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34 Kapitel 2 MCDA zur Nachhaltigkeitsbewertung von Energiesystemen

In der Analyse dieser Kriterien für die Anwendung der MCDA im Bereich Nachhal-tige Entwicklung ist zu sehen, dass die Methode viele der Anforderungen erfüllen kann, es aber sehr stark von den MCDA-Analysten, den Entscheidungsträgern und den Akteuren abhängt, ob die Anwendung tatsächlich den Weg der nachhaltigen Entwicklung unterstützt.

Da Omann mit den Kriterien den gesamten Entscheidungsprozess beschreibt, sind hier auch viele Aspekte für die Erfolgskriterien zur Nachhaltigkeitsbewertung von Energiesystemen relevant, die nun zusammenfassend dargestellt und in Unterkapitel 3.3 zu Erfolgskriterien zusammengeführt werden.

Die MCDA ist für die Entscheidungsunterstützung im Bereich nachhaltige Entwick-lung geeignet, wenn

• der Indikatorensatz ganzheitlich und interdisziplinär gestaltet wird, um die verschiedenen Dimensionen und mögliche Irreversibilitäten berücksichtigen zu können, und außerdem die Fragen der Akteure aufgreift,

• die Alternativen alle verfügbaren Informationen aufgreifen,

• die MCDA-Methode auf der einen Seite einfach und verständlich für die Akteu-re bleibt, auf der andeAkteu-ren Seite aber auch die hohen Anforderungen in Bezug auf Datenunvergleichbarkeit, Datenunsicherheit und Kompensation erfüllt,

• der Fokus der Anwendung auf den Ergebnissen, aber auch auf dem gesamten Prozess liegt und dieser Prozess das Lernen der Akteure unterstützt, Rückmel-dungen der Akteure integrieren und zu EntscheiRückmel-dungen führen kann und

• möglichst alle verschiedenen Gruppen, die durch die Entscheidung betroffen sind, sowie verschiedenartige Perspektiven im Prozess berücksichtigt werden.

2.4 MCDA zur Bewertung im Energiebereich 35

zu implementieren, weil es wachsende Widerstände in der Bevölkerung aber auch der Verwaltung gibt [HP03]. Sie entwerfen einen Rahmen, wie ein zukünftiger Implemen-tierungsprozess unter Einbindung der MCDA aussehen könnte (vgl. Abbildung 2.6).

Abbildung 2.6: Entscheidungsprozess für Projekte mit erneuerbaren Energien [HP03]

Der hier abgebildete Prozess entspricht in großen Teilen dem klassischen MCDA-Prozess wie er in Unterkapitel 2.2 dargestellt wurde. Beachtenswert ist jedoch die Betrachtung der ökologischen, ökonomischen und sozialen Daten der Projekte, also wurde hier bereits die Nachhaltigkeitsbewertung adressiert. Weiterhin ist die Par-tizipation von Akteuren und sogar ein Gruppenkonsens Bedingung für eine

Imple-36 Kapitel 2 MCDA zur Nachhaltigkeitsbewertung von Energiesystemen

mentierungsempfehlung. Falls er nicht erlangt wird, muss der MCDA-Prozess durch Analysen weiter betrachtet werden. Dieser Prozess wurde in ähnlicher Form in der Fallstudie angewandt (vgl. Unterkapitel 4).

Die MCDA-Anwendungen im Energiebereich sind in den letzten Jahren stark an-gestiegen. Das belegen die Übersichtsstudien von Zhou et al. [ZAP06], Wang et al.

[WJZZ09], Oberschmidt [Obe10], Pohekar at al. [PR03] und Braune et al. [BPR09].

Insbesondere die Anwendungen für die Bewertung von erneuerbaren Energien haben zugenommen [BPR09], [PR03].Polatidis et al. legen dar, dass gerade die erneuer-baren Energien einen Bedarf für MCDA-Anwendungen haben, da dort mehr Akteure durch die lokalen Auswirkungen wie Lärm, Geruch, Veränderung der Landschaft etc.

eine größere Nähe zu den Projekten haben, als das beim Bau von Großkraftwerken der Fall ist [PHMV06]. Weiterhin sind viele verschiedene Akteursgruppen durch die Projekte betroffen, die unterschiedliche Werte und Interessen vertreten.

Zhou et al.haben in ihrer Veröffentlichung 252 Fallstudien zu Entscheidungsunter-stützung im Bereich „Energy und Environmental modelling“ für den Zeitraum 1975-2004 untersucht [ZAP06]. Die Anwendungsebenen der Fallstudien werden nach stra-tegisch/politischen und operativ/taktischen Anwendungen unterschieden. Die Ebene strategisch/politisch umfasst Studien, die sich auf einer Makroebene mit langfristi-gen Zielsetzunlangfristi-gen beschäftilangfristi-gen wie die Analyse von Energiepolitik, Investitionen im Energiebereich oder Strategien zu Energieeinsparungen [Zho08]. Die Ebene opera-tiv/taktisch hingegen stellt Studien dar, die im operativen Bereich kurzfristige Ziele anvisieren wie z.B. Handel an Energiemärkten, Preisgestaltung oder Technologie-auswahl [Zho08].

Zhou hat in seiner Auswertung beobachtet, dass die Fallstudien im Bereich der Umweltanwendungen, aber auch in der Strombereitstellung über den Verlauf des Untersuchungszeitraum 1975-2004 angestiegen sind [ZAP06]. Viele der Studien der Strombereitstellung beschäftigen sich mit der Expansionsplanung von Kraftwerken.

Weiterhin ist in den Daten zu sehen, dass beide Bereiche - der strategisch/politische, aber auch der operative/taktische - in den Fallstudien vertreten sind, wobei der stra-tegische jedoch bei ca. 2/3 der Anwendungen liegt. Mehr als ein Viertel der Studien befasst sich mit energiebezogenen Umweltfragestellungen wie z.B. Umweltverträg-lichkeitsprüfungen, Management von nuklearen Abfällen oder der Analyse von Ein-sparmöglichkeiten von Treibhausgasen [Zho08].

Um zu Anforderungen an eine Entscheidungsunterstützung für die praktische An-wendung zu kommen, können Kriterien aus Abbildung 2.7 entnommen werden, die

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Zhou benutzt, um die verschiedenen Anwendungsbereich der Fallstudien zu beschrei-ben: Umgang mit Komplexität, Unsicherheit, multiple Kriterien, Alternativenge-staltung, verschiedenartige Datenverfügbarkeit, Häufigkeit der Anwendung. Je nach Anwendungsbereich sind die Anforderungen zu den einzelnen Kriterien unterschied-lich. So liegt im energiepolitischen Entscheidungsfeld eine hohe Komplexität und Unsicherheit sowie eine schwierige Datenverfügbarkeit vor, während in der Planung der Elektrizitätswirtschaft bessere Daten vorhanden sind und die Unsicherheit und Komplexität etwas weniger herausfordernd sind. Für Praxisrelevanz im Energiebe-reich muss die MCDA also in der Lage sein, mit geringer bis hoher Komplexität, geringer bis hoher Unsicherheit, wenigen bis multiplen Kriterien und einfacher bis schwieriger Datenverfügbarkeit umgehen zu können. Sie muss für den Bereich der Kraftwerksplanung Alternativen erstellen, in den anderen Bereichen aus einem Alter-nativenset auswählen können. Die einzelne MCDA-Anwendung kann hierbei selten, aber auch wiederkehrend auftreten. Diese Kriterien betreffen alle die Ausgestaltung der MCDA-Methode, die multiplen Kriterien geben noch einen Hinweis auf die Ge-staltung des Indikatorensatzes.

Abbildung 2.7:Beschreibung der Anwendungsbereiche bei Zhou et al. [ZAP06]

Scholz hat in einer Diplomarbeit zur Vorbereitung der Fallstudie eine Analyse der Ziele einer MCDA-Anwendung im Energiebereich vorgenommen und dazu 37 Veröf-fentlichungen näher untersucht [Sch11b]. Er stellte fest, dass viele Studien weit mehr als die Ziele, die der MCDA-Methode inhärent sind, verfolgen. So werden über me-thodeninhärente Ziele wie Identifikation einer Lösung, Ermittlung von alternativen Möglichkeiten und deren Auswirkungen, Strukturierung des Entscheidungsprozesses und ähnliches (vgl. hierzu Abbildung 2.3) hinaus auch viele Ziele im Bereich der Par-tizipation und Kommunikation genannt wie z.B. die Einbindung kritischer Akteure.

Weiterhin zeigt er auf, dass zur Erreichung dieser Ziele auch schon weitergehende Methoden wie Workshops, Diskussionsrunden, Versammlungen, Befragungen und Interviews eingesetzt werden [Sch11b].

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Die nachfolgenden Abbildungen geben einen Überblick über die Vielzahl von Zielen der MCDA für die Bereiche Partizipation und Kommunikation in den untersuchten Fallstudien6:

Abbildung 2.8: Ziele der MCDA-Partizipation [Sch11b]

Die genannten Ziele sind teilweise deckungsgleich mit den Kriterien, die Omann für die Nachhaltigkeitsbewertung fordert (vgl. Abbildung 2.2). In Bezug auf Par-tizipation sind das die Einbeziehung von betroffenen Gruppen und verschiedenen Perspektiven, insbesondere auch die von Minderheiten, die Wissensvermittlung/das Lernen der Akteure und die Akzeptanz der Ergebnisse. Hier kann man also sehen, dass die Forderungen der Nachhaltigkeit in Bezug auf Partizipation und Kommuni-kation in den Fallstudien der MCDA für den Energiebereich auch schon adressiert werden.

Wanghat in seiner Literaturauswertung der MCDA-Fallstudien im Bereich Energie den Fokus auf nachhaltige Energiesysteme gesetzt und diese analysiert [WJZZ09].

Wie Abbildung 2.10 zeigt, befassen sich bereits viele Studien mit allen drei Säu-len der Nachhaltigkeit. Darüber hinaus wird auch häufig die technische Dimension in der Bewertung berücksichtigt. Auch ist hier noch einmal zu sehen, dass einer-seits die Nachhaltigkeitsbewertung mit einer MCDA im Energiebereich schon weit

6Scholz unterscheidet bei den Partizipations- und den Kommunikationszielen zwischen der Ebe-ne des Akteurskreises und der weiteren Öffentlichkeit. Der Akteurskreis umfasst die Akteure, die in die MCDA einbezogen werden, also Entscheidungsträger, Kritiker und Promotoren des Projektes, Betroffene etc., die Öffentlichkeit geht darüber hinaus.