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2.2 Multikriterielle Analyse

2.2.2 MCDA-Methoden

Für die Umsetzung der Daten in beispielsweise eine Rangreihenfolge sind Aggregati-onsmethoden notwendig, die hier betrachtet werden sollen. Weiterhin wird auch die Gewichtungsmethode vorgestellt, die in der Fallstudie eingesetzt wurde.

Aggregationsmethoden

In der Entwicklung der multikriteriellen Analyse seit den 1960er Jahren sind diverse MCDA-Methoden entwickelt worden, die nur schwer zu strukturieren sind. Einige Ansätze zur Strukturierung seien nachfolgend genannt:

Grundlegend sind zwei Gruppen zu unterscheiden, Methoden mit einer diskreten Anzahl von vorgegebenen Alternativen, die miteinander verglichen werden (Multi

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Attribute Decision Making MADM) und Methoden, die Alternativen basie-rend auf multiplen Attributen kalkulieren, also aus einem stetigem Raum auswählen (Multi Objective Decision Making MODM) [ZG91].

Eine weitere Unterteilung der Methoden ist die Zuordnung zu deramerikanischen und der europäischen Schule. Diese Unterscheidung basiert auf verschiedenen Positionen in der Entscheidungstheorie, die die Grundlage der Entscheidungsun-terstützung darstellt. Eine der grundlegenden Theorien, aus der sich Ansätze für die multikriterielle Entscheidungsfindung entwickelt hat, ist die Nutzentheorie. Die Nutzentheorie basiert auf dem Prinzip der Rationalität, das jedoch von Simon wei-terentwickelt wurde und der entsprechend das Prinzip der begrenzten Rationalität einführte. Demnach begrenzt der Mensch den Informationsfluss auf für ihn verar-beitbare Größen. Innerhalb dieses begrenzten Systems wird sich dann rational ver-halten [Sim59] (Weitere Details zu den Theorien unter Unterkapitel 3.2). Basierend auf diesen beiden Prinzipien haben sich in der multikriteriellen Entscheidungsunter-stützung zwei Arbeitsweisen oder „Schulen“ herausgebildet, die amerikanische Schule mitMulti Criteria Decision Making (MCDM)und die europäische Schule mit Multi Criteria Decision Aid (MCDA)[Oma04]. Die Methoden der amerikani-schen Schule, die wert-oder nutzenbasierte Methoden bzw. Methoden mit Einzelsyn-thesekriterium einsetzt5, beruhen auf der Annahme, dass eine optimale Entscheidung existiert und dass der Entscheidungsträger ein klares System von Wertvorstellungen besitzt, so genannte Präferenzen. Somit ist er in der Lage, zum Beispiel Attribute in eine klare Reihenfolge zu bringen oder ihnen einen Nutzen zuzuordnen. Dieser Ansatz arbeitet vorwiegend mit Methoden des additiven Nutzen, wobei die jeweili-gen Ausprägunjeweili-gen zu einem Gesamtwert aufaddiert werden [Oma04]. Die Methoden der europäischen Schule hingegen haben weniger hohe Anforderungen an die Prä-ferenzstruktur des Entscheidungsträgers. Diese Methoden gehen davon aus, dass Präferenzen sich erst während des Prozesses ausbilden und dass die Datenbasis für die Bewertung unsicher und ungenau ist [RV96]. Diese so genannten „Outranking-Methoden“ arbeiten mit einem paarweisen Vergleich, der unten noch näher erläutert wird.

In dieser Arbeit soll Multi Criteria Decision Analysis (MCDA) als überge-ordneter Begriff für alle Methoden der Entscheidungsunterstützung mit multiplen Attributen genutzt werden, die Individuen oder Gruppen bei der Entscheidungsfin-dung unterstützen [BS02].

5Es wird die Bezeichnung Einzelsynthesekriterium genutzt, weil am Ende der Bewertung eine einzige Zahl alle Werte und Präferenzen ausdrückt.

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Polatidis und Munda teilen die MCDA-Methoden in vier Gruppen [PHMV06]: Die Outranking Methoden wie PROMETHEE (Preference Ranking Organisation Me-thod for Enrichment Evaluation [BVM86]) und ELECTRE (Elimination and Choice Translating Reality [Roy91]), die nutzenbasierten Methoden wie SAW (Simple Addi-tive Weighting), MAUT (Multiple Attribute Utility Theory) [KR76], MAVT (Multi-ple Attribute Value Theory [KR76]), AHP (Analytic Hierarchy Process [SV01]) sowie den Bereich der kontinuierlichen Methoden, also den o.g. MODM, und weitere Me-thoden, die sich dort nicht eingruppieren lassen wie z.B. NAIADE (Novel Approach to Imprecise Assessment and Decision Environments [Mun96]) (vgl. Abbildung 2.5).

Abbildung 2.5: Übersicht MCDA-Methoden bei Polatidis et al. [PHMV06]

In der Abbildung 2.5 ist weiterhin zu sehen, dass die beiden Stränge der Outranking-Methoden und der nutzenbasierten Outranking-Methoden bzw. Outranking-Methoden mit Einzelsynthese-kriterieum einige Unterschiede aufweisen. Während bei den Methoden mit Einzel-synthesekriterium eine vollständige Kompensation der Ausprägungen der Attribute Grundlage der Berechnungen ist, versuchen die Outranking-Methoden dies durch die Einführung von weiteren Variablen im Algorithmus zu umgehen. Um die Aggregation der Ausprägungen der Attribute durchführen zu können, brauchen die Methoden mit Einzelsynthesekriterium Daten, die kommensurabel sind, also die auf eine gemein-same Einheit umgewandelt werden können. Hier haben die Outranking-Methoden weniger strenge Anforderungen an die Datenqualität, es können auch Daten mit un-terschiedlichen Qualitäten berücksichtigt werden. Weitere Details zu den Methoden werden in Unterkapitel 5.7 bei der Auswahl einer MCDA-Methode dargestellt.

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Da PROMETHEE in der Fallstudie und SAW für die Analyse angewandt wurden, sollen sie hier ausführlicher eingeführt werden. Für die anderen Methoden sei auf die jeweilige Quelle verwiesen, ein guter Überblick über alle Methoden ist in Figueira et al. zu finden [FE05].

PROMETHEE wurde von Brans et al. entwickelt [BM05]. Ähnlich der ersten Me-thoden-Familie ELECTRE der Outranking-Methoden (vgl. [Roy91] für Details) wer-den paarweise Vergleiche der Alternativen für jedes Attribut durchgeführt. Um dem Paarvergleich Werte zwischen 0 (keine Präferenz) und 1 (vollständige Präferenz) zu-weisen zu können, bietet PROMETHEE sechs Präferenzfunktionen an, die die Prä-ferenz der einen Ausprägung über die andere darstellen können (vgl. Abbildung A.1 im Anhang). Zur Bestimmung der Präferenzfunktionen gehören noch die Schwellen-werte oder „Thresholds“, die festlegen, wann eine Präferenz entsteht: Der Indifferenz-Schwellenwert q ist der Wert, der den Bereich kennzeichnet, innerhalb dessen keine Präferenz vorliegt. Bei dem Attribut Preis für den Kauf eines Autos könnte q zum Beispiel 100 Euro sein. Der Präferenz-Schwellenwert p ist der Wert, ab dem auf je-den Fall eine klare Präferenz vorliegt. In dem Beispiel des Autokaufs könnte p zum Beispiel den Wert 1000 Euro annehmen, das hieße ab diesem Betrag wird die eine Alternative klar besser als eine andere Alternative in Bezug auf das Attribut Preis empfunden. Bei PROMETHEE wird nun im Gegensatz zu den Methoden mit Ein-zelsynthesekriterium nicht die Ausprägungen selbst, sondern die Präferenzen dieses Paarvergleichs summiert, um zu einem Ranking zu kommen.

Für jeden Paarvergleich von Alternativen a und b wird eine so genannte Outranking Relation π(a, b) als gewichteter Durchschnitt der Präferenzfunktion P über alle n Attribute berechnet:

π(a, b) =

n

X

j=1

wjPj(a, b) (2.1)

mit wj als die normierten Gewichtung der Kriterien, so dass Pn

j=1wj = 1 gilt [BM05].

Um zu einem Gesamtvergleich der Alternativen zu gelangen, werden diese Bewer-tungen zu einem positiven und einem negativen Outrankingfluss zusammengefasst.

Der positive Outrankingfluss der Alternative Φ+(a) gibt an, wie stark diese Alter-native im Vergleich die anderen AlterAlter-nativen „outrankt“, mit anderen Worten bei welchen Attributen diese Alternative besser abschneidet als bei die anderen. Der negative Outrankingfluss Φ(a) hingegen gibt an, wie stark sie „outgerankt“ wird,

2.2 Multikriterielle Analyse 25

also bei welchen Attributen sie schlechter abschneidet als die anderen Alternativen.

Die gemittelten Outrankingflüsse sind somit wie folgt definiert [BM05]:

Φ+(a) = 1 1−n

X

x∈A

π(a, x) (2.2)

Φ(a) = 1 1−n

X

x∈A

π(x, a) (2.3)

In PROMETHEE I werden diese beiden Werte separat zur Verfügung gestellt, bei PROMETHEE II wird der NettoflussΦ(a)mit

Φ(a) = Φ+(a)−Φ(a) (2.4) berechnet, um eine vollständige Rangreihung zu erhalten. Bei PROMETHEE I ist das nicht immer gegeben (vgl. Unterkapitel 5.7 für weitere Details), weil so Unver-gleichbarkeiten dargestellt werden können.

Einfache additive Gewichtung Die SAW versucht eine globale WertfunktionAi einer Alternative zu ermitteln, nach der dann ein Ranking der Alternativen möglich ist [ZG91], [HP00]. Dazu werden bei der SAW zunächst partielle Einzelwertfunktionen v(x)ij für jedes Attribut bestimmt. Im Unterschied zu MAUT und MAVT werden diesen partiellen Einzelwertfunktionen jedoch nicht durch den Entscheidungsträger festgelegt, sondern in der Regel einfach linear normiert. Je nach Attribut können aber auch andere mathematische Zusammenhänge für die Bestimmung der partiellen Einzelwertfunktionen genutzt werden. Im nächsten Schritt müssen Gewichtungenw bestimmt werden, um die Attribute zueinander in ein Verhältnis zu setzen.

Um die einzelnen Alternativen miteinander vergleichen zu können, müssen für je-de Alternative die gewichteten Einzelwertfunktionen aller Attribute addiert werje-den.

Für das Beispiel in der Fallstudie mit einem Indikatorensatz, der die drei Hierarchie-ebenen Säulen der Nachhaltigkeit, Nachhaltigkeitsbereich und Indikatoren aufweist (vgl. Unterkapitel 4.5), die alle einzeln gewichtet werden müssen, sieht die Formel wie folgt aus.

Ai =

n

X

j=1

wj∗wN B∗wS∗v(x)ij

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Für jede Alternative i wird der Gesamtwert Ai bestimmt, in dem jeder normierte Wert v(x)ij der Ausprägungen xij mit den Gewichtungsfaktoren auf Indikatorene-benewj, auf der Ebene des Nachhaltigkeitsbereiches wN B und auf Säulenebene wS multipliziert und dann über alle Indikatoren j aggregiert wird. Bei dieser Vorge-hensweise werden die Ausprägungen des einen Attributes mit denen der anderen Attribute ausgeglichen, der Ansatz arbeitet also vollkommen kompensatorisch.

Gewichtungsmethoden

Bei Wang 2009 ist ein Überblick zu den in den MCDA Energieanwendungen einge-setzten Gewichtungsmethoden gegeben [WJZZ09]. Eine grundsätzliche Unterschei-dung ist zwischen Gleichgewichtungen und den Gewichtungsmethoden mit Rang-ordnung zu machen, diese teilen sich wiederum in subjektive und objektive Ge-wichtungsmethoden ein. Von den 40 betrachteten Anwendungen bei Wang sind 10 Gleichgewichtungen und bei den mit Rangordnung 21 bei den subjektiven und 6 bei den objektiven Gewichtungsmethoden zu finden [WJZZ09]. Die Gleichgewich-tungen werden relativ häufig angewandt, der größte Anteil liegt jedoch bei den so genannten subjektiven Gewichtungsmethoden. Durch die subjektiven Gewichtungs-methoden können die Positionen der Entscheidungsträger in den Prozess integriert werden (vgl. Unterkapitel 5.4).

Nachfolgend soll die Gewichtungsmethode SIMOS vorgestellt werden, da diese in der Fallstudie eingesetzt wurde.

SIMOS-Methode Sie gehört zu den subjektiven Methoden, hier haben die Akteure die Möglichkeit, eine Reihung zu erzeugen. Die Methode erarbeitet die Gewichtun-gen über eine Rangreihenfolge von Karten, die jeweils ein Attribut darstellen. Für Gruppengewichtungen wird sie mit der Methode „Silent negotiation“ angewandt, bei der der Gewichtungsteil von dem Diskussionsteil getrennt ist.

Die Methode hat drei Schritte [PB05]:

1. Zuerst liegen die Attribute in einer horizontalen Reihe auf dem Tisch, das ist der Zustand der Gleichgewichtung aller Attribute. Die Akteure gehen immer der Reihe nach um den Tisch und verschieben die Karten der Attribute mit einer vorher bestimmten Anzahl von Zügen. Ein Zug ist definiert als die Be-wegung einer Karte eine Reihe hoch oder runter. Es sind auch doppelt belegte Rangplätze zulässig, um Indifferenzen auszudrücken. Auf diese Weise wird eine eher vertikale Anordnung entwickelt.