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Sportliche Belastung führt unmittelbar zu einer biologischen Beanspruchung physiologischer Teil-systeme und damit zu einer Ermüdung bei ausreichend intensiv trainierenden Sportlern. Ermüdung wiederum kann als Ausgangspunkt für die Entstehung kurz- oder längerfristiger Leistungsmin-derungen angesehen werden. Damit gemeint ist ein verminderter sportlicher Leistungszustand, der sich „aus dem aktuellen Niveau personaler Leistungskomponenten (Einflussgrößen), deren Ausprägungsgrad sich im Ergebnis einer Aufgabenlösung zeigt“, ergibt (Martin, Carl & Lehnertz 1993, S. 26). Sportliches Training steht also am Beginn eines gedachten Kontinuums von Belastung, Beanspruchung, Ermüdung und Leistungsminderung. Es stellt bei der Entstehung von Überbelastungen und Übertrainingssyndromen eine notwendige Bedingung dar. Im Weiteren

werden daher zunächst grundlegende Aspekte sportlichen Trainings beschrieben, bevor dann näher auf die Komponenten Ermüdung und Leistungsminderung eingegangen wird.

Unter sportlichem Training verstehen Martin et al. (1993, S. 16)

„einen komplexen Handlungsprozess, der auf die planmäßige Entwicklung bestimmter sportlicher Leistungszustände und deren Präsentation in sportlichen Bewährungssituationen, speziell im sportlichen Wettkampf, ausgerichtet ist“.

Das Herbeiführen einer gesteigerten Leistungsfähigkeit hat seinen Ausgangspunkt in einer Störung der zellulären Homöostase. Es wird angenommen, dass die mit sportlicher Belastung einher-gehenden funktionellen und energetischen Veränderungen physiologische Antwortreaktionen des Organismus initiieren (Kuipers, 1998). Es kommt zu einer zeitweiligen Herabsetzung der Funktionsfähigkeit des Organismus, in der folgenden Erholungsphase passen sich die Zellen eines Gewebes, Organe und der Gesamtorganismus so an, dass eine höhere Leistungsfähigkeit der Mehrbelastung entgegenwirkt.

Diese Anpassung führt jedoch nicht nur zu einer Wiederherstellung der Homöostase, sondern resultiert im Idealfall in einem verbesserten Leistungszustand – es kommt zu einer Super-kompensation, dargestellt in Abbildung 1.

Abb. 1: Modell der Superkompensation (de Marées, 2003, S. 314)

Die Geschwindigkeit der Restitutionsvorgänge auf den verschiedenen physiologischen Ebenen sind jedoch komplex und unterschiedlich, somit kann das Modell der Superkompensation lediglich vereinfacht auf die sportartspezifische Leistungsfähigkeit, so sie eindeutig messbar ist, auf spezifische Teilaspekte dieser oder auf die Resynthese von Glykogen, Enzymen und Eiweißen bezogen werden.

Kuipers (1998) vermutet den höchsten Level einer Superkompensation, bezogen auf die sportliche Leistungsfähigkeit, als optimalen Zeitpunkt für nachfolgendes Training, um eine stetige Entwick-lung des Leistungsvermögens zu erreichen. Eine im langfristigen Trainingsaufbau intendierte

15 Annäherung an die individuelle maximale Funktionskapazität, die physiologische Leistungsgrenze eines Sportlers, erfordert gezielt und dauerhaft zu steigernde Belastungsumfänge und -intensi-täten. Es kommt im Idealfall zu einer Verringerung der Anpassungsreserve (Martin et al., 1993) des Sportlers, die jedoch nicht gleichmäßig verläuft, sondern permanenten Schwankungen unterliegt.

Häufig werden innerhalb periodisierter Trainingsphasen bewusst geplante Belastungsspitzen ein-gesetzt, die zu einer Überlagerung und Verstärkung der Superkompensationseffekte führen sollen.

Es wird eine zeitweise andauernde Leistungsminderung von Sportlern in Kauf genommen, um verzögerte und verstärkte Trainingseffekte als Folge umfangreicher und intensiver Trainings-belastungen nutzen zu können. Die individuell optimale Dosierung solcher Trainingsphasen mit der Folge maximal möglicher Leistungszuwächse stellt jedoch aufgrund geringer Kenntnisse über zeitliche Faktoren der Erholungs- und Anpassungsprozesse ein Hauptproblem für Trainer und Sportler dar (vgl. O'Toole, cop. 1998). Die Gefahr körperlicher Schädigungen und Überbe-lastungen ist in solchen Trainingsphasen besonders immanent.

2.2.1 Training und Leistung

Übertraining ist ein lange bekanntes Problemfeld der Sportwissenschaft, dennoch ist der quantitative Zusammenhang zwischen Training und Leistungsfähigkeit nicht ausreichend erforscht (Lehmann, Foster et al., 1993).

Kuipers (1998) beschreibt einen begrenzten und kaum definierbaren optimalen individuellen Trainingsbereich und einen umgekehrt U-förmigen Zusammenhang zwischen Trainingsbelastung und Leistungsniveau. Es besteht die Gefahr, diese individuelle Zone durch zu umfangreiches oder intensives Training oder mangelnde Regenerationszeiten zu überschreiten. Dass dies häufig ist, vermutet O'Toole (cop. 1998) und verweist auf Studien von Costill, Flynn, Kirwan, Houmard, Mitchell, Thomas und Park (1988) mit Schwimmern. Sie geht davon aus, dass in einigen Sportarten das durchgeführte Trainingsvolumen um etwa die Hälfte reduziert werden könnte, ohne dass dies negative Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit der Athleten habe. Orientiert man sich an den Untersuchungsergebnissen von Hooper et al. (1995), Kenttä et al. (2001), Lehmann, Schnee et al. (1992), Morgan et al. (1987), O'Connor et al. (1989), Raglin et al. (2000) sowie Ausführungen von Lehmann et al. (cop. 1998), trainieren viele Sportler tendenziell jedoch eher zu viel und gefährden damit neben sportlichen Zielen auch die eigene Gesundheit.

Berücksichtigt man, dass teilweise minimale Leistungsunterschiede von etwa 1 % – wie beispiels-weise bei den Olympischen Spielen 1988 im Eisschnelllauf – über Goldmedaille oder einen undankbaren vierten Platz entscheiden können (Kuipers, 1998; vgl. Lehmann et al., 1998), so wird deutlich, wie entscheidend die Planung eines optimalen Trainingspensums mit ausreichender Erholung für die Wettkampfleistung eines Sportlers ist. Jedoch scheint dies ungleich schwieriger und komplexer zu realisieren:

“No model exists that can be used so that the overload training stimulus results in optimal improved performance while minimizing the potential to develop overreaching or the overtraining syndrome” (O'Toole, cop. 1998, S. 3).

2.2.2 Kritische Belastungsfaktoren

Es gibt eine Reihe von Faktoren, die das Auftreten einer Überbelastung bei Sportlern verursachen oder begünstigen können – Lehmann et al. (1998) sprechen daher allgemein von einem Stress-Regenerations-Missverhältnis, Urhausen und Kindermann (2000) von einem Ungleichgewicht zwischen Gesamt-Beanspruchung und Belastbarkeit. Nachfolgend genannt werden einige in diesem Zusammenhang häufig erwähnte Aspekte (vgl. MacKinnon, 2000; Raglin & Barzdukas, 1999):

• ein unausgewogenes Verhältnis von Trainingsbelastung und Regenerationsphasen

• eine allgemeine Trainingsmonotonie

• eine zu hohe Anzahl an Wettkämpfen

• psychosoziale Stressoren

• Umweltstressoren wie Höhenbelastungen, Training in Hitze

• Reisestrapazen

• eine unausgewogene Ernährung

• gesundheitliche Beeinträchtigungen

Theoretisch ist eine Vielzahl weiterer Stressoren außerhalb des Trainingskontextes denkbar, die Sportler beeinträchtigen und ursächlich an einer Überbelastung beteiligt sein könnten. Urhausen und Kindermann (2002a) schreiben diesen Stressoren eine wesentliche Bedeutung zu, sodass davon ausgegangen werden muss, dass sportliches Training allein wohl nur selten ein Übertrainingssyndrom auslösen dürfte (vgl. Kuipers, 1998; Rietjens et al., 2005).

Teilweise uneinheitliche Ansichten existieren über die Frage, welche Trainingsinhalte in beson-derem Maße als kritisch einzuschätzen sind. Während Lehmann, Baumgartl et al. (1992) vor allem dauerhaft hohen Belastungsumfängen leistungsmindernde Wirkung zuschreiben (vgl. MacKinnon, 2000), sehen Budgett (1998) und Israel (1976) hohe Belastungsintensitäten als problematischer an. Budgett (ebenda) benennt explizit intensive Intervalltrainingseinheiten mit ein- bis sechsminütigen Belastungsphasen und kurzen Belastungspausen als problematisch.

Nach Urhausen und Kindermann (2002a) begünstigen vor allem innerhalb kurzer Zeit ansteigende sowie monoton hohe Belastungsumfänge, aber auch hohe Belastungsintensitäten mit anaerob-laktazider Energiebereitstellung die Entstehung einer Überbelastung bzw. eines Übertrainings-syndroms (vgl. Hooper et al., 1995; MacKinnon, 2000). Es erscheint nachvollziehbar, dass vor allem die Kombination beider Faktoren – hohe Belastungsintensität und hoher Belastungsumfang – über einen längeren Zeitraum zu dauerhaften Ermüdungserscheinungen führen kann (MacKinnon, 2000). Entscheidenden Einfluss auf die Tolerierbarkeit vor allem hoher Belastungsintensitäten dürfte zudem der Trainingszustand der Sportler haben.

Unabhängig von möglichen Auslösemechanismen bleibt oben genannte Unausgewogenheit zwischen Belastung und Regeneration der allgemein grundlegendste trainingsbezogene Aspekt bei der Entstehung einer Überbelastung oder eines Übertrainingssyndroms (Fry et al., 1991; vgl.

Halson et al., 2002; Halson et al., 2003; Hooper et al., 1995; Lehmann et al. 1999; MacKinnon, 2000; Meeusen et al., 2006; O'Toole, cop. 1998).

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