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5 Diskussion

5.1.2 Bestandsuntersuchung

Die Eintragswege von Campylobacter spp. in Broilerbestände sind bisher noch unzureichend aufgeklärt, derzeit wird primär von einem horizontalen Eintrag ausgegangen (CORRY u. ATABAY 2001). Auch in dieser Studie kann ein horizontaler Eintrag aus der Umgebung durch aktive oder passive Vektoren als wahrscheinlich angesehen werden. Die Ursachen hierfür können divers sein und vielfältige Faktoren sind in Betracht zu ziehen. Auf den jeweils abseits und sehr ländlich gelegenen Betriebsgeländen der Mäster A und B konnten Wildvögel, in den Ställen jeweils Fliegen beobachtet werden. Auf dem Betrieb B wurden neben den Broilern auch Schweine gemästet, sowie Katzen und Hunde freilaufend auf dem Anwesen gehalten. Vielfach wurde von anderen Autoren ermittelt, dass landwirtschaftliche Nutztiere, Haus- und Heimtiere, Schadnager, Insekten sowie Wildvögel potentielle Keimträger sind und als Vektoren fungieren können (ANNAN-PRAH u. JANC 1988; GREGORY et al. 1997; NICHOLS 2005; MEERBURG u.

KIJLSTRA 2007; HALD et al. 2008; ALTER et al. 2011). Die beobachteten Tiere auf den Betrieben könnten demnach beim Eintrag von Campylobacter spp. eine Rolle gespielt haben.

Bei beiden Betrieben wurden die Ställe regelmäßig von mehr als zwei Person betreten, in Betrieb A wurde dazu ein Besucherregister geführt. Hingegen wurde in Betrieb B der Zutritt zu den Ställen nicht dokumentiert, daher war der Zugang hier nur eingeschränkt kontrollierbar. Diverse Studien haben gezeigt, dass durch Betriebsangehörige, temporäres Personal und Besucher ebenfalls ein Eintrag von Campylobacter spp. in die Herden erfolgen kann (LINDBLOM et al. 1986; ANNAN-PRAH u. JANC 1988; KAPPERUD et al. 1993; EVANS u. SAYERS 2000). Beide Betriebe waren regelmäßig mit Campylobacter spp. kolonisiert, die Zugangskontrolle schien demnach keinen Vorteil zu bieten.

Diskussion 92 Vielfach wurden Fangkolonnen als eine weitere potentielle Eintragsquelle identifiziert, sie können Campylobacter während ihrer Arbeit von Betrieb zu Betrieb tragen (HALD et al. 2001; REFREGIER-PETTON et al. 2001; ALLEN et al. 2008a). Betrieb A und B gehörten nicht der derselben Integration an, somit waren für die Betriebe A und B nie die gleichen Fangkolonnen zuständig, eine Kreuzkontamination zwischen den untersuchten Betrieben kann ausgeschlossen werden. Zwischen den Betrieben einer Integration besteht jedoch das Risiko einer Kreuzkontamination durch die gleichen Fängergruppen. In dieser Studie wurde beobachtet, dass bei Mäster B im dritten Versuch beide Gruppen bis zum Vorfang nicht-kolonisiert verblieben und erst im Hauptfang allein aus der Kontrollgruppe Campylobacter spp. isoliert werden konnten.

Die Behandlungsgruppe war zu diesem Zeitpunkt weiterhin nicht kolonisiert. Die zum Vorfang eintreffenden Fängergruppen erscheinen demnach als eine wahrscheinliche Eintragquelle. Dabei konnte der Eintrag in die Herden über kontaminiertes Schuhwerk, Hände oder Ausrüstung der Arbeiter erfolgt sein.

In den Versuchen 1 und 2 im Sommer 2010 waren die klimatischen Bedingungen überwiegend mild. So kann der Campylobacter-Keimdruck in der Umwelt während der Versuche 1 und 2 höher und ein Eintrag in den Stall weniger lang vermeidbar gewesen sein. Dadurch wäre die jeweils an Tag 28 der Mast nachgewiesene Campylobacter-Kolonisation in Versuch 1 und 2 bei Mäster B zu erklären.

Das Hygienemanagement und die Biosecurity-Maßnahmen wurden in den untersuchten Betrieben unterschiedlich intensiv durchgeführt. Während bei Mäster B vor Betreten der Ställe jeweils Overalls und Stiefel gewechselt wurden, erfolgten im Betrieb B weder ein Stiefel- noch ein Overallwechsel. Eine Hygieneschleuse mit Desinfektionsmatte am Stallgebäudezugang war bei beiden Mästern vorhanden, eine weitere Stiefeldesinfektion vor Eintritt in die Stallabteile erfolgte nicht. In mehreren Studien stellten ungenügend eingehaltene Hygienemaßnahmen vor Betreten in den Stall ein erhebliches Risiko für die Kolonisation mit Campylobacter spp. dar (KAPPERUD et al. 1993; EVANS u. SAYERS 2000; MCDOWELL et al. 2008).

Zudem fanden sich bei beiden Mästern an den Overalls, bei Betrieb A zusätzlich im Stiefelprofil, Einstreu und Kotreste, wodurch die Herden potentiell mit Campylobacter (re-)kontaminiert worden sein könnten. Da sowohl bei Mäster A als auch bei Mäster B regelmäßig ein Eintrag von Campylobacter spp. in die Herden erfolgte, erschienen

Diskussion 93 die angewendeten Hygienemaßnahmen keinen ausreichenden Schutz zu bieten.

Diese Erkenntnis deckt sich mit den Ergebnissen vieler Studien, in denen selbst bei strenger Implementierung von Hygienemaßnahmen mit konsequenter Biosecurity, Reinigung und Desinfektion nicht signifikant mit der Reduktion von Campylobacter spp. in Broilerbeständen in Zusammenhang zu bringen war (EVANS u. SAYERS 2000; REFREGIER-PETTON et al. 2001; WEDDERKOPP et al. 2001).

Ein Eintrag von Campylobacter spp. durch passive Vektoren kann unter anderem auch über kontaminierte Einstreu, Futter und Tränkewasser erfolgen. In den untersuchten Betrieben wurden während der Serviceperiode Strohhäcksel und Hobelspäne eingestreut, die aufgrund ihrer geringen Wasseraktivität ein zu vernachlässigendes Risiko für den Eintrag von Campylobacter darstellten. So gelang PEARSON et al. (1993) der Nachweis von Campylobacter spp. in Hobelspänen als Einstreumaterial nicht. Pelletiertes Geflügelfutter wird in der Produktion pasteurisiert, hat eine geringe Wasseraktivität und ist somit keine Eintragsquelle für Campylobacter spp. (HUMPHREY et al. 1993; COX et al. 2001; MILLS u. PHILLIPS 2003). Dies deckt sich mit den eigenen Ergebnissen, denn aus dem Futter beider Betriebe konnten keine Campylobacter spp. isoliert werden. Bei beiden Betrieben konnte aus dem Wasser vor Einlauf in den Stall keine Campylobacter spp. isoliert werden. Obwohl in Grundwasser schon Campylobacter spp. nachgewiesen wurden (STANLEY et al. 1998; HANSSON et al. 2007b), war in dieser Studie Leitungswasser von Trinkwasserqualität keine Eintragsquelle für Campylobacter. Stehende Gewässer wie Seen, Tümpel, Pfützen sowie Flüsse sind durch fäkale Verunreinigungen von wildlebenden Tieren sowie Jauche und Mist von landwirtschaftlichen Nutztieren häufig mit Campylobacter kontaminiert (MOORE et al.

2001; HIETT et al. 2002; SUTHERLAND et al. 2009). Auch bei Sandproben aus der näheren Umgebung von Ställen konnten Kontaminationen mit C. jejuni und C. coli festgestellt werden (STUDER et al. 1999). Beide Betriebe konnten nur über eine befestigte Zufahrt erreicht werden, dennoch waren Pfützen sowie teilweise Schlamm und modriger Untergrund auf der Zufahrt als mögliche Kontaminationsquellen vorhanden.

In dieser Studie wurde für das Vorkommen von thermophilen Campylobacter spp. in den untersuchten Broilerherden eine Saisonalität festgestellt. Nur unter klimatisch

Diskussion 94 milden Bedingungen, während der wärmeren Monate Juni bis Anfang Oktober in 2010, konnten Campylobacter spp. in beiden untersuchten Beständen nachgewiesen werden. Untersuchungen in den Niederlanden, Schweden, Dänemark und Estland stellten ebenfalls einen deutlichen Anstieg der Campylobacter-Belastung bei Broilerherden während der Sommermonate Juni bis September fest (JACOBS-REITSMA et al. 1994; WEDDERKOPP et al. 2001; HANSSON et al. 2007b;

MEREMAE et al. 2010; BOYSEN et al. 2011). Auch in Großbritannien wurde eine Saisonalität beobachtet (WALLACE et al. 1997; JORGENSEN et al. 2011b), in älteren Studien war dies in Großbritannien jedoch nicht der Fall (HUMPHREY et al.

1993). Saisonale Schwankungen der Campylobacter-Last im Blinddarminhalt von Mastgeflügel werden, in Korrelation zu den jahreszeitlichen Unterschieden der Erregerdichte in der Umwelt gesehen und unter anderem mit dem jahreszeitlichen Wanderverhalten von Zugvögeln, dem vermehrten Aufkommen und gesteigerter Aktivität von Schadnagern sowie Insekten als belebte Vektoren in der warmen Jahreszeit in Zusammenhang gebracht (JACOBS-REITSMA et al. 1994; NICHOLS 2005). Eindeutig sind die Ursachen für die saisonalen Schwankungen der Campylobacter-Prävalenz jedoch noch nicht geklärt. So haben auch die variierenden Temperaturen und UV-Einstrahlung Einfluss auf die Überlebensfähigkeit von Campylobacter und deren Vorkommen in der Umwelt (KIST 2002; JORE et al. 2010).

Dies deckt sich mit den eigenen Ergebnissen. Während den kälteren Frühlingsmonaten in 2010 erfolgte demnach keine Kolonisation mit Campylobacter spp., erst mit Beginn der warmen Sommermonate konnte ein Eintrag von Campylobacter spp. nachgewiesen werden. Unter klimatisch kälteren Umständen kann so der Keimdruck in der Umwelt geringer gewesen sein und dadurch ein Eintrag erheblich später sowie eine Verbreitung und die Etablierung einer Herden-Kolonisation von eingetragenen Campylobacter nicht zwangsläufig stattgefunden haben. Eine definitive Aussage ließe sich aber nur bei mehrjähriger Beobachtung des Kolonisationsverlaufes in den untersuchten Betrieben machen.

Die Verbreitung der in die Herden eingetragenen Campylobacter-Kontamination konnte durch die Applikation von Selko®® 4Health nicht verhindert werden. Es wurde ermittelt, dass kontaminierte Arbeitsgeräte und Arbeitskleidung zur Verbreitung von Campylobacter spp. in Broilerbeständen beitragen können (EVANS u. SAYERS 2000). In Betrieb B wurden für jeden Stall eigene Arbeitsgeräte

Diskussion 95 verwendet, die dort belassen wurden, dagegen wurden in Betrieb A die gleichen Arbeitsgeräte in mehreren Ställen eingesetzt. Da beide Betriebe regelmäßig mit Campylobacter kolonisiert gewesen sind, scheint der getrennte Einsatz von Arbeitsgeräten hier keinen entscheidenden Vorteil geboten zu haben.

Weitere Vektoren für eine Verbreitung der Keime innerhalb des Stalles können kontaminiertes Wasser, Futter, Einstreu und Luft sein (GIBBENS et al. 2001;

HERMAN et al. 2003; ARSENAULT et al. 2007; LYNGSTAD et al. 2008). Bei den eigenen Untersuchungen konnte zu keinem Zeitpunkt Campylobacter spp. aus den Futterlinien der Ställe beider Betriebe isoliert werden. Die Futterlinien wurden daher in dieser Studie nicht als Verbreitungsquelle angesehen. Die Tränkewasserproben aus Behandlungs- und Kontrollgruppe in Betrieb B waren zu keinem Zeitpunkt mit Campylobacter spp. kontaminiert. Bei Betrieb A konnten aus den untersuchten Tränkewasserproben, die an den Wasserlinien im Stall der Kontrollgruppe entnommen worden sind, an Tag 28 der ersten beiden Versuche Campylobacter kultiviert werden, nicht jedoch aus dem Tränkewasser der Behandlungsgruppe. Dies deckt sich mit Ergebnissen zweier amerikanischer Studien, in denen Isolate aus Tränkewasserlinien eine Verwandtschaft zu den Isolaten der Broiler aufwiesen.

Weiterhin war eine Verbreitung von Campylobacter spp. über die Tränkewasser-leitung möglich (ZIMMER et al. 2003; OGDEN et al. 2007).

Kurzkettige organische Säuren sind in den letzten Jahren vermehrt eingesetzt worden, um durch Ansäuerung des Tränkewassers die mikrobielle Last in Wasser und Futter von Broilern zu senken (BYRD et al. 2001). Durch die Formulierung der kurz- und mittellangkettigen organischen Säuren in Selko®® 4Health wurde der pH-Wert im untersuchten Tränkewasser auf pH 4-4,6 gesenkt. Dieser niedrige pH-pH-Wert wirkt hemmend auf viele Bakterien, Hefen und Algen (DIBNER u. BUTTIN 2002).

Auch Campylobacter spp. reagieren empfindlich auf niedrige pH-Werte (DOYLE u.

ROMAN 1981). Organische Säuren sind per definitionem Carbonsäuren unterschiedlicher Länge mit substituierten Carboxylgruppen als funktionelle Gruppe mit mittleren pKs-Werten. Der pKs-Wert beschreibt den isoelektrischen Punkt einer Säure und damit den pH-Wert, an dem 50% der Protonen dissoziiert sind. In wässiger Lösung protolysieren organische Säuren durch ihre moderaten pKs-Werte nicht vollständig, sondern nur zu einem bestimmten Anteil. Daher haben organische

Diskussion 96 Säuren Puffereigenschaften. Die Säurestärke und die bakterizide Wirkung von organischen Säuren steigert sich mit zunehmender Kettenlänge, Doppelbindungen und substituierten Liganden wie Halogenen, z. B. hat Trichloressigsäure mit 0,5 einen wesentlich niedrigeren pKs-Wert als Essigsäure mit 4,75 bei gleicher Kettenlänge (HUYGHEBAERT et al. 2011). So penetrieren organische Säuren undissoziiert die Zellmembran von gram-negativen Bakterien und senken durch Dissoziation den neutralen pH-Wert 7 in der Bakterienzelle (SUN et al. 1998; VAN IMMERSEEL et al. 2006). Enzyme werden inaktiviert, dadurch werden Zellfunktionen wie die Proteinbiosynthese und die DNA-Replikation gestört (VIEGAS u.

SACORREIA 1991). Zusätzlich werden die Energiereserven der Bakterien bei der Bestrebung, den pH-Wert in der Zelle zu neutralisieren, durch ATP-abhängige Protonenpumpen erschöpft.

Durch ein breiteres Spektrum der pKs-Werte wirkt eine Mischung verschiedener organischer Säuren in Kombination angewendet synergistsich bakterizid in Futter und Wasser von Broilern (THOMPSON u. HINTON 1997; CHAVEERACH et al. 2004;

VAN IMMERSEEL et al. 2006; SKANSENG et al. 2010). So haben CHAVEERACH et al. (2002) gezeigt, dass Ameisensäure allein nur bei pH 4, synergistisch eingesetzte Kombinationen von Ameisensäure, Essigsäure und Propionsäure jedoch bei pH 4 und 4,5 einen sicheren bakteriziden Effekt auf thermophile Campylobacter spp.

haben. Der kombinierte bakterizide Effekt von organischen Säuren und der niedrige pH-Wert haben in dieser Studie im Tränkewasser der Behandlungsgruppe auf die säureempfindlichen, gram-negativen Campylobacter gewirkt, so waren in den eigenen Untersuchungen keine vitalen Campylobacter nachweisbar. Ebenfalls konnten CHAVEERACH et al. (2004) in einer experimentellen Studie zeigen, dass Selko® 4Health im Tränkewasser von Broilern signifikant den Campylobacter-Gehalt wie auch die Last von Enterobacteriaceae senken kann. Sie konnten aus dem Tränkewasser der Kontrollgruppen Campylobacter spp. isolieren, aus dem der Behandlungsgruppen hingegen nicht. Dies deckt sich mit den eigenen Ergebnissen.

Jedoch können in Wasser thermophile Campylobacter spp. im VBNC-Stadium vorliegen (ROLLINS u. COLWELL 1986; PEARSON et al. 1993). CHAVEERACH et al. (2003) haben gezeigt, dass C. jejuni und C. coli nach Behandlung über zwei Stunden mit Ameisensäure bei pH 4 im VBNC-Stadium vorliegen und deren Anzahl über die Zeit abnimmt. Diese VBNC-Zellen konnten dennoch über eine Passage in

Diskussion 97 SPF-Eiern erfolgreich rekultiviert werden. Es könnten in den eigenen Untersuchungen falsch negative Ergebnisse aufgetreten sein, die jedoch lebensmittelhygienisch ohne Bedeutung sind.

Die Ställe des Mästers A wurden circa im Jahre 1970 erbaut und die Wasserversorgungslinien vor ungefähr zwölf Jahren erneuert. Die Ställe des Mästers B wurden 2006 und 2008 errichtet. In den Tränkewasserproben von Betrieb A war tendenziell viel organische Substanz zu finden und es konnten aus den Tränkewasserproben der Kontrollgruppe Campylobacter spp. isoliert werden.

Organische Substanz war bei den Tränkwasserproben in Betrieb B kaum zu finden und vitale Campylobacter konnten nicht nachgewiesen werden. Im Dauerbetrieb der Mastanlagen könnte sich ein Biofilm durch Abnutzung mit steigender Korrosion der Wasserleitungen ausgebildet haben. In mehreren Studien wurde gezeigt, dass Campylobacter spp. in Biofilmen des Wasserleitungssystemes persistieren können (TRACHOO et al. 2002; REESER et al. 2007). Diese Erkenntnis deckt sich mit den eigenen Untersuchungen. Die älteren Wasserleitungen in Betrieb A boten länger die Möglichkeit zur Ausbildung eines stärkeren Biofilmes, aus dem mehr organische Substanz abgeschwemmt worden sein könnte als bei Betrieb B. In den vermehrt abgeschwemmten Anteilen dieses Biofilmes könnten sich die nachgewiesen Campylobacter spp. aus dem Betrieb A befunden haben.