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Experimentelle Studien zum Thema Übertraining haben zumeist das Ziel, mittels Trainings-interventionen in Form enormer Umfangs- bzw. Intensitätssteigerungen eine Überbelastung oder ein Übertrainingssyndrom bei den Teilnehmern zu induzieren. Quasiexperimentelle Ansätze machen sich dabei reale Trainings- oder Wettkampfphasen mit hohen Belastungsanforderungen zunutze, während Beobachtungsstudien Sportler über längere Trainings- und Wettkampfphasen begleiten und auf eine Einflussnahme auf wirkende Stressoren verzichten.

Beide Ansätze, experimentell wie Beobachtung, bleiben aus mehreren Gründen diskussionswürdig. Rowbottom et al. (cop. 1998) stellen den Nutzen kurzfristiger Interventionen infrage, indem sie die Übertragbarkeit der Ergebnisse in reale Trainings- und Wettkampfsituationen bezweifeln. Beispielsweise könnten dort subtilere Veränderungen auftreten, die sich schleichend bemerkbar machen und dementsprechend schwerer zu diagnostizieren sind (vgl. Vogel, 2001).

Ähnlich argumentieren Urhausen und Kindermann (2000), die neben einer häufig zu kurzen Beo-bachtungsdauer die geringe Anzahl untersuchter Spitzensportler sowie die fehlende Berücksichtigung der an die Interventionen anschließenden Regenerationsphasen kritisieren. Auch Vogel (2001, S. 160) bezweifelt die Übertragbarkeit der Daten nur mäßig trainierter Sportler auf Spitzenathleten und favorisiert eine längerfristige Beobachtung von Teilnehmern, die „zu Gunsten der Durchführbarkeit und klinischen Relevanz einen Verlust an standardisierten Bedingungen hin-nehmen“ müsse.

Bei länger andauernden Interventionen, die massive Intensitäts- bzw. Umfangssteigerungen bein-halten, stellt sich zudem die Frage der ethischen Bedenklichkeit. Je länger ein solcher Eingriff erfolgt, desto weniger sind gesundheitliche Konsequenzen und Schädigungen für die Teilnehmer auszuschließen. Dies sollte gerade für die häufig verwendeten nur mäßig trainierten Teilnehmer zutreffen. Ein weiteres Problem beim experimentellen Ansatz stellt die Unterstützung der Sportler

93 dar, die sich einer Überlastung mit nicht absehbaren Konsequenzen für die eigene Gesundheit und persönliche sportliche Ziele aussetzen. Ein Vorhaben, über Interventionen gezielt ein Über-trainingssyndrom hervorzurufen, erscheint somit ethisch fragwürdig und wenig vielversprechend (vgl. Armstrong & VanHeest, 2002; Meeusen et al., 2006; Vogel, 2001).

Im Gegensatz zu experimentellen Studien leiden nichtexperimentelle Beobachtungsstudien häufig darunter, dass Sportler mehr als nur ein Warnsignal überhören müssen, um während einer Trainingsphase tatsächlich eine Überbelastung oder gar ein Übertrainingssyndrom auszubilden.

Ohne eine externe Steuerung der Belastungsfaktoren erscheint es unwahrscheinlich, dass Athleten auf mehrtägige Ermüdungserscheinungen nicht mit einer Anpassung ihres Trainings-pensums reagieren, um eine ausreichende Erholung zu gewährleisten. Bei den vorliegenden Studien wurden daher zumeist lediglich physiologische, blutchemische und psychologische Parameterveränderungen während unterschiedlich intensiver Trainings- oder Wettkampfphasen dokumentiert.

Nur eine regelmäßige und häufige sportartspezifische Leistungsbestimmung, die bei langfristigen Beobachtungsstudien nicht gegeben ist, könnte zudem Leistungsminderungen und deren zeitlichen Verlauf so darstellen, dass eine Interpretation der Trainingsdaten und die Beurteilung weiterer die sportliche Leistung beeinflussender Faktoren möglich sind.

Beiden Ansätzen (experimentell/Beobachtung) eigen ist das Problem, dass ohne eine eindeutig diagnostizierte sportartspezifische Leistungsminderung und eine Abschätzung deren Dauer eine begriffliche Unterscheidung zwischen Ermüdung, Überbelastung sowie einem Übertrainingssyn-drom nicht zu leisten ist. Mehrmalige leistungsdiagnostische Messungen während normaler Trainings- und an Interventionen anschließenden Regenerationsphasen sind daher notwendig, um zum einen vergleichbare Normwerte zur Hand zu haben und zum anderen Leistungsverläufe und die Dauer von Leistungsminderungen eindeutiger beurteilen zu können. Ausreichend aussage-kräftige Angaben über Leistungsparameter fehlen jedoch in bisherigen Studien häufig (vgl. Halson

& Jeukendrup, 2004) – teilweise aufgrund eines kompletten Verzichts auf Leistungstests (vgl.

Karvonen, 1992; Portier et al., 2001; Winsley et al., 2005), teilweise – vor allem bei langfristig angelegten Beobachtungsstudien – aufgrund zu selten durchgeführter Tests oder – bei experimentellen Studien – aufgrund fehlender Messungen während der Regenerationsphasen, sodass eine Einschätzung der Dauer von Leistungsminderungen nicht möglich ist (vgl. Costill et al., 1988; Dressendorfer et al., 1985; Garcin et al., 2002; Hedelin, Kenttä et al., 2000; Hooper et al., 1995; Krause & Weiß, 2002; O'Connor et al., 1989; Urhausen et al., 1998; Uusitalo et al., 1998;

Vogel et al., 2001).

Uusitalo et al. (1998) beispielsweise verzichteten in ihrer Studie nicht nur darauf, den Verlauf der untersuchten Parameter über eine an die Intervention anschließende Regenerationsphase darzu-legen, sondern orientierten sich in der über bis zu 15 Wochen angelegten Studie an lediglich vier Messzeitpunkten. Dies erscheint zu wenig, um Parameterverläufe darstellen und beurteilen zu können.

Beim Studium der vorliegenden Untersuchungen im Bereich des Übertrainings ist auffällig, dass der häufig vorgenommene Versuch, Leistungsminderungen bei Sportlern herbeizuführen und zu dokumentieren, um diese dann mit auftretenden physiologischen oder psychologischen Parame-terveränderungen in Zusammenhang zu bringen, auch bei längerfristigen Interventionen öfter als

angenommen fehlschlug (vgl. Billat et al., 1999; Costill et al., 1988; Garcin et al., 2002; Lehmann et al., 1991; Lehmann, Baumgartl et al., 1992; Lehmann, Gastmann et al., 1992; Lehmann, Schnee et al., 1992; Lehmann, Knizia et al., 1993; Moore & Fry, 2007; Rietjens et al., 2005; Snyder et al., 1995; Steinacker et al., 2000; Verde et al., 1992). Veränderungen der gemessenen Parameter traten häufig dennoch auf, sodass diese dann als normale Begleiterscheinungen intensiven oder umfangreichen Trainings gewertet werden müssen (vgl. Costill et al., 1988; Lehmann et al., 1991;

Lehmann, Baumgartl et al., 1992; Lehmann, Gastmann et al., 1992; Lehmann, Schnee et al., 1992;

Lehmann, Knizia et al., 1993; Snyder et al., 1995; Steinacker et al., 2000; Verde et al., 1992) und von solchen Veränderungen abzugrenzen sind, die mit Überbelastungen einhergehen.

Andererseits fielen Anpassungen vor allem physiologischer Parameter auch trotz auftretender Leistungsminderungen in einigen Untersuchungen gering aus (Coutts, Slattery et al., 2007; Coutts, Wallace et al., 2007; Hooper et al., 1995; Uusitalo et al., 1998). In einzelnen Fällen ist es nicht auszuschließen, dass möglicherweise auch Leistungsstagnationen, vor allem wenn sie im Anschluss an eine Intervention lange andauern (vgl. Lehmann et al., 1991) oder wenn es sich um hochtrainierte Sportler handelt und die Intervention an eine Trainingsphase mit geringem Umfang anschloss (vgl. Garcin et al., 2002), eine Überbelastung anzeigen können. Auch verspätet auftretende Leistungsminderungen, etwa nach einer an eine Intervention anschließenden Regene-rationsphase, könnten ein Hinweis für eine Überbelastung sein, wenn Detrainingseffekte ausgeschlossen werden können. In der von Lehmann, Knizia et al. (1993) an mäßig trainierten Freizeitsportlern durchgeführten Studie erscheint es jedoch zweifelhaft, ob die wenig umfangreiche Trainingsintervention, die letztendlich zu Leistungssteigerungen führte, für die im Anschluss an die folgende zweiwöchige Ruhephase diagnostizierte Leistungsminderung der Sportler verantwortlich sein kann. Vielmehr ist in diesem Fall das Wirken von Detrainingseffekten denkbar.

Häufig ist der Fall auftretender Leistungsminderungen nach einer Interventionsphase mit verzö-gerten positiven Anpassungserscheinungen nach einer anschließenden Regenerationsphase (vgl.

Coutts, Reaburn et al., 2007; Coutts, Wallace et al., 2007; Halson et al., 2003; Jeukendrup et al., 1992; Steinacker et al., 2000). In diesem Zusammenhang ist zumeist von Überbelastungen die Rede, jedoch fehlen, wie bereits erwähnt, oftmals genaue zeitliche Angaben über die Dauer der Leistungsminderungen, sodass nicht auszuschließen ist, dass es sich in Wahrheit um als normal zu bezeichnende Ermüdungserscheinungen handelte, die nachfolgenden positiven Leistungsan-passungen vorausgingen.

Nur sehr selten wird von Leistungsminderungen berichtet, die auch eine nachfolgende Regene-rationsphase überdauern (Bosquet et al., 2001; Fry et al., 1994). Zumeist erfolgt zumindest eine Anpassung an das Niveau der Eingangstests. Hilfreich ist eine systematische Planung des Trainings während der Regenerationsphasen, wie sie Coutts, Reaburn et al. (2007) und Coutts, Wallace et al. (2007) verwenden, häufig fehlen Angaben über Trainingsinhalte im Anschluss an Trainingsinterventionen jedoch vollständig.

Um überhaupt Leistungsminderungen induzieren zu können, scheint ein gleichmäßig und konstant hoher Belastungsumfang, Lehmann et al. (cop. 1998) sprechen von einer Trainingsmonotonie, notwendig. Die von Garcin et al. (2002) durchgeführte Studie lässt vermuten, dass ein intensivier-tes Training nicht ausreichend ist, bei hoch trainierten Sportlern Leistungsminderungen zu induzieren, wenn dieses nur fünf Mal pro Woche durchgeführt wird. Auch Lehmann, Knizia et al.

(1993) konnten keine Leistungsminderungen bei mäßig trainierten Freizeitsportlern durch sechs

95 Mal wöchentlich durchgeführte Trainingsinterventionen induzieren, was jedoch möglicherweise auch mit der relativ kurzen Belastungsdauer (ca. 30–35 Minuten) in Zusammenhang stehen könnte.

Problematisch erscheint weiterhin, dass sich die von einigen Autoren vorgenommenen diag-nostischen Einschätzungen an teilweise fragwürdigen oder erst rückwirkend definierten Kriterien orientieren, die im Vorfeld nicht eindeutig oder gar nicht festgelegt wurden und daher nicht nachvollziehbar sind. So gehen Rietjens et al. (2005) aufgrund eines bei Ausbelastungstests erhöhten Anstrengungsempfindens der untersuchten Sportler nach einer zweiwöchigen Interven-tion von vorliegenden Überbelastungen aus. Weder können in diesem Fall diagnostisch verwertbare Parameterveränderungen eine solche Einschätzung stützen noch wurde das genannte Kriterium a priori definiert. Garcin et al. (2002) diskutieren das Vorliegen von Überbelastungen bei aufgetretenen Leistungsstagnationen und orientieren sich als Anhaltspunkt ebenso ausschließlich an einem erhöhten Anstrengungsempfinden. Untersuchungen von Lehmann, Baumgartl et al. (1992) und Lehmann, Gastmann et al. (1992) gehen von vorliegenden Übertrainingssyndromen aus, legen jedoch keinerlei Diagnoseparameter dar, auf die sich diese Vermutungen stützen ließen. Lehmann, Knizia et al. (1993) interpretieren die in ihrer Untersuchung dokumentierten physiologischen Veränderungen der Sportler als Merkmale sich anbahnender Übertrainingssyndrome, obwohl es im Anschluss an die Intervention zu Leistungssteigerungen bei den Teilnehmern kam (vgl. Lehmann et al., cop. 1998). Bosquet et al. (2001) diagnostizierten bei sieben von zehn untersuchten Sportlern ein Übertrainingssyndrom und bei den drei weiteren Teilnehmern eine Überbelastung, obwohl insgesamt nur vier Sportler Leistungsminderungen nach der Intervention und der folgenden zweiwöchigen Regenerationsphase zeigten. Eindeutige Leistungsminderungen traten nur bei denjenigen vier Sportlern auf, bei denen ein timetrial-Test eingesetzt wurde, wobei lediglich die Leistungsminderung beim dritten Test signifikant ausfiel (minus 25 %).

Ausgehend von den Ergebnissen bisher vorliegender Studien, die vornehmlich experimentelle Interventionen nutzten und eine Vielzahl an physiologischen, blutchemischen, immunologischen sowie psychologischen Parametern untersuchten, wurde für das gewählte Studiendesign aus ethischen und motivationalen Gründen ein experimenteller Ansatz ausgeschlossen, aufgrund wenig Erfolg versprechender Aussichten im Hinblick auf auftretende Überbelastungen schied ebenso eine langfristig angelegte Beobachtungsstudie aus. Stattdessen wurde ein innovativer und individueller Ansatz entwickelt, der das Ziel hatte, mittels einer Feldstudie realistische Trainings- und möglichst umfangreiche, monotone und lang andauernde Wettkampfphasen von Sportlern zu nutzen. Da die Übertragbarkeit der Ergebnisse von Übertrainingsstudien aufgrund sportartspezifischer und individueller Aspekte nicht gegeben scheint, erfolgte eine einzelfall-bezogene Analyse der Daten.

Bisher zeigte sich im Hinblick auf die Prävention von Überbelastungen oder Übertrainings-syndromen kein isolierter Parameter als hinreichend diagnostisch verwertbar. Es bestand somit für die vorliegende Untersuchung die Aufgabe, eine für eine Feldstudie geeignete Kombination möglichst zuverlässiger und aussagekräftiger Parameter auszuwählen, die autonom und zentral modulierte Anpassungen möglichst frühzeitig anzeigen. Unabhängig davon, dass solche

Verän-derungen auch Merkmale moderaten sportlichen Trainings oder normaler Ermüdung sein könnten (Dickhuth, 2000; Hedelin et al., 2000; König et al., 2003; Lehmann et al., 1998), stützt man sich auf die Annahme, dass Funktionsstörungen des Vegetativums in vielen Fällen den biologischen Ausgangspunkt für Erscheinungsformen des Übertrainings darstellen (Meeusen, 1999; Rietjens et al., 2005; Steinacker et al., 2000).

Die ausgewählten Parameter sollten notwendigerweise nichtinvasiv, zeiteffizient und möglichst engmaschig anwendbar sein sowie im langfristigen Trainingsprozess und während mehrphasiger Beobachtungszeiträume dokumentiert werden können. Anhand aufgeführter Kriterien erfolgte die Auswahl der Parameter Ruheherzfrequenz, Herzfrequenzvariabilität und Befindlichkeit. Ergänzt wurden diese durch sportartspezifische Laktat-Leistungstests sowie die Dokumentation der Laufleistung während der Wettkampfphase.

In der geplanten und durchgeführten dreiphasigen Feldstudie wurden die untersuchten Parameter während einer normalen Trainingsphase, einer Wettkampfphase sowie einer anschließenden Re-generationsphase untersucht. Die Berücksichtigung normaler Trainings- und ReRe-generationsphasen sollte das Erstellen eines Normprofils sowie die Einschätzung der Dauer auftretender Leistungs-minderungen ermöglichen.

Für die Durchführung der Studie konnten Extremsportler im Ausdauerbereich gewonnen werden, die sich einer 17-tägigen Wettkampfbelastung (Ultramarathon/Deutschlandlauf 2008) aussetzten.

Dieser Ansatz dürfte aufgrund der hohen Motivation der Teilnehmer als besonders interessant und vielversprechend angesehen werden. Die Nutzung von Wettkampfphasen mit extrem hohen Umfängen, wie sie im Bereich des Extremsports vorzufinden sind, erschließt Belastungs-situationen, deren Planung und Durchführung mittels experimenteller Designs aus ethischen Gründen abzulehnen wäre.

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4 Material und Methoden