seine Ziele und Prinzipien an, sehen sich jedoch als Akteure der Süd-Süd-Kooperation, für die die Verpflichtungen von Paris und Accra nur eine Orientierung und überdies freiwillig sind.

 Die Busan-Erklärung hat Besonderheiten fragiler Staaten dadurch betont, dass sie den New Deal for Engagement in Fragile States begrüßte, der vom International Dialogue on Peacebuilding and Statebuilding, einem 2008 gegründeten Dialogforum von inzwischen 44 OECD-Mitgliedern und fragilen Staaten, erarbeitet worden war. Ziel des New Deal ist es, die Wirksamkeit der internationalen EZ in fragilen Staaten durch spezifische Ziele und Prinzipien zu verbessern.15 Seine Umsetzung ist Gegenstand eines eigenen Monitorings.16

 Das Monitoring der Umsetzung wird künftig zweistufig erfolgen:

einerseits in den Partnerländern auf der Basis länderspezifischer „results frameworks“, andererseits global mit Hilfe ausgewählter gemeinsamer Indikatoren.

 Die Agenda wurde erweitert „from aid effectiveness to development effectiveness”. Hier ging es um Schlussfolgerungen aus der nicht neuen Beobachtung, dass neben EZ andere Faktoren eine wesentliche Rolle im Entwicklungsprozess spielen.17 EZ soll diese Faktoren verstärken und damit eine Katalysatorfunktion ausüben.

15 Der New Deal hat drei Komponenten (Busan-Erklärung, Ziff. 26): (i) Peacebuilding and statebuilding goals (PSGs) which prioritise legitimate politics, people’s security, econom-ic foundations, revenues and fair serveconom-ices, (ii) focus on a new led and country-owned way of engaging in fragile states, (iii) trust (a set of commitments to enhance transparency, manage risk to use country systems, strengthen national capacities and im-prove timeliness and predictability of aid). Näheres in OECD (2014a, S. 95).

16 Der erste wurde im Juni 2014 vorgelegt und hat noch vorläufigen Charakter (zero draft), weil quantitative Daten zur Umsetzung noch weitgehend fehlen (International Dialogue on Peacebuilding and Statebuilding, 2014).

17 Die Busan-Erklärung nennt folgende Faktoren: starkes, nachhaltiges und inklusives Wachstum, eigene Ressourcen der Partnerregierungen, leistungsfähige staatliche und nichtstaatliche Institutionen, wirksame Politiken, globale und regionale Integration der Entwicklungsländer. Siehe auch unten Kap. 2.3.1.

Zwei Punkte der Tagesordnung von Busan wurden erst Ende Juni 2012 geklärt, nämlich die künftige institutionelle Struktur und das globale Monitoring des Reformprozesses.

 Die Paris-Agenda war bis Busan im Wesentlichen von der Working Party on Aid Effectiveness (WP-EFF) vorangetrieben worden, bei der es sich ursprünglich um eine Arbeitsgruppe des Entwicklungshilfeaus-schusses (Development Assistance Committee, DAC) der OECD han-delte, in der aber zunehmend multilaterale Geber, zahlreiche Entwick-lungsländer und CSOs mitarbeiteten. Dennoch wurde ihre fehlende universale Legitimität kritisiert, insbesondere von einigen nichttraditi-onellen Gebern wie China, Indien und Brasilien. Die Ende Juni 2012 gefundene Lösung sieht eine neue institutionelle Struktur der GPEDC mit drei Ebenen vor: Ministertreffen im Abstand von 18–24 Monaten, einen Steuerungsausschuss mit 18 Mitgliedern (seit April 2014 24 Mitglieder; Übersicht 6.2), die die verschiedenen Länder- und Ak-teursgruppen vertreten, und ein von der OECD und dem Entwick-lungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) gebildetes Sekretari-at. Im Unterschied zur WP-EFF gewährleistet die neue Struktur eine globale Repräsentation. Mit der Verabschiedung dieser Lösung löste sich die WP-EFF auf. Der Steuerungsausschuss der GPEDC hat sich seitdem mehrfach getroffen, das erste Ministerreffen (High-Level Fo-rum) der GPEDC fand im April 2014 in Mexiko statt.

 Darüber hinaus wurden für das globale Monitoring zehn Indikatoren teilweise mit operationalisierten Zielen bis 2015 vereinbart (Übersicht 9.4). Einige Indikatoren stammen aus der Paris-Erklärung, andere sind neu (z. B. zu den Rahmenbedingungen für das Engagement entwick-lungsorientierter CSOs oder zur Geschlechtergerechtigkeit).

2.2.3 Die Globale Partnerschaft für wirksame