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Musikpolitische Positionen im Amt Rosenberg

Im Dokument Unterhaltungsmusik im Dritten Reich (Seite 142-145)

3. Programme, Institutionen und Positionen

3.1 Die Unterhaltungsmusik im Kontext nationalsozialistischen Kulturpo- Kulturpo-litik und ihrer Institutionen

3.1.12 Musikpolitische Positionen im Amt Rosenberg

Die im Amt Rosenberg vor allem durch Herbert Gerigk nach außen vertretenen musikpolitischen Positionen waren in erster Linie geprägt von einer strikten Dis-tanz zu sämtlichen Stilelementen, die das „Neue“ in der Musik vor 1933 ausge-macht hatten, namentlich „Disharmonik“ oder „Atonalität“ sowie übertriebene Rhythmik, Effekthascherei und Kitsch. Den Bezugspunkt zur „Rassenfrage“ hat-ten musikalische Traditionalishat-ten wie Hans Pfitzner oder Richard Eichenhauer be-reits vor 1933 aufgezeigt: „Atonalisten, Neutöner, Vierteltonmenschen usw.“ sei-en jüdischer Rasse und folgtsei-en mit der Zerstörung der „harmonischsei-en Mehrstim-migkeit“ instinktiv dem „Gesetz ihrer Rasse“, der jene Art von Musik „urfremd“

sei.101

Klare Angriffe fuhr man aber nicht nur gegen die Elemente der musikalischen Moderne, sondern auch gegen eine oberflächliche Orientierung an einer schein-bar volkstümlichen Popularität von Musik: „Es ist nicht dasselbe, ‚populär’ zu sein oder völkisch zu sein! Dem einen ist das Volk Mittel und Weg, dem anderen ers-ter Antrieb und letztes Ziel.“102 Denn gerade mit jener leichten, populären Musik, wie sie der Rundfunk verbreitete, war man unzufrieden, hatte man sich doch ei-nen wirklichen Bruch mit dem musikalischen Unterhaltungsstil der „Systemzeit“

versprochen: „Wir stehen auf allen Gebieten des Lebens gegen die Verfallser-scheinungen einer vergangenen Zeit in schärfstem Kampf. In unserer Unterhal-tungsmusik aber frisst sich Altes und Überlebtes ins Volk ein wie ein schleichen-des Gift. Der Hauptträger der U-Musik ist heute der Rundfunk.“103 Auch der Kampf gegen jenes „Gift“ war rassisch motiviert, denn „der Jude als Musiker“ galt nämlich nicht nur Vertreter einer „übergeistigen Gehirnmusik“, sondern auch des viel gefährlicheren „erotischen Schlagers“ und war somit verantwortlich für alle

101 Richard Eichenhauer: Musik und Rasse, München 1932, S.273f.

102 Wolf Sluyterman von Langeweyde: Kultur ist Dienst am Volk, Berlin 1937, S.78

103 Müller-Blattau, Josef: Geschichte der deutschen Musik, Berlin 1938, S.308

Prof. Müller-Blattau setzte seine Karriere als Musikwissenschaftler nach dem Krieg ungebrochen fort, wurde Direktor des Staatlichen Konservatoriums in Saarbrücken, aus dem die Staatliche Hochschule für Musik hervorging. Einen von Angriffen gegen „fremdrassige“ Kritiker und Speku-lanten sowie eine „volksfremde Musikzivilisation“ gereinigte Ausgabe von Müller-Blattaus Musik-geschichte findet sich zum Beispiel in der UB Passau. Zahlreiche Passagen, teilweise auch nur einzelne Sätze, sind hier überklebt, die Seiten 307-310 sind herausgetrennt.

musikalischen Erscheinungen, die das deutsche Musikleben angeblich bedroh-ten.104

Vor allen musikalischen Kriterien hatte Gerigk als Grundvoraussetzung für eine Musik, die es überhaupt zu Kritikwürden bringen wollte, die individuelle „Gesin-nung“ ihres Machers gesetzt. Hatte sich der Musikschaffende, sei es Komponist, Texter oder ausführender Musiker, in irgendeiner Weise politisch diskreditiert, konnte seine „weltanschauliche Haltung“ also nicht eindeutig befürwortet wer-den, so brauchten musikalische Kriterien erst gar keine Anwendung mehr zu fin-den. Dieser Grundsatz galt selbstverständlich gesteigert bezüglich der rassischen Disposition.

Positive Leitsätze für eine nationalsozialistische Musikkultur, die jenem Bruch mit der Musik der Moderne hätten erwachsen müssen, blieben weitgehend aus, wie Walter aufzeigt: „Die politische Forderung hatte darum kein reales Pendant im Musikleben (...), sie war eine Leerstelle, die beliebig gefüllt werden konnte. Re-sultat solcher Grundsätze konnte darum in der praktischen Musikpolitik gerade jener ‚Individualismus’ sein, den die Nationalsozialisten ja erklärtermaßen ausrot-ten wollausrot-ten, denn es entschied sich, wie die vielen widersprüchlichen Entschei-dungen über die Musik im Dritten Reich zeigen, letztlich immer auf der lokalen Leitungsebene, was dem ‚Ohr’ angemessen war oder nicht.“105

3.1.13 Zusammenfassung

In kulturpolitischer Hinsicht machten die Nationalsozialisten in den ersten Mona-ten nach der Machtergreifung nicht mit einem klaren positiven Konzept, sondern einer ganzen Reihe von unkoordinierten Einzelaktionen von sich reden. Das Fanal der Bücherverbrennungen weckte bei den verbündeten Konservativen zwiespälti-ge Gefühle: Während die Werke von Heinrich Heine und Thomas Mann brannten, blieben die verachteten Erzeugnisse der Populärkultur („Schmutz und Schund“) weitgehend unangetastet.

Die Etablierung einer umfassenden Kulturbürokratie war nicht zuletzt eine Folge der Kritik an den diversen Einzelaktionen des Jahres 1933 angesichts des

104 Richard Eichenhauer: „Über die Grundsätze rassekundlicher Musikbetrachtung, in: Guido Wald-mann (Hrsg.): Rasse und Musik. Bd. 3 der Schriftenreihe Musikalische Volksforschung, hrsg. Im Auftrage der Reichsjugendführung von Guido Waldmann, Berlin 1939, S.42

105 Michael Walter: Die Melodie als solche erhebt die Herzen und erquickt die Gemüter, Musikpolitik und Oper nach 1933, in: FZMw, 1998, Heft 1, S.18

lenwertes der „Kultur“ im weltanschaulichen Programm der Nationalsozialisten.

Der Bündelung der inhaltlichen und personellen Kompetenzen in RMVP und RKK gingen zum Teil erhebliche Machtkämpfe voraus, in die vor allem die Herren Ley, Rosenberg, Frick und Goebbels verwickelt waren.

Schließlich differenzierte sich die Kulturbürokratie immer weiter aus. Um eine staatliche Musikpolitik betreiben zu können, bediente man sich einerseits dem berufsständischen Instrument einer für konsequente personelle Kontrolle sorgen-den Musikkammer, andererseits sorgte Goebbels mit einer starken ministerialen Musikabteilung dafür, dass inhaltliche Fragen ganz nahe in seinem Machtbereich entschieden wurden. Hier war auch die zentrale Prüfstelle beheimatet, die seit 1939 die berüchtigten „Listen unerwünschter musikalischer Werke“ zusammen-stellte. Für die Umsetzung und Überwachung der Entscheidungen aus Ministeri-um und RMVP war die RMK als ausführendes Organ zuständig.

3.2 Der Weg zur Gründung der RMK aus Sicht der

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