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Teil II Fallstudie

5.2 Den Entscheidungskontext verstehen

5.2.2 Fallstudie

108 Kapitel 5 Diskussion der Erfolgskriterien

• Wie viele Erfahrungen mit erneuerbaren Energien liegen vor?

• Was für eine Landnutzung ist in der Region vorherrschend? In touristischen Gegenden sind die Bürger eher ablehnend gegenüber den erneuerbaren Ener-gien, während sich das in Agrarregionen anders verhält.

• Liegen bereits offizielle Pläne vor? Wenn keine Regionalpläne oder Flächennut-zungspläne vorliegen, also keine ganzheitliche Planung, sind die Bürger eher misstrauisch.

Im Rahmen einer Diplomarbeit zur Vorbereitung der Alternativengestaltung der MCDA-Anwendung in der Fallstudie wurde ein Modell entwickelt, das den Prozess der Alternativengestaltung abbildet [Sch11b]. Hier sind vier Einflussfaktoren auf den Prozess der Alternativengestaltung genannt, die jedoch nicht nur auf die Alter-nativengestaltung beschränkt sind, sondern sich auf den gesamten MCDA-Prozess beziehen: Die Rahmenbedingungen, unter denen die MCDA stattfindet, wie z.B. ihre Integration in das Gesamtprojekt, die wissenschaftliche Begleitung, also die Rolle, die die Analysten in dem Projekt haben werden (vgl. Unterkapitel 5.1), die Auswahl der Methoden, gemeint sind hier neben der MCDA-Methode weitere ergänzende Me-thoden z.B. um kommunikative oder partizipative Ziele zu verfolgen sowie die Ziele, die mit der MCDA-Anwendung verbunden sind [Sch11b]. Diese vier Einflussfaktoren helfen im Vorwege einer MCDA-Anwendung, den Anwendungsfall zu verstehen.

Es gibt also aus verschiedenen Richtungen der MCDA-Forschung einzelnen Hinwei-se, die zusammenführend helfen können, den ersten Schritt der MCDA -die Ausge-staltung des Entscheidungskontextes- zu konkretisieren. Die AusgeAusge-staltung in der Fallstudie wird nachfolgend dargestellt.

5.2 Den Entscheidungskontext verstehen 109

MCDA in den Prozess eingebaut werden müssen, um diese Ziele zu erreichen. Insbe-sondere die eingesetzten halb-strukturierten Interviews halfen in der Fallstudie bei der Erfassung der Ausgangssituation, um ein Verständnis für den Anwendungsfall zu bekommen (vgl. Unterkapitel 4.3 für Details).

Wie in Unterkapitel 2.2 dargestellt unterscheiden Scholz und Tietje zwischen nor-mativer, verschreibender und beschreibender MCDA-Anwendungim Rah-men ihrer transdisziplinären Fallstudien [ST02]. Dies sind grundsätzlich unterschied-lichen Anwendungsformen, die die Entwicklung einer MCDA-Anwendung maßgeb-lich beeinflussen. Für die Fallstudie wurden daher folgende Fragestellungen formu-liert:

• Soll die MCDA eine Art Gutachten im Vorwege von Projekten oder eine kon-krete Entscheidungsgrundlage für die Umsetzung eines Projektes werden?

• Wer ist die Zielgruppe? Der Landrat oder Bürgermeister auf übergeordneter Ebene oder die Akteure vor Ort, die von der Anlage betroffen sind?

• Soll eine Bewertung abstrakter Nutzungspfade (die generell in der Region mög-lich wären) oder konkreter Alternativen für eine Projektumsetzung durchge-führt werden?

• Sollen Daten in Bezug auf das konkrete Projekt generell gehalten werden oder schon so genau sein, dass eigentlich die Machbarkeitsstudie des Ingenieurbüros ersetzt wird?

Die ursprüngliche Planung des Projektes war, die MCDA in Anschluss an die massepotenzialstudie durchzuführen, die einen Überblick über die verfügbare Bio-masse und mögliche Nutzungspfade in der gesamten Region Ludwigsfelde geben sollte. In diesem Fall hätte die MCDA-Anwendung z.B. in Form eines Bürgergut-achtens durchgeführt werden können, um eine Empfehlung für die Entscheidungs-träger für den Ausbau der Bioenergie zu erhalten. Die Zielgruppe wären dann die Entscheidungsträger wie Landrat, Bürgermeister und die entsprechende Verwaltung gewesen. Da jedoch die Datenverfügbarkeit für die tatsächlich verfügbaren Biomas-sepotenziale sehr schlecht war, fiel die Potenzialanalyse als Grundlage für die MCDA weg. Es wurde daher projektintern entschieden, die MCDA von der Potenzialstudie zu lösen und in einem Anwendungsfall eine konkrete Entscheidung zu unterstützen.

Für den konkreten Anwendungsfall in einem Dorf konnten auch die Biomassepoten-ziale leicht erhoben und die möglichen alternativen Nutzungen bestimmt werden,

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die jeweils konkrete Alternativen für die Projektumsetzung waren. Die Datenerhe-bung musste dann jedoch trotzdem in einigen Teilen generell gehalten werden, da z.B. Daten zu der tatsächlich anvisierten Biogasanlage zum Zeitpunkt der MCDA noch nicht vorlagen. Auch wäre die Ökobilanzierung für eine spezielle Anlage mit neuer Vergärungstechnologie sehr viel aufwendiger gewesen, da man nicht auf Da-tenbanken hätte zugreifen können. Im Sinne von Scholz und Tietje wurde also eine beschreibende MCDA-Anwendung gewählt [ST02], die ein konkretes Projekt in der Umsetzung unterstützt.

Die Rolle der Wissenschaft in der Fallstudie wird im Detail in Unterkapitel 5.1 beschrieben. Die Wissenschaftler waren Teil des Projektes und haben den Prozess mit beeinflusst.

Um die Motivation der Entscheidungsträger zu analysieren, ist festzuhalten, dass es keine formelle Bitte der Entscheidungsträger um eine Entscheidungsunter-stützung gab. Das Projektteam hatte seine Begleitung des Vorhabens Bioenergie-dorf angeboten, dazu gehörte die MCDA. Dieses Angebot durch die Bioenergieregion Ludwigsfelde wurde durch den Ortsbeirat dankend angenommen. Hauptakteure wa-ren damals die beiden landwirtschaftlichen Betriebe, die ein weiteres Standbein für ihre Betriebe sowie der Betreiber der AK, der eine günstige Wärmequelle für sei-ne Fischbecken suchte. Weitere Akteure wie die Ortsvorsteherin und der Ortsbeirat wurden durch das Projektteam informiert und in das Projekt integriert (vgl. Unter-kapitel 5.4 für weitere Details zu den Akteuren). Da es keinen formellen Auftrag für die Durchführung der Entscheidungsunterstützung gab, gab es auch keinen gemein-samen Abstimmungsprozess mit den Entscheidungsträgern über das Entscheidungs-problem. Das wurde durch das Projektteam mit Hilfe der Interviews eingeschätzt und dann mit Rückkopplung einzelner Akteure festgelegt.

Derfachliche Hintergrund der Akteurewurde hauptsächlich innerhalb der fünf halb-strukturierten Interviews mit einigen Hauptakteuren erhoben und konnte sonst nur aus der Diskussion in den Veranstaltungen ersichtlich werden. Bis auf einen Akteur, der in der Windenergiebranche tätig war, waren keine Experten aus dem Energiebereich dabei, jedoch aber aus anderen Bereichen wie der Landwirtschaft.

Daher war eine zielgruppengerechte Darstellungsform der Ergebnisse wichtig. Die Skepsis gegenüber den erneuerbaren Energien war insbesondere gegenüber der Windenergie stark ausgeprägt, wie uns in Einzelgesprächen berichtet wurde. Die Rolle der Bioenergie wurde durchaus positiv gesehen, insbesondere auch weil das Projekt sich auf Reststoffe konzentrieren wollte, die in keiner Nutzungskonkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion stehen. Kurz vor Beginn des Projektes wurde der

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Flächennutzungsplan der Region vom Oberverwaltungsgericht für ungültig erklärt, so dass es keinen gültigen Regionalplan gab und somit die Windenergiefirmen sofort in direkte Verhandlungen mit den Flächeneigentümern einstiegen. Dies war auch in dem Dorf der Fall, so dass sich eine Kluft zwischen Windenergiegegnern und -befürwortern gebildet hat. Da Gegner und Befürworter der Windkraft auch in dem Bioenergieprojekt aktiv waren, hat sich dieser Konflikt auch auf den Erfolg des Bio-energieprojektes ausgewirkt, in dem sich z.B. einer der Promotoren der Bioenergie plötzlich aus den Aktivitäten zurückgezogen hat.