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4. Diskussion

4.1 Methodendiskussion

Analog zu 2009 haben sich 2019 nicht alle Kliniken an der Umfrage beteiligt. 6 Kliniken, die 2009 noch an der Studie teilgenommen hatten, taten dies 2019 nicht mehr. Wiederum liegen von 3 Kliniken aktuelle Fragebögen vor, die 2009 nicht teilgenommen hatten. Bei der 34 Kliniken umfassenden Stichprobe sind dadurch statistische Verzerrungen entstanden. Eine Ursache der geringeren

Teilnehmerzahl ist sicherlich der Umfang des Fragebogens, der retrospektiv mit 18 Seiten als zu lang zu bewerten ist. Eingedenk der höheren Arbeitsbelastung in Form gestiegener Untersuchungszahlen und der wiederholten Kritik der Leiter, dass für Forschung weder genügend Zeit noch Personal zur Verfügung stünde, hätte der Fragebogen auf Kernfragen beschränkt werden müssen. Als inhaltliche Studienlimitation ist die Begrenztheit der untersuchten Aspekte zu nennen, was dem Studienziel geschuldet ist, einen Überblick über die komplexen

Themengebiete Ausbildung, Weiterbildung und Forschung zu leisten.

4.2 Organisation und Stellenwert der Abdomensonographie

Verantwortliche Abteilungen

Erneut lässt sich feststellen: Die gastroenterologischen Abteilungen bilden das Fundament der abdominellen Ultraschalldiagnostik. An allen Kliniken ist dieses Fachgebiet in Allein- oder Mitverantwortung. Dies ist zu begrüßen, denn als Trägerin der Expertise ihres Fachgebietes steht der Gastroenterologie mit dem Ultraschall ein Instrument zur Verfügung, welches den gesamten diagnostischen Prozess auf den behandelnden Arzt vereinigen kann [88].

Die radiologischen Abteilungen sind in 43% der Kliniken eingebunden. In 5 Fällen in Kooperation mit der Gastroenterologie und in 7 Fällen als Teil eines interdisziplinären Ultraschallzentrums. 1999 waren an 58% der Kliniken eine radiologische Abteilung eingebunden, 2009 nur noch an 29%. Gemessen an diesen Zahlen ist die aktuelle Rolle der radiologischen Abteilungen zwischen den Ergebnissen von 1999 (-15%) und 2009 (+14%) zu verorten. Delorme und Weber konstatieren, dass dem „Radiologen wie keinem seiner Kollegen die Kenntnis sämtlicher konkurrierende bildgebender Verfahren“ zur Verfügung stehe [86]. Die Arbeitsgemeinschaft Ultraschall der deutschen Röntgengesellschaft (DRG) kritisiert, dass trotz der wachsenden Bedeutung der Sonographie deren Stellenwert in der Facharztausbildung und der klinischen Arbeit der Radiologen abnehme [37].

Dem ist entgegenzusetzen, dass sich der negative Trend von 1999 zu 2009 bis 2019 umgekehrt hat [88].

* Abschnitte des Kapitels „Diskussion“ wurden erstveröffentlicht in [87, 88].

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Die Sonographie ist ein diagnostisches Bindeglied verschiedener Fachrichtungen.

Daher ist es von Bedeutung, die Methode in einem interdisziplinären Rahmen stattfinden zu lassen. Es ist somit zu begrüßen, dass inzwischen an 43% der Kliniken ein interdisziplinäres Ultraschallzentrum existiert (n=8) oder geplant ist (n=4). Auch für die Weiterentwicklung und Etablierung moderner Untersuchungsmethoden wie der Fusionsbildgebung ist dies zu befürworten [48].

Berechtigterweise bezeichnen Weber und Delorme die Ultraschallmethode als

„Vorreiter für die Ausbildung interdisziplinärer Versorgungsstrukturen“ [86]. Neben der Zusammenführung von Expertise bieten interdisziplinäre Ultraschallzentren weitere Vorteile: eine optimierte Geräteauslastung, ein Rahmen zur Koordination qualitätssichernder Maßnahmen und der Ausbau fachübergreifender Kommunikationsstrukturen [87, 88].

Technische Ausstattung

Eine zentrale Feststellung der 2009 durchgeführten Studie war die qualitative Verbesserung der Gerätesituation bei nahezu konstanter Anzahl an Systemen pro Abteilung. Die aktuelle Studie belegt nun die ergänzende quantitative Verbesserung (2009: +1,2 Geräte/Abteilung; 1999: +1,1 Geräte/Abteilung). Bei eingeschränkter Vergleichbarkeit kann jedoch von einer rückläufigen Qualität der Systeme gesprochen werden [88].

Ein Rückgang der Investitionsbereitschaft in moderne Systeme ist ebenfalls erkennbar und spiegelt sich im vielfach geäußerten Wunsch nach einer Verbesserung der Gerätesituation wider. Die Güte der sonographischen Bildgebung hängt neben der Anwendererfahrung maßgeblich von der Qualität der genutzten Systeme ab. Folglich muss sich die Investitionsbereitschaft in High-End-Geräte proportional zur Weiterentwicklung der Methode verhalten [7]. Nur so können die eingangs beschriebenen Vorteile der Sonographie im klinischen Alltag genutzt und deren Stellenwert weiter ausgebaut werden [21]. In Anbetracht der massiv gestiegenen Untersuchungszahlen, der Ausbildung einer höheren Anzahl an Ärztinnen und Ärzten in einer kürzeren Zeitspanne und der gestiegenen Zahl an komplexen Untersuchungen ist die aktuelle Entwicklung der Gerätesituation als nicht ausreichend zu bewerten. Hinsichtlich der Digitalisierung ist ferner zu kritisieren, dass der Anteil an Abteilungen, welche digital gespeichertes Bild- und Videomaterial der ganzen Klinik zur Verfügung stellen können, unverändert bei 70%

(2009: 68%) liegt [88].

Untersuchungszahlen

Ein substanzieller Unterschied zu den Voruntersuchungen sind die festgestellten Untersuchungszahlen. Schon in den Vorgängerstudien wurde kritisiert, dass der klinische Alltag wenig Raum für Forschung und Ausbildung junger Ärzte ließe. Diese Kritik wird in der aktuellen Studie wiederholt und findet in den erhobenen Untersuchungszahlen ihre objektivierbare Entsprechung. Blieben die Untersuchungszahlen zwischen 1999 und 2009 weitgehend konstant, ist in der vergangenen Dekade ein Zuwachs von maximal 28% zu verzeichnen. In Bezug auf das erste (1995) und letzte (2018)

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Jahr der Datenerhebung konnte ein Anstieg von 47% festgestellt werden. Die Zahl kontrastmittelgestützter Ultraschalluntersuchungen entwickelt sich ähnlich. Im Zeitraum 2009 bis 2018 ist eine prozentuale Zunahme um 33% zu verzeichnen. Da die gängigen Ausbildungsrichtlinien im Bereich der Ultraschalldiagnostik ausschließlich auf abzuleistenden Untersuchungszahlen basieren und weiterführende Qualitätskriterien nicht formuliert sind, erscheint die gegenläufige Entwicklung von steigenden Untersuchungszahlen und kürzeren Ausbildungszeiten bei einer gestiegenen Anzahl jährlich ausgebildeter Ärztinnen und Ärzten als stimmig [11, 15]. In diesem Rahmen sei auf die Richtlinien und Empfehlungen der Föderation Europäischer Ultraschallgesellschaften (EFSUMB) hingewiesen, darunter die „Minimum Training Recommendations“ der Ultraschalldiagnostik [41].

Die EFSUMB unterscheidet drei Kompetenzstufen, welche hinsichtlich eines Zeitraumes aktiver Ultraschalldiagnostik und abzuleistender Untersuchungszahlen mit denjenigen der DEGUM vergleichbar sind. Stufenspezifisch werden indes weiterführende Kompetenzen wie zu erkennende Pathologien und organbezogene Untersuchungstechniken definiert. Im Gegensatz zu einem Ausbildungsmodell, welches ausschließlich auf abzuleistenden Untersuchungszahlen basiert, fiele ein hoher Patientenumsatz bei einem inhaltszentrierten Modell weniger ins Gewicht.

Hingegen würden zeit- und betreuungsintensive Ausbildungsinhalte wie die Durchführung einer kontrastmittelgestützen Ultraschalluntersuchung an Bedeutung gewinnen. Eine dahingehende Anpassung der (Muster-)Weiterbildungsordnung wäre wünschenswert [88].

Ultraschallkurse

2009 wurde positiv hervorgehoben, dass sich der Anteil an Kliniken, die selbst Ultraschallkurse anbieten, von 22% (1999) auf 43% erhöht hatte. 58% (1999: 23%) der Kliniken ermöglichten zudem die Teilnahme an externen Kursen. Inzwischen bieten 46% der Kliniken Ultraschallkurse an und 65% ermöglichen die Teilnahme an externen Kursen. Daraus ist jedoch auch abzuleiten, dass der klinische Alltag weniger Raum für die Ausbildung lässt. Stattdessen obliegt es den Weiterbildungsassistenten selbst, Ausbildungslücken zu schließen. An 54% der Kliniken tragen die Ärztinnen und Ärzte die Kosten für dieses Engagement zudem selbst. Dies wirft ein bedenkliches Licht auf die Wertschätzung der Kliniken für die Ultraschallausbildung. Die DEGUM hat es sich zur Aufgabe gemacht, „die Qualität der Ultraschalldiagnostik in den jeweiligen Facharzt- und Schwerpunktausbildungen und in der klinischen Arbeit zu sichern“ [33]. Insofern seien die DEGUM Kurse eine

„Ergänzung, die Lücken bei der Ausbildung und Supervision im eigenen Krankenhaus“ schließe „und damit eine hohe Qualität der Ultraschalldiagnostik“

gewährleiste [34]. Es gibt überraschend wenig Kritik an diesem Anspruch. Ein Konzept zur sukzessiven Schließung benannter Ausbildungslücken findet sich, zumindest in den aktuell geltenden Ausbildungsrichtlinien, nicht [88].

61 Die Rolle der DEGUM

Bereits in der 1999 durchgeführten Studie wurde der DEGUM eine maßgebliche Rolle im Bereich der Qualitätssicherung zugesprochen. Im Verlauf der vergangenen 20 Jahre wurde diese weiter ausgebaut. Der Anteil an Abteilungsleitern mit Mitgliedschaft in der DEGUM stieg von 50% (1999) über 81% (2009) auf aktuell 96%. Im Rahmen des Drei-Stufen-Konzeptes lässt sich zudem eine Entwicklung hin zu höheren Qualifikationsstufen feststellen. 1999 hatten lediglich 11% der Abteilungsleiter den Seminarleiterstatus (Stufe III) inne, 2009 bereits 19%. In der aktuellen Erhebung haben 36% der Abteilungsleiter die höchstqualifizierte Stufe inne. Heese und Görg haben untersucht, welchen Benefit Stufe III Anwender für Kliniken und Patientenversorgung darstellen. Dabei stellten sie die Frage, inwieweit die diagnostische Treffsicherheit eines Stufe III Anwenders diejenige eines Anwenders der Stufe I und II übersteigt. Betrug die diagnostische Treffsicherheit bei einem Erstultraschall (Stufe I und II) noch 38,8%, erhöhte sich diese bei einem Referenzultraschall der Stufe III auf 94,5% [45]. Hochqualifizierte Mitarbeiter sind folglich unerlässlich für eine hohe Befund- und Ausbildungsqualität. Folgende Gründe für die niedrige Anzahl an Seminarleitern wurden in den vorangegangenen Studien diskutiert: Zum einen stellten die Anforderungen der Qualifikationssysteme zu hohe Hürden dar, zum anderen sei eine Abwanderung von hochqualifizierten Klinikern hin zu leitenden Positionen in externen Kliniken zu verzeichnen.

Tatsächlich sind die zu erfüllenden Bedingungen einer Stufe III Zertifizierung im Fachgebiet Innere Medizin umfassend. Unter anderem sind neben einer 6- jährigen aktiven Tätigkeit in der Ultraschalldiagnostik mindestens 10.000 eigenverantwortlich durchgeführte Ultraschalluntersuchungen zu belegen [25]. Eingedenk der Kritik von Weber und Delorme, dass der Ultraschall nicht hoch angesehen werde und dass sich das Interesse junger Kollegen in Grenzen halte, erscheinen diese Vorgaben tatsächlich als hoch gegriffen [86]. Zudem ist eine Karriere in der Ultraschalldiagnostik finanziell wenig attraktiv. Hinsichtlich der negativen ökonomischen Perspektive sei beispielhaft auf die 2016 durchgeführte Online-Umfrage des Berufsverbands Niedergelassener Gastroenterologen Deutschlands e.V. verwiesen, in der von 415 teilnehmenden Ärztinnen und Ärzten 89% die Finanzierung der Sonographie in den gesetzlichen Krankenkassen als defizitär einschätzen. Angesichts ihrer Ergebnisse stellen die Autoren folgerichtig die Frage, ob „in der desaströsen ökonomischen Situation der abdominellen Sonographie eine Chance für die Umsetzung der beeindruckenden technischen Innovationen der Methode in der medizinischen Versorgung der Bevölkerung“ bestehe [6]. Bei der derzeitigen Vergütung der Methode ist diese Chance als gering einzuschätzen, zumal weder Anwenderqualifikationen noch der Einsatz von High-End-Technologie adäquate Honorierung finden. Hinsichtlich einer Karriere im Bereich der Ultraschalldiagnostik zeichnen die ärztlichen Leiterinnen und Leiter ein ähnlich düsteres Bild. Der Aussage, Ultraschall sei ein karriereförderliches Forschungsfeld, stimmten lediglich 29% (n=8) zu oder völlig zu. 14% (n=4) bewerteten diese Aussage indifferent und 57% (n=16) stimmten nicht oder gar nicht zu.

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Das daraus resultierende Dilemma lässt sich wie folgt zusammenfassen: Der Erwerb sonographischer Kompetenz ist Voraussetzung für eine hohe Methodenqualität. Der Weg zum qualifizierten Ultraschallanwender ist hierbei zeitintensiv und setzt eine enorme Einsatzbereitschaft voraus. Diese wird jedoch weder in beruflicher noch finanzieller Hinsicht angemessen entlohnt. Andernfalls wären vermutlich mehr Ärzte dazu bereit, sich der Weiterentwicklung des Ultraschalls zu verpflichten [88].