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5 Diskussion

5.3 Anwendung in der Praxis

Seit Jahren steigen die gemeldeten Fallzahlen der humanen Campylobacteriose in Deutschland und Europa, dabei wird Geflügelfleisch und Geflügelfleischprodukten eine wesentliche ätiologische Bedeutung beigemessen (HUMPHREY et al. 2007). In der Europäischen Union ist die Prävalenz von Campylobacter-kolonisierten Broilerherden sehr hoch und im Durchschnitt sind circa 80% der Schlachtkörper am Ende des Schlachtprozesses mit Campylobacter kontaminiert (EFSA 2010a). Es wird davon ausgegangen, dass der Umgang, das Zubereiten und der Verzehr von kontaminiertem Geflügelfleisch etwa 20-30% der humanen Campylobacteriose-Fälle auslösen, und 50-80% der Erkrankungsfälle auf das Geflügel insgesamt zurückzuführen sind, da Isolate des Geflügels auch durch direkten Kontakt oder durch die kontaminierte Umwelt auf den Menschen übertragen werden können (EFSA 2010b).

Häufig kommen im Haushalt Kreuzkontaminationen während der Zubereitung von belastetem Geflügelfleisch auf andere Lebensmittel wie Gemüse und Salat vor, welche dann zum Teil roh verzehrt werden. Die Anzahl der übertragenen Keime hängt dabei von der ursprünglichen Kontamination auf dem Geflügelfleisch ab

Diskussion 105 (VERHOEFF-BAKKENES et al. 2008). Diese kontaminierten Lebensmittel stellen ein zusätzliches Risiko für die Infektion mit Campylobacter dar.

Trotz erheblicher Bestrebungen zur Kontrolle von Campylobacter in der Geflügelmast erscheint derzeit eine Elimination des Keimes in der Lebensmittelkette nicht möglich.

Eine Minimierung hat dennoch großen Nutzen für den gesundheitlichen Verbraucherschutz. Die Kontrolle und Minimierung der Campylobacter-Kontamination in der Geflügelfleischproduktion kann die quantitative Keimexposition der Menschen reduzieren. Angenommen wird, dass eine Reduktion der Campylobacter-Konzentration in den Handelsprodukten effektiv die Fallzahlen der humanen Campylobacteriose in der Europäischen Union senken kann (BRONZWAER et al.

2009; NAUTA et al. 2009; TUSTIN et al. 2011). Risikoabschätzungen haben ergeben, dass aus hohen Prävalenzen und Konzentrationen von Campylobacter in der Primärproduktion und Schlachtung hohe Prävalenzen und Konzentrationen auf den Endprodukten resultieren, zusätzlich gibt es einen etwa linearen Zusammenhang der Herdenprävalenz sowie des humanen Erkrankungsrisikos (HARTNETT et al.

2001; ROSENQUIST et al. 2003; NAUTA et al. 2007). Mehrfach wurde ermittelt, dass die Senkung der Herdenprävalenz eine gleichartige Reduktion des humanen Campylobacteriose-Risikos nach sich ziehen kann (NAUTA et al. 2009). Eine Reduktion der quantitativen Campylobacter-Konzentration auf den kontaminierten Produkten ergab dabei durch potentielle Kreuzkontaminationen im Schlachtprozess einen nicht-linearen Zusammenhang in der Senkung des Risikos (NAUTA et al.

2009). Dennoch würde eine Verringerung der Campylobacter-Konzentration um 2,0 log10 KbE/Schlachtkörper in einer signifikanten Reduktion des humanen Campylobacteriose-Risikos resultieren (ROSENQUIST et al. 2003; LAKE et al. 2007;

LINDQVIST u. LINDBLAD 2008; FAO/WHO 2009). Eine herabgesetzte Herdenprävalenz, in Kombination mit einer quantitativen Reduktion von Campylobacter im Darminhalt kolonisierter Broiler in der Primärproduktion, kann demnach effektiv die Senkung humaner Erkrankungsfälle erreichen, wenn dadurch eine Minimierung der Campylobacter-Konzentration auf den Geflügelprodukten erreicht wird, selbst wenn die Produkte weiterhin Campylobacter-positiv bleiben (HOFSHAGEN u. KRUSE 2005; HANSSON et al. 2007b). So birgt die Primärproduktion das größte Potential zur quantitativen Reduktion von Campylobacter spp. entlang der Lebensmittelkette.

Diskussion 106 In dieser Studie wurde der Effekt von organischen Säuren auf Campylobacter spp.

evaluiert. Selko® 4Health kann signifikant die Campylobacter-Last im Blinddarminhalt von Broilern in der Primärproduktion senken, aber diese Reduktion kann in der vorgelegten Versuchsanordnung nicht über die Schlachtung bis in die Zerlegung und Verarbeitung der Schlachtkörper erhalten werden. Dies kann durch mögliche Kreuzkontaminationen während des Schlachtprozesses erklärt werden, da in der vorliegenden Studie keine logistische Schlachtung durchgeführt worden ist, so dass die Herden im laufenden Schlachtbetrieb zu unterschiedlichen Tageszeiten terminiert wurden. In vorangegangen Studien hatte sich aber die logistische Schlachtung nicht als signifikanter Faktor für die Kreuzkontamination im Schlachthof erwiesen (ROSENQUIST et al. 2003; HANSSON et al. 2007b; ELVERS et al. 2011).

Wenngleich eine Übertragung von Campylobacter-Stämmen der einen Herde zu einer nächsten stattfinden kann, so sind die übertragenen Campylobacter-Konzentrationen gering (MIWA et al. 2003; JOHANNESSEN et al. 2007). Sollte es jedoch zu einem hohen Maß an Kreuzkontaminationen im Schlachtprozess kommen, kann die logistische Schlachtung durchaus ein effektives Mittel zur Keimzahlreduktion sein (EVERS 2004). Diese möglichen Gründe sind in die Erklärung der Diskrepanz zwischen Blinddarminhalt- und Schlachtkörper-konzentrationen einzubeziehen. Des Weiteren variierten die Probennahmen hinsichtlich der Zeit, Abfolge und personeller Durchführung und wiesen damit eine gewisse Variabilität auf.

Auch wenn die Behandlung mit Selko® 4Health keinen entscheidenden Vorteil zur quantitativen Reduktion des Campylobacter-Gehaltes auf den Schlachtkörpern nach Kühlung hatte, kann durch optimierte Biosecurity und Hygienemaßnahmen sowie reduzierter (Kreuz-)Kontamination in Schlachtung und Verarbeitung das Potential der Handlungsoption „Tränkewasserbehandlung mit organischen Säuren“ noch besser ausgeschöpft werden. Demnach hängt das Potential dieser Interventionsmaßnahme wesentlich von der Wirksamkeit synergistischer Maßnahmen zur Reduktion von Campylobacter spp. in allen Stufen der Lebensmittelkette ab. Neue Ansätze wie der Einsatz von Bakteriophagen in der Primärproduktion (WAGENAAR et al. 2005) als auch zur Behandlung der Handelsware (GOODE et al. 2003; LOC CARRILLO et al.

2005; HANSEN et al. 2007), Bakteriozine, Impfung sowie die Anwendung von elektrolysiertem, oxigeniertem Wasser (GELLYNCK et al. 2008b) oder kompetitiv

Diskussion 107 wirksamen, probiotischen Bakterien (ZHANG et al. 2007) für die Primärproduktion rücken so in den Fokus der Forschung.

Eine Kontrolle der Campylobacter-Belastung durch konsequente und korrekt eingehaltene Interventionsmaßnahmen, über alle Stufen der Lebensmittelkette hinweg, wird daher einen wertvollen Beitrag für den öffentlichen Gesundheitsschutz und Gemeinwohl leisten sowie die direkten und indirekten Kosten für die Gesellschaft nachhaltig senken (KLEIN 2010).

Diskussion 108

Schlussfolgerungen 109