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3   Ergebnisse und Diskussion

3.4   Na⁺-Transport in lebenden V. cholerae-Zellen

Wie bereits in 1.2 beschrieben, ist die Hauptfunktion der Na+-NQR das Pumpen der Na+ -Ionen aus der Zelle. Dadurch wird die Na+-Konzentration in der Zelle möglichst gering gehalten, um einen Na+-Gradient über die Membran zu erzeugen. Dieser elektrochemische Gradient wird von der Zellmaschinerie für verschiedene Zwecke verwendet. In diesem Teil der Arbeit wurde der Na+-Transport in lebenden V. cholerae-Zellen mittels NMR-Spektroskopie untersucht (siehe auch 2.2.4).

3.4.1 Na⁺-Transport des V. cholerae-WT-Stamms

Die Quantifizierung der Na+-Konzentration in Bakterien mittels 23Na-NMR-Spektroskopie beruht auf der Unterscheidung des Natriums innerhalb und außerhalb der Zellen. Für dieses Ziel wurde in dieser Arbeit ein Verschiebungsreagenz, Na5[Tm(DOTP)], verwendet. Da das Verschiebungsreagenz durch die Zellmembran nicht hindurchkommt, wird nur das 23Na-Signal des außerhalb der Zelle befindlichen Natriums verschoben. Zusätzlich wurde bei den NMR-Messungen immer eine Referenzkapillare mit der Lösung von NaCl und Na7[Dy(P3O10)2] in das NMR-Röhrchen eingefügt, als eine externe Referenz für Na+-Konzentrationsbestimmung.

Letztendlich wurden drei 23Na-Signale beobachtet (Abb. 3.4.1, unten). Trotz der speziellen Behandlung der V. cholerae-Zellen während der Probenvorbereitung war die Absolutmenge an intrazellulärem Na+ (Gesamtzellvolumen × intrazelluläre Na+-Konzentration) nicht groß, was zu einem kleinem NMR-Signal geführt hat. Zur Kompensation der kleinen inneren Na+ -Konzentration, wurde die Zellsuspension bis zu einem OD600-Wert von 50 konzentriert.

Zum Start des Na+-Transports wurde Glucose zur Zellsuspension zugegeben. Die Atmungskette der ausgehungerten Zellen wird dabei gestartet, unter anderem auch Na+-NQR, wobei Na+-Ionen aus der Zelle herausgepumpt werden. Der V. cholerae-WT-Stamm war beim Na+-Transport so aktiv, dass schon nach 2 Minuten Totzeit, die für das Einführen der NMR-Probe in den Magnet notwendig war, das meiste Na+ aus der Zelle herausgepumpt worden war (Abb. 3.4.1). Bei früheren Versuchen, die bei 300 K verliefen, zeigte der V. cholerae-WT-Abbildung 3.4.1: Na+-Transport durch V. cholerae beobachtet mit 23Na-NMR-Spektroskopie. Unten (0 min) ist ein 23Na-Spektrum der ausgehungerten V. cholerae-WT-Zellen (OD600 = 50) mit 10 mM Na5[Tm(DOTP)] und 20 % D2O vor der Zugabe von Glucose gezeigt. Nach der Zugabe von Glucose wurden ca. jede Minute weitere 23Na-Spektren aufgenommen. Signale markiert als Na+innen, Na+außen und Na+Referenz stammen entsprechend von intrazellulärem Na+, extrazellulärem Na+ mit Na5[Tm(DOTP)]

(25 ppm) und von Na+ aus der Referenzkapillare mit 6 mM Na7[Dy(P3O10)2] und 100 mM NaCl (-23 ppm). Die Vergrößerungen (8x) zeigen das intrazelluläre 23Na-Signal. Die Spektren wurden bei 290 K aufgenommen.

68 Na⁺-Transport in lebenden V. cholerae-Zellen Stamm sogar eine noch größere Aktivität, so dass nach 2 Minuten kein Signal des intrazellulären Natriums mehr sichtbar war. Es wurde eine Verschiebung des Na+außen-Signals beobachtet, die an der Veränderung des pH-Wertes lag. Dies wurde im Laufe einer pH-Titration bestätigt, wobei eine lineare Abhängigkeit der 23Na chemischen Verschiebung Na5[Tm(DOTP)] vom pH festgestellt wurde: δ(23Na), ppm) = 12.7 × pH – 72.8 (R2 = 0.997).

Laut der Formel sank 60 min nach der Glucosezugabe der pH-Wert um 0.7-0.9 Einheiten.

3.4.2 Na-Transportaktivitäten von V. cholerae-WT- und ∆nqr-Stämmen

Nachdem die Probenvorbereitung und Messprozedur weitgehend mit V. cholerae-WT etabliert und optimiert war, wurden Versuche mit verschiedenen V. cholerae-Stämmen durchgeführt. Dabei wurden der V. cholerae-WT-Stamm, sowie ein Stamm mit fehlendem Na+ -NQR-Gen (Δnqr) verwendet, die identisch angezogen, geerntet, behandelt und vermessen wurden. Eine große Hilfe dabei leistete Alexander Brosig. Die Na+-Transportaktivitätsstudie zeigte einen deutlichen Unterschied zwischen den beiden Stämmen (Abb. 3.4.2A). Relative Integrale der 23Na-Signale des intrazellulären Na+ wurden gegen die Zeit aufgetragen. Die initialen linearen Bereiche bei den Extrusionskurven wurden mit linearen Funktionen angepasst, was die relativen Raten ergab. Die Na+-Transportaktivität des V. cholerae-WT-Stammes wurde als 100 % gesetzt. Der V. cholerae-Δnqr-Stamm zeigte eine relative Aktivität von 52.7 %. Nach ungefähr 20 Minuten wurde eine vergleichbare Na+-Konzentration in den Zellen erreicht, die danach mit der gleichen Kinetik bei beiden Stämmen durch den Rückfluss von Na+ zunahm.

Bei den gleichen Experimenten mit V. Δnqr/pNQR- und V. cholerae-Δnqr/pNQRΔB-Stämmen wurde sogar ein größerer Unterschied festgestellt (Abb. 3.4.2B). V.

cholerae-Δnqr/pNQR-Stamm zeigte eine sehr ähnliche Aktivität zum V. cholerae-Δnqr-Stamm, jedoch eine ca. 7-fache Aktivität im Vergleich zum V. cholerae-Δnqr/pNQRΔB-Stamm, bei dem die B-Untereinheit (NqrB) fehlte. Interessanterweise wurde der Rückfluss von Na+ in die Zellen nur beim Stamm mit der intakten Na+-NQR beobachtet.

Von Gorecki et al.[74] wurde das Problem beschrieben, dass eine genaue Na+-Detektion mittels 23Na-NMR-Spektroskopie nicht immer möglich ist, weil Na+-Ionen mit Proteinen und anderen Makromolekülen Komplexe bilden können und dadurch mit 23Na-NMR nicht mehr sichtbar sind. Damit dieses Problem adressiert wird, wurde ein Testversuch mit V. cholerae-WT durchgeführt. Eine auf die etablierte Art vorbereitete Zellsuspension wurde mit 23Na-NMR

Abbildung 3.4.2: Glucose-induzierter Na+-Transport durch V. cholerae-Zellen mit und ohne aktive Na+-NQR. A: V. cholerae-WT-Stamm (gefüllte Quadrate) verglichen mit Δnqr-Stamm (leere Quadrate). B: V. cholerae-Δnqr/pNQR-Stamm (gefüllte Kreise) verglichen mit Δnqr/pNQRΔB-Stamm (leere Kreise). Der Punkt bei 0 min zeigt den Zustand vor der Glucosezugabe. Nach 2 min Totzeit wurden 23Na-NMR-Spektren alle 66 s innerhalb von 60 min aufgenommen. Die Spektren wurden bei 290 K aufgenommen. Die relativen initialen Raten waren 100 % für V. cholerae-WT-Stamm (R2 = 0.69), 52.7 % für V. cholerae-Δnqr-Stamm (R2 = 0.86), 52.4 % für V. cholerae-Δnqr/pNQR-Stamm (R2 = 0.90) und 7.5 % für V. cholerae-Δnqr/pNQRΔB-Stamm (R2 = 0.70).

-1 0 1 2 3 4

Wildtyp

∆nqr

I( N a

+

)

innen

, rel at iv es In te gr al

0 10 20 30 40 50 60

-1 0 1 2 3 4 5

∆nqr-pNQR

∆nqr-pNQR∆B

I( N a

+

)

innnen

, r el ati ve s In teg ral

Zeit [min]

A

B

70 Na⁺-Transport in lebenden V. cholerae-Zellen analysiert und dann wurde die Suspension mit konzentrierter HNO3 behandelt, um alle Makromoleküle in den Zellen zu zerstören und Na+ als freies Ion vorliegen zu haben. Danach wurde erneut ein 23Na-Spektrum aufgenommen und mit dem ersten verglichen. Die Summe der Signalintegrale von Na+innen und Na+außen (10.5 und 91.5 entsprechend) im ersten Spektrum wurde mit dem Integral von Gesamt-Na+-Signal (103.8) im zweiten Spektrum verglichen. Das Ergebnis weist darauf hin, dass im Fall des V. cholerae-Bakteriums ca. 85 % des gesamten intrazellulären Natriums mit der 23Na-NMR-Spektroskopie beobachtet werden kann. Dieser Wert muss jedoch in weiteren Studien bestätigt werden.

3.4.3 Zusammenfassung und Diskussion

Im letzten Abschnitt dieser Arbeit wurde in vivo die Funktion des Na+-NQR-Komplexes untersucht. Dafür wurden lebende V. cholerae-Zellen mit der 23Na-NMR-Spektroskopie analysiert. Diese Untersuchung stellte sich als schwierig heraus und für vergleichbare Ergebnisse zwischen den verschiedenen V. cholerae-Stämmen musste ein Protokoll ausgearbeitet werden, um die einzelnen Stämme möglichst unter gleichen Bedingungen anzuziehen und zu behandeln.

Der V. cholerae-Δnqr-Stamm zeigte eine verringerte Na+-Transportrate von ca. 50% der Rate von WT-Stamm, jedoch konnte der Stamm die gleich niedrige intrazelluläre Na+ -Konzentration wie WT-Stamm erreichen. Das spricht für den Einfluss der anderen Membranproteinkomplexe in der Na+-Regulation, vor allem des Na+/H+-Antiporters. Durch die Nutzung des H+-Gradienten ist V. cholerae offensichtlich in der Lage die Na+-Konzentration in der Zelle zu reduzieren, um z.B. die Fortbewegungsfunktion und den Na+/Substrat-Antiporter zu betreiben.

Der Vergleich des V. cholerae-Δnqr-pNQR- mit dem Δnqr-pNQRΔB-Stamm mit der fehlenden NqrB-Untereinheit ergab einen sehr großen Unterschied, sowohl in der initialen Na+ -Extrusionsraten als auch im Verhalten der intrazellulären Na+-Konzentration. Die Extrusionsrate betrug nur 7.5 % der Referenzrate und es wurde kein Rücklauf der Na+-Ionen in die Zelle beobachtet, sondern ein kontinuierliches Absinken der intrazellulären Na+ -Konzentration. Dieses Ergebnis weist auf eine wichtige Rolle der NqrB-Untereinheit für die Funktion und Integrität der Na+-NQR hin. Eine mögliche Erklärung für diese Beobachtung wäre, dass das Na+-Pumpmodul sich an der NqrB befindet. Wenn diese Untereinheit fehlt, würde es bedeuten, dass Na+-NQR nicht mehr in der Lage ist, aktiv Na+-Ionen aus der Zelle zu transportieren. Diese Annahme wird mit der Kristallstruktur der Na+-NQR bestätigt, denn

Steuber et al. zeigten, dass der Na+-Transportkanal der NqrB-Untereinheit zugeordnet werden kann[18].