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6. Theoretische Ausgangsposition

6.3 Kompetenzmodelle

6.3.2 Lernfeldkonzept

Die zuvor dargestellten Betrachtungen bezüglich der Kompetenzbegriffe und Handlungsorien-tierung münden unmittelbar in das Konzept der LernfeldorienHandlungsorien-tierung ein. Am 9. Mai 1996 wurde durch den Unterausschuss für berufliche Bildung der KMK das Lernfeldkonzept in Form einer Handreichung für die Erarbeitung von Rahmenlehrplänen für den berufsbezoge-nen Unterricht vorgelegt. Damit wurde das Lernfeldkonzept in der berufsbildenden Schule verpflichtend für alle neuen und neu zu ordnenden Berufe eingeführt. Anstelle einer traditio-nellen Fächersystematik und der dazugehörigen Fachwissenschaften bilden nunmehr beruf-liche Handlungsfelder eines zu erlernenden Berufes den Ausgangspunkt curricularer Über-legungen, die in den Rahmenlehrplänen für den berufsbezogenen Unterricht in der Berufs-schule in Form von Lernfeldern ausgewiesen werden. Diese werden mit Zielen im Sinne von Handlungskompetenzen und Inhalten beschrieben, um in der Berufsschule als Lehr-Lern-Arrangements aus Lernsituationen konkret aufbereitet werden zu können (vgl. BADER 2003, S. 213 f.; SLOANE 2003, S. 2 ff.).

Die Orientierung an authentischen Problemstellungen und Aufgaben der beruflichen Praxis soll zum einen die Entwicklung beruflicher Handlungskompetenz unterstützen und gleichzei-tig zum handlungsorientierten, ganzheitlichen und fächerübergreifenden Lernen beitragen.

Damit sollen die input-orientierten Lehrpläne einem outcome-orientierten Lehrplan weichen,

der sehr individuelle und regionalspezifische Ausprägungen annehmen kann (vgl. SLOANE 2003, S. 3). Den berufsbildenden Schulen und den dort Lehrenden kommt infolge der Curri-culumplanung und -entwicklung mehr Selbstverantwortung zu (BUSCHFELD 2003, S. 1 ff.).

Die nachfolgende Abbildung 3 definiert Handlungsfelder, Lernfelder, Lernsituationen sowie Lernaufgaben und zeigt deren wechselseitige Beziehungen auf.

Abb. 3: Wechselwirkung zwischen Handlungs- und Lernfeldern sowie Lernsituationen und Lernaufgaben (nach BADER2003, S. 213; BADER2000, S. 42 – ergänzt)

Da das Lernfeldkonzept seit seiner verbindlichen Einführung vor fast 20 Jahren keinen bun-desweiten Einzug in gartenbauliche Berufsschulen gefunden hat, soll zunächst der Perspek-tivwechsel kurz aufgezeigt werden.

Fächersystematik

Der traditionelle, dem Fächerprinzip zugrunde liegende Berufsschulunterricht folgt der Sys-tematik der jeweiligen Fach- bzw. Bezugswissenschaft. Dazu werden in den Kernfächern die fachsystematischen Strukturen der jeweiligen Bezugswissenschaften weitgehend in die Unter-richtsfächer übernommen (vgl. BRUCHHÄUSER 2003, S. 495; MARTIN 2011, S. 1 f.), womit die fachwissenschaftliche Systematik zum Ausgangspunkt inhaltlicher Curriculum-entscheidungen wird (vgl. TRAMM 2002, S. 42). Das inhaltliche Profil der Wissenschafts- disziplinen wird dabei für die berufliche Bildung entwickelt und auf den jeweiligen

Berufs-schulunterricht passend zugeschnitten.19 Eine klassische Trennung zwischen dem Lernort Berufsschule als Ort der Theorievermittlung und dem Lernort Betrieb als Ort der Praxis-vermittlung ist die Folge (vgl. REIMER 2011, S. 12).

Die Vorteile der Fächersystematik liegen nach BRUCHHÄUSER im Anspruch auf inhaltliche Vollständigkeit durch den Rückbezug auf die jeweiligen Wissenschaften in einer begründeten, nachvollziehbaren Lehrplanstruktur in den entsprechenden Unterrichtsfächern. Ein systema-tischer Wissensaufbau in strukturierter Akkumulation von Kenntnissen dürfte so erleichtert werden (vgl. BRUCHHÄUSER 2003, S. 495 f.; SLOANE 2002, S. 9). Außerdem liefert nach HANSIS die Vermittlung von Grundlagen im Fächerunterricht eine strukturierte Übersicht und verdeutlicht deren Gesamtzusammenhänge (vgl. HANSIS 2000, S. 129 f.). Darüber hin-aus ermöglichen wissenschaftssystematisch strukturierte Fächer eine Orientierung über den eigenen Beruf hinaus und erleichtern die berufliche Fort- und Weiterbildung (vgl. SCHOPF 2001, S. 75; SCHANZ & BONZ 2009, S. 184).

Nachweislich treten jedoch durch die Orientierung an der Fachsystematik Motivations-probleme bei den Lernenden auf, da diese keinen Zusammenhang zwischen den Fächern in der Berufsschule und der beruflichen, situativen Realität im Betrieb sehen (vgl. BRUCH-HÄUSER 2001, S. 329 f.; BRUCHBRUCH-HÄUSER 2003, S. 496; DUBS 2000, S. 15 f.). Die Aus-wahl der Lerninhalte orientiert sich an den zugrunde liegenden Wissenschaften, die zwar im Abstraktions- und Schwierigkeitsgrad der betreffenden Klientel angepasst sind (vgl. CLE-MENT 2003, S. 2), aber eine Distanz zur Lebenssituation aufweisen (vgl. BRUCHHÄUSER 2003, S. 496). Der Situationsbezug zur Illustration der zuvor vermittelten Lerninhalte erfolgt ggf. durch isolierte Fallbeispiele (vgl. TRAMM 2002, S. 46). Dadurch entsteht ein Transfer-problem, da der Wissenserwerb der Lernenden eng an die Strukturen der Lehrpläne und Unterrichtsfächer gebunden bleibt (vgl. BRUCHHÄUSER 2001, S. 330). Diese Transfer-leistung ist allein den Lernenden überlassen und wird von ihnen oft nicht realisiert, was viel-leicht erklärt, weshalb die Motivation sinkt (vgl. SCHOPF 2001, S. 75; BRUCHHÄUSER 2001, S. 330; BRUCHHÄUSER2003, S. 496).

„Die reine Vermittlung von Informationen reicht nicht aus, da Wissen die Kriterien für die Anwendung nicht in sich trägt. Handeln und Problemlösen wird erst möglich, wenn fachliche, soziale, methodische und persönliche Aspekte zusammen spielen“ (FAUSTMANN 2009,

19 Der Bezugsberuf Gärtner der Fachrichtung Garten- und Landschaftsbau bezieht seine Schwerpunkte aus der Fachwissenschaft „Land- und Gartenbauwissenschaft“ sowie der Bezugswissenschaft „Landschaftsarchitek-tur“ (vgl. MARTIN 2011, S 1 f.).

S. 100). Zielführend wäre die Vermittlung so genannten Handlungswissens bzw. die Förde-rung von Handlungskompetenz (vgl. LIPSMEIER & PÄTZOLD 2000, Vorwort; PÄTZOLD 2000, S. 75; BRUCHHÄUSER 2001, S. 330). Aufgrund der zu vermittelnden Stofffülle nei-gen Lehrende häufiger dazu, eine lehrerzentrierte, frontale Stoffvermittlung im Unterricht zu wählen, so dass die zumeist passiven Lernenden nicht oder nur selten die Möglichkeit haben, ihre Team- bzw. Kooperationsbereitschaft zu zeigen sowie ihre Fähigkeit zum selbstständigen Lernen auszubauen (vgl. DUBS 2000, S. 15; KLAUSER 2000, S. 183; SCHOPF 2001, S. 76).

Lernfeldorientierung

Das Lernfeldkonzept stellt berufliche Handlungsfelder bzw. berufliche Situationen in den Mittelpunkt curricularer Überlegungen und löst damit die traditionelle Fächerstruktur in der Berufsschule nahezu ab (vgl. TRAMM 2002, S. 42). Die berufsbezogenen Fächer werden durch Lernfelder ersetzt (vgl. PÄTZOLD 2003, S. 54 f.). Trotzdem erfordert der Fachunter-richt nach lernfeldstrukturierten Rahmenlehrplänen auch die zugrunde liegenden wissen-schaftlichen Systematiken nachzuvollziehen und die notwendigen Fachtermini gemäß dem Wissenschaftsprinzip zu erlernen (vgl. SCHOPF 2001, S. 76). Lernfeldorientierte Curricula nehmen Bezug auf berufstypische Arbeitssituationen, mit denen die Lernenden eines Ausbil-dungsberufes „in ihrer beruflichen Praxis voraussichtlich konfrontiert sein werden“

(CLEMENT 2003, S. 2).

Die Ziele und Inhalte der Lernfelder leiten sich aus Analysen berufstypischer Tätigkeits-bereiche ab (vgl. CLEMENT 2003, S. 2). Deren Auswahl im Unterricht orientiert sich an authentischen Aufgabenstellungen aus der beruflichen Praxis, die den Berufsanforderungen in einer sich ständig wandelnden Arbeitswelt gerecht werden sollen (vgl. BRUCHHÄUSER 2001, S. 325 ff.). Durch diese Nähe werden Lernende zum selbstständigen Handeln in kom-plexen Situationen im Sinne umfassender Handlungskompetenz sowie zum lebenslangen Ler-nen befähigt (vgl. SLOANE 2000, S. 82; BRUCHHÄUSER 2001, S. 334; BRUCHHÄUSER 2003, S. 496 f.). Sie erkennen den Sinn und die Anwendungsmöglichkeiten des gelernten Wissens leichter, da die Lehr-Lern-Arrangements in Form von Lernsituationen unmittelbar an die eigenen beruflichen Erfahrungen und Probleme der Lernenden anknüpfen (vgl. SCHOPF 2001, S. 76; HANSIS 2000, S. 129). Gleichzeitig steigt durch das selbst gesteuerte, eigenver-antwortliche Lernen und die Handlungsorientierung des Unterrichts bei den meisten Lernen-den die Lernmotivation (vgl. SCHOPF 2001, S. 75; BRUCHHÄUSER 2001, S. 334;

BRUCHHÄUSER 2003, S. 496 f.). Somit unterstützt das Lernfeldkonzept mittels

handlungs-orientierter, entdeckender Lernformen den umfassenden Bildungsauftrag der Berufsschule (vgl. PÄTZOLD 2000, S. 75; KMK 2007, S. 9 ff.). Indessen ist auch nach belastbarer Evidenz für das tatsächliche Eintreten dieser Erwartungen zu fragen.

Kritisch betrachtet vernachlässigt Lernen im Lernfeldkonzept die Systematik und die Begriff-lichkeit der Fachwissenschaften, welche jedoch Grundlage für das berufliche Alltagswissen sind, „um Realität adäquat erfassen und vornehmlich im Medium der Sprache und Schrift im Unterricht präsentieren zu können“ (REINISCH 1999, S. 103). Durch den fehlenden Wissen-schaftsbezug gleicht sich das Lernen in fiktiven berufstypischen Situationen am Lernort Schule dem Lernen in realen beruflichen Situationen am Lernort Betrieb zu stark an, sodass dies zu einem unausgewogenen Verhältnis von Theorie und Praxis führt (vgl. LISOP 1999, S. 22; PAHL & SCHÜTTE2001, S. 52). Somit widerspricht das Lernfeldkonzept mit seiner Orientierung an beruflichen Situationen dem eigentlichen Anliegen von Berufsschule, situati-ves Lernen zu überwinden, „indem sie durch Institutionalisierung, Inhaltstrukturierung und Methodisierung sich über den Lebenszusammenhang stellt“ (BRUCHHÄUSER 2001, S. 338). Allerdings stehen auch diese Gegenargumente unter dem Vorbehalt ihrer empirischen Überprüfung.

Das Lernfeldkonzept ist eine Reaktion auf die veränderten Anforderungen am Arbeitsplatz.

Die damit verbundene Intention ist es, zu einer umfassenden beruflichen Bildung beizutragen, denn „Fachwissen veraltet sehr schnell. Daher wird ‚Kompetenzschulung‘ immer wichtiger.

Damit ist … gemeint, dass man Orientierungswissen verschafft und Kenntnisse, wie man sich Wissen erarbeitet, um sich immer wieder in neue Kontexte einarbeiten zu können. Letztlich geht es darum, denken zu lernen, zu argumentieren und zu schreiben“ (KÖRNER 2012, S. 14). Deshalb soll Berufsschule in lernfeldstrukturierten Rahmenlehrplänen nicht nur „zur Erfüllung der Aufgaben im Beruf sowie zur Mitgestaltung der Arbeitswelt und Gesellschaft in sozialer und ökologischer Verantwortung befähigen“ (KMK 2007, S. 9), sondern auch „beruf-liche Flexibilität zur Bewältigung der sich wandelnden Anforderungen in Arbeitswelt und Gesellschaft […] entwickeln“ (KMK 2007, S. 9) und „ein differenziertes und flexibles Bildungsangebot gewährleisten, um […] den jeweiligen Erfordernissen der Arbeitswelt und der Gesellschaft gerecht zu werden“ (KMK 2007, S. 10). Darunter fällt auch die Abstimmung curricularer Anforderungen und Prüfungsmodalitäten sowie die Berücksichtigung regionaler Besonderheiten (vgl. BEEK et al. 2003, S. 86).

Modellversuche

Zur Implementation des Lernfeldkonzepts sind schon frühzeitig zwei Modellversuche im berufsbezogenen Unterricht durchgeführt worden, und zwar im Rahmen der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) unter dem Leitgedanken

„Neue Konzepte in der dualen Berufsausbildung“. Beabsichtigt wurden damit stärker hand-lungs-orientierte und ganzheitliche Unterrichtsverfahren in den Berufsschulen sowie eine Stärkung schulischer Selbstverantwortung bei gleichzeitiger Verlagerung curricularer Entscheidungsspielräume in die Schule:

- Der Modellversuchsverbund „Neue Unterrichtsstrukturen und Lernkonzepte durch berufliches Lernen in Lernfeldern“ (NELE) in den Bundesländern Bayern und Hessen entwickelte im Hinblick auf die neuen lernfeldstrukturierten Rahmenlehr-pläne des Bundes im Zeitraum vom 01.10.1998 bis 30.09.2001 berufsübergreifende Hilfen zur direkten Übernahme in berufsbezogene Lehrpläne und zur unmittelbaren Umsetzung für berufsbezogene Unterrichtsplanung.

- Der Modellversuchsverbund „Steigerung der Effizienz neuer Lernkonzepte und Unterrichtsmethoden in der dualen Berufsausbildung“ (SELUBA) der Bundeslän-der Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen reagierte vom 01.10.1999 bis 30.09.2002 auf die Einführung des Lernfeldkonzeptes durch die KMK für den berufsbezogenen Unterricht mit domänenspezifischen Entwicklungen bezüglich Leistungsfeststellung und Qualitätssicherung in unterschiedlichen Bildungsgängen der beteiligten Bundesländer.

Beide Modellversuche sollten zur Weiterentwicklung der Berufsbildung, zu einem veränder-ten Schulverständnis und zu neuen Qualifikationsanforderungen in der dualen Ausbildung beitragen (vgl. THOMÉ2003, S. 4). Da die gärtnerische Berufsausbildung nicht Gegenstand der Modellversuche war, entstand 2005 an der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin auf dem Gebiet der Fachdidaktik Land- und Gartenbau-wissenschaft unter der Leitung des Arbeitsgruppenleiters BRÄUER das studentische Forschungsprojekt „Umsetzung des Lernfeldkonzepts im agraren Fachunterricht“, in dem unterstützende Maßnahmen und Materialien für an der Berufsschule Lehrende domänen-spezifisch erarbeitete wurden (vgl. BRÄUER et al. 2007, S. 160 ff.).

Davon ausgehend, dass „selbstständiges und verantwortungsbewusstes Denken und Handeln das übergreifende Ziel der Ausbildung darstellt“ (vgl. KMK 2007, S. 8) und kein lernfeld-strukturierter Rahmenlehrplan für Gärtner als berufliches Ordnungsmittel existiert (HOLBECK 2008, pers. Mitteilung), entwickelte der Autor einen fachspezifischen Rahmen-lehrplan für den berufsbezogenen Unterricht nach Vorgabe der gegenwärtigen KMK-Handreichung. Die zum Teil offen formulierten Lernfelder werden in Form von Lernsitua-tionen konkretisiert, die sich an realen beruflichen SituaLernsitua-tionen orientieren und von denen deshalb Motivationsimpulse für die Lernenden erwartet werden. Eine gezielte Entwicklung beruflicher Handlungskompetenz wird durch handlungsorientierte Lehr-Lern-Arrangements insofern besonders berücksichtigt, als neben der Vermittlung von Orientierungswissen

„systemorientiertes vernetztes Denken und Handeln [sowie] das Lösen komplexer und exem-plarischer Aufgabenstellungen […] in besonderem Maße gefördert“ (KMK 2007, S. 17;

BADER2004, S. 61) wird bzw. werden soll.