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2 Literaturübersicht

2.2 Eigenschaften von Campylobacter spp

2.2.4 Identifizierung

Durch die eingeschränkte biochemische Aktivität und das langsame, anspruchsvolle Wachstum von Campylobacter spp. ist die Speziesdifferenzierung auf komplexe phänotypische und genotypische Methoden angewiesen, eine Identifizierung erfolgt derzeit oft molekularbiologisch. In epidemiologischen Studien kann es sinnvoll sein, mehrere Typisierungsverfahren zu kombinieren, um die Sicherheit der Ergebnisse zu erhöhen.

Phänotypisierung

Eine alleinige phänotypische Einordnung der verschiedenen Campylobacter spp.

bereitet durch die variierende Morphologie, die relative biochemische Inaktivität und diverse, uneinheitliche Antibiotika-Resistenzen vor allem in der Reproduzierbarkeit als auch in einer Standardisierung der Methoden erhebliche Schwierigkeiten. Neben einer Einordnung über die mikroskopische und Koloniemorphologie sowie dem Gram-Verhalten sind typische biochemische Untersuchungen die Oxidase-Reaktion und die Katalase-Reaktion (ROOP et al. 1984). Ein auf biochemischen

Literaturübersicht 9 Untersuchungen basierendes Schema differenziert 18 Campylobacter-Spezies (BOLTON et al. 1992), ein erweitertes Schema charakterisiert insgesamt 37 taxonomische Gruppen von Campylobacter, Heliobacter und Arcobacter (ON u.

HOLMES 1995). Zur Unterscheidung von C. jejuni und C. coli ist die Hippurat-Hydrolyse eine etablierte, aber keine sichere Methode (SKIRROW u. BENJAMIN 1980b). Denn TOTTEN et al. (1987) haben Isolate von C. jejuni subsp. doylei nachgewiesen, die Hippurat nicht lysieren können. Auch die H2S-Hydrolyse, Nitrat-Reduktion, Urease-Bildung und Indoxyl-Acetat-Hydrolyse sowie die Resistenz gegenüber Cefalotin und Nalidixinsäure können zur Speziesdifferenzierung herangezogen werden (SKIRROW u. BENJAMIN 1980a; VANDAMME et al. 2000).

(Tab. 2)

Tabelle 2: Identifizierung und Differenzierung von ausgewählten thermophilen Campylobacter spp. nach VANDAMME et al. (1991; 1992)

C. jejuni C. coli C. lari C. upsaliensis

Gram-Verhalten negativ

Morphologie kleine, gewundene oder spiralige Stäbchen

Oxidase Reaktion positiv positiv positiv positiv Katalase Reaktion positiv positiv positiv schwach

positiv Motilität positiv positiv positiv positiv Nitrat Reduktion positiv positiv positiv positiv Urease Reaktion negativ negativ variabel negativ Wachstum bei 25°C negativ negativ negativ negativ Wachstum bei 41,5°C auf

Blutagar, mikroaerob, 24-48h positiv positiv positiv positiv Wachstum bei 41,5°C auf

Blutagar, aerob, 24-48h negativ negativ negativ negativ H2S Produktion

auf Eisen-III-Zucker-Agar negativ variabel negativ negativ Indol Hydrolyse positiv positiv negativ positiv Hippurat Hydrolyse positiv negativ negativ negativ Nalidixinsäure Sensibilität sensitiv sensitiv resistent sensitiv Cefalotin Sensibilität resistent resistent resistent sensitiv

Eine Serotypisierung kann als antikörper-basierte Untersuchung über Immunoassays, mittels ELISA oder Agglutinations-Reaktionen sichtbar gemacht werden. Zwei auf unterschiedlichen Antigen-Gruppen orientierte Serotypisierung-Schemata sind entwickelt worden: das Lior-Schema weist mittels poly- und monoklonaler Antikörper hitze-labile H-Oberflächen-Antigene in der Objektträger-agglutination nach, das Penner-Schema basiert auf dem Nachweis löslicher, hitze-stabiler O-Oberflächen-Antigene durch passive Hämagglutination. Man unterscheidet derzeit über 160 Serogruppen von C. jejuni, C. coli und C. lari. Kombiniert erweisen

Literaturübersicht 10 sich diese beiden Serotypisierungsverfahren als hoch diskriminierend (NACHAMKIN et al. 1998). Dennoch gibt es einen hohen Anteil nicht-phänotypisch einordbarer Isolate (WASSENAAR u. NEWELL 2000). So gelten genotypische Differenzierungs-methoden gerade bei weniger häufigen Spezies als spezifischer und verlässlicher (DINGLE et al. 2005). Campylobacter spp. können zusätzlich aufgrund der Expression von Phagenrezeptoren über ein spezifisches Lysisprofil mithilfe von 16 Campylobacter-Bakteriophagen charakterisiert werden. Basierend auf ihren lytischen Fähigkeiten können mit Hilfe dieser 16 Phagen die jeweiligen, bestimmten Campylobacter-Stämme typisiert werden (FROST et al. 1999).

Genotypisierung

Genotypische Verfahren sind in ihrer Aussagekraft den serotypischen Methoden überlegen (HANNINEN et al. 1999; RAUTELIN et al. 1999; NIELSEN et al. 2000;

WASSENAAR u. NEWELL 2000). Die nachgewiesenen chromosomalen Unterschiede in Genotypen sind stabil und stark diskriminierend, daher sind diese Methoden gut reproduzierbar und unabhängig von Kulturbedingungen oder Expression bestimmter Antigene. Besonders für epidemiologische Studien sind die Pulsfeldgelelektrophorese (PFGE), das Flagellin-Typing (fla typing) und die AFLP (Amplified Fragment Length Polymorphism) weit verbreitet (WASSENAAR u.

NEWELL 2000). Die sequenz-basierten Methoden der Polymerase-Ketten-Reaktion (PCR) mit RFLP (restriction fragment length polymorphism) und das Multilocus-Sequenz-Typing (MLST) sind für vertiefende Untersuchungen durch ihren höheren Diskriminierungsgrad und die Vertrauenswürdigkeit besser geeignet (DINGLE et al.

2005). Das MLST ist eine genotypische Differenzierungsmethode mit einem hohen Maß an Reproduzierbarkeit und Übertragbarkeit der Ergebnisse. Für die verlässliche Sequenzierung von Campylobacter spp. werden sieben House-keeping Gene analysiert. Diese speziellen Gene sind in allen Isolaten vorhanden und in den stabilen, möglichst gering veränderlichen Bereichen der Genfragmente lokalisiert, weisen aber ausreichend Allel-Variationen auf, um ein hohes Diskriminierungs-potential zu gewährleisten. So können sicher Subtypen und genetische Verwandt-schaft der Isolate erkannt werden (MAIDEN et al. 1998; DINGLE et al. 2001;

MAIDEN 2006).

Literaturübersicht 11 2.3 Quellen und Reservoire von Campylobacter spp.

Campylobacter spp. sind asymptomatische Kommensalen der normalen Darmflora vieler warmblütiger Tiere, die so Reservoir und Infektionsquelle für den Menschen sein können (HUMPHREY et al. 2007b). Bei landwirtschaftlichen Nutztieren wie Schweinen, Rindern und Schafen als auch bei Haus- und Heimtieren sind Campylobacter spp. regelmäßig aus dem Gastrointestinaltrakt zu isolieren (Tab. 4-7) (NACHAMKIN 2001). Vögel mit einer Körpertemperatur von 42°C, besonders Nutzgeflügel, scheinen die bevorzugt besiedelten Wirte von Campylobacter spp. zu sein (EFSA 2011b) (Tab. 8 und 9). Konsequenterweise findet man demnach Campylobacter spp. durch den fäkalen Eintrag von Wild- und Nutztieren weit verbreitet in der Umwelt. Während Oberflächengewässer wie Flüsse und Badeseen regelmäßig durch den Eintrag von Jauche und Düngemist kontaminiert sind, ist der Nachweis in Grund- und Brunnenwasser eher selten (MOORE et al. 2001) (Tab. 3).

Literaturübersicht 12 Tabelle 3: Vorkommen von Campylobacter spp. in der Umwelt

Untersuchungsmaterial Herkunft der Proben Ergebnisse Autoren

Acker und Gewässer Verschiedene europäische Länder C. jejuni Infektionen

STANLEY et al.

Sechs Badeseen Niederlande

58 bis 92 % mit MPN

über drei Jahre Kanada

Campylobacter spp.

Campylobacter spp., insbesondere C. coli werden regelmäßig bei gesunden Schweinen nachgewiesen und gelten als Kommensalen des Schweins (HARVEY et al. 1999; ALTER et al. 2005) (Tab. 4).

Literaturübersicht 13 Tabelle 4: Vorkommen von Campylobacter spp. bei Schweinen

Untersuchungsmaterial Herkunft der Proben Ergebnisse Autoren 595 Schlachtkörper von

Mastschweinen USA, Texas

Campylobacter spp.

15 Betrieben Deutschland

Prävalenzsteigerung davon 118 Isolate als C. coli identifiziert

FARZAN et al. (2010)

292 lebende Schweine,

254 Schlachtkörpern USA

Campylobacter spp. und tech. Equipment des Schlachthofs

Landwirtschaftliche Nutzwiederkäuer sind häufig mit thermophilen Campylobacter spp. kolonisiert, ohne dass dies zu klinischen Erscheinungen führt (Tab. 5) (STEINER et al. 1997; BUSATO et al. 1999). Bei Rindern können oft mehrere unterschiedliche Campylobacter spp. wie C. jejuni, C. hyointestinalis, C. fetus subsp.

fetus und C. sputorum isoliert werden. Auch multiple Besiedlungen mit mehr als einer Spezies kommen vor (ATABAY u. CORRY 1998). Die Relevanz von Campylobacter spp. als Erreger von bedeutenden, verlustreichen Tierseuchen bei landwirtschaftlichen Nutzwiederkäuern ist lange bekannt (MCFADYEAN u.

STOCKMANN 1913), so wird die Deckinfektion der Rinder durch C. fetus subsp.

venerenalis verursacht (MACLAREN u. WRIGHT 1977; BAWA et al. 1991; HUM et al. 1994; CAMPERO et al. 2003; GIVENS 2006). Diese Deckinfektion gilt derzeit in Deutschland als getilgt.

Literaturübersicht 14 Tabelle 5: Vorkommen von Campylobacter spp. bei landwirtschaftlichen

Nutzwiederkäuern

Untersuchungsmaterial Herkunft der

Proben Ergebnisse Autoren

3959 7,2%, Prävalenz Lamm 7,4%, Rind 4,7%, andere Tierarten 10,4%, 65.8% C. jejuni, 29.3% C.

Campylobacter spp. Prävalenz:

Milchvieh: 67,1%, Mastrinder:

58,9%, Schafe: 55%, insg. 20,7%

C. jejuni

OPORTO et al.

(2007) Rinder

3-17 Monate alte Kälber

auf 56 Rinderfarmen Großbritannien Campylobacter spp. Prävalenz

von 62,5% ELLIS-IVERSEN et al. (2009)

Intestinalinhalt von Rindern während der

Schlachtung Großbritannien Campylobacter spp. Prävalenz

von 54,6 % MILNES et al.

(2009)

107 Schlachtrinder

107 Rindfleischproben Tansania

Campylobacter spp. Prävalenz

Campylobacter spp. Prävalenz an 7 Futterplätzen: 76%-95%. 49,5%, davon 34,1% C. jejuni, 33,1% C. coli, in 11,9% beide Spezies

ACIK u.

CETINKAYA (2005) 272 Schaflebern Neuseeland

Campylobacter spp. Prävalenz 66,2%, davon 106/180 C. jejuni,

>50% Übereinstimmungen zu humanen klinischen Fällen

CORNELIUS et al.

(2005) 863 Schafe und Rinder Großbritannien Campylobacter spp. Prävalenz

201/863, Prävalenz Rind: 22%, Schaf: 25%

ROTARIU et al.

(2009)

Schadnager und Insekten, besonders Fliegen, sind durch ihre allgegenwärtige Präsenz und den engen wechselseitigen Kontakt zu wildlebenden und domestizierten Tieren als Vektoren für Campylobacter spp. bekannt. Da Fliegen und Insekten vor allem in der warmen Jahreszeit vermehrt auftreten und eine erhöhte Aktivität zeigen, wurde eine Verbindung zu dem saisonalen Verlauf der humanen Campylobacteriose und der Übertragung von Campylobacter spp. durch Fliegen in Betracht gezogen (NICHOLS 2005). (Tab. 6)

Literaturübersicht 15 Tabelle 6: Vorkommen von Campylobacter spp. bei Schadnagern und Insekten

Untersuchungsmaterial Herkunft der Proben Ergebnisse Autoren Fliegen aus der Ratten und Mäuse aus

der Umgebung von Hühner- und

Schweinemastanlagen

Niederlande Campylobacter spp.

Prävalenz Mäuse 8/83, Ratten 1/8

MEERBURG u.

KIJLSTRA (2007) Schwarze Ratten Portugal Campylobacter spp.

Prävalenz 57,4%

(31/54)

CABRITA et al. (1992)

C. upsaliensis wird regelmäßig bei Hunden und Katzen isoliert, C. helveticus hauptsächlich bei Katzen. Neben C. jejuni sind diese als die vorherrschenden Spezies anzusehen (Tab. 7). Der enge Kontakt mit an Durchfall erkrankten Welpen sowie regelmäßiger Kontakt zu Hunden und Katzen im Haushalt wurden als Risikofaktoren für eine Infektion mit C. jejuni identifiziert (EFSA 2005b; DOORDUYN et al. 2010).

Literaturübersicht 16 Tabelle 7: Vorkommen von Campylobacter spp. bei Haus- und Heimtieren

Untersuchungsmaterial Herkunft der Proben Ergebnisse Autoren 366 Tupferproben von

51 Katzenkotproben USA

Campylobacter spp.

Prävalenz 92%, 83%

C. helveticus, 47% C.

upsaliensis, and 6% C.

jejuni

jejuni, 3/34 canine und 4/6 feline Proben mit

>1 Spezies kolonisiert

Katzenkotproben Barbados

Campylobacter spp. Diarrhoe und im Alter

<6 Monate

ACKE et al. (2006)

361 Rektaltupfer von

Hunden und Katzen Irland

Campylobacter spp.

Versuchshaltung Deutschland C. jejuni isoliert WEBER et al. (1982)

Als Reservoir in der Umwelt und für den Eintrag von Campylobacter spp. in Nutztierbestände haben Wildvögel eine große Bedeutung (KAPPERUD u. ROSEF 1983; GREGORY et al. 1997; CRAVEN et al. 2000; STANLEY u. JONES 2003). Da

Literaturübersicht 17 die Kolonisation mit Campylobacter spp. bei Vögeln asymptomatisch ist, werden Campylobacter spp. als enterale Kommensalen angesehen (KAPPERUD u. ROSEF 1983; PACHA et al. 1988; WALDENSTROM et al. 2002) (Tab. 8).

Tabelle 8: Vorkommen von Campylobacter spp. bei Wildvögeln

Untersuchungsmaterial Herkunft der Proben Ergebnisse Autoren 204 lebende Fasane Italien Campylobacter spp.

Prävalenz 43,3 % DIPINETO et al. (2008) 445 freilebende und

domestizierte Vögel USA

Campylobacter spp.

Wildvogelkot in der Nähe

von vier Broilerfarmen USA C. jejuni Prävalenz

0%-50% CRAVEN et al. (2000)

137 C. jejuni-Isolate aus

Wildvögeln Schweden

Antibiotika-Resistenzen bei 100%

der Campylobacter spp. Isolate u.a. gegen Ciprofloxacin

WALDENSTROM et al.

(2005)

52 erlegte Fasane Deutschland Campylobacter spp.

Prävalenz 25,9 % ATANASSOVA u.

Prävalenz 113/247 bei Urease positiven

Wirtschaftsgeflügel einschließlich dem gewonnenen Geflügelfleisch und -produkten wird eine wesentliche ätiologische Bedeutung für die humane Campylobacteriose beigemessen (HANNINEN et al. 2000; WILSON et al. 2008; TAM et al. 2009;

OPORTO et al. 2011). Campylobacter werden seit Jahren mit steigenden Raten in Wirtschaftsgeflügel weltweit nachgewiesen (EFSA 2005b). Besonders hoch ist die Kolonisation im Blinddarm mit Keimzahlen von 105 bis 109 KbE/g Darminhalt (CAWTHRAW et al. 1996; ACHEN et al. 1998) (Tab. 9).

Literaturübersicht 18 Tabelle 9: Vorkommen von Campylobacter spp. bei Wirtschaftsgeflügel

Untersuchungsmaterial Herkunft der Proben Ergebnisse Autoren

Broilerherden im unter 20 % deutlich niedriger als südliche Länder und Mittel-europa (Italien, Österreich) mit 91 und 65 %.

acht Betrieben USA Campylobacter spp.

Prävalenz 87,5% STERN et al. (2001) Blinddarminhalt von 24

360 Broiler Großbritannien Campylobacter spp.

Prävalenz 99% WALLACE et al.

(1997)

Gänsen Türkei C. jejuni Prävalenz:

100% AYDIN et al. (2001) 97 Legehennen, 100

Broiler, 48 Gänse, 36

Enten Polen

Literaturübersicht 19 Wirtspräferenz von Campylobacter spp.

Für C. jejuni und C. coli konnte eine unterschiedliche Wirtspräferenz in der Nutztierpopulation beobachtet werden. In einer europaweiten Studie stellte die EFSA 2007 eine Verteilung von C. jejuni in 42,5% der Geflügelisolate, in 86,8% der Rinderisolate und in 2,1% der Schweineisolate vor, während C. coli 13,1% der Geflügelisolate, 9,5% der Rinderisolate und 87,1% der Schweineisolate ausmachte (EFSA 2009). Auf nationaler Ebene konnten korrespondiere Ergebnisse verzeichnet werden: In Großbritannien waren in einer nationalen Studie im Schlachthof der nachgewiesenen Isolate bei Rindern 9% C. coli, bei Schafen 34% und bei Schweinen 90%, während C. jejuni in 81% der Isolate der Rinder, in 65% der Isolate der Schafe und in 4% der Isolate der Schweine identifiziert worden ist. (MILNES et al. 2009). In einer Studie britischer Geflügelherden in der Schlachtung konnte zu 77% C. jejuni und zu 23% C. coli festgestellt werden (FRASER et al. 2010). Auch in Norwegen wurden ähnliche Ergebnisse beobachtet, hier wurde bei Geflügelisolaten aus der Schlachtung zu 91% C. jejuni, zu 7% C. coli und zu 2% C. lari nachgewiesen (HOFSHAGEN u. KRUSE 2005). Bei Broilern sind C. jejuni mit Isolierungsraten von 4-100 % und C. coli mit Isolierungsraten von 5-70 % die dominierenden Spezies (EFSA 2007). Im Durchschnitt sind etwa 2/3 der Isolate des Geflügels C. jejuni und 1/3 C. coli zuzuordnen (BERNDTSON et al. 1996; WEDDERKOPP et al. 2001;

NADEAU et al. 2002; DENIS et al. 2008).

2.4 Humane Campylobacteriose

Seit 2005 sind thermophile Campylobacter spp. ätiologisch die häufigsten Verursacher Lebensmittel-assoziierter bakterieller Gastroenteritiden und die meist gemeldete bakterielle Zoonose in Deutschland und der EU (RKI 2006b; EFSA 2009, 2011a). Die humane Campylobacteriose hat seitdem in den gemeldeten Fallzahlen die Salmonellose übertroffen (RKI 2010, 2011). Die tatsächlichen Fallzahlen werden derzeit in der Europäischen Union auf neun Millionen Infektionen pro Jahr geschätzt, es wird daher von einer erheblichen Campylobacteriose-Dunkelziffer ausgegangen (EFSA 2011b). Die damit einhergehenden Konsequenzen für das Gesundheitswesen stellen eine enorme Belastung für das Gemeinwohl dar (MANGEN et al. 2005). In der EU 27 belaufen sich die Belastungen einer Campylobacter-Infektion zusammen mit den Spätfolgen auf 0,35 Millionen DALYs und Kosten von 2,4 Milliarden Euro pro

Literaturübersicht 20 Jahr (EFSA 2011b). Weltweit verursachen infektiöse Diarrhöen 72,8 Millionen DALYs pro Jahr, allein in Europa wird dabei von 1,4 Millionen DALYs pro Jahr ausgegangen.

Infektiöse Diarrhöen stellen damit nach den Atemwegsinfektionen die zweithäufigste gesundheitliche Belastung der Bevölkerung dar (WHO 2008). Die humane Campylobacteriose hat daher weltweit Bedeutung mit einer erheblichen Verbreitung in Industrie- als auch in Schwellen- und Entwicklungsländern.

2.4.1 Epidemiologie und Prädispositionen beim Menschen

Campylobacter-Gastroenteritiden sind weltweit und durch alle Gesellschaftsschichten hinweg verbreitet. Faktoren wie Lebensalter, Geschlecht, Lebensumstände und Lebenssituation, Reisen sowie die persönliche gesundheitliche Konstitution sind bei Etablierung und Verlauf dieser Erkrankung relevant. In Europa zeigt das Infektionsgeschehen der humanen Campylobacteriose einen saisonalen Verlauf, die Krankheitsfälle treten vermehrt in den warmen Sommermonaten auf (LOUIS et al.

2005; DENIS et al. 2009; BOYSEN et al. 2011; JORGENSEN et al. 2011a). In Nordeuropa erscheint dieser Ausschlag aus Daten von 1997-2007 besonders ausgeprägt in Finnland, gefolgt von Island und Dänemark, während in den Niederlanden der am wenigst ausgeprägteste Ausschlag beobachtet wurde (JORE et al. 2010). In einer vergleichbaren Studie (KOVATS et al. 2005) wurde ein solcher saisonaler Zusammenhang für Südeuropa nicht beschrieben, die Fallzahlen gipfelten eher im Frühling (Griechenland und Malta) oder wurden kaum sichtbar (Spanien), während in Großbritannien, Irland, Dänemark, den Niederlanden, der Schweiz und Tschechischen Republik ein Anstieg im Sommer beobachtet werden konnte.

2.4.2 Ätiologie der humanen Campylobacteriose

In der EU treten die Mehrheit der Erkrankungsfälle sporadisch auf, Ausbrüche durch kontaminierte Lebensmittel sind selten (FROST 2001; BRONZWAER et al. 2009). In 2008 wurde ein Prozent der gesamten humanen Campylobacteriose-Erkrankungen auf Ausbrüche zurückgeführt (RKI 2009). Dabei wird von einer geringen Infektionsdosis ausgegangen (ROSENQUIST et al. 2003). Die minimale Infektionsdosis von C. jejuni wird vielfach mit ≤ 500 KbE angegeben (ROBINSON 1981; WALLIS 1994), besonders bei Kindern scheinen 100 KbE ausreichend zu sein (TEUNIS et al. 2005). In Studien von BLACK et al. (1988) sowie MEDEMA et al.

Literaturübersicht 21 (1996) wird die Minimaldosis im Bereich von 8x102 bis 2x109 KbE angegeben. So kann ausgehend von den Reservoiren in Umwelt, Tieren und Lebensmitteln Campylobacter spp. auf unterschiedlichsten Routen auf Menschen übertragen werden. Eine Transmission zum Menschen kann direkt als auch indirekt erfolgen, während die Übertragung von Mensch zu Mensch nur eine geringe Rolle spielt (BLASER et al. 1981). Direkt erfolgt eine Infektion oft über den Kontakt zu Tieren, indirekt werden die Erreger am häufigsten im Rahmen der Lebensmittelkette auf den Menschen übertragen. Dem Umgang, der Zubereitung und dem Konsum von kontaminiertem Geflügelfleisch wird besonders große ätiologische Bedeutung beigemessen (EFSA 2005b; LUBER 2009; EFSA 2011b). Geflügelfleisch und Geflügelfleischprodukte werden somit als ein besonders belastetes Reservoir angesehen (ALTEKRUSE et al. 1999; RKI 2008). Häufig kommen im Haushalt Kreuzkontaminationen während der Zubereitung von kontaminiertem Geflügelfleisch über Kontamination von Koch- und Küchenutensilien vor. Während der Zubereitung können so Zutaten wie Salat und Gemüse zum Rohverzehr mit Campylobacter spp.

kontaminiert werden (OOSTEROM et al. 1984; VERHOEFF-BAKKENES et al. 2011).

Die Anzahl der übertragenen Keime hängt dabei von der ursprünglichen Konzentration auf dem Geflügelfleisch ab (VERHOEFF-BAKKENES et al. 2008).

Diese kontaminierten Lebensmittel stellen ein zusätzliches Risiko für die Infektion mit Campylobacter dar. Weitere wichtige Infektionsquellen sind Rohmilch (DOYLE u.

ROMAN 1982c; JAYARAO et al. 2006), rohes Schweine- oder Rindfleisch (ZHAO et al. 2001; EFSA 2007) sowie unbehandeltes Trinkwasser und dadurch kontaminiertes Obst und Gemüse (COOLS et al. 2003). Im Gegensatz zu Salmonella können Campylobacter spp. sich nicht außerhalb des Wirtes weiter vermehren, trotzdem überleben sie über längere Zeit in entsprechender Umgebung bei feuchten, kühlen Bedingungen ohne den Einfluss von direkter UV-Strahlung. So bleiben Campylobacter-Kontaminationen in der Lebensmittelkette unter den vorherrschenden feuchten Kühlbedingungen bis in den Handel erhalten. Bei der Schlachtung von fleischliefernden Tieren kann Campylobacter spp. aus dem Darminhalt die Schlachtkörper kontaminieren, besonders bei der automatisierten Schlachtung von Geflügel ist dies häufiger der Fall als bei anderen landwirtschaftlichen Nutztieren (EFSA 2010b). Daher ist das Fleisch von Rind und Schwein aufgrund der unterschiedlichen Schlachttechnologien und Lagerbedingungen weniger belastet als Geflügelfleisch und stellt ein geringes Risiko dar (EFSA 2010; ALTER et al. 2011).

Literaturübersicht 22 Weitere Infektionsquellen können verunreinigte Oberflächengewässer sowie der Kontakt zu landwirtschaftlichen Nutztieren und zu Haus- und Heimtieren, vor allem zu infizierten Welpen sein. In einer Risikoabschätzung der EFSA wurden vor allem der Verzehr von nicht ausreichend erhitztem Geflügelfleisch und -leber, der Umgang mit rohem Geflügelfleisch, das Trinken von unbehandeltem Wasser sowie Rohmilch und der Verzehr von Rohmilchprodukten sowie von Geflügel-, Schweine- und Rindfleisch als Risikofaktoren genannt (EFSA 2005b).

Es wird derzeit davon ausgegangen, dass der Umgang, das Zubereiten und der Verzehr von kontaminiertem Geflügelfleisch etwa 20-30% der humanen Campylobacteriose-Fälle auslöst und dass 50-80% der Erkrankungsfälle auf das Geflügelreservoir insgesamt zurückzuführen sind, da zusätzlich Isolate des Geflügels auch über andere Quellen wie Umweltkontaminationen oder über den direkten Kontakt zu lebendem Geflügel Eintrag in den Infektionszyklus der Menschen finden können (EFSA 2010b). Es wird daher angenommen, dass eine quantitative Campylobacter-Reduktion effektiv die Fallzahlen der humanen Campylobacteriose in der EU senken kann (BRONZWAER et al. 2009; NAUTA et al. 2009). Quantitative mikrobielle Risikoabschätzungen postulieren, dass die Minimierung der Campylobacter-Last auf Geflügelfleisch in dem signifikanten Rückgang der humanen Fallzahlen resultiert (HARTNETT et al. 2001; ROSENQUIST et al. 2003; NAUTA et al. 2007). In Deutschland zeigen quantitative Risikoabschätzungen, dass etwa 47%

der gemeldeten Campylobacteriosen auf Hähnchenfleisch zurückgeführt werden können (LUBER u. BARTELT 2005). Die Verwandtschaft von humanen Campylobacter-Isolaten aus klinischen Proben und Campylobacter aus der Lebensmittelkette konnte mehrfach nachgewiesen werden (ON et al. 1998;

SHEPPARD et al. 2009). Zahlreiche Studien haben eine genetische Überschneidung zwischen bei Menschen und Broilern isolierten Campylobacter-Genotypen gefunden (HANNINEN et al. 2000; OPORTO et al. 2007; WILSON et al. 2008). Zudem wurden Virulenzfaktoren, die mit Enteritis und neuronalen Symptomen beim Menschen in Zusammenhang gebracht wurden, in C. jejuni-Isolaten aus Geflügelfleisch des Einzelhandels gefunden (ZHENG et al. 2006; HABIB et al. 2009). Auch in Fallkontroll-Studien hat sich Geflügelfleisch mehrfach als signifikanter Faktor für die humane Campylobacteriose herausgestellt (VELLINGA u. VAN LOOCK 2002; TAM et al. 2009). So wurden nach dem Dioxinskandal 1999 in Belgien Geflügelfleisch und

Literaturübersicht 23 Geflügelfleischprodukte für vier Wochen vom Markt genommen, in dieser Zeit sank die Inzidenz der humanen Campylobacteriose um geschätzte 40% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (VELLINGA u. VAN LOOCK 2002). Die meisten humanen Erkrankungsfälle werden derzeit von den thermophilen Spezies C. jejuni und C. coli hervorgerufen, 80-90% der Infektionen sind auf C. jejuni und 5-10% auf C. coli zurückzuführen (EFSA 2011b). In der EU war 2008 C. jejuni mit 44,3% die am häufigsten isolierte Spezies aus Proben von klinisch erkrankten Patienten, es folgt C. coli mit 2,7%. Andere Campylobacter-Spezies wurden zusammengefasst und machten 6,9% der Isolate aus. Die verbleibenden 46% der Isolate wurden nicht näher differenziert (EFSA 2009).

2.5 Campylobacter spp. in der Broilerproduktion

In industrialisierten Ländern ist Broilerfleisch durch die ausgewogene Nährstoffbilanz und den relativ niedrigen Preis im Gegensatz zu anderen Fleischsorten sehr beliebt und wird häufig verzehrt. Die Europäische Union ist mit 13% Marktanteil der drittgrößte Produzent für Geflügelfleisch weltweit. Weiterhin nahm die Geflügelerzeugung mit 11,6 Millionen t nach der Schweinemast den zweitgrößten Produktionssektor innerhalb der EU in 2008 ein. Die Produktion von Broilern, also zur Fleischerzeugung gehaltene Masthühner, macht dabei 75% aus, auf die Putenproduktion entfallen 16% und auf die Produktion von Enten vier Prozent (EFSA 2010a). In Deutschland befindet sich die Geflügelfleischproduktion in einem steten Wachstum mit steigenden Verbrauchszahlen und einer Bruttoeigenerzeugung von 1,424 t im Jahr. Insgesamt wird für 2009 der Pro-Kopf-Verbrauch an Geflügelfleisch mit 18,6 kg kalkuliert und liegt somit um 300 g über dem Ergebnis von 2008. Diese Marktsteigerung wird hauptsächlich dem Zuwachs am Hühnermarkt (Broiler und Suppenhühner) zugeschrieben, da stieg der Pro-Kopf-Verbrauch auf einen Wert von 11,3 kg bei einem Selbstversorgungsgrad von 105,3%. Dabei erreichen Broiler die überwiegenden Menge von 10,7 kg. Frischware hat in Deutschland mit einem Anteil von 73% die größte Bedeutung am Handelsumsatz (ZDG 2011). Die Kombination von steigenden Verzehrsraten und der hohen Kontamination des in vielen Haushalten be- und verarbeiteten Broilerfleisches mit der niedrigen Infektionsdosis von Campylobacter spp. stellt ein erhebliches gesundheitliches Risiko für die

In industrialisierten Ländern ist Broilerfleisch durch die ausgewogene Nährstoffbilanz und den relativ niedrigen Preis im Gegensatz zu anderen Fleischsorten sehr beliebt und wird häufig verzehrt. Die Europäische Union ist mit 13% Marktanteil der drittgrößte Produzent für Geflügelfleisch weltweit. Weiterhin nahm die Geflügelerzeugung mit 11,6 Millionen t nach der Schweinemast den zweitgrößten Produktionssektor innerhalb der EU in 2008 ein. Die Produktion von Broilern, also zur Fleischerzeugung gehaltene Masthühner, macht dabei 75% aus, auf die Putenproduktion entfallen 16% und auf die Produktion von Enten vier Prozent (EFSA 2010a). In Deutschland befindet sich die Geflügelfleischproduktion in einem steten Wachstum mit steigenden Verbrauchszahlen und einer Bruttoeigenerzeugung von 1,424 t im Jahr. Insgesamt wird für 2009 der Pro-Kopf-Verbrauch an Geflügelfleisch mit 18,6 kg kalkuliert und liegt somit um 300 g über dem Ergebnis von 2008. Diese Marktsteigerung wird hauptsächlich dem Zuwachs am Hühnermarkt (Broiler und Suppenhühner) zugeschrieben, da stieg der Pro-Kopf-Verbrauch auf einen Wert von 11,3 kg bei einem Selbstversorgungsgrad von 105,3%. Dabei erreichen Broiler die überwiegenden Menge von 10,7 kg. Frischware hat in Deutschland mit einem Anteil von 73% die größte Bedeutung am Handelsumsatz (ZDG 2011). Die Kombination von steigenden Verzehrsraten und der hohen Kontamination des in vielen Haushalten be- und verarbeiteten Broilerfleisches mit der niedrigen Infektionsdosis von Campylobacter spp. stellt ein erhebliches gesundheitliches Risiko für die