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Teil II Fallstudie

5.4 Partizipation

5.4.2 Fallstudie

Ein-5.4 Partizipation 125

bindung der Akteure am meisten bei dem Schritt der Gewichtungen durchgeführt wird [Sch11b].

Konkrete Hinweise zur Gestaltung des Akteurskreises sind jedoch wenig in der Lite-ratur zu finden. Bei Omann werden die Akteure nach den beiden Kriterien „betroffen sein“ und „Wichtigkeit“ ausgewählt [Oma04]. Munda gewinnt sein Wissen über die Akteure für die MCDA-Anwendung im Rahmen der Institutionsanalyse. Hieraus er-hält er Informationen zu Werten, Bedürfnissen und Präferenzen der Akteure und versteht ihre Verbindungen untereinander [Mun05]. Der Akteurskreis ist also von der jeweiligen Situation abhängig.

126 Kapitel 5 Diskussion der Erfolgskriterien

mehr teilnehmen wollten, konnten durch persönliche Kontaktaufnahme wieder ein-gebunden werden. Insgesamt wurden zusätzlich 18 Akteure noch einmal direkt zu den Workshops eingeladen.

An dem ersten Workshop haben dann 12 Akteure und an dem zweiten 13 Akteure teilgenommen. Davon haben 11 Akteure an beiden Workshops teilgenommen, der Teilnehmerkreis war also fast konstant. Die meisten der Teilnehmer decken verschie-dene Funktionen (z.T. Doppelfunktionen) ab.

Dabei waren

• Personen, die institutionell wichtig sind (2 x Ortsbeirat, davon eine Ortsvor-steherin)

• Promotoren (6 starke Unterstützer des Ansatzes)

• Kritiker (1 starke Kritikerin, 2 weniger kritische)

• Anwohner des Unternehmens mit der AK (2 direkte Anwohner)

• Anwohner des Transportweges (2 direkt Betroffene)

• Landwirte und weitere Biomasselieferanten (1 Unternehmen mit 2 Vertretern)

• Wärmeabnehmer (11 potentielle Wärmeabnehmer)

Jemand direkt aus dem Bereich Naturschutz fehlte und auch die Kirche war schwierig einzubinden 5. Der wichtigste Verein in dem Dorf ist die freiwillige Feuerwehr und die war mindestens mit einer Person vertreten. Drei von 11 Teilnehmern waren vorher nicht in den Interviews als besonders bedeutend für den Prozess genannt worden, insbesondere einer davon stellte sich jedoch als sehr bedeutend heraus, weil er als einziger Fachwissen im Bereich erneuerbare Energien durch seinen beruflichen Hintergrund einbringen konnte.

Indikatorensatz - teilweise partizipativ gestaltet

Ursprünglich war eine partizipative Entwicklung des Indikatorensatzes wie in dem Artemis-Projekt [KSMO08] vorgesehen. Da sich die MCDA-Anwendung in dem Dorf aber noch nicht abzeichnete und das allgemeine Engagement der Akteure für das

5Das Interview mit dem Pfarrer ist aus Gesundheitsgründen nicht zustande gekommen. Kir-chenälteste und Pfarrer wurden zu Workshops eingeladen, haben aber nicht teilgenommen.

5.4 Partizipation 127

Projekt mäßig war, wurde die Planung geändert. Es wurde zu dem Zeitpunkt nicht für sinnvoll erachtet, einen Workshop „nur“ zur Indikatorengenerierung zu machen, da das Thema nicht ansprechend genug war, um die Akteure zu motivieren. Auf-grund der zeitlichen Planung des Projektes, musste aber mit der Datenerhebung begonnen werden, für die die Indikatoren grundlegend sind. Aus diesem Grund hat das Projektteam sich dafür entschieden, einen ersten Workshop zu gestalten, in dem es hauptsächlich um die Generierung von konkreten Projektideen und den aktuellen Stand der Biomassepotenzialstudie ging. Die Indikatorenentwicklung wurde an diese Thematik angeschlossen und nicht -wie ursprünglich geplant- in den Mittelpunkt ge-rückt. Der Workshop fand an einem Ort in Ludwigsfelde und mit anderen Akteuren als in dem Dorf der Fallstudie statt. Zu diesem Workshop wurden 21 Institutionen und Betriebe eingeladen, 14 Teilnehmer waren aus folgenden Bereichen anwesend:

• Landwirtschaft

• Forstwirtschaft

• Abfallbehandlung

• Naturparkverwaltung

• Landschaftspflegeverein

• Stadtwerke

• Wohnungsbaugenossenschaften

• Sonstige Unternehmen

Anders als bei dem Akteurskreis der Fallstudie waren hier mehr institutionelle Ver-treter gekommen, weil es auch noch um keine konkrete Anlage und somit davon betroffenen Anwohner gab.

Das Format des Workshops entsprach der Phantasie- und Utopiephase einer Zu-kunftswerkstatt (vgl. Unterkapitel 4.2 für Details) mit einer professionellen Modera-tion. Nach dem einige Bioenergie-Projekte identifiziert waren, wurde nach Kriterien gefragt, nach denen diese Projekte bewertet werden sollen. Drei Kriterien wurden als Beispiele vorgegeben, weitere acht dann von den Akteuren genannt. Insbesondere die Teilnehmer aus dem Bereich Naturschutz waren bei den ökologischen Indikatoren schon vorgebildet und konnten viel zur Diskussion beitragen. Die dort erarbeitenden Indikatoren sind in den Indikatorensatz mit eingeflossen, der ansonsten auf bereits

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bestehenden Indikatorensätzen aus der Literatur aufgebaut wurde (vgl. Unterkapitel 5.6).

Finale Anpassungen des Indikatorensatzes wurden vorgenommen, als das MCDA-Projekt feststand. Auf einer ersten Bürgerversammlung in dem Dorf, die ca. 1,5 Monate vor den geplanten MCDA-Workshops stattfand (vgl. Unterkapitel 4.1), tra-ten noch einige Fragen auf, die zu diesem Zeitpunkt für die Akteure nicht ausreichend beantwortet waren. Um eine praktische Relevanz zu erlangen, mussten die anstehen-den MCDA-Workshops diese Fragen beantworten. Grundsätzlich unterschieanstehen-den sich diese Fragen wenig von den geplanten Indikatoren, es wurde nach Transportaufkom-men, Sicherheit der Finanzierung, Versorgungssicherheit der Anlage durch Biomasse und nach Kosten der Wärme gefragt. Bis auf die konkreten Wärmekosten waren die Fragen durch den Indikatorensatz bereits abgedeckt. Die Wärmekosten wurden noch mit aufgenommen, auch wenn die Daten nur auf Annahmen basieren konnten, da der tatsächliche Wärmepreis durch die Genossenschaft selber festgelegt wird.

Somit wurde der Indikatorensatz einerseits aus der Literatur, andererseits aus den Rückmeldungen von verschiedenen Akteuren aus dem Workshop und einer Bürger-versammlung zusammengestellt. Der Indikatorensatz wurde also nur teilweise parti-zipativ entwickelt, hat aber trotzdem versucht, die Fragen der Akteure abzubilden.

Alternativen - nicht partizipativ gestaltet

In dem Projekt wurden die Alternativen nicht partizipativ entwickelt, sondern durch das Projektteam festgelegt. Durch die Interviews und weitere Gespräche mit den Ak-teuren zeichneten sich Alternativen ab, die vom Projektteam weiter ausgearbeitet wurden. Eine gemeinsame Gestaltung der Alternativen hätte sicher noch zu weite-ren Lösungsmöglichkeiten geführt, die das Alternativenspektrum erweitert hätten.

Das Hauptproblem, welches in einer partizipativen Gestaltung der Alternativen ge-sehen wurde, war die daran anschließende Datenerfassung. Die Datenerfassung und -berechnung kann erst nach Benennung der Alternativen und der Indikatoren er-folgen. Werden diese bereits partizipativ in Workshops erarbeitet, folgt auf diese Workshops eine lange Phase der Datenerhebung, bevor die Gesamtmatrix präsen-tiert und die weiteren Schritte der MCDA durchgeführt werden können. Aufgrund des Entscheidungsdruckes in dem Projekt -einige der Hausbesitzer wollten sich neue Heizungsanlagen kaufen, der Druck auf die Biomasselieferanten war wegen steigen-der Nachfrage auch sehr groß- war ein zügiger MCDA-Prozess notwendig. Ohne die partizipative Gestaltung der Alternativen konnten mehrere Schritte parallel

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fen (Datenerhebung, Anpassung der Alternativen und Indikatoren, Interviews) und so alle Daten innerhalb einer Periode von zwei Wochen präsentiert werden (zum zeitlichen Ablauf vgl. Abbildung 4.1). Dieses Vorgehen hatte jedoch auch negative Auswirkungen: Die bis zur Bürgerversammlung geplanten Alternativen waren durch den nun sehr wahrscheinlichen Wegfall eines Hauptlieferanten für die Biomasse un-wahrscheinlich geworden. Alle Varianten hätten die Liefermengen dieses Lieferanten berücksichtigt. Um die MCDA realistischer zu gestalten, wurden einige dieser Va-rianten gestrichen und noch VaVa-rianten hinzugefügt, die allein durch den anderen landwirtschaftlichen Betrieb bestückt wurden. Dadurch dass diese Änderungen der Alternativen und die Ergänzungen der Kriterien nicht sehr aufwendig waren, konnten sie noch kurzfristig in die gesamte Berechnung integriert werden. Eine Erweiterung der Alternativen zum Beispiel um andere Technologien hätte zu kompletten Neu-berechnungen geführt, so dass die Umsetzung zeitlich nicht mehr machbar gewesen wäre.

Gewichtungen partizipativ gestaltet

Die Gewichtungen der Kriterien wurden in dem Projekt partizipativ vorgenommen, um die Akteure aktiv einzubeziehen und wenn möglich, einen Gruppenkonsens in Bezug auf die Kriteriengewichtung zu erzielen. Hierzu wurde ein Gewichtungswork-shop in dem Dorf mit der oben beschriebenen Akteurskonstellation durchgeführt.

Eingesetzt wurde die Gewichtungsmethode „Silent negotiation“ von Pictet und Bol-linger [PB05], in der die Teilnehmer schweigend Karten mit Kriterien Zug um Zug verschieben, um letztlich zu einem Ranking der Kriterien in der Gruppe zu gelan-gen. Grundlagen zu der Methode sind in Unterkapitel 2.2.2 beschrieben, die genaue Ausgestaltung des Workshops in Unterkapitel 4.9.

Nach einer umfassenden Einführung zu den Nachhaltigkeitsindikatoren hatten die Teilnehmer zuerst mit einer Liste der Indikatoren und Erklärungen die Möglich-keit, sich ein eigenes Bild zu ihren persönlichen Präferenzen zu machen. Damit die Informationen leichter verständlich sind, wurden nicht die Indikatoren präsentiert, sondern nur die Bereiche der Nachhaltigkeit (vgl. Unterkapitel 4.5). Auf diese Weise blieben es auch für Themenfremde vorstellbare Größen.

Schwellenwerte - nicht partizipativ gestaltet

In dieser Fallstudie wurden die Schwellenwerte nicht partizipativ mit den Akteuren, sondern durch das Projektteam festgelegt. Die Darstellung der Indikatoren in dem

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Gewichtungsworkshop hat schon gezeigt, dass einige Akteure insbesondere mit den ökologischen Indikatoren überfordert waren, da Ihnen Begriffe wie z.B. Eutrophie-rungspotenzial nicht geläufig waren. Grenzwerte für diese Indikatoren festlegen zu können, wäre bei den wirtschaftlichen und den sozialen Indikatoren denkbar, aber bei den ökologischen daher ausgeschlossen gewesen. Die Grenzwerte wurden dann anhand des abgeschätzten Fehlers der Daten für den jeweiligen Indikator festgelegt.

Eine wie bei Rogers/Bruen vorgeschlagene Vorgehensweise, jeden Schwellenwert von seinen Auswirkungen auf den Menschen her einzuschätzen [RB98], hätte weitere Ex-perteninterviews oder einen Expertenworkshop wie bei dem ARTEMIS-Projekt [KS-MO08] bedeutet. Dies war jedoch innerhalb dieses Projektes vom Zeitaufwand her nicht umsetzbar, hätte aber sicher zu einer verbesserten Aussagekraft der Daten beigetragen.