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Teil II Fallstudie

5.7 Auswahl der MCDA-Methode

5.7.2 Fallstudie

158 Kapitel 5 Diskussion der Erfolgskriterien

Meyer daher vor, diese Präferenzfunktionen durch die jeweiligen Experten zu den At-tributen erstellen zu lassen [HP00]. Ähnliche hohe Anforderungen stellt der AHP, der auch Wertmessungen vornimmt, diese aber über Verhältnisurteile erfragt. Bei den Outranking-Methoden wird davon ausgegangen, dass die Präferenzen der Entschei-dungsträger nicht klar ausgebildet sind. Bei ELECTRE und PROMETHEE wer-den daher Indifferenz- und Präferenzschwellenwerte festgelegt, die abbilwer-den, wann Indifferenz, eine schwache Präferenz und wann eine starke Präferenz vorliegt. PRO-METHEE bietet ergänzend dazu noch sechs standardisierte Präferenzfunktionen an (vgl. Abbildung A.1), die laut der Verfasser der Methode für die meisten realen An-wendungsfälle ausreichend sind [BVM86]. Im Rahmen derInter-Kriterien-Präferenz werden von den Entscheidungsträgern die Gewichtungen der Attribute erhoben. Je nach Methode haben diese jedoch eine andere Aussage. Bei den Methoden mit Ein-zelsynthesekriterium stellen die Gewichte ein Austauschverhältnis dar (wie viel ist der Entscheidungsträger bereit von der Ausprägung des einen Attribute aufzugeben, um das Ergebnis eines anderen Attributs zu verbessern), so dass der Entscheidungs-träger Kompensationsentscheidungen treffen muss. Bei den Outranking-Methoden werden die Gewichtungen als Koeffizienten für Wichtigkeit gesehen (Attribut x ist z.B. doppelt so wichtig wie Attribut y).

Als Fazit seiner Analyse schlägt Reeg für die Anwendung in Ludwigsfelde entweder einen veränderten Ansatz der SAW oder die PROMETHEE-Methode vor. Um die Schwachstellen der SAW zu berücksichtigen, würde er anstatt linearer Normierung die Normierungsfunktionen durch Experten erstellen lassen sowie eine Aggregation nur auf Säulenebene der Nachhaltigkeit vorschlagen, um die Kompensation über die Säulenebenen hinweg auszuschließen.

5.7 Auswahl der MCDA-Methode 159

• Der Akteurskreis ist noch nicht mit einer MCDA erfahren und zeitlich sehr begrenzt (nur zwei Workshops mit MCDA vor Ort) (vgl. Unterkapitel 5.4 und 5.3)

• Der starke Nachhaltigkeitsansatz sollte umgesetzt werden (vgl. Unterkapitel 4.1).

• Daten sind mit großen Unsicherheiten behaftet (vgl. Unterkapitel 4.5).

Die Einfachheit und Transparenz der Methode für die Akteure war mit das wichtigste Entscheidungskriterium, so dass die SAW lange die präferierte Methode war. Jedoch bestanden Bedenken, dass die hohen Anforderungen an Datengenauigkeit und Ver-gleichbarkeit der Daten seitens der SAW durch die Bedingungen in der Fallstudie nicht erfüllt werden könnten. So wurde beispielsweise bei den sozialen Indikatoren viel mit nominalen Daten gearbeitet, während die anderen Indikatoren mit kardi-nalen Daten beschrieben wurden. Somit wäre die Anforderung der Daten auf Inter-vallskalenniveau nicht erfüllt. Eine lineare Abbildung der Wirkungszusammenhänge in der Normierung der SAW erschien insbesondere bei den ökologischen Indikato-ren für nicht ausreichend, so dass hier die Wertfunktionen hätten ermittelt werden müssen. Da dieses Wissen in dem Projektteam nicht vorhanden war, hätten analog dem Hinweis von Hobbs und Meyer [HP00] hierzu noch Expertenbefragungen oder -workshops durchgeführt werden müssen, die in der Projektplanung nicht vorgesehen waren. Weiterhin sollte die Methode in der Lage sein, einen starken Nachhaltigkeits-ansatz umzusetzen, was bei der SAW nur möglich ist, wenn nur Teilaggregationen auf Säulenebene durchgeführt werden.

Bei den Outranking-Methoden bestanden auf der anderen Seite Bedenken wegen der schweren Nachvollziehbarkeit der Algorithmen für die Akteure. Methoden wie NAIADE oder EVAMIX wurden aus diesem Grund recht schnell ausgeschlossen. Der große Vorteil von ELECTRE III im Vergleich zu PROMETHEE ist die Berücksich-tung von Veto-Schwellenwerten, wodurch noch mal ein starker Nachhaltigkeitsan-spruch unterstützt würde. Letztlich wurde sich für PROMETHEE entschieden, weil der Algorithmus einfacher erschien als der von ELECTRE.

Für die Anwendung der PROMETHEE-Methode wurde die Software Decision Lab ausgewählt, die sich durch eine sehr einfache Handhabbarkeit und leicht verständli-che Visualierung auszeichnet [BRVL09].

160 Kapitel 5 Diskussion der Erfolgskriterien

Auswahl der Pr¨aferenzfunktionen und Grenzwerte

Im Rahmen von PROMETHEE wurde die Gaußsche Funktion für die Indikatoren mit kardinalen Daten und die „Gewöhnliche“ Funktion für die Indikatoren mit ordina-len Daten nach Rücksprache mit einem MCDA-Experten festgelegt (vgl. Abbildung A.1 im Anhang).

In dieser Fallstudie wurden die Grenzwerte aus Vereinfachungsgründen wie häufig in der MCDA-Anwendung zur Abbildung der Fehlerbalken genutzt. Rogers und Bruen hingegen fordern aus der Sicht der Umweltverträglichkeitsprüfung, dass die Grenz-werte jedoch nur aus der Sicht des Menschen festgelegt werden sollen [RB98]. Dafür müssten für alle Indikatoren die Schwellenwerte bestimmt werden, bei denen Men-schen eine Präferenz wahrnehmen wie z.B. bei den Lärmemissionen. Dieses Vorgehen war im Rahmen dieser Fallstudie aus Zeit- und Ressourcengründen nicht möglich.

Für die ökologischen Indikatoren ist der Fehlerbereich hauptsächlich in der unge-nauen Abbildung des tatsächlichen Prozesses in GEMIS zu sehen, da mit Anlagen gearbeitet wurde, die nicht auf die besonderen Inputstoffe wie Festmist ausgerichtet waren. Da zu dem Zeitpunkt der Umsetzung der Fehlerbalken für die Abbildung der AK (vgl. Unterkapitel 4.6.2) noch nicht bekannt war, wurden pauschale Fehler abgeschätzt. Hier wurde ein pauschaler Fehler von 30% durch GEMIS angenommen.

Für die Indikatoren, die noch über die CML-Datei weiter berechnet werden mussten, wurde der Fehler auf 40% bzw. 50% hochgesetzt, weil es hier noch zu Übertragungs-und RÜbertragungs-undungsfehlern gekommen sein kann. Die Abbildung des Fehlerbalkens in PROMETHEE bedeutet, dass nur eine schwache Präferenz oder gar keine errech-net wird, so lange die Differenz der beiden Ausprägungen in diesem Fehlerbalken liegt. In der Gaußschen Funktion wird die schwache Präferenz über die e-Funktion abgebildet, die sehr günstige Stabilitätseigenschaften in Bezug auf den Parameter, in diesem Falle σ, aufweist [ZG91]. Anstatt der Indifferenz- und Präferenzschwel-lenwerte muss der Wendepunkt der Funktion σ festgelegt werden. Bei einem 30%

Fehlerbalken liegtσ bei 15 (vgl. Abbildung A.1 im Anhang).

Bei den sozialen Indikatoren wurden die Indikatoren mit ordinalen Daten über die

„Gewöhnliche“-Funktion (vgl. Abbildung A.1) abgebildet, die nur zwischen Präferenz und Indifferenz unterscheidet. Die Datenungenauigkeit wurde bereits über die Ein-stufung auf der relativen Skala berücksichtigt, so dass hier keine weiteren Indifferenz-oder Präferenzschwellenwerte notwendig waren.

Die anderen sozialen und die ökologischen Kriterien wurden ebenfalls nach der Gauß-chen Funktion berechnet. Da diese Daten nicht mit Datenbanken, sondern über

eige-5.7 Auswahl der MCDA-Methode 161

ne Berechnungen erstellt wurden, kann der Fehler relativ genau eingeschätzt werden.

Hier wurde somit der Fehler nicht prozentual, sondern absolut für jedes Kriterium einzeln abgeschätzt.

Im Abbildung 5.5 wird noch mal ein Überblick zu den eingesetzten Präferenzfunk-tionen und Schwellenwerten σ für jeden Indikator gegeben.

Auswahl der Gewichtungsmethode

In dieser Fallstudie wurde eine subjektive Gewichtungsmethode (vgl. Unterkapitel 2.2.2) mit PROMETHEE kombiniert, um den Akteuren die Möglichkeit zu geben, ihre Präferenzen in den Prozess einzubringen.

Da eine Outranking-Methode angewandt wurde, müssen die Gewichtungen nicht den harten Anforderungen von Austauschverhältnissen genügen [PHMV06], vielmehr ge-ben sie die Wichtigkeit des Attributs an. Für die Anwendung in dem Dorf war es wichtig, dass die Gewichtung die Akteure nicht inhaltlich und zeitlich überfordert.

Keiner der Teilnehmer war mit der Methode vertraut, außerdem bestand wenig In-teresse am MCDA-Prozess an sich, man wollte vielmehr etwas über die Biogasanlage erfahren und ein Problem lösen. Die Einfachheit der SIMOS-Methode in Verbindung mit der Gruppengewichtung „silent negotiation“ erschien daher für diesen Kontext sehr passend, da sie nur überschaubare Beiträge der Akteure benötigt. Die genaue Durchführung der Gewichtung wird in Unterkapitel 4.9 bei der Gestaltung der Work-shops beschrieben.

Wie in dem Unterkapitel 5.6 zur Indikatorengestaltung beschrieben, wurde bei den Attributen eine Hierachie mit drei Ebenen eingeführt: Zuerst die drei Säulen der Nachhaltigkeit, die 13 Nachhaltigkeitsbereiche und die 27 Kriterien. Die Kriterien werden teilweise durch Indikatoren konkretisiert. Für die Gewichtung wurden nur die Nachhaltigkeitsbereiche herangezogen und auch diese noch wegen der Handhab-barkeit auf 11 reduziert, in dem die Bereiche Boden- und Gewässerschutz zusam-mengelegt und die „lokale Beeinträchtigung des Landschaftsbildes“ unter „Umfeld-beeinflussung“ gefasst wurde. Die in Unterkapitel 4.9 dargestellte Reihenfolge und die errechneten Gewichtungen wurden dann gleichverteilt auf die Attribute herunter gebrochen. Hier tritt das Phänomen des „Splitting Bias“ auf, dass einige Teilaspekte durch mehr Indikatoren dargestellt und somit höher bewertet werden [HA06]. In der Fallstudie waren es drei ökologische Nachhaltigkeitsbereiche, vier soziale und vier ökonomische. Durch das Zusammenlegen von Bereichen nimmt der Analyst Einfluss auf die Gewichtung. Um diese Beeinflussung auszugleichen, wurde in der

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Sensitivitätsanalyse auch eine Variante mit allen Säulen und allen Indikatoren gleich gewichtet dargestellt (vgl. Unterkapitel 4.10).

In der angewandten Software Decision Lab bestand dann nur die Möglichkeit zwei Hierarchieebenen abzubilden. Die Indikatorenebene musste auf jeden Fall für die Datenberechnung erfasst werden. Weiterhin wurde die Gruppierung in Säulen ge-wählt, um eine übersichtliche Darstellbarkeit in den Workshops zu erzielen, auf die Nachhaltigkeitsbereiche wurde verzichtet. Durch die Gruppierung der Indikatoren in Säulen konnten einfach Varianten für die Sensitivitätsanalyse erzielt werden (vgl.

Unterkapitel 4.10).