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Das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda (RMVP)

Im Dokument Unterhaltungsmusik im Dritten Reich (Seite 122-126)

3. Programme, Institutionen und Positionen

3.1 Die Unterhaltungsmusik im Kontext nationalsozialistischen Kulturpo- Kulturpo-litik und ihrer Institutionen

3.1.5 Das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda (RMVP)

Der Kunstsommer 1933 glich einem Schlachtfeld, auf dem die „künstlerische Ge-genrevolution“ ungehindert in Richtung eines geistigen Primitivismus marschie-ren konnte, den nicht zuletzt Alfred Rosenbergs rein negative Selektionskriterien zu verantworten hatten.35 Die kritischen Stimmen gegen einen solchen Kurs auch innerhalb der NSDAP schufen das Klima für den Aufstieg einer einheitlich geführ-ten Kulturbürokratie.

Mit der Gründung des RMVP am 13. März 1933 hatte die eben in ihrer Mehrheit bestätigte junge nationalsozialistische Regierung ein institutionelles Novum ge-schaffen, mit dem durch die Bündelung einer Fülle von Kompetenzen eine beson-ders effiziente Arbeit gewährleistet werden sollte. Der Gründungserlass des Reichspräsidenten, gegen die Bedenken des Wirtschaftsministers und Medien-Magnaten Alfred Hugenberg (DNVP) durchgesetzt, war zunächst jedoch mehr ein Startschuss im Kampf um Zuständigkeiten, da anstatt einer direkten Fixierung des Kompetenzbereichs der Reichskanzler dazu ermächtigt wurde, diesen exakt festzulegen.36 Für Goebbels bot diese Regelung Chance und Risiko

34 Frankfurter Zeitung vom 20.05.1933, zitiert nach Richard, S.194

35 Vgl. Brenner, S.39

36 Vgl. Ralf Georg Reuth: Goebbels, München 1990, S. 288

ßen. Einerseits wurde es ihm so möglich, die für ihn interessantesten Zuständig-keiten flexibel in seinem Machtbereich zu vereinigen, andererseits setzte er sich auf diese Weise von Anfang an in eine Konkurrenzsituation zu anderen Ministe-rien, die ihrerseits um die betreffenden Kompetenzen beschnitten zu werden drohten. Ohne eigene Hausmacht und ohne den Bonus der ministerialen Traditi-on, nahm Goebbels’ Ministerium die Arbeit auf Grundlage der permanent not-wendigen persönlichen Rückendeckung durch Hitler auf. Vor allem Reichsinnen-minister Wilhelm Frick konnte sich nur schwer mit dem Verlust der wichtigsten Zuständigkeiten in kulturellen Fragen anfreunden, kam diese Beschneidung doch auch einer offensichtlichen Geringschätzung seiner kulturpolitischen Vorarbeiten gleich.

Mit der „Verordnung über die Aufgaben des Reichsministeriums für Volksaufklä-rung und Propaganda“ vom 30. Juni 1933 erfolgte schließlich die endgültige Gründung des RMVP, das künftig „zuständig für alle Aufgaben der geistigen Ein-wirkung auf die Nation, der Werbung für Staat, Kultur und Wirtschaft, der Unter-richtung der in- und ausländischen Öffentlichkeit über sie und der Verwaltung aller diesen Zwecken dienenden Einrichtungen” sein sollte.37

Auf Grundlage dieser Verordnung hatte Goebbels aus dem Geschäftsbereich des Reichsinnenministeriums gleich eine ganze Reihe wichtiger Kompetenzen über-nommen, und zwar bezüglich Kunst, Musikpflege und Theaterangelegenheiten, sowie in Belangen des Rundfunks, des Lichtspielwesens und bei der sogenannten Bekämpfung von „Schund und Schmutz“.38 Weiter musste das Auswärtige Amt (AA) Kompetenzen abgeben, indem es auf Zuständigkeiten in Sachen Kunst und Film im Ausland verzichtete, während das Wirtschaftsministerium die Bereiche Wirtschaftswerbung und Fremdenverkehr abtrat. Vor allem aber konnte Goebbels nun alle (auch die technischen) Rundfunkangelegenheiten, soweit sie bisher im Ressort des Reichspostministers gelegen hatten, in seinem Ministerium bündeln.

Im Bemühen um die angestrebte Verantwortlichkeit für den großen Themenkom-plex „Wissenschaft und Lehre“ musste sich Goebbels allerdings dem Minister für Wissenschaft und Erziehung Bernhard Rust geschlagen geben, der zudem beson-deres Interesse an der Musikpolitik gezeigt hatte. Im Juni 1933 gewann Rust un-ter anderem die Kulturgrößen Wilhelm Furtwängler und Max von Schillings für eine Organisation, die sämtliche Programme aller Musikorganisationen Berlins

37 Verordnung des Reichskanzlers über die Aufgaben des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda (RGBl. I 1933, S.449), zitiert nach Faustmann, S.29

38 Vgl. Faustmann, S.29

überwachen und zensieren sollte. Als Präsident der Preußischen Akademie der Künste machte Schillings mit der Entlassung Arnold Schönbergs entsprechend von sich reden. Laut Levi war er von Hitler persönlich zu einer Neuorganisation des Musiklebens autorisiert worden und vermutlich wäre so eine Konkurrenz zur Goebbels-Administration nicht ausgeblieben, wenn Schillings nicht bereits uner-wartet im Juli 1933 verstorben wäre.39

Das Neue, ja Revolutionäre des „Superministeriums“ RMVP manifestierte sich neben der Kompetenzfülle auch in seiner Binnenstruktur sowie im Führungsstil Goebbels’. Das Durchschnittsalter der Mitarbeiter lag mit 38,9 Jahren ca. fünf Jahre unter dem Durchschnitt anderer Ministerien, mehr als die Hälfte besaßen eine akademische Ausbildung.40 Mit seinen 35 Jahren war Goebbels nicht nur der jüngste Minister im Kabinett, sondern galt auch durch sein intellektuelles Poten-tial als Ausnahmeerscheinung. Sein besonderes Augenmerk galt der Vermeidung einer übertriebenen Bürokratisierung des Kulturbetriebs, ständig sorgte er sich darum, den modernen Geist und revolutionären Elan des Ministeriums zu erhal-ten: Goebbels schränkte den Umfang einer Ministervorlage auf maximal fünf Sei-ten unter Verzicht auf Kanzleideutsch ein, plädiert für kurze Amtswege und schnelle Entscheidungen, die auch auf der Grundlage mündlicher Kommunikation zustande kommen konnten. Das Leopold-Palais sollte auch äußerlich den neuen Kurs widerspiegeln: „Nun schreitet im Ministerium der Umbau mit einer bewun-dernswürdigen Schnelligkeit vorwärts. Alle Widerstände sind gebrochen, nur in den Ecken wimmert noch kaum vernehmlich ein sterbender Amtsschimmel.“, lob-te Goebbels seinen eigenen Elan.41

Dass Goebbels im Gegensatz zu anderen Parteigrößen, namentlich Rosenberg, alles andere als ein starrer Dogmatiker war, darüber sind die Biographen sich einig. Ob opportunistisches persönliches Machtstreben, Kompensationsbedürfnis für seine körperlichen Nachteile oder ein fanatischer metaphysischer Glaube an Hitler seinen propagandistischen Leistungen zugrunde lagen, darüber kann ge-stritten werden – fest stehen zum einen sein persönlicher Ehrgeiz und zum ande-ren seine intensive, ja libidinöse Beziehung zum „Führer“, der ihm immer wieder

39 Eric Levi: Music in the Third Reich, Basingstoke, 1994, S.18

40 Ernst K. Bramstedt: Goebbels und die nationalsozialistische Propaganda 1925-1945, Frankfurt (M) 1971, S.112f.

41 Goebbels zitiert nach: Heinrich Fraenkel / Roger Manvell: Goebbels. Eine Biographie, Köln 1960, S.180

aufs Neue Orientierung und Kraft gab, vor allem aber auch oft Rückendeckung bei parteiinternen Konkurrenzen gewährte.

Als Reichsaußenminister von Neurath 1938 durch von Ribbentrop abgelöst wur-de, begann sich zwischen Goebbels und dem AA ein dauerhaftes Spannungsver-hältnis zu entwickeln. Der Kampf um die Zuständigkeit für die Auslandspresse konnte das RMVP dank Hitlers Eingreifen für sich entscheiden. Im Bereich In-landspresse musste Goebbels dagegen weiter mit dem Pressechef der Reichsre-gierung und Reichspressechef der NSDAP Otto Dietrich konkurrieren, sowie mit Max Amman, dem Chef des parteieigenen Eher-Verlages und Hauptschriftleiter des Zentralverlags Völkischer Beobachter. Auch das deutsche Theaterleben war nicht frei von sonstigen Machtansprüchen: Als Preußischer Ministerpräsident hat-te Hermann Göring bereits im Februar 1933 den Preußischen Theahat-terausschuss errichtet und so seine Ansprüche auf eine Mitsprache in Theaterfragen angemel-det.

Die allseits bekannte Dauerkonkurrenz zu Alfred Rosenberg und dessen kulturpo-litischen Bemühungen war gekennzeichnet durch den Vorwurf der mangelnden ideologischen Ausrichtung von Goebbels’ pragmatisch orientierter, flexibler Poli-tik. Die „Dienststelle des Beauftragten des Führers“ verfügte unter anderem über die Ämter Musik und Schrifttumspflege, deren Protagonisten, allen voran Herbert Gerigk, sich immer wieder gemüßigt fühlten, die praktische Kulturarbeit an ihren Standpunkten zu messen. Michael Walter weist darauf hin, dass Gerigk, Leiter der Musikabteilung der NSKG, des Kulturpolitischen Archivs im Amt Rosenberg seit 1935 und schließlich Leiter der dortigen Hauptstelle Musik, als ausgewiese-ner Musikfachmann gleichsam als der „Erfinder der Musikpolitik der Rosenberg-Fraktion“ angesehen werden kann.42 Seine regelmäßigen Musikkritiken in den

„Nationalsozialistischen Monatsheften“, in „Die Musik“ und im „Völkischen Beob-achter“ hatten meist den „Charakter amtlicher Verlautbarungen des Amtes Ro-senberg“, die nicht selten im Gegensatz zu musikpolitischen Ansichten und Maß-nahmen aus dem RMVP standen. Walter spricht sogar von derartig gravierenden Unterschieden, dass von „der“ nationalsozialistischen Musikpolitik gar nicht mehr gesprochen werden könne.43

42 Michael Walter: Die Melodie als solche erhebt die Herzen und erquickt die Gemüter, Musikpolitik und Oper nach 1933, in: FZMw, 1998, Heft 1, S.25

43 Ebd., S.22

Im Dokument Unterhaltungsmusik im Dritten Reich (Seite 122-126)