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2 Literaturübersicht

2.2 Eigenschaften von Campylobacter spp

2.2.1 Morphologie

Campylobacter spp. sind Gram-negative, bewegliche, sporenlose Stäbchen und bei 0,2-0,5 µm Breite und 0.5-8 µm Länge charakteristisch gebogen oder S-förmig bis spiralig gewunden (VANDAMME et al. 2000). Nach Karmali können sie auch aufgrund ihres ausgeprägten Polymorphismus nach Amplitude und Wellenlänge der Windung des Stäbchens in klein (Campylobacter jejuni/Campylobacter coli), mittel (Campylobacter fetus subsp. fetus) und groß gewundene (Campylobacter fetus subsp. venerenalis) Vertreter klassifiziert werden (KARMALI et al. 1981). Die primär humanpathogenen Spezies C. jejuni und C. coli sowie die sporadisch infektiösen C. lari und C. upsaliensis sind thermophil, optimales Wachstum zeigen sie bei 41,5°C. Die meisten Vertreter dieser Spezies besitzen polare, seltener bipolare monotriche Geißeln, welche die spezifische korkenzieherartige Bewegung hervorrufen (SMIBERT 1978). Auch die Kolonien von Campylobacter spp. sind polymorph, sie variieren sowohl durch das verwendete Kultivierungsmedium als auch graduell durch die Spezies. Unter optimalen Anzuchtsbedingungen bilden Campylobacter spp. kleine, fein granulierte, flache, unregelmäßig abgegrenzte, oft schwärmende Kolonien mit etwa ein bis zwei Millimeter Durchmesser (SKIRROW u.

BENJAMIN 1980a). Diese erscheinen grau bis braun-rot (WANG et al. 1978), werden mit der Zeit zunehmend rau sowie metallisch glänzend und bei abnehmender Feuchtigkeit rund, glatt als auch erhaben (BUCK u. KELLY 1981). Campylobacter zeigen auf Blutagar keine Hämolyse und sind geruchlos (SMIBERT 1978;

NACHAMKIN et al. 2000).

Literaturübersicht 4 2.2.2 Physiologie und Kultivierung

Campylobacter spp. können Kohlenhydrate weder fermentativ noch oxidativ zur Energiegewinnung umsetzen (VANDAMME u. DE LEY 1991). Ihre Energiequellen sind Aminosäuren wie Glutamat, Aspartat und Serin sowie intermediäre Metabolite aus dem Tricarbonsäure-Zyklus wie Succinat, Fumarat, Lactat und Malat (HENSYL 1994). Campylobacter spp. sind Cytochrom-Oxidase positiv sowie Katalase positiv (ROOP et al. 1984). Dagegen sind C. upsaliensis, C. sputorum, C. mucosalis sowie C. concisus jedoch Katalase negativ (GRANT u. PARK 1995). Eisen ist für Campylobacter spp. essentiell und kann aus Hämin und Hämoglobin eines Wirtes verwertet werden (PARK 2002). Optimale Wachstumsbedingungen für Campylobacter spp. bis zur stationären Phase nach 24-48h Inkubation herrschen in mikroaerober Atmosphäre unter 5% O2, 10% CO2 und 85% N2 (BOLTON u. COATES 1983; DOYLE 1984; CORRY et al. 1995) bei Temperaturen von 35,5°C bis 45°C (SMIBERT 1978; SKIRROW u. BENJAMIN 1980a; SKIRROW 1994). Ein geringer Anteil an Wasserstoff kann das Wachstum thermophiler Spezies zusätzlich fördern (SKIRROW 1991). Diverse Selektivmedien sind zur Anzucht von Campylobacter spp.

entwickelt worden. Die Kultivierungsmedien enthalten in aller Regel Zusätze wie Blut und Blutbestandteile, Kohle oder Eisen-II-Pyruvat (FBP), um die genotoxischen Einflüsse von Sauerstoffradikalen sowie der Per- und Superoxiden abzumildern, gegenüber denen Campylobacter relativ empfindlich sind (SKIRROW 1977;

KARMALI et al. 1986). Suboptimales Wachstum zeigen Campylobacter bei reduziertem Feuchtigkeitsgehalt der Nährböden, bei zu nassen Platten haben sie die Tendenz zum Schwärmen. Campylobacter spp. lassen sich aber auch aerob, mesophil und auf einfachen Medien wie Standard- oder Blutagar kultivieren (ROLLINS u. COLWELL 1986; BUSWELL et al. 1998). Für die Isolierung von Campylobacter spp. aus Lebensmitteln ist im Regelfall eine Voranreicherung unumgänglich. Oft verwandte Flüssigmedien sind die Preston-, Exeter- und Bolton-Bouillon (CORRY et al. 1995). Bei hoher Keimdichte wie in Kot, Darminhalt, rohem Geflügelfleisch und Innereien kann bei entsprechender dezimaler Verdünnung das Oberflächenspatelverfahren ohne Voranreicherung angewendet werden. Es werden aufgrund der heterogenen Antibiotika-Resistenzen zur Minimierung falsch negativer Ergebnisse parallel mindestens zwei feste Selektivmedien zur Isolierung empfohlen.

Zum Einsatz kommen daher Medien mit variierenden Anteilen antibiotischer Zusätze wie die bluthaltigen Selektivmedien Campy-BAP-Agar (BLASER et al. 1978) und

Literaturübersicht 5 Skirrow-Agar (SKIRROW 1977) sowie kohlehaltigen Selektivnährböden wie der modifizierte Charcoal-Cefoperazon-Desoxycholat-Agar (mCCDA) oder Karmali-Agar (BOLTON et al. 1984; KARMALI et al. 1986) (Tab. 1). Die anzuwendende Vorgehensweise bei der Untersuchung auf thermophile Campylobacter spp. wird dabei in unregelmäßigen Abständen von der Internationalen Organisation für Normung (ISO) als EN ISO 10272 aktualisiert.

Tabelle 1: Feste Selektivnährböden zum Nachweis thermophiler Campylobacter spp.

Columbia Agar Basis 39g/L

Blutagar Basis Nr. 2 +

Brucella Agar Basis +

Nutrient Broth No. 2 25g/L

Agar-Agar 12g/L

Defibr. Schafsblut 10%

Lysiertes Pferdeblut 5-7%

* bezogen auf 1ml fertigen Nährboden

2.2.3 Tenazität

Schädigende Umwelteinflüsse tolerieren Campylobacter spp. erheblich schlechter als andere Bakterien. Die Fähigkeit zur physiologischen Adaptation scheint genetisch eingeschränkt zu sein (PARK 2002). Im Vergleich mit anderen Lebensmittel-Infektionserregern, z. B. Salmonellen, sind Campylobacter spp. relativ anfällig gegenüber Stressoren und die Widerstandsfähigkeit ist besonders in trockenem und saurem Ambiente eher schlecht. Campylobacter spp. weisen nur eine geringe Sauerstofftoleranz auf und reagieren empfindlich gegenüber den negativen Einflüssen von genotoxisch wirkenden Sauerstoffradikalen sowie Per- und

Literaturübersicht 6 Superoxiden (PARK 2002). Eine mikroaerobe Atmosphäre aus 85% N2, 5% O2 und 10% CO2 (BOLTON u. COATES 1983) stellt Optimalbedingungen dar.

Campylobacter spp. sind bei Temperaturen unterhalb von +30°C nicht mehr vermehrungsfähig, auch wenn bei +4°C vielfach ein Überleben in verschiedenen Umgebungen über mehrere Tage bis Wochen nachgewiesen worden ist (ROLLINS u. COLWELL 1986; BUSWELL et al. 1998; PARK 2002; COOK u. BOLSTER 2007).

Auch die Überlebensrate von C. jejuni und C. coli ist bei Kühltemperaturen um +4°C höher als bei Raumtemperatur (BLASER et al. 1980). Kälteschockproteine können nicht synthetisiert werden (PARKHILL et al. 2000), daher schädigen Gefrier-Temperaturen die meisten, wenn gleich nicht alle Campylobacter spp. letal (OOSTEROM et al. 1983b; CHAN et al. 2001; BIRK et al. 2006; EL-SHIBINY et al.

2009a). So können auch Temperaturen unter -20°C überlebt werden (SANDBERG et al. 2005; HANEL u. ATANASSOVA 2007; RITZ et al. 2007), dieser Anteil an subletal geschädigten Campylobacter stellt ein potentielles Restrisiko für den Verbraucher dar (JASSON et al. 2007). Campylobacter spp. werden schnell von Hitze inaktiviert.

Durch die Synthese von Hitzeschockproteinen sind Erwärmungen zwischen 43°C und 46°C subletal, da diese nur knapp oberhalb der idealen Wachstumstemperaturen von thermophilen Campylobacter liegen, die Virulenz wird nicht beeinflusst (KONKEL et al. 1999). Zelltod und Proteindenaturierung erfolgen ab Temperaturen zwischen 56°C und 57°C (NGUYEN et al. 2006).

Campylobacter spp. sind sensibel gegenüber Austrocknung unter einem aw-Wert von 0,97 (DOYLE u. ROMAN 1982b; ALTEKRUSE et al. 1998). OOSTEROM et al.

(1983a) konnten Campylobacter jejuni nur von feuchten Edelstahl-Flächen isolieren, nach Abtrocknung bei Raumtemperatur waren innerhalb von 4 Stunden keine Campylobacter spp. mehr nachweisbar. Campylobacter jejuni erwies sich in dieser Studie deutlich empfindlicher gegenüber Austrocknung als Staphylococcus aureus und Salmonella Enteritidis.

Thermophile Campylobacter spp. zeigen bei Kochsalz-Gehalten zwischen 0,5% und 1% optimales Wachstum, für Campylobacter jejuni in Brucella-Bouillon bei 42°C ist ein Salzgehalt nahe 0,5% optimal (aw-Wert> 0,997) (DOYLE u. ROMAN 1982a).

C. coli und C. jejuni können durch kontinuierliche Passagierung an Salzgehalte bis 3% adaptiert werden (GLÜNDER 1993). Die NaCl-Toleranz von Campylobacter spp.

ist zusätzlich temperaturabhängig: Salzkonzentrationen von 2-4% (aw-Wert>

0,987-Literaturübersicht 7 0,971) werden bei +4°C deutlich besser toleriert als bei +25°C und führen bei +42°C zu schnellem Absterben (DOYLE u. ROMAN 1982a; JACOBS-REITSMA et al. 2000).

Campylobacter spp. reagieren empfindlich auf sehr saure sowie sehr alkalische pH-Werte. Sie zeigen Wachstum zwischen pH 5,5 bis pH 9,5, das pH-Optimum für C.

jejuni liegt bei pH 6,5 bis pH 7,5 (DOYLE u. ROMAN 1981). Schwach-saueres Milieu zwischen pH 4 und 6 ist subletal und mindert die Wiederfindungsrate, Werte unterhalb von pH 4 führen innerhalb von zwei Stunden zum Absterben von C. jejuni und C. coli. Extrem saure Umgebungen von pH 3 überleben C. jejuni nicht (BLASER et al. 1980; DOYLE u. ROMAN 1981). Synergistisch eingesetzte organische Säuren haben schon bei pH 4 und 4,5 einen sicheren bakteriziden Effekt auf C. jejuni und C.

coli (CHAVEERACH et al. 2002).

Das Überleben in der Umwelt bei suboptimalen Umgebungsbedingungen von Campylobacter spp. sichert der Übergang in eine stationäre Zellphase mit reduzierter metabolischer Aktivität. Dies wird als ein "viable but non-culturable"-Stadium (VBNC) beschrieben (ROLLINS u. COLWELL 1986). Ein Wachstum unter den üblichen Kultivierungsbedingungen ist in diesem Stadium nicht möglich. Die Zellen erscheinen morphologisch degeneriert, kokkoid oder sphärisch (THOMAS et al. 1999), die Respirationsraten, die ATP-Produktion und die Proteinbiosynthese sind reduziert, die Membranbeschaffenheit weniger durable (THOLOZAN et al. 1999; OLIVER 2005).

VNBC-Zellen werden auch bei alternden Kolonien in Kultur, bei längeren Lagerungszeiten und ungünstiger Energieversorgung beobachtet. Campylobacter spp. können sich aus dem VBNC-Stadium regenerieren und ihre Virulenz unter bestimmten Bedingungen wiedererlangen (JONES et al. 1991; SAHA et al. 1991).

Die Pathogenität während des VBNC-Stadiums wird kontrovers beurteilt und stellt ein ungeklärtes Risiko humaner Erkrankungen dar (OLIVER 2010). Möglicherweise beruht sie im VBNC-Stadium auf einem geringen Anteil an Zellen, die ihr Wachstum nie eingestellt haben und lediglich eine geringgradig degenerierte Form angenommen haben (BOVILL u. MACKEY 1997; KELL et al. 1998; KLANCNIK et al.

2009).

Campylobacter spp. besitzen die Fähigkeit, in unterschiedlichen Umgebungen und auf Oberflächen über extrazelluläre Polymere, der Glykokalix sowie Brücken zwischen den Flagellen einen synergistischen vernetzten Zellverbund zu bilden (MOE et al. 2010). So entwickelt sich dieser Biofilm aerob schneller als in mikroaerober Atmosphäre (REUTER et al. 2010). Die Überlebensfähigkeit der

Literaturübersicht 8 einzelnen Zellen des Biofilms im Gegensatz zum freien Zustand wird kontrovers diskutiert. BUSWELL et al. (1998) und TRACHOO et al. (2002) wiesen Campylobacter im Biofilm ein längeres Überleben nach, DYKES et al. (2003) hingegen eine geringere Stressresistenz als im freien Zustand.

Campylobacter spp. können in Protozoen überleben und so partiell gegenüber Desinfektion geschützt sein (SNELLING et al. 2006; SNELLING et al. 2007;

SNELLING et al. 2008), dies kommt als eine Erklärung für die Persistenz von Campylobacter spp. gerade in Wasser bei niedrigen Temperaturen in Betracht und stellt ein Risiko in den Tränkewasserleitungen in Geflügelhaltungen dar (AXELSSON-OLSSON et al. 2010). Im Sinne einer Campylobacter-Dekontamination von Lebensmitteln wird eine Oberflächenreduktion von 99% bei Bestrahlung mit einer Kobalt-60 Quelle mit 0,5Kgy erreicht (YOGASUNDRAM et al. 1987; PATTERSON 1995), eine Reduktion bis unterhalb der Nachweisgrenze bei einer Hochdruckbehandlung von 325-400MPa über 10 Minuten (SOLOMON u. HOOVER 2004) und eine Inhibierung des Wachstums bei Behandlung mit ätherischen Ölen wie Bergamot-Öl und Linalool-Öl erreicht (FISHER u. PHILLIPS 2006).

2.2.4 Identifizierung

Durch die eingeschränkte biochemische Aktivität und das langsame, anspruchsvolle Wachstum von Campylobacter spp. ist die Speziesdifferenzierung auf komplexe phänotypische und genotypische Methoden angewiesen, eine Identifizierung erfolgt derzeit oft molekularbiologisch. In epidemiologischen Studien kann es sinnvoll sein, mehrere Typisierungsverfahren zu kombinieren, um die Sicherheit der Ergebnisse zu erhöhen.

Phänotypisierung

Eine alleinige phänotypische Einordnung der verschiedenen Campylobacter spp.

bereitet durch die variierende Morphologie, die relative biochemische Inaktivität und diverse, uneinheitliche Antibiotika-Resistenzen vor allem in der Reproduzierbarkeit als auch in einer Standardisierung der Methoden erhebliche Schwierigkeiten. Neben einer Einordnung über die mikroskopische und Koloniemorphologie sowie dem Gram-Verhalten sind typische biochemische Untersuchungen die Oxidase-Reaktion und die Katalase-Reaktion (ROOP et al. 1984). Ein auf biochemischen

Literaturübersicht 9 Untersuchungen basierendes Schema differenziert 18 Campylobacter-Spezies (BOLTON et al. 1992), ein erweitertes Schema charakterisiert insgesamt 37 taxonomische Gruppen von Campylobacter, Heliobacter und Arcobacter (ON u.

HOLMES 1995). Zur Unterscheidung von C. jejuni und C. coli ist die Hippurat-Hydrolyse eine etablierte, aber keine sichere Methode (SKIRROW u. BENJAMIN 1980b). Denn TOTTEN et al. (1987) haben Isolate von C. jejuni subsp. doylei nachgewiesen, die Hippurat nicht lysieren können. Auch die H2S-Hydrolyse, Nitrat-Reduktion, Urease-Bildung und Indoxyl-Acetat-Hydrolyse sowie die Resistenz gegenüber Cefalotin und Nalidixinsäure können zur Speziesdifferenzierung herangezogen werden (SKIRROW u. BENJAMIN 1980a; VANDAMME et al. 2000).

(Tab. 2)

Tabelle 2: Identifizierung und Differenzierung von ausgewählten thermophilen Campylobacter spp. nach VANDAMME et al. (1991; 1992)

C. jejuni C. coli C. lari C. upsaliensis

Gram-Verhalten negativ

Morphologie kleine, gewundene oder spiralige Stäbchen

Oxidase Reaktion positiv positiv positiv positiv Katalase Reaktion positiv positiv positiv schwach

positiv Motilität positiv positiv positiv positiv Nitrat Reduktion positiv positiv positiv positiv Urease Reaktion negativ negativ variabel negativ Wachstum bei 25°C negativ negativ negativ negativ Wachstum bei 41,5°C auf

Blutagar, mikroaerob, 24-48h positiv positiv positiv positiv Wachstum bei 41,5°C auf

Blutagar, aerob, 24-48h negativ negativ negativ negativ H2S Produktion

auf Eisen-III-Zucker-Agar negativ variabel negativ negativ Indol Hydrolyse positiv positiv negativ positiv Hippurat Hydrolyse positiv negativ negativ negativ Nalidixinsäure Sensibilität sensitiv sensitiv resistent sensitiv Cefalotin Sensibilität resistent resistent resistent sensitiv

Eine Serotypisierung kann als antikörper-basierte Untersuchung über Immunoassays, mittels ELISA oder Agglutinations-Reaktionen sichtbar gemacht werden. Zwei auf unterschiedlichen Antigen-Gruppen orientierte Serotypisierung-Schemata sind entwickelt worden: das Lior-Schema weist mittels poly- und monoklonaler Antikörper hitze-labile H-Oberflächen-Antigene in der Objektträger-agglutination nach, das Penner-Schema basiert auf dem Nachweis löslicher, hitze-stabiler O-Oberflächen-Antigene durch passive Hämagglutination. Man unterscheidet derzeit über 160 Serogruppen von C. jejuni, C. coli und C. lari. Kombiniert erweisen

Literaturübersicht 10 sich diese beiden Serotypisierungsverfahren als hoch diskriminierend (NACHAMKIN et al. 1998). Dennoch gibt es einen hohen Anteil nicht-phänotypisch einordbarer Isolate (WASSENAAR u. NEWELL 2000). So gelten genotypische Differenzierungs-methoden gerade bei weniger häufigen Spezies als spezifischer und verlässlicher (DINGLE et al. 2005). Campylobacter spp. können zusätzlich aufgrund der Expression von Phagenrezeptoren über ein spezifisches Lysisprofil mithilfe von 16 Campylobacter-Bakteriophagen charakterisiert werden. Basierend auf ihren lytischen Fähigkeiten können mit Hilfe dieser 16 Phagen die jeweiligen, bestimmten Campylobacter-Stämme typisiert werden (FROST et al. 1999).

Genotypisierung

Genotypische Verfahren sind in ihrer Aussagekraft den serotypischen Methoden überlegen (HANNINEN et al. 1999; RAUTELIN et al. 1999; NIELSEN et al. 2000;

WASSENAAR u. NEWELL 2000). Die nachgewiesenen chromosomalen Unterschiede in Genotypen sind stabil und stark diskriminierend, daher sind diese Methoden gut reproduzierbar und unabhängig von Kulturbedingungen oder Expression bestimmter Antigene. Besonders für epidemiologische Studien sind die Pulsfeldgelelektrophorese (PFGE), das Flagellin-Typing (fla typing) und die AFLP (Amplified Fragment Length Polymorphism) weit verbreitet (WASSENAAR u.

NEWELL 2000). Die sequenz-basierten Methoden der Polymerase-Ketten-Reaktion (PCR) mit RFLP (restriction fragment length polymorphism) und das Multilocus-Sequenz-Typing (MLST) sind für vertiefende Untersuchungen durch ihren höheren Diskriminierungsgrad und die Vertrauenswürdigkeit besser geeignet (DINGLE et al.

2005). Das MLST ist eine genotypische Differenzierungsmethode mit einem hohen Maß an Reproduzierbarkeit und Übertragbarkeit der Ergebnisse. Für die verlässliche Sequenzierung von Campylobacter spp. werden sieben House-keeping Gene analysiert. Diese speziellen Gene sind in allen Isolaten vorhanden und in den stabilen, möglichst gering veränderlichen Bereichen der Genfragmente lokalisiert, weisen aber ausreichend Allel-Variationen auf, um ein hohes Diskriminierungs-potential zu gewährleisten. So können sicher Subtypen und genetische Verwandt-schaft der Isolate erkannt werden (MAIDEN et al. 1998; DINGLE et al. 2001;

MAIDEN 2006).

Literaturübersicht 11 2.3 Quellen und Reservoire von Campylobacter spp.

Campylobacter spp. sind asymptomatische Kommensalen der normalen Darmflora vieler warmblütiger Tiere, die so Reservoir und Infektionsquelle für den Menschen sein können (HUMPHREY et al. 2007b). Bei landwirtschaftlichen Nutztieren wie Schweinen, Rindern und Schafen als auch bei Haus- und Heimtieren sind Campylobacter spp. regelmäßig aus dem Gastrointestinaltrakt zu isolieren (Tab. 4-7) (NACHAMKIN 2001). Vögel mit einer Körpertemperatur von 42°C, besonders Nutzgeflügel, scheinen die bevorzugt besiedelten Wirte von Campylobacter spp. zu sein (EFSA 2011b) (Tab. 8 und 9). Konsequenterweise findet man demnach Campylobacter spp. durch den fäkalen Eintrag von Wild- und Nutztieren weit verbreitet in der Umwelt. Während Oberflächengewässer wie Flüsse und Badeseen regelmäßig durch den Eintrag von Jauche und Düngemist kontaminiert sind, ist der Nachweis in Grund- und Brunnenwasser eher selten (MOORE et al. 2001) (Tab. 3).

Literaturübersicht 12 Tabelle 3: Vorkommen von Campylobacter spp. in der Umwelt

Untersuchungsmaterial Herkunft der Proben Ergebnisse Autoren

Acker und Gewässer Verschiedene europäische Länder C. jejuni Infektionen

STANLEY et al.

Sechs Badeseen Niederlande

58 bis 92 % mit MPN

über drei Jahre Kanada

Campylobacter spp.

Campylobacter spp., insbesondere C. coli werden regelmäßig bei gesunden Schweinen nachgewiesen und gelten als Kommensalen des Schweins (HARVEY et al. 1999; ALTER et al. 2005) (Tab. 4).

Literaturübersicht 13 Tabelle 4: Vorkommen von Campylobacter spp. bei Schweinen

Untersuchungsmaterial Herkunft der Proben Ergebnisse Autoren 595 Schlachtkörper von

Mastschweinen USA, Texas

Campylobacter spp.

15 Betrieben Deutschland

Prävalenzsteigerung davon 118 Isolate als C. coli identifiziert

FARZAN et al. (2010)

292 lebende Schweine,

254 Schlachtkörpern USA

Campylobacter spp. und tech. Equipment des Schlachthofs

Landwirtschaftliche Nutzwiederkäuer sind häufig mit thermophilen Campylobacter spp. kolonisiert, ohne dass dies zu klinischen Erscheinungen führt (Tab. 5) (STEINER et al. 1997; BUSATO et al. 1999). Bei Rindern können oft mehrere unterschiedliche Campylobacter spp. wie C. jejuni, C. hyointestinalis, C. fetus subsp.

fetus und C. sputorum isoliert werden. Auch multiple Besiedlungen mit mehr als einer Spezies kommen vor (ATABAY u. CORRY 1998). Die Relevanz von Campylobacter spp. als Erreger von bedeutenden, verlustreichen Tierseuchen bei landwirtschaftlichen Nutzwiederkäuern ist lange bekannt (MCFADYEAN u.

STOCKMANN 1913), so wird die Deckinfektion der Rinder durch C. fetus subsp.

venerenalis verursacht (MACLAREN u. WRIGHT 1977; BAWA et al. 1991; HUM et al. 1994; CAMPERO et al. 2003; GIVENS 2006). Diese Deckinfektion gilt derzeit in Deutschland als getilgt.

Literaturübersicht 14 Tabelle 5: Vorkommen von Campylobacter spp. bei landwirtschaftlichen

Nutzwiederkäuern

Untersuchungsmaterial Herkunft der

Proben Ergebnisse Autoren

3959 7,2%, Prävalenz Lamm 7,4%, Rind 4,7%, andere Tierarten 10,4%, 65.8% C. jejuni, 29.3% C.

Campylobacter spp. Prävalenz:

Milchvieh: 67,1%, Mastrinder:

58,9%, Schafe: 55%, insg. 20,7%

C. jejuni

OPORTO et al.

(2007) Rinder

3-17 Monate alte Kälber

auf 56 Rinderfarmen Großbritannien Campylobacter spp. Prävalenz

von 62,5% ELLIS-IVERSEN et al. (2009)

Intestinalinhalt von Rindern während der

Schlachtung Großbritannien Campylobacter spp. Prävalenz

von 54,6 % MILNES et al.

(2009)

107 Schlachtrinder

107 Rindfleischproben Tansania

Campylobacter spp. Prävalenz

Campylobacter spp. Prävalenz an 7 Futterplätzen: 76%-95%. 49,5%, davon 34,1% C. jejuni, 33,1% C. coli, in 11,9% beide Spezies

ACIK u.

CETINKAYA (2005) 272 Schaflebern Neuseeland

Campylobacter spp. Prävalenz 66,2%, davon 106/180 C. jejuni,

>50% Übereinstimmungen zu humanen klinischen Fällen

CORNELIUS et al.

(2005) 863 Schafe und Rinder Großbritannien Campylobacter spp. Prävalenz

201/863, Prävalenz Rind: 22%, Schaf: 25%

ROTARIU et al.

(2009)

Schadnager und Insekten, besonders Fliegen, sind durch ihre allgegenwärtige Präsenz und den engen wechselseitigen Kontakt zu wildlebenden und domestizierten Tieren als Vektoren für Campylobacter spp. bekannt. Da Fliegen und Insekten vor allem in der warmen Jahreszeit vermehrt auftreten und eine erhöhte Aktivität zeigen, wurde eine Verbindung zu dem saisonalen Verlauf der humanen Campylobacteriose und der Übertragung von Campylobacter spp. durch Fliegen in Betracht gezogen (NICHOLS 2005). (Tab. 6)

Literaturübersicht 15 Tabelle 6: Vorkommen von Campylobacter spp. bei Schadnagern und Insekten

Untersuchungsmaterial Herkunft der Proben Ergebnisse Autoren Fliegen aus der Ratten und Mäuse aus

der Umgebung von Hühner- und

Schweinemastanlagen

Niederlande Campylobacter spp.

Prävalenz Mäuse 8/83, Ratten 1/8

MEERBURG u.

KIJLSTRA (2007) Schwarze Ratten Portugal Campylobacter spp.

Prävalenz 57,4%

(31/54)

CABRITA et al. (1992)

C. upsaliensis wird regelmäßig bei Hunden und Katzen isoliert, C. helveticus hauptsächlich bei Katzen. Neben C. jejuni sind diese als die vorherrschenden Spezies anzusehen (Tab. 7). Der enge Kontakt mit an Durchfall erkrankten Welpen sowie regelmäßiger Kontakt zu Hunden und Katzen im Haushalt wurden als Risikofaktoren für eine Infektion mit C. jejuni identifiziert (EFSA 2005b; DOORDUYN et al. 2010).

Literaturübersicht 16 Tabelle 7: Vorkommen von Campylobacter spp. bei Haus- und Heimtieren

Untersuchungsmaterial Herkunft der Proben Ergebnisse Autoren 366 Tupferproben von

51 Katzenkotproben USA

Campylobacter spp.

Prävalenz 92%, 83%

C. helveticus, 47% C.

upsaliensis, and 6% C.

jejuni

jejuni, 3/34 canine und 4/6 feline Proben mit

>1 Spezies kolonisiert

Katzenkotproben Barbados

Campylobacter spp. Diarrhoe und im Alter

<6 Monate

ACKE et al. (2006)

361 Rektaltupfer von

Hunden und Katzen Irland

Campylobacter spp.

Versuchshaltung Deutschland C. jejuni isoliert WEBER et al. (1982)

Als Reservoir in der Umwelt und für den Eintrag von Campylobacter spp. in Nutztierbestände haben Wildvögel eine große Bedeutung (KAPPERUD u. ROSEF 1983; GREGORY et al. 1997; CRAVEN et al. 2000; STANLEY u. JONES 2003). Da

Literaturübersicht 17 die Kolonisation mit Campylobacter spp. bei Vögeln asymptomatisch ist, werden Campylobacter spp. als enterale Kommensalen angesehen (KAPPERUD u. ROSEF 1983; PACHA et al. 1988; WALDENSTROM et al. 2002) (Tab. 8).

Tabelle 8: Vorkommen von Campylobacter spp. bei Wildvögeln

Untersuchungsmaterial Herkunft der Proben Ergebnisse Autoren 204 lebende Fasane Italien Campylobacter spp.

Prävalenz 43,3 % DIPINETO et al. (2008) 445 freilebende und

domestizierte Vögel USA

Campylobacter spp.

Wildvogelkot in der Nähe

von vier Broilerfarmen USA C. jejuni Prävalenz

0%-50% CRAVEN et al. (2000)

137 C. jejuni-Isolate aus

Wildvögeln Schweden

Antibiotika-Resistenzen bei 100%

der Campylobacter spp. Isolate u.a. gegen Ciprofloxacin

WALDENSTROM et al.

(2005)

52 erlegte Fasane Deutschland Campylobacter spp.

Prävalenz 25,9 % ATANASSOVA u.

Prävalenz 113/247 bei Urease positiven

Wirtschaftsgeflügel einschließlich dem gewonnenen Geflügelfleisch und -produkten wird eine wesentliche ätiologische Bedeutung für die humane Campylobacteriose beigemessen (HANNINEN et al. 2000; WILSON et al. 2008; TAM et al. 2009;

OPORTO et al. 2011). Campylobacter werden seit Jahren mit steigenden Raten in Wirtschaftsgeflügel weltweit nachgewiesen (EFSA 2005b). Besonders hoch ist die Kolonisation im Blinddarm mit Keimzahlen von 105 bis 109 KbE/g Darminhalt (CAWTHRAW et al. 1996; ACHEN et al. 1998) (Tab. 9).

Literaturübersicht 18 Tabelle 9: Vorkommen von Campylobacter spp. bei Wirtschaftsgeflügel

Untersuchungsmaterial Herkunft der Proben Ergebnisse Autoren

Broilerherden im unter 20 % deutlich niedriger als südliche Länder und Mittel-europa (Italien, Österreich) mit 91 und 65 %.

acht Betrieben USA Campylobacter spp.

Prävalenz 87,5% STERN et al. (2001) Blinddarminhalt von 24

360 Broiler Großbritannien Campylobacter spp.

Prävalenz 99% WALLACE et al.

(1997)

Gänsen Türkei C. jejuni Prävalenz:

100% AYDIN et al. (2001) 97 Legehennen, 100

Broiler, 48 Gänse, 36

Enten Polen

Literaturübersicht 19 Wirtspräferenz von Campylobacter spp.

Für C. jejuni und C. coli konnte eine unterschiedliche Wirtspräferenz in der Nutztierpopulation beobachtet werden. In einer europaweiten Studie stellte die EFSA 2007 eine Verteilung von C. jejuni in 42,5% der Geflügelisolate, in 86,8% der Rinderisolate und in 2,1% der Schweineisolate vor, während C. coli 13,1% der Geflügelisolate, 9,5% der Rinderisolate und 87,1% der Schweineisolate ausmachte (EFSA 2009). Auf nationaler Ebene konnten korrespondiere Ergebnisse verzeichnet werden: In Großbritannien waren in einer nationalen Studie im Schlachthof der nachgewiesenen Isolate bei Rindern 9% C. coli, bei Schafen 34% und bei Schweinen 90%, während C. jejuni in 81% der Isolate der Rinder, in 65% der Isolate der Schafe und in 4% der Isolate der Schweine identifiziert worden ist. (MILNES et al. 2009). In

Für C. jejuni und C. coli konnte eine unterschiedliche Wirtspräferenz in der Nutztierpopulation beobachtet werden. In einer europaweiten Studie stellte die EFSA 2007 eine Verteilung von C. jejuni in 42,5% der Geflügelisolate, in 86,8% der Rinderisolate und in 2,1% der Schweineisolate vor, während C. coli 13,1% der Geflügelisolate, 9,5% der Rinderisolate und 87,1% der Schweineisolate ausmachte (EFSA 2009). Auf nationaler Ebene konnten korrespondiere Ergebnisse verzeichnet werden: In Großbritannien waren in einer nationalen Studie im Schlachthof der nachgewiesenen Isolate bei Rindern 9% C. coli, bei Schafen 34% und bei Schweinen 90%, während C. jejuni in 81% der Isolate der Rinder, in 65% der Isolate der Schafe und in 4% der Isolate der Schweine identifiziert worden ist. (MILNES et al. 2009). In