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5 DISKUSSION

5.2 DISKUSSION DER ERGEBNISSE

5.2.6 Mikrobiologische Untersuchungsergebnisse

Bei der mikrobiologischen Untersuchung von Tupferproben, während der operativen Zahnextraktion aus veränderten Bereichen gewonnen, konnten bei 20 Pferden bakterielle Infektionserreger in Mischkultur festgestellt werden. Von den zwei weiteren Patienten ließ sich bei einem nur eine (Pferd Nr. 20), beim anderen keine Keimgattung (Pferd Nr. 7) isolieren.

Aus dem Abstrich von Pferd Nr. 20 wurden lediglich Keime der Gattung Actinobacillus isoliert. Der einseitige Nasenausfluss dieses Patienten war nicht kariös-übelriechend, womit ein deutliches Indiz auf das Vorliegen obligater Anaerobier fehlte.

Auch die Tupferprobe von Pferd Nr. 5 enthielt keine Anaerobier. Während der Vorbehandlung wurde diesem Patienten der Sinus maxillaris caudalis eröffnet. Die Vermehrung von Anaerobiern basiert auf reduzierter Sauerstoffspannung und niedrigem Redoxpotential (KRASEMANN, 1984). Diese Bedingungen waren hier, durch die dauerhafte Verbindung zur Außenluft, nicht gegeben. Somit ist das Fehlen von Anaerobiern im

Aus der Probe von Pferd Nr. 19 wurden nur obligate Anaerobier isoliert. Bei diesem ca. 4 jährigen Patienten haben reitende Milchkappen zu einer Quetschung des Gewebes im Wurzelbereich des P2 geführt. Die dort geschädigte Blutgefäßversorgung hat günstige Bedingungen für das Anaerobierwachstum geschaffen.

Die mikrobiologischen Untersuchung der übrigen 15 Pferde ergab jeweils eine Mischflora aus anaeroben und aeroben Keimen isoliert. In der Humanmedizin haben dentogene Infektionen häufig eine polybakterielle Ätiologie (PAPE et al., 1984; WERNER, 1985). Anaerob-aerobe Mischinfektionen weisen eine interdependente, synergistische Pathogenese auf (KRASEMANN, 1984). Die für das Anaerobierwachstum benötigten Bedingungen entstehen durch den Metabolismus anderer Keime oder durch reduzierende Substanzen, die ihrerseits bei Gewebezerfall entstehen (KRASEMANN, 1984). In Untersuchungen periodontaler Erkrankungen beim Hund wurden die aeroben Keime als wesentliche Bestandteile für die Entwicklung der Erkrankung angesehen. Sie schaffen die chemischen und physikalischen Bedingungen für das Wachstum der Anaerobier (HENNET u. HARVEY, 1991 a). Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchungen decken sich mit den Ergebnissen aus Human- und Kleintiermedizin.

Aus dem gesamten Probenmaterial ließen sich 107 Bakterienstämme aus 27 verschiedenen Gattungen isolieren. Es dominierten die Gattungen Streptococcus mit 18, Prevotella mit 15, Fusobacterium mit 14 und Actinobacillus mit 11 Isolaten.

Streptokokken gehören, wie auch die anderen drei Gattungen, zur Normalflora der respiratorischen Schleimhäute der Equiden. Eine klinische Manifestation der Streptokokken bedarf einer Herabsetzung der Schleimhautabwehr (SELBITZ, 1992). Schäden der Schleimhäute können schon durch ein geringgradiges Kantengebiß hervorgerufen werden.

Die entstandenen Ulzerationen bilden eine mögliche Eintrittspforte für Bakterien. Bei Pferden mit Erkrankungen im Bereich der Nasennebenhöhlen wurden in 8 von 9 Proben, die während einer Sinusendoskopie entnommen wurden, Streptokokken isoliert (RUGGLES et al., 1993).

Im Verlauf der eigenen Untersuc hungen enthielten bei vier Pferden die Zahntupfern Sc. equi subsp. zooepidemicus, bekannt als Eitererreger (BISPING u. AMTSBERG, 1988). Zwei der Pferde mit einem ein hochgradigen Gehalt dieser Spezies zeigten klinisch eine purulente Unterkieferfistel auf.

Bakterien der Gattung Prevotella wurden von BAILEY und LOVE (1991) sowohl aus der

Maulhöhle des gesunden Pferdes, als auch bei Pferden mit Erkrankungen des Respirationstraktes und paraoralen Infektionen isoliert.

Fusobakterien werden im Synergismus mit anderen Mikroorganismen als Krankheitserreger wirksam (SELBITZ, 1992). Ein diagnostisch nutzbares, klinisches Merkmal ist der typische, unangenehme Geruch, der durch das Hauptfermentationsprodukt Buttersäure bei allen Keimen der Familie Bacteroidaceae entsteht. Proben mit diesem üblen Geruch enthalten immer Anaerobier. Aber auch in einer geruchlosen, pathologischen Veränderung kommen Anaerobier vor (LEVETT, 1991). Die eigenen Untersuchungen untermauern diese These.

Bei 13 von 14 Pferden (92,9%) handelte es sich bei den nachgewiesenen Fusobakterien um F.

necrophorum. Die deutliche Dominanz dieser Spezies wurde auch von EVEN (1997) bei der Untersuchung von klinischen Material erkrankter Tieren festgestellt.

Von insgesamt 107 isolierten Stämmen waren 49 Anaerobier, 45 Aerobier und 13 Mikroaerophile. Diese relativ gleichmäßige Verteilung auf Bakterien, die von Sauerstoff abhängig sind und solche, auf die Sauerstoff toxisch wirkt, bestätigt abermals den polymikrobiellen Charakter dentaler und oraler Infektionen (PRESCOTT, 1993).

Der Schwerpunkt der mikrobiologischen Untersuchung lag bei den gramnegativen obligaten Anaerobiern. Es dominierten mit 15 von 38 Isolaten Keime der Gattung Prevotella, gefolgt von Fusobakterien (n=14) und Bacteroideskeimen (n=6). Die Familie der Bacteroidaceae gehört zur Normalflora der Maulhöhle von Tieren (SELBITZ, 1992). Sie enthält mögliche pathogene Keime, die sich unter günstigen Bedingungen rasant vermehren. In Verbindung mit einer Backenzahnerkrankung entstandene Anaerobierinfektione n der Pferde sind daher endogener Natur (BAILEY u. LOVE, 1991). In der Humanmedizin werden endogene Infektionen, wie z. B. Sinusitiden, Parodontiden und Karies, hervorgerufen durch oropharyngeale Anaerobier beobachtet (WERNER et al., 1991). Der Mensch bildet mit seinen florabesiedelten Schleimhäuten bei schwerwiegenden Anaerobierinfektionen selbst die Quelle der Erreger. Zu den Leitkeimen dentogener Eiterungen des Menschen gehören B.

melaninogenicus, B. asaccharolyticus, F. nucleatum, mikroaerophile Streptokokken, Peptostreptokokken und Actinomyces (WERNER, 1985).

Bei periodontalen Erkrankungen des Hundes war eine Verschiebung der Maulhöhlenflora von unbeweglichen, grampositiven, aeroben Kokken zu beweglichen, gramnegativen, anaeroben Stäbchen festzustellen (HENNET u. HARVEY, 1991 a). Auch beim Pferd ergeben sich Hinweise auf eine derartige Entwicklung. BAILEY u. LOVE (1991) haben von der

isoliert. Dieses Verhältnis hat sich bei Pferden mit Erkrankungen im Bereich des Respirationstraktes bzw. paraoralen Infektionen verschoben zu 29,4 % fakultativen Anaerobiern und 69,9 % obligaten Anaerobiern. Bei den eigenen mikrobiologischen Untersuchungen wurden insgesamt 45,8% obligate Anaerobier isoliert. Damit liegt der Wert deutlich über dem gesunder Pferde.

Bei Backenzahnerkrankungen des Pferdes kommt es zu unspezifischen Infektionen mit obligaten, gramnegativen Anaerobiern. Diese Keime sind Bestandteil der gesunden Maulhöhlenflora, können jedoch unter günstigen Bedingungen virulent wirken und Gewebenekrosen hervorrufen (PRESCOTT, 1993). Gesunde Pferde mit einem gepflegten Gebiss haben nur selten dentogene Infektionen. Schäden am Zahn, wie z.B. partielle Kronenfrakturen, Haken und Ka nten, die zu Schleimhautläsionen führen und reitende Milchkappen verändern das Mikroklima und ermöglichen die Vermehrung virulenter Keime.

Besonders endodontische Infektionen bieten mit ihrer minimalen Eintrittspforte und dem totalen Luftabschluss im Bereich des Apex optimale Wachstumsbedingungen für Anaerobier.

Die klinische Relevanz der mikrobiellen Untersuchung von Zahntupfern vor allem auf obligat gramnegative Anaerobier liegt in der Abklärung ihrer medikamentellen Therapie zur Verhinderung einer Septi kämie. Beim Menschen werden vorübergehende Bakteriämien, Endokarditiden, Meningitiden und Gehirnabszesse infolge von Parodontitis und Gingivitis beschrieben (THODEN VAN VELZEN et al., 1988). Sekundäre Bakteriämien nach Zahnextraktionen sind häufig (NEWMAN u. GOODMAN, 1989). In der Literatur werden Fälle beschrieben, in denen es beim zahnerkrankten Hund zu einer spontanen Sepsis gekommen ist. Operationsinduzierte Bakteriämien traten bei allen Hunden während des Eingriffes auf. Die Schwere der Erkrankung hatte hierbei keinen Einfluss auf die Ausmaße der Septikämie (NIEVES, et al., 1997). BARTMANN et al. (2002) beschreiben beim Pferd den Verlauf einer hochfiebrigen Septikämie mit Meningitis, Endokarditis und Pneumonie nach Zahnchirurgie. Mikrobiologisch wurde ein hochgradiger Gehalt an gramnegativen Anaerobiern festgestellt.

Zur Minderung dieses potentiellen Risikos wird präoperativ eine systemische, antibakterielle Chemotherapie unter Berücksichtigung einer vermutlich anaerob-aeroben Mischinfektion eingeleitet. In der Humanmedizin wird bei chronischen Pulpitiden, dentoalveolären Abszessen und Parodontiden Penicillin-G verabreicht. Tritt unter dieser Behandlung innerhalb von 24 Std. keine signifikante Besserung ein, ist das Antibiotikum zu wechseln. Clindamycin,

Metronidazol oder Amoxicillin plus Clavulansäure werden verabreicht (NEWMAN u.

GOODMAN, 1989). EASLEY (1996) rät zur Verabreichung einer Kombination aus dem Nitroimidazol Metronidazol und Penicillin, drei bis viermal täglich. Ein veterinärmedizinisches Metronidazol-Präparat für Pferde ist jedoch in Deutschland nicht auf dem Markt. Zudem steht Metronidazol in Anhang IV der Arzneimittelverordnung und darf seit der EU-weiten Einführung des Equidenpasses bei zur Schlachtung bestimmten Pferden nicht mehr angewandt werden (KLUGE u. UNGEMACH, 2000). Das Lincosamid Clindamycin ist im Kleintierbereich beim Hund zur Behandlung von chronisch-eitrigen Nasennebenhöhlenentzündungen und Zahnerkrankungen erfolgreich im Einsatz. Die Anwendung beim Pferd ist jedoch kontraindiziert, da es im Darm zu günstigen Wachstumsbedingungen für Clostridien kommt, die schwere Colitiden induzieren können (LÖSCHER et al., 1994).

Eine zentrale Rolle im Resistenzgeschehen spielt die von B. fragilis produzierte ß-Laktamase.

Durch den Zusatz von Clavulansäure zum Antibiotikum wird sie gehemmt, und die Aktivität der meisten Penicilline verstärkt. Nach Untersuchung von EVEN (1997) bestehen gegenüber Amoxicillin plus Clavulansäure keine Resistenzen.

Aufgrund dieser Erkenntnisse und dem Fehlen eines geeigneten für Equiden zugelassenen Präparates, wurden die Patienten der Studie erfolgreich mit Amoxicillin behandelt.

Obwohl schwerwiegende Infektionen durch eine effektive Prophylaxe selten geworden sind (KRASEMANN, 1984) gibt es aber auch keine absolute Vorbeuge. Wichtig erscheint, dass die chirurgischen Maßnahmen Vorrang vor einer unterstützenden Antibiose haben, da eine

„Oralsepsis“ entstehen kann, wenn der erkrankte Zahn nicht extrahiert bzw. ausgestempelt wird (WINTZER u. KRAFT, 1997).