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Funktionen internationaler Organisationsstrukturen generell und im Rahmen der Aid Effectiveness Agenda

transnationalen Ebene

Übersicht 6.3: Funktionen internationaler Organisationsstrukturen generell und im Rahmen der Aid Effectiveness Agenda

Funktionen Beratungs- und

Normative Defining standards of

behaviour ja ja* –

assistance/relief – sehr

begrenzt

sehr begrenzt

Deploying forces – – –

* Entscheidungsvorbereitung

Quelle: Zusammengestellt auf der Basis von Karns und Mingst (2010, S. 10)

6.3 Schlussfolgerungen

Die Betrachtung der Organisationsstruktur der Aid Effectiveness Agenda zeigt, dass die Agenda in geradezu klassischer Weise ein intergouverne-mentaler bzw. transnationaler Prozess ist, da es die beteiligten Regierun-gen und weiteren Akteure selbst sind, die die Arbeit zum größten Teil auf unterschiedlichen Beratungs- und Entscheidungsebenen leisten. Die Sekre-tariatsebene hat eine unterstützende Rolle gespielt und in dieser Hinsicht gerade in Gestalt des DAC-Sekretariates zum Fortgang des Prozesses beigetragen, sie hat sich aber gegenüber den Regierungen und anderen Verhandlungspartnern nicht soweit verselbständigt, dass sie selbst zum agenda setter oder norm entrepreneur geworden wäre. Das agenda-setting wurde von der WP-EFF betrieben, bei des es sich wie erwähnt nicht um ein Sekretariat, sondern um ein intergouvernementales bzw. transnationa-les Beratungsforum handelte.

Abschließend sei noch auf einen Aspekt hingewiesen. Oben wurde der intergouvernementale bzw. transnationale Charakter der Aid Effectiveness Agenda betont. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass die multila-teralen Entwicklungsorganisationen, die im Wesentlichen intergouverne-mentale Einrichtungen sind, weder eine proaktive Rolle bei der Formulie-rung der Agenda gespielt haben noch zwecks Umsetzung der Agenda gestärkt wurden, etwa durch Multilateralisierung zuvor bilateraler EZ oder durch Übertragung zusätzlicher Kompetenzen auf die multilateralen Orga-nisationen. Hierfür gibt es mehrere Gründe. Erstens sind die multilateralen Entwicklungsorganisationen auf Grund von Eigeninteressen und organisa-torischer Fragmentierung selbst Teil der Systemprobleme der internationa-len EZ. Dies gilt insbesondere für die EZ der UN, die sich aber unter dem Motto „One UN“ darum bemühen, in den Partnerländern stärker mit einer Stimme zu sprechen (dazu Weinlich & Zollinger, 2012). Zweitens sind die meisten bilateralen Geber nicht bereit, eigene Gestaltungsansprüche zugunsten stärkerer Multilateralisierung ihrer EZ aufzugeben. Drittens verweisen bilaterale Geber häufig und nicht immer zu Unrecht auf Effizi-enz- und Effektivitätsprobleme der multilateralen EZ, für die sie aber teilweise mitverantwortlich sind, weil sie in den Aufsichtsgremien multila-teraler Entwicklungsorganisationen vertreten sind und deren multilateralen Charakter teilweise durch bilaterale Zweckbestimmung freiwilliger finan-zieller Zuweisungen (earmarking) unterlaufen (Weinlich, 2014, S. 77).

7 Die Rechtsqualität der internationalen Aid Effectiveness Agenda

7.1 Konzeptionelle Überlegungen: Begriff, Stufen und Dimensionen globaler Verrechtlichung, Vor- und Nachteile von hard und soft law

7.1.1 Der Begriff der globalen Verrechtlichung

Der Begriff Verrechtlichung hat eine normative und analytische (empiri-sche) Bedeutung. Normativ bezieht er sich auf die Zivilisierung gesellschaft-licher Prozesse durch Regeln, die Verhaltenserwartungen etablieren und dadurch Unsicherheit abbauen können. Analytisch (empirisch) bedeutet er die quantitative und/oder qualitative Zunahme und Ausdifferenzierung von Rechtsnormen (Pfeil, 2011, S. 14). Globale Verrechtlichung ist ein wesentli-ches Element von Global Governance (Übersicht 4.1), welche die zur politischen Gestaltung der Globalisierung erforderlichen Steuerungsleistun-gen nicht nur durch internationale Organisationen, sondern u. a. auch durch internationale Normen, Regeln48 und internationales Recht erbringt (Pfeil, 2011, S. 25).

Internationales Recht bzw. Völkerrecht übt vier Funktionen aus (Pfeil, 2011, S. 26-32): (i) eine instrumentale Funktion (Regelung und inhaltliche Gestal-tung internationaler Beziehungen), (ii) eine normative Funktion (Formulie-rung normativer Ansprüche für das Handeln der Staaten im internationalen System), (iii) eine konfliktregulierende Funktion (Schaffung von Rechtssi-cherheit und Regulierung der Konfliktaustragung), (iv) eine zivilisierende Funktion (Induzierung von Lernprozessen, die letztlich zur Internalisierung internationaler Rechtsnormen führen).

48 In der Literatur werden die Begriffe Normen und Regeln nicht immer einheitlich gebraucht und nicht immer klar unterschieden. Krasner (1982, S. 186) definiert sie wie folgt: “Norms are standards of behavior defined in terms of rights and obligations.

Rules are specific prescriptions or proscriptions for action.”

7.1.2 Stufen globaler Verrechtlichung

Pfeil (2011, S. 120-138) unterscheidet vier Stufen globaler Verrechtli-chung, von denen die erste für die rechtliche Charakterisierung der internationalen Aid Effectiveness Agenda von besonderem Interesse ist:

Verregelung: Entstehung von Regeln, die die Beziehungen zwischen den beteiligten staatlichen und/oder gesellschaftlichen Akteuren regu-lieren, ohne dass es sich um rechtliche Verpflichtungen handelt, deren Nichterfüllung einen Rechtsbruch darstellen würde. Solche Regeln sind zwischen Nicht-Recht und Recht angesiedelt und stellen soft law dar. Sie sind im Konfliktfall rechtlich unverbindlich, ihr Bruch zieht keine rechtlichen Sanktionen nach sich. Ihre mögliche Bindungswir-kung ist normativer bzw. politischer Art und beruht auf der Erwartung (nicht der Verpflichtung), dass diejenigen, die den Regeln zugestimmt haben, sie auch einhalten.

Verrechtlichung: Entstehung oder qualitative Ausweitung verbindli-cher Rechtsnormen. Sie unterscheiden sich von vorrechtlichen Regeln in dreifacher Hinsicht: (i) Sie haben einen hohen Grad an Verbindlich-keit (die beteiligten Akteure erwarten ein rechtskonformes Verhalten nach dem Grundsatz pacta sunt servanda). (ii) Sie sind in formalisier-ten Verfahren entstanden49 und beanspruchen dadurch eine höhere Le-gitimität als Regeln. (iii) Sie sind häufig mit rechtlichen Sanktionen bewehrt, ohne dass diese aber ein zwingendes Kriterium für die Exis-tenz von Recht sind. Im Völkerrecht sind sanktionsbewehrte Rechts-normen seltener als im nationalen Recht.

Justizialisierung: Schaffung fakultativer oder obligatorischer Instanzen (Gerichtshöfe, Schiedsgerichte, gerichtsähnliche Einrichtungen) mit der Befugnis, allgemein verbindliche juristische Entscheidungen in Konfliktsituationen zu treffen.

49 Im Völkerrecht gibt es anders als im nationalen Recht keine zentrale Gesetzgebungs-instanz (Legislative). Völkerrecht entsteht durch zwei Verfahren, durch formellen Ver-tragsschluss (Völkervertragsrecht) und durch regelmäßige Übung verbunden mit einer gemeinsamen Rechtsüberzeugung (Völkergewohnheitsrecht). Eine dritte Quelle des Völkerrechts sind allgemein anerkannte Rechtsgrundsätze.

Konstitutionalisierung: Sie bedeutet die „Herausbildung, Weiterent-wicklung, Vertiefung und Implementation eines Kanons von grundle-genden Verfassungsprinzipien und damit von Weltverfassungsrecht sowie die grundsätzliche Stärkung von rule of law auf internationaler bzw. globaler Ebene“ (Pfeil, 2011, S. 134). Die Übertragbarkeit des dem nationalstaatlichen Rahmen entlehnten Begriffs der Konstitutiona-lisierung auf die internationale Ebene wird in der Literatur wegen des fehlenden Weltstaates kontrovers diskutiert.

7.1.3 Dimensionen globaler Verrechtlichung

Die Stufen globaler Verrechtlichung lassen sich präziser an Hand der Dimensionen von Verrechtlichung beschreiben. Abbott, Keohane, Morav-csik, Slaughter, und Snidal (2000, S. 401) zufolge sind für den Grad von Verrechtlichung drei Dimensionen bestimmend: die Verbindlichkeit der Regeln50 (obligation), die Genauigkeit der Regeln (precision) und die Delegation von Befugnissen an dritte Instanzen (delegation). Übersicht 7.1 erläutert die Dimensionen der Verrechtlichung.

Übersicht 7.1: Dimensionen und Abstufungen globaler Verrechtlichung